Archiv der Kategorie: Verfahrensrecht

Europäisches Markenamt (HABM) und EuG dürfen die Unterscheidungskraft nationaler Marken nicht in Frage stellen

Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens bei Anmeldung einer europäischen Gemeinschaftsmarke vor dem europäischen Markenamt (HABM) darf die Unterscheidungskraft und damit die Schutzfähigkeit einer nationalen Marke nicht in Frage gestellt werden.

Im vorliegenden Fall ging es um die eingetragene nationale Wortmarke „F1“, welche die Formula One Licensing BV für Publikationen, Sportveranstaltungen, Reservierung von Karten über das Internet und andere offenbar für den Formel-1-Zirkus relevante Bereiche hat eintragen lassen. Die Inhaberin der Marke „F1“ hat gegen die Neuanmeldung der europäischen Wort-Bildmarke „F1-Live“ in denselben Bereichen Widerspruch eingelegt. Das Amt, welches dann zu prüfen hatte, ob die neue Marke „F1-Live“ der Marke „F1“ zu ähnlich ist, um als Marke eingetragen zu werden, ging dann davon aus, dass die Widerspruchsmarke „F1“ nicht unterscheidungskräftig sei und im Ergebnis der Neuanmeldung der Marke „F1-Live“ nicht entgegenstünde. Das EuG hat diese Einschätzung bestätigt. Der Europäische Gerichtshof hat diese Praxis nun für unvereinbar mit der europäischen Gemeinschaftsmarkenverordnung erklärt.

Nationale Marke und europäische Marken bestünden nebeneinander im europäischen Wirtschaftsleben. Weder das HABM noch das EuG seien zuständig, die Eintragung nationaler Marken zu beanstanden oder die Nichtigkeit solcher Marken zu prüfen. Nationalen registrierten Marken sei insofern stets ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft zuzusprechen. Das Europäische Gericht (EuG) müsse die Angelegenheit unter diesen Umständen erneut prüfen und darf nun die Gültigkeit der eingetragenen nationalen Marke nicht mehr in Frage stellen (EuGH, Urteil vom 24. 5. 2012 – C-196/11 P).
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BGH: TÜV – Bestimmung der Reihenfolge der Klagegründe im Wege einer alternativen Klagehäufung Beschluss vom 24.03.2011 – I ZR 108/09

a) Die alternative Klagehäufung, bei der der Kläger ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet und dem Gericht die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt, verstößt gegen das Gebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, den Klagegrund bestimmt zu bezeichnen.

b) Hat der Kläger mehrere Klagegründe im Wege einer alternativen Klagehäufung verfolgt, kann er die gebotene Bestimmung der Reihenfolge, in der er die prozessualen Ansprüche geltend machen will, noch in der Berufungs- oder der Revisionsinstanz nachholen.

c) Nimmt der Kläger die Bestimmung erst in der Revisionsinstanz vor, kann der auch im Prozessrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben den Kläger in der Wahl der Reihenfolge in der Weise beschränken, dass er zunächst die vom Berufungsgericht behandelten Streitgegenstände zur Entscheidung des Revisionsgerichts stellen muss.

BGH, Beschluss vom 24.03.2011 – I ZR 108/09TÜV
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, § 15 Abs. 2 und 3; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2

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BPatG: Wiener Griessler – Widerspruch gegen eine Löschung Beschluss vom 17.02.2011 – 25 W (pat) 216/09

1. Stellt die Inhaberin der mit dem Löschungsantrag angegriffenen Marke innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG lediglich einen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme auf die Mitteilung nach § 54 Abs. 2 Satz 1 MarkenG, kann dies regelmäßig nicht als Widerspruch i. S. d. § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG ausgelegt werden.

2. Der innerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG erhobene Widerspruch ist notwendige Voraussetzung für die Durchführung eines Löschungsverfahrens nach § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG mit materiellrechtlicher Prüfung der im Löschungsantrag geltend gemachten Löschungsgründe. Das Vorliegen dieser Verfahrensvoraussetzung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Ihr Fehlen stellt ein Verfahrenshindernis dar mit der zwingenden Rechtsfolge, dass die angegriffene Marke im angegriffenen Umfang zu löschen ist, § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG.

3. Die Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG stellt eine gesetzliche Ausschlussfrist dar, die nicht verlängerbar ist. Sie steht weder zur Disposition des Patentamts noch kann der Löschungsantragsteller auf deren Einhaltung mit Rechtswirkung ausdrücklich oder etwa durch rügelose Einlassung verzichten.

BPatG, Beschluss vom 17.02.2011 – 25 W (pat) 216/09Wiener Griessler
MarkenG § 54

BPatG: Prinzessin von Hohenzollern Beschluss vom 13.01.2011 – 25 W (pat) 21/10

Der Widerspruch gegen die Eintragung der Marke „Prinzessin von Hohenzollern“ aus der IR-Marke „Prinz von Hohenzollern“ war gemäß § 43 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 MarkenG i. V. m. §§ 107 Abs. 1, 115 Abs. 2, 116 Abs. 1 MarkenG zurückzuweisen, da die Widersprechende nach Erhebung der Nichtbenutzungseinrede im Beschwerdeverfahren eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im maßgeblichen Benutzungszeitraum für keine der Waren, auf die sie den Widerspruch gestützt hat, glaubhaft gemacht hat.

BPatG, Beschluss vom 13.01.2011 – 25 W (pat) 21/10Prinzessin von Hohenzollern
§ 43 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 MarkenG i. V. m. §§ 107 Abs. 1, 115 Abs. 2, 116 Abs. 1 MarkenG

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BGH: SUPERgirl Beschluss vom 17.08.2010 – I ZB 59/09

Hat die Markenstelle die Eintragung des angemeldeten Zeichens als Marke wegen Fehlens der Unterscheidungskraft versagt, so liegt kein wesentlicher Verfahrensmangel i.S. von § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG vor, wenn die Markenstelle dabei zwar Vorbringen des Anmelders zur Eintragung ähnlicher Zeichen berücksichtigt, aber nicht im Einzelnen Gründe für eine differenzierte Beurteilung angegeben und nicht dargelegt hat, dass sie die Voreintragungen für rechtswidrig halte.

BGH, Beschluss vom 17.08.2010 – I ZB 59/09SUPERgirl
MarkenG § 70 Abs. 3 Nr. 2, § 8 Abs. 2 Nr. 1

BPatG: TSP – Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren Beschluss vom 01.12.2010 – 28 W (pat) 36/10

Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor
dem Bundespatentgericht richtet sich gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nach den Bestimmungen der §§ 114 ff. ZPO.

BPatG, Beschluss vom 01.12.2010 – 28 W (pat) 36/10TSP
§§ 66, 82 Abs. 1 Satz 1, 91 MarkenG, 134 PatG, §§ 114 ff. ZPO

BPatG: akustilon Beschluss vom 27.07.2010 – 24 W (pat) 80/08

1. Die Mitteilung und Unterrichtung nach § 53 Abs. 4 MarkenG stellt einen der Erinnerung bzw. Beschwerde zugänglichen Beschluss dar.

2. Gegenstand eines entsprechenden Rechtsmittelverfahrens ist allein die Frage, ob ein rechtswirksamer Widerspruch gegen die beantragte Löschung vorliegt.

3. Ist ein Verfallslöschungsantrag darauf gestützt, dass der Inhaber der Marke die in § 7 MarkenG genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (§ 49 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG), wird aber der Löschung seitens oder für den eingetragenen Inhaber widersprochen, so ist dem Antragsteller vor einer Mitteilung und Unterrichtung gemäß § 53 Abs. 4 MarkenG rechtliches Gehör zu gewähren; gegebenenfalls ist von Amts wegen zu ermitteln, ob ein rechtswirksamer Widerspruch vorliegt.

4. Die Zustellung der Mitteilung des Löschungsantrags an einen nicht mehr existenten eingetragenen Inhaber der Marke ist unheilbar unwirksam und setzt die Widerspruchsfrist des § 53 Abs. 3 MarkenG nicht in Lauf. Daher kommt eine Löschung nicht mehr in Betracht, wenn ein formell durch Umschreibungsantrag oder Umschreibung legitimierter Erwerber der Marke der Löschung im weiteren Verlauf des Verfahrens wirksam widerspricht.

BPatG, Beschluss vom 27.07.2010 – 24 W (pat) 80/08akustilon
§ 49 Abs. 2 Nr. 3, § 53 MarkenG

BPatG: Unterschriftsmangel II Beschluss vom 16.11.2010 – 33 W (pat) 14/10

L e i t s ä t z e :

Zur schriftlichen Ausfertigung eines Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts gehört die Unterschrift des an seinem Zustandekommen beteiligten Amtsträgers oder – ersatzweise – der Abdruck seines Namens zusammen mit einem Abdruck des Dienstsiegels des Deutschen Patent- und Markenamts auf dem Original.

Fehlt es daran, so ist der Beschluss mangels gesetzlich vorgeschriebener Form unwirksam, was vom Bundespatentgericht festzustellen ist. Eine Nachholung der Unterschrift oder der Anbringung des Dienstsiegels im Beschwerdeverfahren ist bei einem im schriftlichen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt erlassenen Beschluss nicht möglich (Weiterentwicklung von BPatGE 41, 44 f.).

BPatG, Beschluss vom 16.11.2010 – 33 W (pat) 14/10Unterschriftsmangel II
§ 61 Abs. 1 MarkenG; § 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 DPMAV

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BGH: LIMES LOGISTIK – Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs Beschluss vom 24.06.2010 – I ZB 40/09

Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs i.S. von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG kann vorliegen, wenn das Deutsche Patent- und Markenamt in einem Löschungsverfahren wegen bösgläubiger Markenanmeldung einen wertvollen Besitzstand des Löschungsantragstellers zum Zeitpunkt der Markenanmeldung bejaht hat und das Bundespatentgericht das Vorbringen als unsubstantiiert seiner Entscheidung zugrunde legt, ohne einen richterlichen Hinweis zu erteilen.

BGH, Beschluss vom 24.06.2010 – I ZB 40/09LIMES LOGISTIK
MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1, § 83 Abs. 3 Nr. 3

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BPatG: IGEL PLUS/ PLUS – Anfechtung einer Kostenentscheidung des DPMA Beschluss vom 10.08.2010 – 33 W (pat) 9/09

L e i t s ä t z e :

1. Die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts ist gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vor dem Bundespatentgericht zulässig.

2. Das Vorliegen von Gründen der Billigkeit gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ist als gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung des Ermessens vom Bundespatentgericht im Beschwerdeverfahren zu überprüfen.

3. Für eine Kostenentscheidung zu Lasten eines Beteiligten gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG aus Gründen der Billigkeit bedarf es besonderer Umstände. Erforderlich ist regelmäßig ein schuldhafter Verstoß gegen die jedem Beteiligten obliegende allgemeine prozessuale Sorgfaltspflicht. Dieser kann vorliegen, wenn ein Beteiligter versucht, in einer erkennbar aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein eigenes rechtliches Interesse durchzusetzen. Von einer aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation kann nicht ausgegangen werden, wenn zur Zeit der Verfahrenseinleitung keine einheitliche Rechtsprechung existiert oder wenn es Entscheidungen zugunsten des unterliegenden Beteiligten gibt, mögen diese auch erst während des Verfahrens getroffen worden sein. Im vorliegenden Verfahren ist die Rechtslage komplex und es gibt Entscheidungen zugunsten der Widersprechenden, so dass es unbillig wäre, dieser die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

4. Die Entscheidung über eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG darf nicht pauschal erfolgen. Deshalb sind auch bei erfolgreichen isolierten Kostenbeschwerden sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Wenn der in der Hauptsache obsiegende Beteiligte lediglich im Hinblick auf die isolierte Kostenbeschwerde unterliegt, kann eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG unbillig sein, so dass gemäß § 71 Abs. 1 Satz 3 MarkenG jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat.

5. Bei einer erfolgreichen isolierten Kostenbeschwerde kann es gerechtfertigt sein, die Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG zurückzuzahlen.

BPatG, Beschluss vom 10.08.2010 – 33 W (pat) 9/09IGEL PLUS/ PLUS
§§ 63 Abs. 1 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 71 Abs. 1 und 3, 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, § 99 ZPO

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