BPatG: Die Marke „Kulturkraftwerk“ ist mit der Marke „Kraftwerk“ der gleichnamigen Band verwechslungsfähig

Der 27. Senat des Bundespatentgerichts scheint ein Fan der Band Kraftwerk zu sein. Jedenfalls hat sich die Band in einem Marken-Löschungsverfahren mit ihrer für Musikdarbietungen geschützten Marke „Kraftwerk“ gegen die Marke „Kulturkraftwerk“ durchgesetzt.

Das Gericht bejahte die Verwechslungsgefahr wegen einer gedanklichen Verbindung im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Obwohl die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Marke Kraftwerk bestritten wurde, bestätigte der Senat sie für Musikdarbietungen als gerichtsbekannt: „Bei „Kraftwerk“ handelt es sich um eine seit ca. 40 Jahren tätige Band, die maßgeblich die Entwicklung elektronischer Musik beeinflusste (Pascal Bassy, Neonlich – die Kraftwerkstory, 2006) und so eine bestimmte „Kultur“-Richtung entwickeln half. Auch bekannte sich „Kraftwerk“ zur deutschen Sprachkultur.“

Anmerkung:

Der Beschluss „Kraftwerk“ nimmt zu einem wichtigen Gesichtspunkt Stellung: Der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen in unterschiedlichen Klassen. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr richtet sich nach mehreren Faktoren, zwischen denen eine Wechselwirkung besteht. Der Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen und Kennzeichnungskraft der älteren Marke.

Dem Umstand, dass die beiderseitigen Dienstleistungen unterschiedlichen Klassen der amtlichen Klasseneinteilung zugeordnet sind, kommt allerdings allenfalls eine erste indizielle Bedeutung zu, jedoch bei einander ergänzenden Leistungen keine maßgebliche, die Ähnlichkeit ausschließende. Im Ergebnis stellte das Gericht fest, dass die Dienstleistungen der Marke „Kulturkraftwerk“ („Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen“) hochgradig ähnlich zu denen der Marke „Kraftwerk“ („Musikdarbietungen sowie Veranstaltung und Vermittlung von Konzerten und Musikaufführungen“) sind.

BPatG, Beschluss vom 10.08.2009 – 27 W (pat) 88/09KRAFTWERK
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 306 26 763

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. August 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Dr. van Raden und Richter Kruppa

beschlossen:

I. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Oktober 2008 wird aufgehoben.

II. Die Marke 306 26 763 ist auf den Widerspruch aus der Marke 2 066 717 zu löschen.

G r ü n d e

I
Gegen die für die Dienstleistungen der Klasse 41 Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen am 20. Dezember 2006 eingetragene (Veröffentlichung am 19. Januar 2007) Wortmarke 306 26 763

Kulturkraftwerk

ist am 7. März 2007 Widerspruch eingelegt worden aus der am 11. Dezember 1993 angemeldeten und am 3. Juni 1994 eingetragenen Wortmarke 2 066 717

Kraftwerk

welche noch für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 41, 9, 18, 25, 28, 35

Bespielte magnetische, magneto-optische und optische Träger für Ton und/oder Bild; Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Rucksäcke; Bekleidungsstücke einschließlich Sport-und Freizeitbekleidung; Turn-, Fitneß- und Sportgeräte; Werbung und Marketing für Dritte; Durchführung von Public-Relations-Maßnahmen; Produktion und Herausgabe von Bild-, Ton- und Datenträgern einschließlich Fernsehproduktion; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen; Musikdarbietung; Film-, Tonund Videovorführungen sowie Vermittlung derartiger Vorführungen; Veranstaltung und Vermittlung von Konzerten und Musikaufführungen; Rundfunk- und Fernsehunterhaltung; Vermietung von Räumlichkeiten für Konzert-und Musikaufführungen sowie von Musik- und Videostudios

Schutz genießt und zwischenzeitlich auf den Beschwerdeführer umgeschrieben worden ist.

Die Markenstelle für Klasse 41 hat den Widerspruch durch Beschluss vom 17. Oktober 2008 zurückgewiesen mit der Begründung, das angegriffene Zeichen sei dem Widerspruchszeichen nicht zum Verwechseln ähnlich. Letzteres verfüge mangels entgegenstehender Anhaltspunkte über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft könne lediglich für Musikdarbietungen angenommen werden, die jedoch nicht mit „Veranstaltung, Organisation und Durchführung von Konzerten und Musikaufführungen“ identisch seien, da erstere von einer Band selbst erbracht würden, während die Organisation meist ein Veranstalter übernehme. Zielgruppe seien Fachkreise aus dem kulturellen Bereich mit einer berufsbedingt angemessenen Sorgfalt.

Die einander gegenüberstehenden Marken „Kulturkraftwerk“ und „Kraftwerk“ seien im Wortbeginn, in der Silbenzahl, der Vokalfolge, dem Sprech- und Betonungsrhythmus sowie in der Wortlänge auffallend unterschiedlich.

Es bestehe auch kein Anlass zu einer Verkürzung und keine Prägung, da es sich jeweils um ein Einwortzeichen mit einer Gesamtaussage handle. So könne eine klangliche Verwechslung ausgeschlossen werden. Auch der Sinngehalt des Bestandteils „Kultur“ stünde der Verwechslungsgefahr entgegen. Für andere Arten der Verwechslung sei nichts dargetan oder ersichtlich.

Dieser Beschluss wurde dem Widersprechenden am 27. Oktober 2008 zugestellt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden vom 26. November 2008. Er macht geltend, dass die von der Markenstelle festgestellte erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Musikdarbietungen dazu führe, dass auch die Eintragung eines ähnlichen Zeichens im weiteren Ähnlichkeitsbereich verhindert werden könne.

Er beantragt (sinngemäß),

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

II.
1) Der ursprüngliche Beschwerdeführer zu 2) beteiligt sich am Verfahren nicht mehr, da die Umschreibung auf den nun alleinigen Inhaber der Widerspruchsmarke abgeschlossen ist.

2) Da die Beteiligten keine mündliche Verhandlung beantragt haben und diese nach Wertung des Senats auch nicht geboten ist, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Dass sich der Beschwerdegegner im Beschwerdeverfahren nicht geäußert hat, steht dem nicht entgegen. Das Bundespatentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich im schriftlichen Verfahren (§ 69 MarkenG) und ohne zeitliche Bindung. Das Gebot des rechtlichen Gehörs gebietet es lediglich, den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit zu geben, Stellungnahmen zum Sachverhalt abzugeben und ihre eigene Auffassung zu den entsprechenden Rechtsfragen darzulegen sowie Anträge zu stellen. Nachdem die Beschwerde vom November 2008 datiert, bestand hierzu hinreichend Gelegenheit.

3) Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats besteht eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG aufgrund assoziativer Verbindung.

Zwischen den für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren, Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke, besteht eine Wechselwirkung. So kann eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken und Dienstleistungen ausgleichen und umgekehrt (EuGH GRUR 2005, 1042 – Thomson Life; BGH GRUR 2005, 326 – il Patrone / Portone).

a) Nachdem die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht bestritten wurde, ist bei der Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit für die Widerspruchsmarke von den im Register eingetragenen Waren und Dienstleistungen auszugehen.

Eine Ähnlichkeit zwischen Dienstleistungen, auf die es hier maßgeblich ankommt, liegt vor, wenn die beteiligten Kreise der Ansicht sein könnten, dass üblicherweise dieselben Unternehmen die beiderseitigen Dienstleistungen erbringen. Dabei kommt es vor allem auf Art und Zweck der Dienstleistungen, den Nutzen der Leistung für den Empfänger sowie die Vorstellungen der Verbraucher an.

Dem Umstand, dass die beiderseitigen Dienstleistungen unterschiedlichen Klassen der amtlichen Klasseneinteilung zugeordnet sind, kommt demgegenüber allenfalls eine erste indizielle Bedeutung zu, jedoch bei einander ergänzenden Leistungen keine maßgebliche, die Ähnlichkeit ausschließende. Organisation und Durchführung von kulturellen Veranstaltungen sind sogar hochgradig ähnlich zu Musikdarbietungen sowie Veranstaltung und Vermittlung von Konzerten und Musikaufführungen, zumal Musikgruppen selbst ihre Auftritte, Konzerte und Tourneen organisieren oder jedenfalls daran beteiligt sind.

b) Die gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist zwar bestritten, aber für Musikdarbietungen gerichtsbekannt. Bei „Kraftwerk“ handelt es sich um eine seit ca. 40 Jahren tätige Band, die maßgeblich die Entwicklung elektronischer Musik beeinflusste (Pascal Bassy, Neonlich – die Kraftwerkstory, 2006) und so eine bestimmte „Kultur“-Richtung entwickeln half. Auch bekannte sich „Kraftwerk“ zur deutschen Sprachkultur.

c) Der Ansicht, es sei auf Fachkreise abzustellen, kann nicht zugestimmt werden, da jeweils auch die Besucher der Veranstaltungen angesprochen werden. Es kommt also auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an. Eine erhöhte Aufmerksamkeit ist nicht zu Grunde zu legen.

d) Der Feststellung der Markenstelle, es fehle eine klangliche Ähnlichkeit kann zugestimmt werden. Durch den am Wortanfang stehenden Zusatz „Kultur“ weicht „Kulturkraftwerk“ in der Wortlänge erheblich von „Kraftwerk“ ab. Beide Markenwörter sind einfach und klar aussprechbar. Auch die Betonung wird bei „Kulturkraftwerk“ wohl eher auf dem ersten Wort „Kultur“ liegen. Ebenso verhindert der Zusatz eine schriftbildliche Ähnlichkeit, weil er nicht übersehen werden kann. Ob der von der Markenstelle herangezogene Sinn des abweichenden Wortes „Kultur“ einer begrifflichen Verwechslungsgefahr der Marken sowie einer Prägung des Gesamteindrucks durch den Bestandteil „Kraftwerk“ entgegensteht, oder ob hier nicht eine spezialisierende Ergänzung, wie bei „Kraftwerk“ -„Kohlekraftwerk“ „Video“ -„Musikvideo“, „Kultur“ -„Kulturprogramm“, vorliegt, kann dahinstehen.

Es besteht nämlich jedenfalls eine Verwechslungsgefahr wegen einer gedanklichen Verbindung im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Diese Art der Verwechslungsgefahr hat zur Voraussetzung, dass die Verbraucher, die die Unterschiede der Marken wahrnehmen und sie deshalb nicht unmittelbar verwechseln, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Markenbildung oder in prägenden Einzelteilen Anlass haben, die jüngere Marke (irrtümlich) der Inhaberin der älteren Marke zuzuordnen oder auf Grund dieser Umstände auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern schließen.

Die Übereinstimmungen der Zeichen in dem Bestandteil „Kraftwerk“ bewirkt nicht lediglich eine allgemeine, nicht herkunftshinweisende rein assoziative gedankliche Verbindung, die für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht ausreichen würde (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, Rn. 26 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 2004, 779, 782 – Zwilling / Zweibrüder), sondern stellt den Namen einer bekannten Band in ihren beruflichen Kontext, was insbesondere bei den beanspruchten Dienstleistungen zum Tragen kommt. Dabei verschmelzen „Kultur“ und „Kraftwerk“ nicht zu einem neuen Gesamtbegriff, in dem der Bezug zu der Band verloren gehen könnte. Der Bestandteil „Kultur“ verleiht im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Dienstleistungen dem angegriffenen Zeichen nämlich keinen anderen Sinn, da insoweit ein Hinweis auf Kultur selbstverständlich erscheint.

5) Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs über einen Einzelfall entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten getroffen worden ist, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten in anderen Entscheidungen ganz oder teilweise nicht vergleichbar sind.

6) Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Unterschriften

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