OLG Hamm: „Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Abbildungen ähnlich“ im Werbeprospekt

Leitsatz:

Die Hinweise „Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Abbildungen ähnlich“ in einem Werbeprospekt stellen keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar.

OLG Hamm, Urteil vom 29.11.2007 – 17 U 91/07

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13.04.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund – 8 O 313/06 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.
Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer Verbraucherorganisationen. Die Beklagte bietet Kommunikationsdienstleistungen an. Zu diesem Zweck vertreibt sie einen Katalog, in dem sie über ihre Produkte, deren Preise und nähere Konditionen informiert. Der Kläger hat sich gegen eine Textpassage auf Seite 39 des Kataloges September 2005 gewendet, in der es in der Schlusszeile der Fußnotenanmerkungen unter anderem heißt:

„…Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Abbildungen ähnlich.“

Dieser Hinweis ist fast auf jeder Doppelseite des Kataloges vorhanden.

Der Kläger hat die Beklagte fruchtlos aufgefordert, betreffend die Verwendung dieser Textteile eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Zur Stützung seiner Auffassung, bei der zitierten Passage handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, hat er folgenden unstreitigen Sachverhalt vorgetragen.

Der Verbraucher V war auf die Leistungen der Beklagten durch deren Katalog aufmerksam geworden und schloss mit dieser einen Vertrag über einen mit „…“ bezeichneten Tarif, bei dem im Katalog ein Inklusivvolumen von 100 Megabyte ausgewiesen war. Vor Abschluss des Vertrages wurde dem Kunden V auf Nachfrage bestätigt, dass die Angabe des Inklusivvolumens zutreffe. Erst im Rahmen der Vertragsabwicklung erfuhr er, dass der Vertrag tatsächlich nur mit einem Inklusivvolumen von 30 Megabyte praktiziert wurde. Auf eine entsprechende Rüge hin teilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 19.05.2005 mit:

„Wir bedauern unseren Irrtum, weisen jedoch in der Fußnote darauf hin, dass Änderungen und Irrtümer vorbehalten sind.“

Der Kläger hat auf dieser Grundlage die Auffassung vertreten, bei den in der Katalogfußnote enthaltenen Anmerkungen „Änderungen und Irrtümer vorbehalten. Abbildungen ähnlich.“ handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren Verwendung die Verbraucher unangemessen benachteilige. Der Inhalt des Katalogs sei geeignet, bei Abschluss eines Vertrages zum Leistungsinhalt zu werden. Mit der Klausel relativiere die Beklagte die Katalogangaben mit der Folge, dass der Kunde hinsichtlich berechtigter Vertragsansprüche ausgeschlossen würde. Die Klausel verstoße gegen §§ 308 Nr. 4, 309 Nr. 8, 307 BGB.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es unter Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern (§ 13 BGB) nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmungen im Zusammenhang mit Angeboten für Telekommunikationsleistungen, wie auf Seite 39 des Kataloges „September 2005“ geschehen und wie aus der als Anlage beigefügten Kopie ersichtlich, zu verwenden und sich auf die Bedingung bei der Abwicklung von Verträgen, die auf der Grundlage des Kataloges geschlossen wurden, zu berufen:

1. „Änderungen und Irrtümer vorbehalten“

2. „Abbildung ähnlich“.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die verwendeten Textpassagen seien rechtmäßig, es handele sich auch schon nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen.

Das Landgericht hat die Klage durch das am 13.04.2007 verkündete und dem Klägervertreter am 23.05.2007 zugestellte Urteil mit der Begründung abgewiesen, bei den gerügten Passagen handele es sich bereits nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die fraglichen Textteile riefen beim Empfänger bereits vom objektiven Wortlaut nicht den Eindruck hervor, dass damit der Inhalt eines Rechtsverhältnisses gestaltet werden solle. Der Katalog enthalte lediglich eine invitatio ad offerendum. Der Kunde könne nicht davon ausgehen, dass ein Leistungsangebot der Beklagten noch in der abgedruckten Form bestehe bzw. zutreffend wiedergegeben sei. Die Formulierungen stünden zudem im Zusammenhang mit lediglich allgemeinen Angaben, nicht mit inhaltlichen Angaben. Der Beurteilung stehe auch nicht die Neufassung des § 434 Absatz 1 Satz 3 BGB entgegen, da die Textpassagen gerade angäben, was vom Kunden nicht sicher erwartet werden dürfe.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit bei Gericht am 12.06.2007 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 09.07.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet. Er verfolgt mit der Berufung seinen Klageantrag weiter und hält an seiner Auffassung fest, dass es sich bei den gerügten Textpassagen um AGB handele. Die vom Landgericht getroffene Unterscheidung einer invitatio ad offerendum und einem Angebot sei angesichts § 434 Absatz 1 Satz 3 BGB nicht mehr haltbar. Vielmehr drohe dem Verbraucher – wie im geschilderten Einzelfall – der Verweis auf die Textpassage. Hinsichtlich des Bedeutungsgehalts müsse von der kundenunfreundlichsten Variante ausgegangen werden. Die Textpassage stehe im Kontext mit vertraglichen Bestimmungen und sei nicht entscheidend abgesetzt. Sie sei funktional geeignet, Vertragsbestandteil zu werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des LG Dortmund vom 13. April 2007, Az. 8 O 313/06 zu verurteilen, es unter Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern (§ 13 BGB) nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmungen im Zusammenhang mit Angeboten für Telekommunikationsleistungen, wie auf Seite 39 des Kataloges „September 2005″ geschehen“ und wie aus der als Anlage beigefügten Kopie ersichtlich, zu verwenden und sich auf die Bedingungen bei der Abwicklung von Verträgen, die auf der Grundlage des genannten Kataloges nach dem 01.04.1977 geschlossen wurden, zu berufen:

1. „Änderungen und Irrtümer vorbehalten“

2. „Abbildungen ähnlich“;

und

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Argumentation des Klägers vermenge unterschiedliche Aspekte. Entscheidend sei aber lediglich, ob es sich bei den Textpassagen überhaupt um AGB handele, was wie vom Landgericht erörtert vom objektiven Inhalt und Erscheinungsbild abhänge und im Ergebnis zu verneinen sei.

II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der gerügten Katalogtextpassagen aus § 1 UKlaG zu.

Der Anspruch setzt voraus, dass es sich bei den gerügten Textteilen um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Bereits hieran fehlt es.

Die Legaldefinition der Allgemeinen Geschäftsbedingung setzt gemäß § 305 Absatz 1 BGB eine Vertragsbedingung, das heißt eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll (BGHZ 99, 374, 376; 133, 184, 187; BGH NJW 2005, 1645). Die Erklärung muss nach ihrem objektiven Wortlaut bei dem Empfänger den Eindruck hervorrufen, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden (BGH aao.).

Dabei erfüllen auch solche Erklärungen des Verwenders die Voraussetzungen des § 305 Absatz 1 BGB, die als sogenannte Vertragsabschlussklauseln das Zustandekommen des Vertrages zum Gegenstand haben oder ein vorvertragliches Rechtsverhältnis begründen sollen. Grundsätzlich kann auch Hinweisen in Werbeprospekten oder zum Beispiel auf Preisschildern AGB-Charakter zukommen, wenn sie aus Sicht des Empfängers dazu dienen, den Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses zu regeln (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1147; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10 Aufl., § 305 Rz. 11a).

Maßgebend für die Abgrenzung ist dabei die Auslegung der Erklärung gemäß §§ 133, 157 BGB.

Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Erklärungen in einem 56 Seiten starken Katalog der Beklagten enthalten sind, der einen Gesamtüberblick über die Produktpalette enthält. Schon das Landgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, das ein derartiger Katalog keine bindenden Angebote enthält, sondern öffentliche Werbung, mit der Kunden interessiert und aufmerksam gemacht werden sollen. Der Bundesgerichtshof hat sich in einer früheren Entscheidung (NJW 1997, 1780) mit einem ähnlich gelagerten Fall aus wettbewerbsrechtlicher Sicht befasst. Es ging um einen Werbeprospekt für Möbel und dort speziell um den kleingedruckten Hinweis, „Irrtümer sind vorbehalten!“. Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass dieser Hinweis aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sei, weil Irrtümer bei der Textabfassung und dem Druck nicht ausgeschlossen werden können und dass ein Anbieter das Recht haben müsse, darauf hinzuweisen. Aus der Sicht eines beworbenen Kunden ziele eine solche Klausel nicht auf den Ausschluss oder eine Verkürzung von Gewährleistungs- oder Rücktrittsrechten. Diese Begründung gilt nicht nur in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht, sondern auch allgemein für das Verständnis eines Verbrauchers hinsichtlich eines solchen Hinweises.

Produktkataloge wie der vorliegende sind regelmäßig auf einen längeren Angebotszeitraum ausgelegt. Insofern ist es üblich und nicht ungewöhnlich, dass die beworbenen Produkte sich in dieser Zeit verändern und nicht zu gewährleisten ist, dass die angepriesenen Waren bzw. Dienstleistungen nach einiger Zeit noch in gleicher Weise zur Verfügung stehen. Das gilt insbesondere in der schnelllebigen Kommunikations- und IT-Branche, in der sich die Produktpaletten innerhalb kürzester Zeit verändern. Dieser Vorläufigkeit in der werbenden Darstellung trägt der Hinweis auf den Änderungsvorbehalt bzw. die mögliche Ähnlichkeit der Abbildung Rechnung.

Bei lebensnaher Betrachtung handelt es sich aus der Sicht eines verständigen Kunden nicht um Regelungen eines Vertragsinhaltes, sondern um Hinweise, die den Werbe- und unverbindlichen Angebotscharakter des Prospektes unterstreichen. Ob das Angebot in der beworbenen Form bei Vertragsschluss noch gilt, entscheidet sich bei der Kontaktaufnahme des Kunden zum Vertragsschluss. Ein Haftungs- und Gewährleistungsausschluss lässt sich aus den Textpassagen nicht entnehmen. Ebenso geht es nicht um den Vorbehalt von Änderungen nach Vertragsschluss durch den Textteil „Änderungen…vorbehalten“.

Auch der Blick auf den Kontext, die grafische Ausgestaltung und die Position der gerügten Textteile unterstützt diese Auslegung. Die vor der gerügten Passage in der Zeile nicht angegriffene Aussage „Solange der Vorrat reicht!“ ist ebenso als Hinweis auf einen möglicherweise begrenzten Vorrat zu verstehen, der die Vorläufigkeit der angepriesenen Waren und Dienstleistungen hervorhebt.

Die unbedeutende Stellung der Textzeile im kleingedruckten Fußnotenteil unterstreicht die Unverbindlichkeit im Hinblick auf einen etwaigen späteren Vertragsschluss. Sie ist keinem einzelnen auf der Doppelseite abgebildeten Artikel gesondert zugeordnet. Die Formulierung ist vage. Es wird nicht auf eine konkrete Rechtsbeschränkung hingewiesen. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass ein Verbraucher daraus einen Bezug zu möglichen Rechtsbeeinträchtigungen für einen Vertragsschluss in Betracht ziehen wird. Eine solche Intention des Anbieters ist den Hinweisen aus der Sicht eines verständigen Kunden nicht zu entnehmen.

Das Verständnis wird entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht durch die räumliche Nähe zu den nummerierten Fußnoten – die Bedingungen für konkrete beworbene Produkte angeben – geprägt oder überlagert, denn die Textzeile ist im Gegensatz zu diesen in einem eigenen Absatz von diesen getrennt und ausgerückt gedruckt und ist nicht mit einer Ziffer versehen. Sie ist insofern auch keinem einzelnen auf der Doppelseite abgebildeten Artikel gesondert zugeordnet. Die Textbedeutung wird daher auch nicht etwa durch eine bestimmte aus der Gestaltung vorgegebenen Lesereihenfolge beeinflusst.

Sofern der Kläger auf Missbrauchsmöglichkeiten des Anbieters hinweist und mit Bezug auf den Fall des Käufers Vaus der funktionellen Eignung der gerügten Textpassagen zum Missbrauch deren AGB-Charakter ableiten möchte, trägt das nicht. Aus der missbräuchlichen Behauptung eines bestimmten Bedeutungsgehaltes der Textteile für den Vertragsinhalt im Einzelfall V durch die Beklagte kann nicht im Rückschluss auf das Verständnis des beworbenen Kunden geschlossen werden. Die Auslegung des Textgehalts ist nämlich nicht im Einzelfall ex post, sondern aus Sicht des beworbenen Kunden nach §§ 133, 157 BGB ex ante objektiv vorzunehmen.

Ebenso lässt sich aus dem Sinn und Zweck der Verbandsklage nach § 1 UKlaG keine entsprechende Erweiterung des Begriffs der AGB ableiten, denn § 1 UKlaG setzt den Begriff der AGB voraus.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist bei der Auslegung der gerügten Textteile auch nicht entsprechend § 305 c Absatz 2 BGB auf die kundenunfreundlichste Auslegung abzustellen. Zum einen betrifft § 305 c Absatz 2 BGB nicht die Frage, ob eine Vertragsbedingung vorliegt, sondern setzt diese voraus. Zum anderen handelt es sich lediglich um eine Zweifelsregelung, die erst dann eingreift, wenn nach der Auslegung Zweifel verbleiben. Dies ist indes nicht der Fall.

Eine andere Bewertung folgt auch nicht aus § 310 Absatz 3 Nr. 3 BGB. Dieser betrifft die Inhaltskontrolle von vorhandenen AGB, erhebt damit aber keine den Vertragsschluss begleitenden Umstände zur AGB.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Bestimmung des § 434 Absatz 1 Satz 3 BGB. Allein der Umstand, dass auch der Inhalt von öffentlichen Äußerungen des Verkäufers wie zum Beispiel in Werbeprospekten für die Bestimmung des Leistungssolls im Rahmen des § 434 Absatz 1 Nr. 2 maßgebend ist, führt nicht dazu, dass der Änderungsvorbehalt in einem Prospekt aus der Sicht des Kunden den späteren Leistungsinhalt des Vertrages regeln soll. Die Verbindlichkeit etwaiger Prospektangaben gilt bei der Bestimmung der gewöhnlichen Beschaffenheit der Kaufsache eben nur dann, wenn sie nicht vorher in berechtigter Weise korrigiert worden sind. Diesen Fall stellt der Hinweis klar.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nach § 543 Absatz 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, da entsprechende Textelemente in der Werbung erfahrungsgemäß bundesweit und in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten, so dass eine einheitliche Klärung der bislang nicht entschiedenen Frage des AGB-Charakters derselben im Interesse der Allgemeinheit geboten erscheint.

(Unterschriften)

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