BGH: Freie Erfindungskünstler

BGH, Beschluss vom 01.06.2006 – I ZB 121/05 – Freie Erfindungskünstler (Bundespatentgericht)
Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG

Es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Anmelderin vor, soweit das Bundespatentgericht eine abweichende Auffassung der Anmelderin gewürdigt, aber für sämtliche Dienstleistungen als nicht durchgreifend erachtet hat. Darauf, ob die Beurteilung des Bundespatentgerichts zutreffend ist, kommt es nicht an.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den an Verkündungs Statt am 1. November 2005 zugestellten Beschluss des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Die Anmelderin hat die Eintragung des Zeichens

Freie Erfindungskünstler

für folgende Dienstleistungen beantragt:

„Marketing, Unternehmensberatung, Bauwesen, Entwicklung neuer Verfahren und Erzeugnisse, Verwertung gewerblicher Schutzrechte“.

2
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Eintragung wegen fehlender Unterscheidungskraft und wegen eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen.

3
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben.

4
Mit ihrer (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihr Eintragungsbegehren weiter.

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II. Das Bundespatentgericht hat das angemeldete Zeichen für nicht unterscheidungskräftig i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gehalten und dazu ausgeführt:

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Bei dem Bestandteil „Erfindungskünstler“ des Zeichens handele es sich um eine sprachregelgerechte Kombination des in seiner Bedeutung allgemein bekannten Substantivs „Erfindung“ mit dem Begriff „Künstler“, der nicht nur eine Person bezeichne, die Kunstwerke hervorbringe, darstelle oder aufführe, sondern auch jemanden benenne, der auf einem Gebiet über besondere Fähigkeiten verfüge. Der Begriff werde in einem positiven und anerkennenden, gelegentlich auch in einem mit ironischem Unterton versehenen Sinn verstanden. Dieser sachbezogene Aussageinhalt werde durch den weiteren Bestandteil „Freie“ verstärkt, der die Unabhängigkeit der Person oder Berufsgruppe hervorhebe. Die beiden Wörter ergänzten sich daher zu einer schlagwortartigen Sachaussage über die Unabhängigkeit und die Fähigkeiten der Dienstleistungsanbieter.

Wegen des ohne weiteres sachbezogenen Aussagegehalts der angemeldeten Bezeichnung sei es für die Frage der Unterscheidungskraft ohne Bedeutung, dass es sich um eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortschöpfung handele. Allein die bloße Kombination von schutzunfähigen Bestandteilen führe auch bei einer Wortneuschöpfung nicht zwangsläufig zur Eintragungsfähigkeit. Entscheidend sei, ob der von der Wortkombination erweckte Eindruck in seiner Gesamtheit hinreichend weit von dem abweiche, der durch die bloße Zusammenstellung der Bestandteile entstehe.

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III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung durch das Bundespatentgericht statthaft, da die Anmelderin einen im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel konkret rügt (vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 – I ZB 5/03, GRUR 2004, 76 = WRP 2004, 103 – turkey & corn).

9
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.

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a) Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Anmelderin nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit haben, sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144).

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b) Die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe das Vorbringen der Anmelderin zum Verständnis des Wortbestandteils „Erfindung“ nicht zur Kenntnis genommen. Diese habe ein Verkehrsverständnis des Begriffs „Erfindungskünstler“ vorgetragen, das sich ausschließlich auf technische Erfindungen im Sinne des Patent- und Gebrauchsmustergesetzes beziehe. Sie habe darauf hingewiesen, dass Erfindungen keine Kunstwerke seien, die von Künstlern erschaffen würden, weshalb es fern liegend sei, dass ein Künstler etwas im technischen Sinne erfinde. Das Bundespatentgericht habe seiner Entscheidung dagegen ein ausschließliches Verkehrsverständnis des Begriffs „Erfindung“ zugrunde gelegt, das nicht auf eine Erfindung im technischen Sinn begrenzt sei. Wäre das Bundespatentgericht von dem engeren Verkehrsverständnis von „Erfindung“ ausgegangen, wäre es zu dem Ergebnis gelangt, dass der Begriff „Erfindungskünstler“ mehrdeutig sei. Er könne auch dahingehend aufgefasst werden, dass es sich um eine ideenreiche, aber ausschließlich auf dem Gebiet der technischen Erfindungen tätige Person handele. Dann weise das Zeichen aber zumindest für die angemeldeten Dienstleistungen „Marketing, Unternehmensberatung, Verwertung gewerblicher Schutzrechte“ Unterscheidungskraft auf.

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Daraus folgt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Anmelderin. Das Bundespatentgericht hat seiner Entscheidung lediglich ein anderes Verständnis des Verkehrs von dem Begriff „Erfindungskünstler“ zugrunde gelegt. Es hat angenommen, die Kombination der Wörter „Erfindung“ und „Künstler“ zu einem Gesamtbegriff beschreibe vorwiegend Personen, die über besonderes Geschick oder besonderen Ideenreichtum auf einem bestimmten Gebiet verfügten. Der Verkehr werde in dieser Wortkombination im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen daher entgegen der Auffassung der Anmelderin kein Phantasiewort mit paradoxem Sinngehalt erkennen, sondern einen Sachhinweis auf die Erbringer der Dienstleistungen. Das Bundespatentgericht hat damit die abweichende Auffassung der Anmelderin gewürdigt, aber für sämtliche Dienstleistungen nicht für durchgreifend erachtet. Darauf, ob die Beurteilung des Bundespatentgerichts zutreffend ist, kommt es nicht an. Der absolute Rechtsbeschwerdegrund des § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG dient allein der Einhaltung des Verfassungsgrundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs und nicht der Überprüfung der Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung (BGH, Beschl. v. 20.1.2000 – I ZB 50/97, GRUR 2000, 894, 895 = WRP 2000, 1166 – Micro- PUR).

(Unterschriften)

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