Heute wurden die Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssachen 236/08 – Google France & Google Inc./Louis Vuitton Malletier veröffentlicht. Nach Auffassung von Generalanwalt Poiares Maduro hat Google keine Markenrechte verletzt, indem sie Anzeigekunden erlaubte, Suchwörter (AdWords) zu buchen, die eingetragenen Marken entsprechen.
Der Schlußantrag fasst die zentrale Frage zu Beginn wie folgt zusammen:
1. Die Eingabe eines Stichworts in eine Internet-Suchmaschine ist Teil unserer Kultur geworden, und mit den Ergebnissen solcher Suchanfragen sind wir sofort vertraut. Dagegen kann man davon ausgehen, dass die eigentlichen internen Regeln, nach denen die Ergebnisse bereitgestellt werden, der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind. Man vertraut einfach auf das Versprechen: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden“(2).
2. Tatsächlich werden für jedes Stichwort bzw. für jede Kombination von Wörtern, die in eine Suchmaschine eingegeben werden, gewöhnlich zwei Arten von Ergebnissen geliefert: eine Reihe von Websites, die für das Stichwort relevant sind („natürliche Ergebnisse“) und darüber hinaus Anzeigen für bestimmte Websites („Ads“)(3).
3. Die natürlichen Ergebnisse werden anhand objektiver, von der Suchmaschine festgelegter Kriterien geliefert. Dies gilt jedoch nicht für Ads. Die Ads werden angezeigt, weil die Anzeigenkunden dafür zahlen, dass ihre Websites bei der Eingabe bestimmter Stichwörter hervorgehoben werden; dies wird dadurch ermöglicht, dass der Betreiber der Suchmaschine den Anzeigenkunden die Stichwörter zur freien Auswahl bereitstellt.
4. Die vorliegenden Rechtssachen betreffen Stichwörter, die eingetragenen Marken entsprechen. Insbesondere möchten die Markeninhaber(4) verbieten, dass Anzeigenkunden solche Stichwörter auswählen. Darüber hinaus möchten sie verbieten, dass die Betreiber von Suchmaschinen bei der Eingabe solcher Stichwörter Anzeigen auflisten, da dies dazu führen kann, dass Websites für Waren von Wettbewerbern oder sogar nachgeahmte Waren neben den natürlichen Ergebnissen, die auf ihre eigenen Websites verweisen, angezeigt werden. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Benutzung eines Stichworts, das einer Marke entspricht, für sich genommen als Benutzung der Marke angesehen werden kann und der Zustimmung des Markeninhabers unterliegt.
5. Die Beantwortung dieser Frage legt fest, in welchem Umfang Stichwörter, die Marken entsprechen, außerhalb des Einflussbereichs der Markeninhaber benutzt werden können. Mit anderen Worten: Was kann im Cyberspace gegeben und gefunden werden, wenn ein Stichwort eingegeben wird, das einer Marke entspricht?
2 – Nach Matthäus 7:7.
3 – Angesichts des spezifischen Kontextes der vorliegenden Schlussanträge ? nämlich Online-Werbung ? werde ich solche Anzeigen als „Ads“ bezeichnen, um sie von gewöhnlichen Anzeigen zu unterscheiden.
4 – Der Begriff „Markeninhaber“ erfasst im Folgenden auch die Inhaber der von Markeninhabern erteilten Lizenzen im Rahmen der Bestimmungen, die ihnen das Recht zur Benutzung der fraglichen Marke einräumen.
Der Generalanwalt kommt zu dem Ergebnis:
155. Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die von der Cour de Cassation vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:
1. Die von einem Wirtschaftsteilnehmer aufgrund eines Vertrags über die entgeltliche Internetreferenzierung vorgenommene Reservierung eines Stichworts, aufgrund dessen im Fall einer dieses Wort verwendenden Suchanfrage die Bildschirmanzeige eines Links ausgelöst wird, der das Angebot enthält, sich mit einer Website in Verbindung zu setzen, die von diesem Wirtschaftsteilnehmer betrieben wird, um Waren oder Dienstleistungen anzubieten, und der eine Marke wiedergibt oder nachahmt, die ein Dritter zur Kennzeichnung identischer oder ähnlicher Waren hat eintragen lassen, stellt auch dann, wenn der Inhaber dieser Marke seine Genehmigung hierzu nicht erteilt hat, als solche keinen Eingriff in das dem Inhaber der Marke durch Art. 5 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken garantierte Ausschließlichkeitsrecht dar.
2. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/104 sowie Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke sind dahin auszulegen, dass ein Markeninhaber dem Erbringer entgeltlicher Referenzierungsdienstleistungen nicht verbieten kann, Anzeigenkunden Stichwörter zur Verfügung zu stellen, die eingetragene Marken wiedergeben oder nachahmen, oder nach dem Referenzierungsvertrag dafür zu sorgen, dass auf der Grundlage dieser Stichwörter verkaufsfördernde Links zu Websites gebildet und an herausgehobener Stelle angezeigt werden.
3. Für den Fall, dass es sich hierbei um bekannte Marken handelt, kann sich der Markeninhaber einer solchen Benutzung nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 nicht widersetzen.
4. Der Erbringer der entgeltlichen Referenzierungsdienstleistung kann nicht als Erbringer eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, im Sinne des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) angesehen werden.
Pressemitteilung Nr. 75/09 vom 22. September 2009
(via IPKAT)