Leitsatz
1. Abstrakte konzeptionelle Merkmale, die den einzelnen Gestaltungselementen einer Werbekampagne gemeinsam sind, genießen keinen selbständigen urheberrechtlichen Schutz. Das gilt auch für ein Werbekonzept, das die Einfälle kombiniert, Pakete ins Weltall an Bord der ISS zu befördern, wo Experimente getätigt werden, und als erstes Logistikunternehmen dafür mit einem Missionslogo und einer Verlosungsaktion via Internet zu werben.
OLG Köln, Beschluss vom 22.06.2009 – 6 U 226/08 – „DHL im All“
UrhG §§ 2, 3, 24
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung seiner Mitglieder … am 22. Juni 2009
beschlossen:
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Gründe :
I.
Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin im Oktober 2008 wegen einer aktuellen Werbekampagne mit dem Slogan „DHL im All“ auf Unterlassung in Anspruch genommen, die ihrer Ansicht nach wesentliche Elemente des von ihr in Zusammenarbeit mit der European Space Agency (ESA) entwickelten Werbekonzepts „DHL Goes Space“ übernimmt, das der Antragsgegnerin im Sommer 2004 präsentiert worden war. Sie hat als Anlage 1b eine Gegenüberstellung von Merkmalen ihrer Konzeption 2004 (linke Spalte) und der „DHL Kampagne 2008“ (rechte Spalte) vorgelegt und – darauf Bezug nehmend – im der Verhandlung vom 29.10.2008 beantragt, es der Antragsgegnerin bei Meidung von Ordnungsmitteln zu untersagen,
ihre Kampagne „DHL Goes Space“ … wie folgt zu verbreiten und zu bewerben:
1. das vorgelegte Projektlogo „DHL im All“ gemäß Anlage 1b zu verbreiten und damit zu werben;
2. eine Abbildung einer Trägerrakete zur Belieferung der ISS gemäß Anlage 1b zu verbreiten und zu bewerben;
3. die Abbildung eines „DHL im All“-Paketes gemäß Anlage 1b als Sonderedition zu verbreiten und zu bewerben;
4. die Abbildung von Kosmonauten gemäß Anlage 1b, die an Bord der ISS ein DHL-Paket entgegennehmen, zu verbreiten und zu bewerben;
5. das Alleinstellungsmerkmal von DHL als erstem Logistiker, der in den Weltraum zustellt, zu verbreiten und zu bewerben;
6. Fotomontagen von Raumfahrt-Sujets mit DHL-Logos gemäß Anlage 1b zu verbreiten und zu bewerben;
7. Gewinnspiele mit Raumfahrtbezug zu veranstalten und zu bewerben.
Mit Urteil vom 12.11.2008 hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen das am 10.12.2008 förmlich zugestellte Urteil am 15.12.2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der auf ihren Antrag vom 15.01.2009 bis zum 10.03.2009 verlängerten Begründungsfrist begründet, wobei sie das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, weil wegen des Ablaufs der zeitlich befristeten Kampagne der Antragsgegnerin im November 2008 die Dringlichkeit für den Erlass der einstweiligen Verfügung entfallen sei. Die Antragsgegnerin hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Sie meint, der Antrag sei von Beginn an unzulässig gewesen. Im Übrigen vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie stellen widerstreitende Kostenanträge.
II.
Nachdem die Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (§ 91a Abs. 1 S. 1 ZPO) der Antragstellerin aufzuerlegen.
1. Die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten im Rechtsmittelzug ist wirksam. Die dafür erforderliche Zulässigkeit des Rechtsmittels (BGHZ 50, 197 = NJW 1968, 1725; BGH, ZIP 2004, 425 = NZI 2004, 216; Zöller / Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 91a Rn. 20) ist gegeben. Insbesondere lässt eine „Erledigung zwischen den Instanzen“ (erledigendes Ereignis war hier nach dem Vorbringen der Antragstellerin das Ende der Werbekampagne schon vor Einlegung der Berufung, aber nach der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz) nicht die Beschwer des Rechtsmittelführers entfallen und steht das Verbot der isolierten Kostenanfechtung (§ 99 Abs. 1 ZPO) der Entscheidung über die Kosten des in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens nicht entgegen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 776; Zöller / Vollkommer, a.a.O.; Thomas / Putzo / Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 91a, Rn. 28, jeweils m.w.N.). Ob und wann die Erledigung tatsächlich eingetreten ist, hat der Senat nach der prozessgestaltenden Erklärung der Parteien nicht mehr zu prüfen; ob mit dem Gesuch um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist der Verfügungsgrund ohnehin verloren gegangen wäre, wirkt sich auf die zu treffende Ermessensentscheidung nicht weiter aus.
2. Der Senat kann auch offen lassen, ob dem von der Antragstellerin zuletzt gestellten Sachantrag jedenfalls teilweise die notwendige Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) fehlte. Allerdings mag – wie von der Antragsgegnerin geltend gemacht –zweifelhaft sein, ob die globale Bezugnahme auf eine der Klageschrift beigefügte Anlage bei den Angriffspunkten zu Nr. 1 bis 4 und 6 sowie die abstrakten Formulierungen zu Nr. 5 und 7 für sich allein geeignet ist, den Umfang des begehrten Verbots klar genug zu umreißen und eine Verlagerung der Entscheidung über die Reichweite der Unterlassungspflicht in das Vollstreckungsverfahren zu vermeiden. Unklar erscheint nach dem Antrag auch, in welchem Verhältnis die sieben Einzelpunkte des erstrebten Verbots zueinander stehen sollten: Sollte damit jedes Verhalten untersagt werden, das auch nur einen der sieben Angriffspunkte verwirklichte, oder sollte das Verbot nur eingreifen, wenn die Voraussetzungen aller oder mehrerer Angriffspunkte erfüllt wären? Bei dem Unterlassungsbegehren zu Nr. 4 kommt hinzu, dass sich auf der die Werbekampagne der Antragsgegnerin darstellenden rechten Spalte der Anlage 1b keine „Abbildung von Kosmonauten …, die an Bord der ISS in DHL-Paket entgegennehmen,“ befindet, so dass das wahre Angriffsziel im Antrag jedenfalls falsch bezeichnet ist.
Im Ergebnis kommt es auf all das aber nicht an, denn unabhängig vom zweckentsprechenden Inhalt der erstrebten Anordnung (vgl. § 938 Abs. 1 ZPO) war der Verfügungsantrag in der Sache von Anfang an ohne Aussicht auf Erfolg.
3. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das (Gesamt-) Konzept der 2004 präsentierten Werbekampagne „DHL Goes Space“ als solches nicht urheberrechtlich geschützt.
Das Urheberrecht schützt nicht alle Ergebnisse individueller geistiger Tätigkeit, sondern nur Werke im Sinne von § 2 UrhG. Dass eine Idee zu einer Konzeption weiter entwickelt und mit seinen einzelnen Elementen eine Einheit geworden ist, die mehr als die Summe der Bestandteile darstellt, genügt nicht. Gegenstand des Urheberrechtsschutzes kann nur das Ergebnis der schöpferischen Formung eines bestimmten Stoffes sein; daran fehlt es bei einem bloßen Konzept, also einer vom Inhalt losgelösten Anleitung zur Formgestaltung gleichartiger anderer Stoffe, mag es sich dabei auch um ein individuell erarbeitetes, detailliertes und eigenartiges Leistungsergebnis handeln. Das Urheberrecht schützt selbst Werke nur gegen ihre unbefugte Verwertung in unveränderter oder unfrei benutzter Form, aber nicht gegen ihre bloße Benutzung als Vorbild zur Formung anderer Stoffe; das gilt erst recht für Konzepte, die in ihrer Gesamtheit nur einen vorgegebenen Rahmen für gleichartige Gestaltungen darstellen (BGHZ 155, 257 = GRUR 2003, 876 [878] = WRP 2003, 1135 – Sendeformat m.w.N.).
Daran ist entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung, die einen Schutz von Werbekonzeptionen als komplexer Werke eigener Art (vergleichbar einem Filmwerk) für möglich erachtet (Schricker, GRUR 1996, 815 ff.; GRUR Int.GRURInt 2004, 923 ff.; Schricker / Loewenheim, UrhR, 3. Aufl., § 2 Rn. 114; Dreier / Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 2 Rn. 37, 244; a.A. – mit eingehender Begründung – Hertin, GRUR 1997, 799 ff.; vgl. auch (BGH, GRUR 2000, 317 [318] = WRP 2000, 203 [204] – Werbefotos)festzuhalten. Motive und Themen, Ideen und Konzepte bleiben im Interesse der Allgemeinheit für sich genommen frei und können von jedermann benutzt werden (Wandtke / Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 2 UrhG, Rn. 39 m.w.N.), so dass nicht nur für alle Zigaretten mit Cowboys, für alle Weichspüler mit schlechtem Hausfrauengewissen und für alle Rumsorten mit Karibikatmosphäre geworben werden darf, sondern auch andere Anlehnungen an die Motiv- und Themenwahl nicht für einen bestimmten Werbetreibenden oder eine bestimmte Werbeagentur monopolisierbar sind (Hertin, a.a.O. [813] m.w.N.). Lediglich gedankliche, abstrakte konzeptionelle Merkmale, die den einzelnen Gestaltungselementen einer Werbekampagne gemeinsam sind, genießen hiernach keinen selbständigen Schutz; urheberrechtliche Ansprüche kommen nur in Betracht, soweit konkrete Werbegestaltungen in Rede stehen, bei denen die schöpferische Idee in die Formgebung eingegangen ist (vgl. zusammenfassend Hertin, a.a.O. [815]).
Nichts anderes gilt im Übrigen für den in der Berufungsbegründung angeführten Parallelfall aus der bildenden Kunst: Wer einen Frauenkopf in Picasso-Manier malt, begeht keine Schutzrechtsverletzung, so lange er kein bestimmtes Werk fälscht, sondern lediglich Stilmerkmale des berühmten Künstlers übernimmt – auch wenn die betreffende Kombination von Motiven, Farben oder Formen selbst ohne Vorbild in der Kunstgeschichte gewesen sein mag (vgl. Wandtke / Bullinger, a.a.O., Rn. 40).
Weder das von der Antragstellerin als „neu“ bezeichnete Konzept noch die sechs „Wesensmerkmale“, die ihrem Vorbringen zufolge dieses Konzept ausmachen sollen, sind nach alledem einem urheberrechtlichen Werkschutz zugänglich: Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, handelt es sich bei den Einfällen,
(1.) Pakete ins Weltall zu befördern,
(2.) an Bord der ISS zu bringen,
(3.) dort Experimente zu tätigen,
(4.) und als erstes Logistikunternehmen weltweit
(5.) dafür mit einem speziell gestalteten Missionslogo
(6.) und einer Verlosungsaktion via Internet zu werben,
auch in ihrer Kombination – und unabhängig von ihrer Originalität – um nichts anderes als um die abstrakte Idee einer Werbekampagne, die noch keinen schöpferischen Ausdruck in einer bestimmten Gestaltung gefunden hat.
4. Soweit die konkrete – sprachliche und bildnerische – Ausgestaltung der genannten Leitgedanken mit der als Anlage 1a vorgelegten Präsentation bereits eine schöpferische Umsetzung dieser Werbeidee und insofern eine kreative Leistung darstellen mag, der in dieser – aber auch nur in dieser – Hinsicht Werkqualität im Sinne von § 2 UrhG zukommt, kann eine unveränderte Übernahme oder unfreie Bearbeitung gemäß § 23 UrhG durch die Antragsgegnerin dagegen nicht festgestellt werden, wie das Landgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat.
Die mit dem Verfügungsantrag (und der vergleichenden Gegenüberstellung in der Anlage 1b) beanstandete Ähnlichkeit zwischen dem 2004 vorgestellten Werbekonzept und der angegriffenen Werbekampagne resultiert nämlich gerade nicht aus einer Übernahme prägender Gestaltungselemente, sondern im Sinne einer freien Benutzung gemäß § 24 Abs. 1 UrhG aus einer bloßen Abwandlung der Gestaltungsideen: Diese wurden – neben einer früheren Werbekampagne der Deutschen Post AG, der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin – nur als Anregung für eigene kreative Lösungen genommen, ohne in nennenswertem Umfang auf die individuellen Züge der 2004 präsentierten Werbemittel zurückzugreifen: Sowohl das Projektlogo „DHL im All“ als auch die stilisierte Grafik einer Trägerrakete unterscheiden sich in ihrer konkreten Ausgestaltung erheblich von den entsprechenden Elementen der Kampagne „DHL goes Space“ aus dem Jahr 2004. Nichts anderes gilt für das abgebildete DHL-Paket in einer Sonderedition, für die Abbildung eines pakettragenden Raumfahrers, den Hinweis auf die Spitzenstellung des werbenden Logistikunternehmens, die verwendeten Fotomontagen und die Gewinnspielwerbung.
5. Soweit die Antragstellerin sich in erster Instanz hilfsweise auf lauterkeitsrechtliche und deliktische Anspruchsgrundlagen – insbesondere § 18 UWG – gestützt hatte, ist ein entsprechender Anspruch vom Landgericht im angefochtenen Urteil mit eingehender und überzeugender Begründung verneint worden; die Antragstellerin, die sich in der Berufungsbegründung damit nicht näher auseinandersetzt, hat keine weitergehenden Aspekte vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.
6. Ob die Antragstellerin hinsichtlich der streitbefangenen Ansprüche überhaupt aktivlegitimiert ist und die mit der Berufungsbegründung in Kopie vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ihres Geschäftsführers vom 08. / 09.03.2009 insoweit den Anforderungen an die Glaubhaftmachung genügen, kann nach alledem dahin gestellt bleiben.
Unterschriften
Fundstelle: MIR
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