Leit- oder Orientierungssatz
1. Zur Frage der markenmäßigen Benutzung eines Großbuchstabens
2. Zwischen einem als Wort-/Bildmarke eingetragenen Zeichen, das aus einem einzelnen Großbuchstaben in einer bestimmten graphischen Ausgestaltung besteht, und einem aus dem gleichen Buchstaben bestehenden, für identische Waren markenmäßig benutzten Zeichen besteht Verwechslungsgefahr, wenn zwischen den sich gegenüberstehenden Buchstabenzeichen keine auffälligen graphischen Unterschiede bestehen.
OLG Frankfurt 6. Zivilsenat, Urteil vom 30.03.2010 – 6 U 240/09 – Schutzumfang einer Buchstabenmarke (Buchstabe „B“)
§ 14 Abs 2 MarkenG
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 28.10.2009 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Gründe
I.
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Die Antragstellerin ist Inhaberin einer u.a. für Ledertaschen eingetragenen Wort-/Bildmarke (DE …), die aus dem Großbuchstaben „B“ in einer bestimmten graphischen Gestaltung besteht. Die Antragsgegnerin vertreibt eine Damenhandtasche aus Leder, an der sich ein Anhänger in Form des Großbuchstabens „B“ befindet. Das Landgericht hat der Antragstellerin Angebot und Vertrieb dieser Tasche im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung.
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Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313 a I, 1 ZPO abgesehen.
II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Voraussetzungen für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus § 14 II Nr. 2 MarkenG mit Recht bejaht.
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Die Antragsgegnerin benutzt den Buchstaben „B“ in der angegriffenen konkreten Verletzungsform markenmäßig. Anhänger an Taschen stellen aus Sicht des angesprochenen Verkehrs ein typisches Mittel zur Herkunftskennzeichnung dar, weshalb bei dieser Form der Verwendung der Verkehr zunächst keinen Anlass zu der Annahme hat, bei dem Buchstaben handele es sich lediglich um ein schmückendes Element. Ebenso wenig kommt eine beschreibende Funktion in Betracht. Darüber hinaus könnte nach Auffassung des erkennenden Senats die markenmäßige Benutzung eines einzelnen Buchstabens möglicherweise dann zu verneinen sein, wenn es sich nach den Gesamtumständen lediglich um die Herausstellung oder Wiederholung des Anfangsbuchstabens einer gleichzeitig benutzten Wortmarke handelt mit der Folge, dass der Verkehr dem in diesem Zusammenhang verwendeten Buchstaben keine eigenständige Kennzeichnungsfunktion beimisst. Im vorliegenden Fall wird der Buchstabe „B“ jedoch nicht in einer derartigen „wiederholenden“ Weise benutzt. Zwar findet sich auf dem Anhänger selbst der Schriftzug „…“.
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Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist diese Angabe jedoch so klein gehalten, dass sie vom Betrachter nicht sogleich, sondern allenfalls nach näherer Befassung mit dem Erzeugnis wahrgenommen wird; dadurch wird die selbstständig kennzeichnende Funktion des Buchstabens „B“ nicht in Frage gestellt.
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Die sich gegenüberstehenden Zeichen sind verwechslungsfähig (§ 14 II Nr. 2 MarkenG).
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Die Kennzeichnungskraft der als Wort-/Bildmarke eingetragenen Verfügungsmarke hat das Landgericht mit Recht als – von Haus aus – jedenfalls durchschnittlich eingestuft (ebenso OLG Köln GRUR-RR 2006, 159, 161 – Buchstabe als Reißverschlussanhänger). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr dem Wortbestandteil der Marke, der sich auf den – als solchen klar erkennbaren – Großbuchstaben „B“ beschränkt, keine oder eine nur verminderte Unterscheidungskraft beimessen könnte. Die Antragsgegnerin hat selbst darauf hingewiesen, dass inzwischen mehrere Hersteller aus dem Accessoires-Bereich dazu übergegangen sind, sich zur Kennzeichnung ihres Unternehmens oder ihrer Waren des Anfangsbuchstabens ihres Namens zu bedienen. Diese Kennzeichnungsgewohnheit erleichtert es dem Verkehr zusätzlich, auch in dem Buchstaben „B“ einen Herkunftshinweis zu sehen, zumal eine beschreibende Funktion dieses Buchstabens für Taschen nicht ersichtlich ist. Ebenso wenig hat die Antragsgegnerin dargetan, dass der Buchstabe „B“ etwa von anderen Herstellern als der Antragstellerin in einem Umfang für Bekleidung oder Taschen zeichenmäßig verwendet wird, der es dem Verkehr erschweren würde, dieses Zeichens einem bestimmten Hersteller zuzuordnen. Die demnach bereits durch den Wortbestandteil begründete Unterscheidungskraft der Verfügungsmarke wird durch die zusätzlichen – nach dem Gesamteindruck allerdings nicht besonders hervortretenden (vgl. auch hierzu OLG Köln a.a.O.) – bildlichen Elemente, die sich auf eine bestimmte graphische Ausgestaltung des Buchstabens beschränken, lediglich geringfügig erhöht.
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Da die Verfügungsmarke auch für Taschen eingetragen ist, besteht Warenidentität.
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Weiter hat das Landgericht mit Recht die Zeichenähnlichkeit bejaht.
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Die sich gegenüberstehenden Zeichen stimmen in ihrem Wortbestandteil, nämlich dem als solchen klar erkennbaren Großbuchstaben „B“, überein. Bildlich ist der Buchstabe zwar in beiden Zeichen unterschiedlich ausgestaltet; in diesem Zusammenhang verkennt der Senat auch nicht, dass bei Kurzzeichen wie insbesondere Buchstabenzeichen bildliche Unterschiede eher ins Gewicht fallen können als bei normalen Wortzeichen (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., Rdz. 139 zu § 9 m.w.N.). Gleichwohl weist keines der sich gegenüberstehenden Zeichen derart auffällige graphische Besonderheiten auf, dass allein hierdurch jede Zeichenähnlichkeit beseitigt würde. Dabei kann letztlich dahinstehen, wie der Grad der Zeichenähnlichkeit genau einzustufen ist. Denn angesichts der jedenfalls durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke und der bestehenden Warenidentität wäre eine Verwechslungsgefahr selbst bei geringer Zeichenähnlichkeit zu bejahen.
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Es besteht weiter kein Anlass, den Schutzbereich der Verfügungsmarke im Hinblick auf ein etwaiges Freihaltebedürfnis an dem Buchstaben „B“ auf die konkrete graphische Ausgestaltung zu begrenzen. Abgesehen davon, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. GRUR 2008, 503 – adidas/Marka Mode CV u.a.; vgl. auch BGH GRUR 2009, 672 – OSTSEE-Post, Tz. 26) derartige Erwägungen bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich keine Rolle spielen sollen, ist ein solches Freihaltebedürfnis hier nicht zu erkennen. Allein der Umstand, dass auch andere Hersteller, deren Unternehmenskennzeichen oder Wortmarken mit dem Buchstaben „B“ beginnen, ein Interesse haben könnten, sich ebenfalls dieses Buchstabens zu Kennzeichnungszwecken zu bedienen, rechtfertigt es nicht, demjenigen Unternehmen, das zuerst eine eingetragene Marke für diesen Buchstaben bzw. eine bestimmte Gestaltung dieses Buchstabens erworben hat, den Schutz für diese Marke in dem nach allgemeinen Grundsätzen zu bestimmenden Umfang zu versagen. Eine generelle – d.h. nicht durch die Besonderheiten des Einzelfalls veranlasste – Beschränkung des Schutzumfangs einer Buchstabenmarke auf die konkrete bildliche Gestaltung würde im Übrigen dem auch im Verletzungsverfahren zu respektierenden Grundsatz widersprechen, dass in üblicher Schreibweise angemeldete Einzelbuchstaben nicht nur markenfähig (§ 3 I MarkenG) sondern auch eintragungsfähig sind, solange nicht konkrete Anhaltspunkte für eine fehlende Unterscheidungskraft oder ein bestehendes Freihaltebedürfnis bestehen (vgl. BGH GRUR 2001, 161 – Buchstabe „K“; EuG GRUR Int. 2008, 1035 – Paul Hartmann ./. HABM). Einer „Monopolisierung“ des Buchstabens für den Markeninhaber kann schließlich – wie oben dargestellt – durch ein sachgerechtes Verständnis des Begriffs der markenmäßigen Benutzung entgegengewirkt werden.
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Die Antragsgegnerin kann sich gegenüber dem gesetzlichen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin auch nicht mit Erfolg auf die in Ziffer 5. des zwischen den Parteien unter dem 12.3./29.3.2004 geschlossenen Vergleichs enthaltene Gestattung berufen. Nach dem Gesamtzusammenhang des Vergleichs handelt es sich bei der in Ziffer 5. erteilten Gestattung um eine Abgrenzung zu den von der Beklagten in Ziffer 1. des Vergleichs übernommenen vertraglichen Unterlassungsverpflichtungen. Diese Unterlassungsverpflichtungen ist die Antragsgegnerin jedoch nach der einleitenden Formulierung in Ziffer 1. (vor a) allein „für Bekleidungsstücke“ eingegangen, während sich der „insbesondere“-Zusatz in der Passage nach c) allein auf die Benutzungsarten bezieht; insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im Verfügungsbeschluss des Landgerichts vom 26.8.2009 Bezug genommen werden. Daher erfasst auch die Gestattung in Ziffer 5. lediglich die Benutzung auf Bekleidungsstücken. Ob die Antragsgegnerin nach der damaligen Interessenlage vielleicht bereit gewesen wäre, die Gestattung auch für Taschen zu erteilen, ist ohne Bedeutung, nachdem eine Gestattungsvereinbarung dieses Inhalts nach dem Inhalt des Vergleichs nicht geschlossen worden ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
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