OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2007 – I-20 U 54/07
§ 4 Nr. 11 UWG, § 43b BRAO
1. Eine anwaltliche Erstberatung in einem öffentlichen Café ist unzulässig, weil der Rechtsanwalt dort seine Fürsorgepflichten gegenüber den Rechtsuchenden mit Blick auf seine Verschwiegenheitspflicht verletzt.
2. Der werbende Hinweis auf eine Pauschale von 20 Euro als Gegenleistung für eine anwaltliche Beratung, die in eine „klare
Empfehlung“ einmünden soll, „ob und was zu tun ist“, ist irreführend. Aufgrund einer derartigen Werbung erwartet ein Rechtsuchender eine unabhängig vom Gegenstand und Umfang seiner Sache vollständige und ordnungsgemäße Beratung. Die hier versprochene „klare Empfehlung“ kann aber in den seltensten Fällen abschließend sein, sondern wird i.d.R. darin bestehen, den Mandanten zur weiteren Beratung an einen anderen RA zu vermitteln.
(Leitsatz entnommen der BRAK-Mitteilung 6/2007)
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin zu 2. gegen das am 1. Februar 2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragsgegnerin zu 2.
Gründe
A.
Die Berufung der Antragsgegnerin zu 2. ist zulässig. Sie hat im Senatstermin klargestellt, dass sich ihr Berufungsantrag (Aufhebung der Beschlussverfügung) nicht auf das dort unter 1. ausgesprochene, allein an den Antragsgegner zu 1. gerichtete Verbot bezieht. Insoweit ist die Antragsgegnerin zu 2. nicht beschwert.
B.
Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat der Antragsgegnerin zu 2. mit Recht eine Beteiligung an den unter 1. der Beschlussverfügung genannten Handlungen sowie die Werbung für die Veranstaltung „C. a. L.” in der konkreten Verletzungsform untersagt.
I.
Zu Recht hat das Landgericht zunächst der Antragsgegnerin zu 2. die Beteiligung an Veranstaltungen der Art verboten, wie sie der Antragsgegner zu 1. in Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin zu 2. in einem Café unter der Bezeichnung „C. a. L.” durchführte.
1. Soweit die Beschlussverfügung unter 2. ihres Tenors der Antragsgegnerin zu 2. eine Beteiligung an Handlungen des Antragsgegners zu 1. untersagt, muss dieses Verbot bereits deshalb bestehen bleiben, weil der Antragsgegner zu 1. kein Rechtsmittel gegen das landgerichtliche Urteil eingelegt hat. Ihm gegenüber ist die landgerichtliche Entscheidung damit rechtskräftig geworden. Eine Beteiligung der Antragsgegnerin zu 2. an einem Verstoß gegen dieses gerichtliche Verbot ist ohne weiteres unzulässig.
2. Aber auch eine Beteiligung der Antragsgegnerin zu 2. an einer von anderen Rechtsanwälten durchgeführten Veranstaltung hat das Landgericht mit Recht verboten. Letztere verstößt in mehrfacher Weise gegen Bestimmungen des UWG und des anwaltlichen Berufsrechts.
a) Die anwaltliche Beratung in einem Café in der hier zu beurteilenden Weise verstößt gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b BRAO. Danach ist Werbung dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.
aa) Die von der Antragsgegnerin zu 2. organisierte Veranstaltung stellt eine Werbemaßnahme dar, die anhand dieser Grundsätze des § 43b BRAO zu beurteilen ist. Zwar soll in dem Café auch eine Rechtsberatung durch den dort tätigen Rechtsanwalt erteilt werden. Darin erschöpft sich der Zweck der Veranstaltung nach der Konzeption der Antragsgegnerin zu 2. indes keineswegs. Mit ihr sollen vielmehr auch, wenn nicht in erster Linie Mandanten für eine weitergehende, vertiefende Beratung gewonnen werden, was ihr den Charakter einer Werbeveranstaltung verleiht.
Dem ausdrücklichen Vortrag der Antragsgegnerin zu 2. zufolge sollen nämlich vor allem Interessenten angesprochen werden, die eine gewisse Scheu vor dem Betreten einer Anwaltskanzlei haben und die daher nicht ohne weiteres als anwaltliche Mandanten gewonnen werden können. Diesen Personen soll im Café und in der damit verbundenen lockeren Atmosphäre eine Erstberatung geboten werden. Dass diese Rechtsberatung in den weitaus meisten Fällen nicht abschießend sein kann, liegt nach den Umständen ihrer Erteilung auf der Hand und ist Grundlage des Konzepts der Antragsgegnerin. So fehlt in dem Café naturgemäß schon die sachliche Ausstattung, über die eine Anwaltskanzlei regelmäßig verfügt und die für eine eingehende Beratung hilfreich, wenn nicht unerlässlich ist. Zudem besteht wegen der wartenden Interessenten, deren Zahl nicht über eine Terminvereinbarung steuerbar ist, ein sehr enger zeitlicher Rahmen für die einzelne Beratung. Die Antragsgegnerin zu 2. nennt selbst in der Berufungsbegründung einen zeitlichen Rahmen von 15 Minuten, was schon kaum zur bloßen Schilderung des Problems durch den Rechtssuchenden einschließlich etwaiger Nachfragen des Rechtsanwalts, geschweige denn zur erforderlichen Rechtsberatung ausreichen wird.
Diese Umstände einer öffentlichen „Fließbandberatung“ in einem Café lassen eine ins Einzelne gehende Beratung ausgeschlossen erscheinen. Etwas anderes ist nach dem Veranstaltungskonzept auch nicht beabsichtigt. Vielmehr soll den Interessenten bei fortbestehendem Beratungsbedarf die Möglichkeit geboten werden, einen Rechtsanwalt vermittelt zu bekommen. Nach dem ausdrücklichen Vortrag der Antragsgegnerin zu 2. in der Berufungsbegründung soll die Veranstaltung (nur) der Klärung der Frage dienen, ob für das Problem des Rechtssuchenden die Einschaltung eines Rechtsanwalts sinnvoll ist (Seite 4 = Bl. 163 GA). Eine inhaltliche Rechtsberatung in nennenswerter Tiefe ist damit von vornherein gar nicht beabsichtigt. Zu einer Weiterverweisung wird es aufgrund der beschriebenen Umstände einer im Café allenfalls sehr eingeschränkt möglichen Beratung in den weitaus meisten Fällen kommen. Das stellt gerade den Hintergrund dar, vor dem sich an dem Projekt eine Vielzahl von Rechtsanwälten beteiligt haben, die selbst nicht an der Beratung im Café teilnehmen, sondern als empfohlene Rechtsanwälte für die weitergehende, dann nicht mehr im Café, sondern in einer Rechtsanwaltskanzlei unter „normalen“ Umständen stattfindende Beratung zur Verfügung stehen. Dies verdeutlicht den Charakter der Veranstaltung als einer solchen, die auf die Umwerbung und Gewinnung von Mandanten gerichtet ist, die ansonsten Hemmungen hätten, unmittelbar eine Anwaltskanzlei aufzusuchen.
bb) Die Veranstaltung entspricht nicht den Vorgaben des § 43b BRAO. Allerdings eröffnet diese Vorschrift nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2005, 520 – Optimale Interessenvertretung) nicht eine ansonsten nicht bestehende Werbemöglichkeit, sondern konkretisiert die verfassungsrechtlich garantierte Werbefreiheit. Deshalb bedarf nicht die Gestattung der Anwaltswerbung der Rechtfertigung, sondern deren Einschränkung. Sie ist nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie im Einzelfall durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und im übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BGH a.a.O. m. w. Nachw.).
Gleichwohl ist auch unter Berücksichtigung dieser Vorgaben die Veranstaltung nach dem Konzept der Antragsgegnerin zu 2. unzulässig. Sie unterrichtet schon ihrer Form nach nicht in sachlicher Weise über die berufliche Tätigkeit der beteiligten Rechtsanwälte, weil sie ihren werbenden Charakter verschleiert. Angesprochen sind – wie bereits erwähnt – gerade die mit anwaltlicher Beratung Unerfahrenen, die sich scheuen, eine Anwaltskanzlei zu betreten. Sie sollen durch die Schaffung einer lockeren Atmosphäre in einem öffentlichen Café an eine anwaltliche Beratung herangeführt werden. Insbesondere dieser Zielgruppe ist der im Einzelfall erforderliche Umfang einer anwaltlichen Beratung oftmals nicht bewusst. Sie wird im Regelfall die Café-Beratung in der Erwartung aufsuchen, dort einen abschließenden Rat zu erhalten. Gerade bei diesen, in rechtlichen Angelegenheiten unerfahrenen Personen ist die Vorstellung verbreitet, dass es auf jede rechtliche Frage eine einfache, klare und eindeutige Antwort gebe. Dass nicht selten eine differenzierte Betrachtung geboten ist, die eine Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nur nach eingehender Ermittlung des Sachverhalts und Prüfung der Rechtslage zulässt und anschließend eine Abwägung unterschiedlicher Handlungsmöglichkeiten und Vorgehensweisen erfordert, dürfte dem größten Teil der angesprochenen Zielgruppe nicht von vornherein bewusst sein. Die Beratungsinteressenten erkennen daher zunächst auch nicht, dass die Café-Beratung in den meisten Fällen nahezu zwangsläufig zu der Empfehlung führen wird, sich eingehender, dann eben doch in einer Rechtsanwaltskanzlei beraten zu lassen.
cc) Der Form nach unzulässig erscheint die Werbung zudem auch deshalb, weil zu der Verschleierung des Werbecharakters der Veranstaltung noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu tritt. Der im öffentlichen Café beratende Rechtsanwalt verletzt nämlich seine Fürsorgepflichten gegenüber den Beratungsinteressenten auch mit Blick auf seine Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO. Dabei ist unerheblich, ob es im Einzelfall zu einer Verletzung dieser Pflicht kommt. Dahin stehen kann daher auch, ob es sich bei dieser Pflicht um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handelt. Der Rechtsanwalt darf seine Mandanten jedenfalls nicht in eine Lage bringen, in der sie auf die Einhaltung der Vertraulichkeit der Beratung verzichten, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Es wird davon auszugehen sein, dass der im Café um eine Beratung Nachsuchende weiß, dass andere Personen an den Nachbartischen mithören können. Demgemäß wird grundsätzlich ein Einverständnis mit dieser Art der Beratung und den Beeinträchtigungen der Verschwiegenheitspflicht anzunehmen sein. Gleichwohl ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass sich die Veranstaltung gerade an unerfahrene Interessenten richtet, die sich der Bedeutung der anwaltlichen Verschwiegenheit und der Folgen ihrer leichtfertigen Einschränkung häufig nicht bewusst sein werden. Vor diesem Hintergrund besteht eine Fürsorgepflicht des Anwalts, seinen Mandanten gegen leichtfertige Kundbarmachungen von Beratungsgegenständen zu bewahren.
Dieser Pflicht genügt der Anwalt, der in einem Café gleichsam öffentlich berät, nicht. Gegenstand der an den Anwalt gerichteten Fragen können die unterschiedlichsten Probleme aus allen Lebensbereichen sein. Der Anwalt erfährt sie erst, wenn der Mandant sich geäußert hat. Erst dann mag sich – zu spät – herausstellen, dass der Mandant die Frage besser in der vertraulichen Atmosphäre eines anwaltlichen Büros gestellt hätte und nicht gleichsam öffentlich im Café vor den Augen und Ohren der anderen Café-Besucher. Soweit es sich dabei um wartende Beratungsinteressenten handelt, mögen sie ihre Aufmerksamkeit dem Gespräch vielleicht schon deshalb in besonderer Weise schenken, weil sie ihrerseits auf den Anwalt und damit auf das Ende des vorangehenden Gesprächs warten.
Einige Mandanten mögen es selbst einschätzen können, ob sie ihr Anliegen unter derartigen Umständen vortragen möchten. Gerade bei dem mit der Veranstaltung angesprochenen unerfahrenen Personenkreis widerspricht es indes anwaltlicher Fürsorgepflicht, wenn die Mandanten der durchaus realistischen Gefahr einer leichtfertigen Preisgabe von persönlichen Umständen ausgesetzt werden. Es kommt hinzu, dass in einem öffentlichen Café keine Räume erkennbar sind, in denen eine vertrauliche Beratung durchgeführt werden könnte. Dies mag auch die Personen, die Bedenken wegen der fehlenden Wahrung der Vertraulichkeit hegen, davon abhalten, sie zu äußern und auf einer anderweitigen Beratung zu bestehen. Das würde dann auch dem Charakter der Veranstaltung, die eine öffentliche Schnellberatung bieten soll, widersprechen.
b) Mit der Verschleierung des Werbecharakters der Veranstaltung liegt auch ein Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG vor.
c) Zu Unrecht bejaht hat das Landgericht dagegen einen Verstoß der Antragsgegnerin zu 2. gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG. Die Antwort auf die Frage, ob eine unerlaubte Rechtsberatung vorliegt, richtet sich danach, mit wem der Mandant einen auf Rechtsberatung gerichteten Vertrag schließt. Maßgeblich ist dann die Befugnis des nach diesem Vertrag zur Rechtsberatung verpflichteten Vertragspartners (vgl. etwa BGHZ 152, 153 = NJW 2003, 819 = GRUR 2003, 349 – Anwalts-Hotline).
Im vorliegenden Fall ergibt eine Auslegung der Willenserklärungen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses, dass ein Vertrag der beratenen Personen mit der Antragsgegnerin zu 2. als nicht zur Rechtsberatung Befugte nicht gewollt ist. Vielmehr kommen Verträge mit dem beratenden Rechtsanwalt, dem Antragsgegner zu 1. zustande. Zwar hat die Antragsgegnerin zu 2. das Konzept entwickelt; sie organisiert zudem die Veranstaltungen, wie das Landgericht mit Recht festgestellt hat. Indes tritt sie nach außen nicht in Erscheinung. So nennt insbesondere der Flyer namentlich als Ratgeber allein den Antragsgegner zu 1. Es sind keine Umstände ersichtlich, aus denen man einen Willen der angesprochenen Ratsuchenden entnehmen könnte, nicht mit dem ihnen benannten und in Person entgegentretenden Antragsgegner zu 1. als Rechtsanwalt, sondern mit der nicht näher bekannten Antragsgegnerin zu 2. einen Beratungsvertrag schließen zu wollen (vgl. auch BGH a.a.O. – Anwalts-Hotline: Danach wird der durch den Anruf bei einer Anwalts-Hotline zustande kommende Beratungsvertrag im Zweifel mit dem den Anruf entgegennehmenden Rechtsanwalt geschlossen und nicht mit dem – zur Rechtsberatung nicht befugten – Unternehmen, das den Beratungsdienst organisiert und bewirbt.).
d) Kein Verstoß gegen anwaltliche Berufspflichten aus dem Gebührenrecht liegt in der Preisgestaltung. Die Vergütung für die außergerichtliche Beratung ist mit der Neufassung des § 34 RVG freigegeben worden und kann – ohne inhaltliche gesetzliche Vorgaben – Gegenstand einer Gebührenvereinbarung sein. Mit Blick hierauf ist die Vereinbarung von Pauschalen grundsätzlich ohne weiteres zulässig (vgl. bereits Urteil des Senats vom 15.11.2005 – I-20 U 116/05, AnwBl. 2006, 284; OLG Stuttgart WRP 2007, 204 = NJW 2007, 924 mit eingehender Begründung). Etwas anderes folgt im vorliegenden Fall nicht daraus, dass neben der anwaltlichen Beratung auch noch eine Tasse Kaffee versprochen wird. Das stellt sich gegenüber der anwaltlichen Beratung lediglich als eine – wertmäßig zudem nicht ins Gewicht fallende – Zugabe zu der anwaltlichen Dienstleistung dar, wie sie heute ohnehin regelmäßig in einer Anwaltskanzlei gewährt wird. Es liegt daher auch kein Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG vor, zumal nicht ersichtlich ist, welche Bedingungen für die Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angegeben sein könnten.
II.
Das Landgericht hat der Antragsgegnerin zu 2. außerdem zu Recht verboten, wie aus dem beigefügten Flyer (Bl. 14 f. GA) ersichtlich für die Café-Beratung zu werben.
1. Unzulässig ist die Werbung bereits deshalb, weil die beworbene Veranstaltung selbst – wie ausgeführt – unzulässig ist.
2. Aber auch darüber hinaus, also unabhängig von der rechtlichen Beurteilung der Veranstaltung selbst, enthält der Flyer eine unlautere, weil irreführende Werbung (§ 5 UWG).
a) Irreführend ist die Werbung zunächst bezogen auf die in ihr genannten Merkmale der beworbenen Dienstleistung, § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Es wird nämlich die Beratung im Café inhaltlich einer anwaltlichen Beratung gegenüber gestellt und suggeriert, dass erstere einfache Antworten auf Fragen biete, die in einer Anwaltskanzlei nur unverständlich und nach „umständlicher Beratung“ und „fester“ Terminvereinbarung beantwortet würden. Tatsächlich aber kann auch die Café-Beratung inhaltlich nichts anderes bieten als eine sonstige anwaltliche Beratung und unterscheidet sich von letzterer allein dadurch, dass sie in anderen Räumen stattfindet. Ob das Ergebnis kompliziert oder leicht verständlich ausfällt, liegt in erster Linie an der zur Beratung gestellten Materie, möglicherweise auch an den Fähigkeiten des beratenden Anwalts, die Rechtslage verständlich darzustellen, keinesfalls aber daran, dass die Beratung in einem öffentlichen Café stattfindet.
Vor allem aber stellt die Werbung in den Vordergrund, dass eine „normale“ anwaltliche Beratung nicht weiterführe („… und hinterher ist alles nur noch komplizierter. Und ich bin so schlau wie vorher.“), während der Mandant bei der Café-Beratung „eine klare Empfehlung, ob und was zu tun ist“, bekomme. Das ist deshalb hochgradig irreführend, weil tatsächlich nur eine allererste Beratung geboten und die Mandanten an einen anderen Rechtsanwalt verwiesen werden, sobald eine eingehendere Beratung oder eine bestimmte Maßnahme wie eine Klageerhebung o. ä. erforderlich erscheinen. Der Flyer erweckt vor allem mit der Gegenüberstellung dieser Art der Beratung zu derjenigen in einer Anwaltskanzlei einen unzutreffenden Eindruck: Die anwaltliche Erstberatung in einer Kanzlei, die sich auf Aussagen der Art beschränkt, dass die Sache näher geprüft und eine Klage erwogen werden müsse, ist auch einfach und verständlich. Komplizierter wird es stets, auch als Folge der von den Antragsgegnern angebotenen Beratung dann, wenn eingehender beraten, also insbesondere in komplexeren Fällen die Rechtslage näher geprüft werden muss. Das kann und soll im Café nicht geleistet werden, obwohl die Werbung vor allem bei dem angesprochenen unerfahrenen Publikum den gegenteiligen Eindruck erweckt.
b) Irreführend ist die Werbung auch hinsichtlich des Preises, § 5 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Genannt ist eine Pauschale von 20,– € als Gegenleistung für eine anwaltliche Beratung, die in eine „klare Empfehlung“ einmünden soll, „ob und was zu tun ist“. Zwar ist die Vergütung für die außergerichtliche Beratung mit der Neufassung des § 34 RVG – wie ausgeführt – freigegeben worden und kann – ohne inhaltliche gesetzliche Vorgaben – Gegenstand einer Gebührenvereinbarung sein.
Die Irreführung liegt hier aber in den falschen Erwartungen, die mit den Aussagen des Flyers gerade bei den angesprochenen rechtlich unerfahrenen Interessenten zum Umfang der Beratung geweckt werden, die für den Preis von 20,– € erwartet werden kann. Aufgrund der Werbung erwartet der Interessent eine unabhängig vom Gegenstand und Umfang seiner Sache vollständige und ordnungsgemäße Beratung. Das bekommt er indes so nicht. Die versprochene „klare Empfehlung“ kann vielmehr – wie ausgeführt – in den seltensten Fällen abschließend sein, sondern wird nach dem Gesamtkonzept der Antragsgegnerin zu 2. in der Regel darin bestehen, den Mandanten zur weiteren Beratung an einen anderen Anwalt zu vermitteln. Die Beratung, die der Mandant auf diese Weise für die gezahlten 20,– € erhält, erweist sich dann für ihn als nur begrenzt nützlich, weil er – anders als von der Werbung suggeriert – keinen abschließenden Rat erhält, sondern erst noch einen anderen Rechtsanwalt aufsuchen muss, der mit dem rechtlichen Problem bis dahin nicht vertraut ist und dem der Mandant dann nochmals in ähnlicher Weise wie bereits im Café seinen Fall vortragen muss. Die Tätigkeit des Anwalts, dem der Mandant vermittelt wurde, ist zudem anschließend gesondert, über die bereits gezahlten 20,– € hinaus, zu vergüten, mag sie auch ihrerseits ebenfalls auf eine außergerichtliche Beratung beschränkt bleiben.
III.
Das Landgericht hat der Antragsgegnerin zu 2. schließlich zu Recht verboten, für jeden an einen Rechtsanwalt vermittelten Mandanten einen Geldbetrag (50,– €) zu fordern und zu vereinnahmen. Mit der Zahlung von 50,– €, wie sie nach dem Konzept der Antragsgegnerin vorgesehen ist, verstoßen die am System der Antragsgegnerin zu 2. beteiligten Rechtsanwälte gegen § 49b Abs. 3 BRAO. Nach dessen Satz 1 ist die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen unzulässig. Das gesetzliche Verbot einer entgeltlichen Mandantenvermittlung richtet sich zwar nicht unmittelbar an die Antragsgegnerin zu 2., sondern an Rechtsanwälte. Das sind hier diejenigen Rechtsanwälte, an die als Ergebnis der Erstberatung im Café Mandanten vermittelt werden. Sie zahlen bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen für jeden Mandanten 50,– € an die Antragsgegnerin zu 2. Letztere ist als Organisatorin dieses Systems als Anstifterin der beteiligten Rechtsanwälte gemäß § 830 Abs. 2 BGB ebenfalls zur Unterlassung verpflichtet.
Die Zahlung von 50,– € erfolgt nach dem Konzept der Antragsgegnerin zu 2. auch „für die Vermittlung von Aufträgen“. Die Antragsgegnerin zu 2. hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass dieser Betrag ausschließlich die Gegenleistung für eine andere Leistung darstellen könnte. Zunächst ist auch nach dem ausdrücklichen Vortrag der Antragsgegnerin zu 2. die Vermittlung eines Mandanten die Voraussetzung für die Entstehung der Zahlungspflicht: Ohne Vermittlung keine Zahlung. Dieser Zweck der Zahlung liegt auch nahe: Die Antragsgegnerin zu 2. hatte, wie sie selbst darstellt, einen gewissen Aufwand für die Entwicklung des Konzepts und die Bewerbung der Veranstaltung gehabt, von der die beteiligten Rechtsanwälte mit der Gewinnung von Mandanten profitieren. Hierfür erhält sie den genannten Betrag. Ihr Geschäftsführer hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 1.2.2007 beispielsweise die „Ausarbeitung der Idee“, die „Recherchen“, „Druckwerke“ usw. ausdrücklich als einige der für die Antragsgegnerin zu 2. Kosten auslösende Maßnahmen genannt. Es ist auch nicht ersichtlich, wie sonst die Antragsgegnerin zu 2. ihre Aufwendungen abdecken könnte, wenn nicht durch die Vereinnahmung der 50,– € je vermitteltem Mandanten.
Dass weitere Voraussetzung für die Entstehung der Zahlungspflicht die Teilnahme des Mandanten an einer Befragung zur Qualität der Rechtsberatung ist, ist unerheblich. Dieser Umstand ändert nichts an der Ursächlichkeit der Mandantenvermittlung für die Entstehung der Zahlungspflicht und daran, dass zumindest ein Teil des in Rede stehenden Betrages für die Vermittlung von Mandanten gezahlt wird. Ob daneben ein bezifferbarer weiterer Teil der 50,– € für die Kosten einer Qualitätskontrolle anfällt, kann dahin stehen. Dem Senat erscheint die Konstruktion der Antragsgegnerin zu 2. allerdings dazu erdacht, das gesetzliche Verbot entgeltlicher Mandantenvermittlung zu umgehen. Maßgeblich für diese Einschätzung ist insbesondere, dass die Veranstaltung „C. a. L.“ einerseits und die Qualitätskontrolle andererseits keinerlei inneren Zusammenhang aufweisen. Eine Qualitätskontrolle mag für die an ihr beteiligten Rechtsanwälte sinnvoll sein; das bezieht sich aber auf sämtliche Mandanten, nicht nur auf die mit der öffentlichen Beratung in einem Café angeworbenen und vermittelten. Auch auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung konnte der Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 2. einen Zusammenhang nicht nachvollziehbar darlegen. Er hat ausgeführt, er wolle nicht Mandanten befragen, die ein Rechtsanwalt ihm schicke. Das betrifft die Frage, ob nach der Anlage der Qualitätskontrolle der Rechtsanwalt eine Vorauswahl treffen kann; soll letzteres vermieden und eine gewisse Vollständigkeit der Mandanten erreicht werden, so mag dies sinnvoll sein und ließe sich ohne weiteres auch bei anders angelegten Untersuchungen erreichen. Eine Vermittlung von Mandanten aufgrund einer Werbeveranstaltung im Café ist hierfür ersichtlich nicht erforderlich.
Für den Eindruck, dass die Mandantenbefragung nur eine wenig bedeutsame zusätzliche Voraussetzung der Zahlungspflicht ist, spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt. Nach der ganzen Anlage der Veranstaltung liegt es fern, dass in einer nennenswerten Anzahl der Fälle die Entstehung der Zahlungspflicht an dem fehlenden Einverständnis der Mandanten scheitert. Die entsprechende Erklärung ist nämlich bereits in der Quittung vorgedruckt enthalten, die jeder Ratsuchende für die Zahlung der 20,– € erhält. Die Gestaltung des Quittungsformulars legt sehr nahe, dass nahezu jeder Mandant das Einverständnis auch erteilen wird.
IV.
Entgegen der Auffassung der Berufung ist der Tenor der Beschlussverfügung nicht zu weit gefasst. Der Kern des Verbots ergibt sich unter Heranziehung der Urteilsgründe, auch des vorliegenden Urteils des Senats. Danach sind Veranstaltungen mit Rechtsberatung in öffentlichen Cafés, Restaurants o. ä. verboten, die die Merkmale aufweisen, die nach den vorstehenden Ausführungen das Verbot begründen. Es geht nicht darum, dass bei jedweder, im Übrigen zulässiger Rechtsberatung kein Kaffeemehr gereicht werden darf. Das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht zweifelhaft. Für eine Einschränkung des Verbots auf den „Raum D.“ besteht keine Veranlassung.
D.
Über die Anschlussberufung des Antragstellers ist in der Sache nicht zu entscheiden. Nach der Klarstellung des Antragstellers im Senatstermin ist sie nur vorsorglich für den Fall erhoben, dass in einem auf § 28 BRAO a. F. gestützten Verbot auswärtiger Sprechtage ein eigenständiger Streitgegenstand liegen sollte. Eine derartige bedingt erhobene Anschlussberufung ist zulässig (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 524 Rn. 17). In der Sache ist hierüber indes nicht zu entscheiden, weil in einem Verbot gemäß § 28 BRAO a. F. ein eigener Streitgegenstand nicht zu sehen ist. Der Streitgegenstand bestimmt sich nach dem Antrag und dem zur Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt. Der Antragsteller hat erstinstanzlich im hier maßgeblichen Zusammenhang hinsichtlich der Veranstaltung ein Verbot gemäß § 4 Nr. 11 UWG mit der Begründung begehrt, die Rechtsberatung in einem öffentlichen Café verstoße gegen das Berufsrecht der Rechtsanwälte. Aus letztgenanntem hat der Antragsteller verschiedene Regelungen angeführt, unter anderem § 28 BRAO a. F. Streitgegenstand ist danach die berufsrechtliche Beurteilung der Beratung im öffentlichen Café; die verschiedenen berufsrechtlichen Aspekte stellen nur rechtliche Bewertungen des ansonsten einheitlichen Lebenssachverhalts, also nicht verschiedene Streitgegenstände dar. Demgemäß hat es sich für den Antragsteller nach der landgerichtlichen Entscheidung auch kostenmäßig nicht nachteilig ausgewirkt, dass das ausgesprochene Verbot nicht auf den inzwischen ersatzlos aufgehobenen § 28 BRAO gestützt werden konnte. Eine teilweise Zurückweisung seines Antrags hat das Landgericht mit Recht nicht ausgesprochen.
E.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Soweit der Senat einzelne Verstöße, die der Antragsteller gerügt hat und die einen eigenen Streitgegenstand darstellen, verneint hat, fällt dies nicht ins Gewicht.
Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt, § 704 Abs. 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 15.000,– € nach der Festsetzung des Landgerichts.
(Unterschriften)
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