LG Köln, Urteil vom 21.04.2008 – 28 O 124/08 –
§§ 97 Abs. 1, 17, 19 a UrhG
Auch im „virtuellen Raum“, hier im Rahmen der Online-Plattform „Second Life“, können urheberrechtlich geschützte Werke entstehen, wenn diese dem Schutz einer der in § 2 UrhG genannten Werkarten zuzuordnen sind.
Es liegt jedoch keine hinreichende eigenpersönliche Schöpfung vor, wenn die Arbeitsschritte sich im Handwerklich-Technischen und im Wesentlichen mechanischen Bearbeiten erschöpfen, so bei dem mechanischen Bearbeiten von Bildern auf Grundlage von Fotos des realen Domes durch perspektivische Korrekturen, Helligkeitsanpassungen und Wahl des entsprechenden Bildausschnitts um eine Anpassung dieser Fotos für die Zwecke des virtuellen Doms zu erzielen.
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsklägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung der Verfügungsbeklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um urheberrechtliche Ansprüche hinsichtlich eines virtuellen Modells des Kölner Doms.
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Die Verfügungsklägerin berät Kunden bei der Umsetzung von Maßnahmen und Projekten in virtuellen Welten. Mit dem Verfügungsbeklagten zu 3), der Software Consultant ist, schloss sie Anfang 2007 eine Kooperation, der sich die Verfügungsbeklagte zu 1) – eine Kommunikationsagentur – im Frühjahr 2007 anschloss. Die Verfügungsbeklagte zu 2) ist eine der Gesellschafterinnen der Verfügungsbeklagten zu 1). Ziel dieser Kooperation war die Erstellung einer virtuellen Nachbildung der Stadt Köln in der Internet-Plattform „Second Life“. Hierfür sollten insbesondere markante Gebäude der Stadt Köln wie der Kölner Dom in „Second Life“ nachgebaut werden. Auf die Projektbeschreibung „Virtuelles Köln“ (Anlage ASt. 3, Bl. 21 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Diese Nachbildung des Kölner Doms wurde dann in der Folgezeit realisiert. Der Umfang der jeweils vom Verfügungsbeklagten zu 3) und von der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin geleisteten Arbeiten hieran und dessen jeweilige Einordnung ist im Einzelnen zwischen den Parteien umstritten. Jedenfalls wirkte die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin an der Erstellung gewisser, im Einzelnen umstrittener, Elemente der Fenster und Bodenmosaike des Kölner Doms mit. Die Fassade des virtuellen Kölner Doms sowie dessen innere Struktur (sog. Geometrie) erstellte der Verfügungsbeklagte zu 3), wobei streitig ist, welche weiteren Leistungen, insbesondere im Hinblick auf Texturen, der Verfügungsbeklagte zu 3) erbrachte. Die Verfügungsbeklagte zu 2) war dem Schwerpunkt nach mit redaktionellen Inhalten sowie der PR-Arbeit betraut.
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Die Verfügungsklägerin hatte im August 2007 von der Dombauverwaltung bzw. dem Dombauarchiv die Genehmigung zur einmaligen Reproduktion von mehreren Fotografien des Doms erhalten; auf Anlage ASt. 8 (Bl. 58 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
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Im Zuge der geplanten Erweiterung des Projekts „Virtuelles Köln“ kam es zum Zerwürfnis zwischen den Parteien. Am 29.01.2008 erklärte der Verfügungsbeklagte zu 3) per E-Mail, die Zusammenarbeit mit der Verfügungsklägerin mit Wirkung zum 06.02.2008 beenden zu wollen. Mit E-Mail vom 07.02.2008 teilte eine Mitarbeiterin des Kölner Erzbistums, Frau E, der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten zu 1) mit, dass das Erzbistum Kenntnis von der Beendigung der Zusammenarbeit zwischen den Parteien genommen habe und bat um Klärung der Urheberrechtssituation am virtuellen Dom. Dem schloss sich eine weitere E-Mail-Korrespondenz der Parteien an, in deren Verlauf die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) die Verfügungsklägerin bzw. deren Geschäftsführerin unter Fristsetzung zur Löschung aller Kopien des virtuellen Doms aus dem Inventar der virtuellen Figur der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin in „Second Life“ (sog. Avatar) aufforderten. Weiter sollte die Verfügungsklägerin gegenüber dem Erzbistum und der Dombauverwaltung erklären, kein Urheberrecht und kein Nutzungsrecht am virtuellen Dom zu besitzen. Die gesetzten Fristen ließ die Verfügungsklägerin verstreichen. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Ausdrucke der entsprechenden E-Mails verwiesen (Bl. 61 ff., 65 ff. d.A.). Mit Anwaltsschreiben vom 27.02.2008 ließen die Verfügungsbeklagten die Verfügungsklägerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hinsichtlich der Urheberstellung am virtuellen Kölner Dom auffordern.
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Am 05.03.2008 unterzeichnete die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin, Frau M, im eigenen Namen und in Vertretung der Verfügungsklägerin einen Lizenzvertrag zwischen ihr selbst und der Verfügungsklägerin. In § 1 dieses Vertrags räumte Frau M der Verfügungsklägerin ausschließliche Nutzungsrechte an von Frau M für den virtuellen Kölner Dom erstellten Fenstern und Bodenmosaiken ein. Nach § 4 des Vertrags sollte die Verfügungsklägerin berechtigt sein, „im Falle der Verletzung der eingeräumten Rechte“ im eigenen Namen gegen den Verletzer vorzugehen.
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Die Verfügungsklägerin behauptet, die Verfügungsbeklagte zu 2) sei am 06.02.2008 telefonisch an Frau E vom Erzbistum herangetreten und habe die Weiterführung der Kooperation ohne die Verfügungsklägerin angeboten. Dabei habe die Verfügungsbeklagte zu 2) behauptet, der Verfügungsbeklagte zu 3) sei der alleinige Inhaber der Urheberrechte am virtuellen Kölner Dom. Gleiches sei auch in einer E-Mail an den Dompropst geschehen. Dies habe Frau E ihr telefonisch berichtet. Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die von ihrer Geschäftsführerin geschaffenen Teile des virtuellen Kölner Doms seien urheberrechtlich schutzfähig. Dazu behauptet sie, durch die Wahl von Schattierungen und Helligkeiten und die Farbwahl habe die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin eine unabhängig vom realen Dom bestehende Atmosphäre geschaffen, wodurch die majestätische Baukunst unterstrichen worden sei. Auch seien durch die Neuschaffung Blickwinkel ermöglicht worden, die vorher und auch in Realität nicht bestanden hätten und bestünden. Durch den Vertrag zwischen ihr und Frau M sei sie zur Geltendmachung von deren Miturheberrechten bevollmächtigt worden.
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Die Verfügungsklägerin beantragt sinngemäß,
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es den Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu untersagen, das folgende Werk, auch lediglich in Ausschnitten, zu vervielfältigen bzw. vervielfältigen zu lassen und/oder Dritten zugänglich zu machen, wie in Anlage ASt. 4.
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Die Verfügungsbeklagten beantragen,
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den Antrag der Verfügungsklägerin vom 05.03.2008 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
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Die Verfügungsbeklagten rügen die Fassung des Verfügungsantrags als zu weitgehend, weil die entsprechende Anlage ASt. 4 nur allgemein bekannte Ansichten des Kölner Doms zeige, an denen keinerlei Urheberrechte bestünden. Dies sei nicht verbotsfähig. Weiter behaupten sie, die von Frau M erbrachten Arbeiten erschöpften sich in einer Weiterbearbeitung von vom Verfügungsbeklagten zu 3) und der Dombauverwaltung angefertigten Fotografien des Kölner Doms. Struktur und Oberflächen des virtuellen Doms in Form von grundlegenden geometrischen Körpern (sog. Primitives oder kurz Prims) habe ausschließlich der Verfügungsbeklagte zu 3) erstellt. Die Blickwinkel auf den virtuellen Kölner Dom würden durch die Benutzer-Schnittstelle von „Second Life“ und nicht durch eine Leistung von Frau M ermöglicht. In einer späteren Bauphase seien darüber hinaus die von Frau M mitbearbeiteten Texturen mit deren Wissen durch solche ersetzt worden, die ausschließlich vom Verfügungsbeklagten zu 3) stammten. Dem Antrag der Verfügungsklägerin vom 05.03.2008 fehle zudem das Eilbedürfnis, weil der Verfügungsbeklagte zu 3) bereits in einer E-Mail vom 21.01.2008 – insoweit unstreitig – mitgeteilt habe, dass eine Nutzung seiner Materialien, Leistungen oder Rechte nur unter Vorbehalt erfolge und jederzeit untersagt werden könne. Spätestens seit der – unstreitig am 29.01.2008 erklärten – Kündigung der Kooperation durch den Verfügungsbeklagten zu 3) sei der Verfügungsklägerin daher bekannt gewesen, dass die Verfügungsbeklagten bzw. der Verfügungsbeklagte zu 3) sich auf den Standpunkt stellen würden, dass diesen die Rechte am virtuellen Dom zustünden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Wegen des weiteren Vortrags in der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der Sitzung vom 28.03.2008 verwiesen (Bl. 182 ff. d.A.).
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Entscheidungsgründe
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet. Der Verfügungsklägerin steht kein Verfügungsanspruch auf die begehrte Unterlassung zur Seite. Im Einzelnen gilt:
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die von den Verfügungsbeklagten geäußerten Zweifel hinsichtlich der Reichweite des Verbotsantrages ändern daran nichts. Durch die Bezugnahme auf die Anlage ASt. 4 wird das Verbotsobjekt, nämlich der virtuelle Kölner Dom, näher spezifiziert und ermöglicht so eine Vollstreckung. Ob die Verfügungsklägerin tatsächlich einen Anspruch auf Unterlassung der Vervielfältigung des gesamten virtuellen Doms hat, betrifft dagegen die Frage eines etwaig zu weiten Verbotsantrages (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 253 Rn. 13b). Dabei handelt es sich aber um einen Aspekt der Begründetheit, nicht der Zulässigkeit (BGH NJW 1999, 1332, 1334).
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2. Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 05.03.2008 mangelt es auch nicht am Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO). Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten ist die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit nicht dadurch entfallen, dass der Verfügungsbeklagte zu 3) bereits Ende Januar 2008 angekündigt hat, dass die Nutzung seiner Rechte nur unter Vorbehalt möglich sei. Denn das die Erstbegehungsgefahr begründende Berühmen (BGH GRUR 1987, 125) hinsichtlich einer Alleinurheberschaft des Verfügungsbeklagten zu 3) erfolgte gegenüber der Dombauverwaltung erstmals am 06.02.2008, wie die Verfügungsklägerin durch die eidesstattliche Versicherung ihrer Geschäftsführerin glaubhaft gemacht hat. Die erwähnte E-Mail des Verfügungsbeklagten zu 3) enthält eine solche Behauptung indes nicht, sondern nimmt vielmehr nur Bezug auf die „Nutzung meiner Materialien, Leistungen und Rechte“, ohne direkt zu negieren, dass auch die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin Anteil an der Erschaffung einzelner Teile des virtuellen Doms hatte. Vielmehr ist noch in der E-Mail vom 05.02.2008 (Bl. 50 d.A.), die ebenfalls vom Verfügungsbeklagten zu 3) stammt, die Rede davon, dass auch die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin die Ressource „Urheberrechte“ in das Projekt „Virtueller Kölner Dom“ eingebracht habe.
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3. Ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Vervielfältigung und/oder des (öffentlichen) Zugänglichmachens des virtuellen Kölner Doms ergibt sich nicht aus vertraglichen Abreden zwischen den Beteiligten. Zwar bestand zwischen den Parteien ein Kooperationsvertrag, aus dem sich möglicherweise Rücksichtnahmepflichten hätten ergeben können. Es kann aber offen bleiben, ob ein Berühmen mit der Alleinurheberschaft hinsichtlich des Domes und eine dementsprechende Nutzung desselben durch die Verfügungsbeklagten eine Verletzung der Pflichten aus diesem Vertrag gewesen wäre. Denn zum genauen Inhalt des Kooperationsvertrags haben die Parteien nichts vorgetragen, so dass schon aus diesem Grund keine vertraglichen Ansprüche ersichtlich sind.
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4. Auch ergibt sich der Anspruch nicht unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten, §§ 97 Abs. 1, 17, 19 a UrhG.
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Die Verfügungsklägerin ist insoweit nicht aktivlegitimiert, weil ihre Geschäftsführerin ihr die im Vertrag vom 05.03.2008 erwähnten Nutzungsrechte mangels Bestehen eigener Urheberrechte nicht einräumen konnte. Die von ihrer Geschäftsführerin, Frau M, hergestellten Texturen für die Domfenster und Bodenmosaike sind keine schutzfähigen Werke im Sinne des § 2 UrhG und werden auch nicht von verwandten Schutzrechten, insbesondere nicht von § 72 UrhG, erfasst.
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Dabei geht die Kammer davon aus, dass auch im „virtuellen Raum“, hier im Rahmen der Online-Plattform „Second Life“, urheberrechtlich geschützte Werke entstehen können, wenn diese dem Schutz einer der in § 2 UrhG genannten Werkarten zuzuordnen sind (vgl. ähnlich Klickermann, MMR 2007, 766, 768 mit dem Beispiel individueller Avatare). Des zum Teil diskutierten Rückgriffs auf ein angesichts des nicht abschließenden Katalogs des § 2 UrhG durchaus denkbares eigenständiges „Multimedia-Werk“ (vgl. Hoeren, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2003, § 9 Rn. 261 f.) bedarf es soweit und solange nicht, als die erwähnte Zuordnung – wie hier – im Grundsatz möglich erscheint. Der Umstand allein, dass die Erstellung schöpferischer Leistungen unter Zuhilfenahme elektronischer Medien erfolgt, rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer nicht, den mehr oder minder unbestimmten Begriff des „Multimedia-Werks“ heranzuziehen. Entscheidend ist nicht die Art der Festlegung des Werkes, etwa in Form von digitalen Daten (Binärcode), sondern vielmehr die durch Sprache, Bild und Ton vermittelte gedankliche Aussage, die die schöpferische Leistung konstituiert (Loewenheim, GRUR 1996, 830, 832; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhG, 2. Aufl. 2006, § 2 Rn. 87).
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Unter Berücksichtigung dieser Prämisse ist ein Schutz der Leistungen der Frau M jedoch zu verneinen. Zwar hat der Verfügungsbeklagte zu 3) in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass zumindest 20 Texturen von Frau M bearbeitet wurden.
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Ein Werk der bildenden Kunst, § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, dessen Vorliegen die Verfügungsklägerin annimmt, ist indes nicht gegeben. Unter den Begriff der bildenden Kunst fallen alle eigenpersönlichen Schöpfungen, die mit den Darstellungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht und vorzugsweise für die ästhetische Anregung des Gefühls durch Anschauung bestimmt ist. Diesen Schutz können auch Computeranimationen – oder grafiken genießen (Dreier/Schulze, a.a.O., § 2 Rn. 157; OLG Hamm GRUR-RR 2005, 73), wenn sie nicht lediglich auf der Tätigkeit des Computers beruhen (Loewenheim, in: Schricker, UrhG, 3. Aufl. 2006, § 2 Rn. 135). Dabei muss der ästhetische Gehalt jedoch einen solchen Grad erreichen, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann (Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl. 2006, § 2 Rn. 150). Zu diesen Verkehrskreisen gehören auch die – in erheblichem Umfang mit Urheberrechtssachen befassten – Mitglieder der Kammer, die daher aus eigener Anschauung die Werkqualität der streitgegenständlichen Texturen beurteilen können.
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Ein solcher ästhetischer Gehalt wohnt den von Frau M bearbeiteten Texturen nicht inne. Dabei geht die Kammer hinsichtlich des Schöpfungsprozesses der Texturen davon aus, dass Frau M hierzu Fotovorlagen herangezogen hat, die ihr entweder vom Verfügungsbeklagten zu 3) oder von der Dombauverwaltung überlassen worden sind. Das entspricht auch der vorgelegten Anlage ASt. 16 (Bl. 134 ff. d.A.), mit der die Verfügungsklägerin die einzelnen Schaffensschritte beispielhaft zu belegen sucht. Anhand dieser wird deutlich, dass Frau M – wie es auch die Verfügungsbeklagten vortragen und an Eides Statt versichern – nicht die Oberflächen (in Form von geometrischen Körpern o.ä.) des virtuellen Doms erstellt hat, sondern die auf diese Oberflächen aufzubringenden fotorealistischen Texturen. Die Texturen geben den „nackten“ geometrischen Körpern wie den Fenstern oder Bodenkacheln sodann den gewünschten lebensechten Anschein. Die danach geleistete Tätigkeit der Frau M bestand und erschöpfte sich also darin, auf der Grundlage von Fotos des realen Domes durch perspektivische Korrekturen, Helligkeitsanpassungen und Wahl des entsprechenden Bildausschnitts eine Anpassung dieser Fotos für die Zwecke des virtuellen Doms zu erzielen. Hierin liegt keine hinreichende eigenpersönliche Schöpfung. Vielmehr sind die insoweit zu erbringenden Leistungen im eher handwerklich-technischen Bereich anzusiedeln, insbesondere im Umgang mit den grundlegenden Bearbeitungsfunktionen eines Bildbearbeitungsprogramms. Zu letzteren rechnen, wie der Kammer aus eigener Anschauung bekannt ist, gerade die perspektivische Korrektur, die Aufhellung einzelner Teile oder des gesamten Bildes sowie das sog. Freistellen (also Loslösen eines Motives vom mitfotografierten Hintergrund). Aus der in ASt. 16 (Bl. 136 d.A.) von der Verfügungsklägerin vorgelegten und auf Basis der beiden vorangehenden Lichtbilder gefertigten beispielhaften Textur geht hervor, dass die Tätigkeit der Frau M über die vorbeschriebenen Arbeitsschritte nicht hinausgegangen sein kann. Denn sowohl von der Farbgebung als auch von der Zusammensetzung her stellt diese Textur eine zum Teil aufgehellte und perspektivisch gekippte (hinsichtlich des oberen Bildausschnitts) beziehungsweise zugeschnittene und größenmäßig angepasste (hinsichtlich des unteren Bildausschnitts) Zusammenfügung der vorher existierenden Lichtbilder dar. Ist dies aber der Fall, liegt in dem Zusammenfügen und Zuschneiden keine eigenschöpferische Leistung. Die auf den Fenstern und Bodenkacheln ersichtlichen Motive und Gestaltungen ändern daran nichts, weil diese durch die Fotos vorgegeben waren. Insofern gilt, dass bei der Prüfung der Individualität des jeweiligen Werkes all diejenigen Elemente auszuscheiden haben, die auf bekannte Vorbilder zurückgehen (Loewenheim, in: Schricker, a.a.O., § 2 Rn. 161). Soweit die Verfügungsklägerin nunmehr vorträgt, dass die zugrundeliegenden Aufnahmen allein von der Dombauverwaltung stammten, so erscheint dies zum einen nicht konsistent mit dem von ihr selbst vorgelegten, vom Verfügungsbeklagten zu 3) aufgenommenen Lichtbild, welches ihre Geschäftsführerin als Vorlage für die Textur in ASt. 16 verwendet haben will. Zum anderen ist die Herkunft der zugrundeliegenden Lichtbilder für die Frage einer etwaigen Urheberschaft zumindest insoweit irrelevant, als auch die Verfügungsklägerin nicht behauptet, dass die Bilder von ihrer Geschäftsführerin aufgenommen wurden. Nur im letzteren Fall aber erschiene ein urheberrechtlicher Schutz der Lichtbilder selbst denkbar (§ 72 UrhG), der sich – was hier aber offen bleiben kann – auf die Texturen erstrecken könnte.
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Weitere als die genannten Arbeitsschritte, die über das Handwerklich-Technische und im Wesentlichen mechanische Bearbeiten der Bilder hinausgehen, hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere erschließt sich der Kammer anhand der vorgelegten Anlage ASt. 16 nicht, inwieweit hierbei über das vorbekannte Material hinaus eine „Atmosphäre“ erzeugt worden sein soll. Die vorgelegte Textur weist eine solche über die reine Anschauung hinausgehende Atmosphäre nicht auf; diese kann sie allenfalls im Zusammenhang mit der weiteren Gestaltung des virtuellen Doms erhalten, indem sie ihre farbliche Strahlkraft in Abhebung vom dunkleren virtuellen Mauerwerk entfaltet. Gerade diese Farbigkeit ist indes nicht der Bearbeitung durch die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin geschuldet, sondern geht auf die als Vorlagen verwendeten Lichtbilder zurück. Auch die von der Verfügungsklägerin geltend gemachten neuartigen Ansichten, Blickwinkel und Perspektiven auf den virtuellen Kölner Dom und die Fenstertexturen begründen keine schöpferische Tätigkeit ihrer Geschäftsführerin. Insoweit folgt die Kammer dem durch eidesstattliche Versicherungen der Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) belegten Vorbringen der Verfügungsbeklagten, dass die Betrachtung der erschaffenen virtuellen Gebäude und ihrer Einrichtungsgegenstände nicht durch den jeweiligen Ersteller des Gebäudes bzw. Gegenstandes ermöglicht wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Fa. M2 Labs als Betreiberin der Plattform „Second Life“ die zugrundeliegende Software bereitstellt, mittels derer die Benutzer die virtuelle Welt entdecken und auch aus verschiedenen Blickwinkeln einsehen können. Auch in Veröffentlichungen zu Rechtsfragen virtueller Welten wird diese Ermöglichung beliebiger Perspektiven und Ansichten als Teil des vom Anbieter solcher Plattformen bereitgestellten Funktionsumfangs beschrieben, der für diesen Zweck leistungsstarke Rechner mit grafischer Software vorhält (vgl. Habel, MMR 2008, 71; ähnlich auch Klickermann, MMR 2007, 766: „Spielmechanik auf dem Server verwaltet“).
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Insoweit kommt auch kein Schutz der durch die Fortbewegung im virtuellen Raum entstehenden beweglichen Bilder als Film- oder filmähnliches Werk, § 2 Abs.1 Nr. 6 UrhG, in Betracht. Denn diese beweglichen Bilder werden allein durch die im Hintergrund arbeitende Computertechnik bewirkt, die aufgrund entsprechender Algorithmen die Blickwinkel auf die erstellten Gegenstände errechnet (sog. Rendering Engine). Aus demselben Grund scheidet eine Anwendung des § 95 UrhG aus.
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Hinsichtlich der Anforderungen an die Schöpfungshöhe verkennt die Kammer nicht, dass im Bereich der bildenden Kunst auch die sog. „kleine Münze“ geschützt sein kann (BGH GRUR 1995, 581, 582 – Silberdistel). Allerdings ist hier nicht davon auszugehen, dass ein Fall „reiner Kunst“ vorliegt. (Nur) für diese sind die Anforderungen an die persönliche geistige Schöpfung im Gegensatz zur angewandten Kunst eher niedrig anzusetzen (Dreier/Schulze, a.a.O., § 2 Rn. 153). Vielmehr ist der virtuelle Dom in seiner Gesamtheit, somit auch die von der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin erbrachte Leistung, als angewandte Kunst einzuordnen. Werke der angewandten Kunst sind dadurch gekennzeichnet, dass es sich um Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung handelt (Loewenheim, in: Schricker, a.a.O., § 2 Rn. 156). So liegt es auch hier. Der virtuelle Kölner Dom sollte bereits ausweislich der vorgelegten Projektbeschreibung dem Zweck dienen, den Kölner Dom zu visualisieren und zu zeigen, dass virtuelle Welten eine ernstzunehmende Kommunikationsplattform darstellen. Aus derselben Broschüre geht hervor, dass das Projekt „Virtuelles Köln“ mit seinem zentralen Bezugspunkt „Virtueller Dom“ gerade keine zweckfreie, der rein ästhetischen Anschauung dienende Darstellung sein sollte, wie es für die bildende Kunst kennzeichnend ist (vgl. Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 2 Rn. 86). Vielmehr dient es dem konkreten Gebrauchszweck, „das Potential von Virtuellen Welten […] auszuschöpfen und allen Teilnehmern des Projekts sozialen und ökonomischen Nutzen [zu] bringen“, wie in der erwähnten Broschüre auf S. 2 (Bl. 24 d.A.) ausdrücklich aufgeführt ist. Das haben letztlich auch die Parteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt; hierbei ist mehrfach zur Sprache gekommen, dass der erstellte virtuelle Dom als Referenz für spätere (kommerzielle) Projekte im Rahmen virtueller Welten dienen sollte, wie zB für das als Anlage ASt. 19 (Bl. 166 d.A.) vorgelegte Angebot der Verfügungsbeklagten an die L GmbH. Die höheren Anforderungen, die an die Schöpfungshöhe bei angewandter Kunst zu stellen sind, namentlich ein deutliches Überragen der Durchschnittsgestaltung (BGH GRUR 1995, 581, 582 – Silberdistel), sind nach dem oben Gesagten nicht erfüllt.
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Auch der Umstand, dass die Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin sich – wie sie an Eides Statt versichert – von Mitte Juni bis August 2007 intensiv mit der Erstellung der Texturen befasst hat, begründet keine schöpferische Leistung, weil die Frage, mit welchem Aufwand und welchen Kosten etwas erstellt wurde, für die Schöpfungshöhe ohne Belang ist (BGH GRUR 1985, 1041, 1048 – Inkassoprogramm). Das gilt auch dann, wenn die Herstellung möglicherweise zeitaufwendig war, denn für die Einordnung als Kunstwerk ist nur das Ergebnis entscheidend, wie es dem Betrachter gegenüber tritt, nicht der Arbeitsaufwand, der zu seiner Herstellung erforderlich war (OLG Hamburg ZUM 2004, 386 – Handy-Logos I).
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Urheberrechtlicher Schutz der von der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin erstellten Texturen lässt sich ebenfalls nicht nach § 72 UrhG begründen. Es kann hier dahinstehen, ob eine Anwendung des § 72 UrhG auf Computerbilder schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil die Situation des am Computer geschaffenen Bildes nicht mit einem Lichtbild vergleichbar ist und es an dem Element einer fotomechanischen Wiedergabe von Gegenständen fehlt (so etwa OLG Hamm GRUR-RR 2005, 73; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 2 Rn. 93; anders Dreier/Schulze, a.a.O., § 2 Rn. 200). Denn jedenfalls stellen die von Frau M hergestellten Texturen keine eigenständig erstellten Computergrafiken dar, sondern vielmehr bloße Bearbeitungen der vorhandenen Lichtbilder. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die obigen Ausführungen zum Schaffensprozess Bezug genommen.
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Ein Schutz der von der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin erstellten Texturen unter dem Gesichtspunkt eines Sammelwerks, § 4 Abs. 1 UrhG, muss ebenfalls ausscheiden. Zwar kann, wie die Kammer bereits entschieden hat (Urteil vom 15.06.2006, Az. 28 O 744/04), eine computergestützte Präsentation grundsätzlich als Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG einzuordnen sein, wenn in Auswahl oder Anordnung unabhängiger selbständiger Elemente eine persönliche geistige Schöpfung i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG liegt. Dabei meint die „Auswahl“ den Vorgang des Sammelns und Aufnehmens und „Anordnung“ die Einteilung, Präsentation und Zugänglichmachung (Dreier/Schulze, a.a.O., § 4 Rn. 11); im Zweifel ist ein gewisser Entscheidungsspielraum des Schaffenden über Aufnahme und/oder Nichtaufnahme der Elemente in die Datenbank zu verlangen (Dreier/Schulze, a.a.O., § 4 Rn. 12). Dass die Verfügungsklägerin oder ihre Geschäftsführerin bei der Einfügung der Texturen in den virtuellen Dom oder bei deren Auswahl ein solcher Entscheidungsspielraum zukam, ist weder vorgetragen noch auch nur plausibel. Denn wenn es Zweck des virtuellen Doms war, den echten Dom in möglichst großer Realitätsnähe in „Second Life“ nachzuschaffen, so lag es gerade nicht im Belieben der Verfügungsklägerin, welche Elemente Verwendung innerhalb des virtuellen Doms finden sollten – dies war durch die realen Gegebenheiten vielmehr vorgegeben. Zudem ist die Verfügungsklägerin dem – durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemachten – Vortrag der Verfügungsbeklagten nicht entgegen getreten, wonach es der Verfügungsbeklagte zu 3) war, der die endgültige Zuweisung der von der Geschäftsführerin der Verfügungsklägerin erstellten Texturen vornahm. Dabei hat der Verfügungsbeklagte zu 3) insbesondere detailliert und nachvollziehbar dargelegt, dass die von ihm bearbeiteten „Prims“ als Grundbausteine der Geometrie des virtuellen Gebäudes dienen und diesen sodann durch ihn Texturen, die in einem anderen Bildformat vorliegen, zugewiesen worden sind. Eine etwaige Auswahlentscheidung dahingehend, welche konkreten Texturen Verwendung fanden, oblag insoweit allenfalls dem Verfügungsbeklagten zu 3).
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Angesichts der fehlenden Schutzfähigkeit kann dahingestellt bleiben, ob die Aktivlegitimation der Verfügungsklägerin bereits daran scheitert, dass sie als (vermeintliche) Inhaberin von ausschließlichen Nutzungsrechten Ansprüche gegen zumindest einen möglichen Miturheber – den Verfügungsbeklagten zu 3) – geltend macht und ob dies zur Folge haben kann, dass ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich des gesamten virtuellen Doms besteht. Es kann ebenfalls offen bleiben, ob die Erschaffung der äußeren und inneren Strukturen des virtuellen Doms durch den Verfügungsbeklagten zu 3) überhaupt eine urheberrechtlich schutzfähige Leistung darstellt.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
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Streitwert: 50.000,- €
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(Unterschriften)
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