EuGH, Urteil vom 11.11.1997 – C-251/95 – Springende Raubkatze
„Richtlinie 89/104/EWG – Angleichung der Rechtsvorschriften über die Marken – Verwechslungsgefahr, die die Gefahr einer gedanklichen Verbindung einschließt“
Die rein assoziative gedankliche Verbindung, die der Verkehr über die Übereinstimmung des Sinngehalts zweier Marken zwischen diesen herstellen könnte, begründet für sich genommen keine „Gefahr von Verwechslungen …, die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“, im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/ 104/ EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken.
In der Rechtssache C-251/95 betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Bundesgerichtshof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit Sabèl BV gegen Puma AG, Rudolf Dassler Sport vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/ EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) erläßt DER GERICHTSHOF unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann (Berichterstatter), H. Ragnemalm und M. Wathelet sowie der Richter G. F. Mancini, J. C. Moitinho de Almeida, P. J. G. Kapteyn, J. L. Murray, D. A. O. Edward, J. -P. Puissochet, G. Hirsch, P. Jann und L. Sevón, Generalanwalt: F. G. Jacobs Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen der Puma AG, Rudolf Dassler Sport, vertreten durch Patentanwalt W. Hufnagel, der französischen Regierung, vertreten durch C. de Salins, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, und P. Martinet, Sekretär für Auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte, der niederländischen Regierung, vertreten durch A. Bos, Rechtsberater im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Nicoll, Treasury Solicitor’s Department, als Bevollmächtigte, Beistand: Barrister M. Silverleaf, der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater J. Grunwald und B. J. Drijber, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, aufgrund des Sitzungsberichts, nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Sabèl BV, vertreten durch Rechtsanwalt R. E. P. de Ranitz, Den Haag, der belgischen Regierung, vertreten durch Rechtsanwalt A. Braun, Brüssel, der französischen Regierung, vertreten durch P. Martinet, der luxemburgischen Regierung, vertreten durch Rechtsanwalt N. Decker, Luxemburg, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Nicoll, Beistand: M. Silverleaf, und der Kommission, vertreten durch J. Grunwald, in der Sitzung vom 28. Januar 1997, nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. April 1997, folgendes Urteil (1):
Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluß vom 29. Juni 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juli 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/ 104/ EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der niederländischen Firma Sabèl BV (im folgenden: Markeninhaberin) und der deutschen Firma Puma AG, Rudolf Dassler Sport (Widersprechende), über einen Antrag, in Deutschland die nachfolgend abgebildete IR-Marke 540 894 Figure Image file SABEL. WPG with height „and width“ für Waren insbesondere der folgenden Warenklassen einzutragen: 18 Cuir et imitations du cuir, produits en ces matières non compris dans d’autres classes; sacs et sacs à main 25 Vêtements, y compris collants, chaussettes et bas, ceintures, écharpes, cravates et bretelles; chaussures; chapellerie. Die Inhaberin des folgenden prioritätsälteren Bildzeichens, Figure Image file PUMA_2. WPG with height „and width“ das in Deutschland (unter der Nr. 1 106 066) u. a. für Leder und Lederimitationen, Waren daraus (Taschen) und für Bekleidungsstücke eingetragen ist, hat dem widersprochen.
Das Deutsche Patentamt verneinte die zeichenrechtliche Übereinstimmung zwischen den beiden Marken und wies den Widerspruch dementsprechend zurück. Die Widersprechende legte daraufhin Beschwerde beim Bundespatentgericht ein, das ihrem Widerspruch teilweise stattgab, da es die Übereinstimmung der Marke der Markeninhaberin mit dem Zeichen der Widersprechenden hinsichtlich der zu den Klassen 18 und 25 gehörenden Waren der Markeninhaberin für gegeben erachtete, die es als gleich oder gleichartig mit Waren aus dem Warenverzeichnis des genannten Zeichens ansah. Hiergegen legte die Markeninhaberin Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein.
Der Bundesgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß bei Anwendung der Grundsätze, nach denen die zeichenrechtliche Verwechslungsgefahr bislang im deutschen Recht beurteilt worden sei, keine Verwechslungsgefahr der beiden Marken gegeben sei.
Dieser vorläufigen Stellungnahme liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei auf den Gesamteindruck der betreffenden Zeichen abzustellen. Es sei nicht zulässig, ein Element aus einer Gesamtbezeichnung herauszugreifen und die Prüfung der Verwechslungsgefahr nur auf dieses Element zu beschränken. Dennoch könne einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft zugemessen und deshalb bei einer Übereinstimmung des Drittzeichens mit dem so geprägten Gesamtzeichen eine Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne angenommen werden. Es gehe aber auch in einem solchen Fall immer nur um die Betrachtung der beiden Zeichen in ihrer Gesamtheit und nicht etwa nur der einzelnen (prägenden) Elemente.
Einem Zeichen könne entweder von Hause aus oder kraft Verkehrsgeltung besondere Kennzeichnungskraft zukommen. Je größer sich die Kennzeichnungskraft eines Zeichens darstelle, um so größer sei die Verwechslungsgefahr. Jedoch könne im vorliegenden Fall mangels eines entsprechenden Vorbringens bei der Ähnlichkeitsprüfung der beiden gegenüberstehenden Zeichen allenfalls von einer normalen Kennzeichnungskraft ausgegangen werden.
Die Beurteilung, ob einem Element eine das Gesamtzeichen prägende Bedeutung zukomme, liege im wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet, wobei allerdings die Denk- und Erfahrungssätze zu beachten seien. Es sei daher rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Bundespatentgericht die Rolle des Bildbestandteils in der Marke der Markeninhaberin hervorgehoben und dem Wortbestandteil der Marke untergeordnete Bedeutung beigemessen habe.
An die Verwechslungsgefahr seien strenge Anforderungen zu stellen, wenn sich die Zeichenbestandteile an einen beschreibenden Inhalt anlehnten und wenig verfremdende Phantasie aufwiesen. Bei der Darstellung der springenden Raubkatze handele es sich um einen Zeichenbestandteil, der der Natur entnommen sei und die für Raubkatzen typische Sprungbewegung wiedergebe. Die Besonderheiten der Darstellung der springenden Raubkatze in der Marke der Widersprechenden, beispielsweise deren Darstellung in einem scherenschnittartigen Schattenbild, seien bei der Marke der Markeninhaberin nicht anzutreffen. Die sinngemäße Übereinstimmung des Zeichenbestandteils beider Zeichen könne deshalb nicht zur Begründung einer Verwechslungsgefahr herangezogen werden.
Der Bundesgerichtshof fragt sich allerdings, welche Bedeutung dem Sinngehalt der Marken (im vorliegenden Fall eine „springende Raubkatze“) im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zukommt; diese Schwierigkeit ergebe sich insbesondere aus der nicht eindeutigen Wortwahl des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie, wonach diese Gefahr „die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“. Fraglich sei, ob die rein assoziative gedankliche Verbindung, die der Verkehr über den Begriff der „springenden Raubkatze“ mit den beiden Marken herstellen könne, es rechtfertige, der Marke der Markeninhaberin für Deutschland den Schutz für die den Waren aus dem Warenverzeichnis der prioritätsälteren Marke der Widersprechenden ähnlichen Waren zu versagen.
Die Richtlinie, die in Deutschland durch das Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen vom 25. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3082) umgesetzt wurde, bestimmt in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b: „(1) Eine Marke ist von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegt im Falle der Eintragung der Ungültigkeitserklärung, … wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.“
In der zehnten Begründungserwägung der Richtlinie heißt es: „Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes ist es, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten; dieser Schutz ist absolut im Falle der Identität zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder Dienstleistungen. Der Schutz erstreckt sich ebenfalls auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marke und der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen. Es ist unbedingt erforderlich, den Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen. Die Verwechslungsgefahr stellt die spezifische Voraussetzung für den Schutz dar; ob sie vorliegt, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke im Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. Bestimmungen über die Art und Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr, insbesondere über die Beweislast, sind Sache nationaler Verfahrensregeln, die von der Richtlinie nicht berührt werden.“
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren ausgesetzt, bis der Gerichtshof im Wege der Vorabentscheidung über folgende Frage nach der Auslegung von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Ersten Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken entschieden hat:
Genügt es zur Bejahung der Gefahr der Verwechslung eines aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichens mit einem für gleiche und ähnliche Waren lediglich als Bild eingetragenen Zeichen, das keine besondere Verkehrsbekanntheit genießt, daß die beiden Bilder in ihrem Sinngehalt (hier: springende Raubkatze) übereinstimmen?
Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Wortlaut der Richtlinie zu, wonach die Verwechslungsgefahr die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird?
Mit seiner Vorabentscheidungsfrage möchte der Bundesgerichtshof wissen, ob die rein assoziative gedankliche Verbindung, die der Verkehr über die Übereinstimmung des Sinngehalts zweier Marken zwischen diesen herstellen könnte, unter Berücksichtigung des Umstands, daß sich eine der Marken aus Wort und Bild zusammensetzt, während die andere Marke für identische oder ähnliche Waren lediglich als Bild eingetragen ist und keine besondere Verkehrsbekanntheit genießt, eine „Gefahr von Verwechslungen …, die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“, im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie begründet.
Artikel 4 der Richtlinie, in dem weitere Eintragungshindernisse oder Ungültigkeitsgründe bei Kollision mit älteren Rechten definiert sind, sieht in Absatz 1 Buchstabe b vor, daß eine Marke mit einer älteren Marke kollidiert, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit sowohl der Marken als auch der erfaßten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
Im wesentlichen gleichlautende Bestimmungen finden sich im übrigen in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a und b der Richtlinie, in dem die Fälle festgelegt sind, in denen der Inhaber einer Marke Dritten die Benutzung von Zeichen verbieten kann, die mit seinem Zeichen identisch oder ihm ähnlich sind, sowie in den Artikeln 8 Absatz 1 Buchstabe b und 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/ 94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1).
Die belgische, die luxemburgische und die niederländische Regierung machen geltend, daß der Begriff der „Gefahr der gedanklichen Verbindung“ auf ihr Betreiben in die vorgenannten Bestimmungen der Richtlinie aufgenommen worden sei, damit diese genauso ausgelegt werden könnten wie Artikel 13 A des Einheitlichen Beneluxgesetzes über die Warenzeichen, in dem zur Abgrenzung des Umfangs des ausschließlichen Rechts aus der Marke nicht der Begriff der Verwechslungsgefahr, sondern der Begriff der Ähnlichkeit zwischen den Marken verwendet werde.
Sie verweisen auf ein Urteil des Benelux-Gerichtshofes, wonach eine Ähnlichkeit zwischen einer Marke und einem Zeichen vorliege, wenn – unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles und insbesondere der Unterscheidungskraft der Marke – Marke und Zeichen, jeweils insgesamt und in ihrer wechselseitigen Beziehung betrachtet, einander im Klang, im Bild oder in der Bedeutung so sehr glichen, daß bereits hierdurch die Möglichkeit bestehe, daß in einer Person, die mit dem Zeichen konfrontiert werde, gedankliche Verbindungen zwischen dem Zeichen und der Marke hervorgerufen würden (Urteil vom 20. Mai 1983, Jullien/ Verschuere, A 82/ 5, Jur. 1983, Teil 4, S. 36). Diese Rechtsprechung beruhe auf dem Gedanken, daß der Verkehr einen Zusammenhang zwischen Zeichen und Marke herstelle, wenn ein Zeichen geeignet sei, gedankliche Verbindungen zu einer Marke hervorzurufen. Ein solcher Zusammenhang könne der älteren Marke nicht nur dann schaden, wenn dadurch die Annahme begründet werden könne, daß die Waren gleicher oder ähnlicher Herkunft seien, sondern auch dann, wenn keine Gefahr der Verwechslung von Zeichen und Marke bestehe. Gedankliche Verbindungen zwischen einem Zeichen und einer Marke könnten nämlich, da die Wahrnehmung des Zeichens häufig unbewußt an die Marke erinnere, den an die ältere Marke geknüpften „Goodwill“ auf das Zeichen übertragen und das mit dieser Marke verbundene Image verwässern.
Nach Ansicht der genannten Regierungen umfaßt die Gefahr der gedanklichen Verbindung daher drei Fallgestaltungen, und zwar erstens den Fall, daß das Publikum das Zeichen und die betreffende Marke verwechsle (unmittelbare Verwechslungsgefahr), zweitens den Fall, daß das Publikum einen Zusammenhang zwischen dem Inhaber des Zeichens und dem Inhaber der Marke herstelle und sie miteinander verwechsle (mittelbare Verwechslungsgefahr oder Gefahr der gedanklichen Verbindung), und drittens den Fall, daß das Publikum einen Zusammenhang zwischen dem Zeichen und der Marke sehe, da die Wahrnehmung des Zeichens die Erinnerung an die Marke wecke, obwohl beide nicht verwechselt würden (Gefahr der gedanklichen Verbindung im eigentlichen Sinne).
Daher ist zu entscheiden, ob – wie die genannten Regierungen vortragen – Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b Anwendung finden kann, wenn keine unmittelbare oder mittelbare Verwechslungsgefahr, sondern lediglich eine Gefahr der gedanklichen Verbindung im eigentlichen Sinne besteht. Sowohl die Regierung des Vereinigten Königreichs als auch die Kommission wenden sich gegen eine solche Auslegung.
Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie ist nur dann anwendbar, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit sowohl der Marken als auch der erfaßten Waren oder Dienstleistungen „für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“. Aus diesem Wortlaut ergibt sich, daß der Begriff der Gefahr der gedanklichen Verbindung keine Alternative zum Begriff der Verwechslungsgefahr darstellt, sondern dessen Umfang genauer bestimmen soll. Bereits nach ihrem Wortlaut ist diese Bestimmung daher nicht anwendbar, wenn für das Publikum keine Verwechslungsgefahr besteht.
Für diese Auslegung spricht auch die zehnte Begründungserwägung der Richtlinie, aus der hervorgeht, daß „die Verwechslungsgefahr … die spezifische Voraussetzung für den Schutz dar [stellt]“.
Gegen die in Randnummer 18 vertretene Auslegung sprechen auch nicht die Artikel 4 Absätze 3 und 4 Buchstabe a sowie 5 Absatz 2 der Richtlinie, wonach der Inhaber einer bekannten Marke es sogar dann, wenn die betreffenden Waren nicht ähnlich sind, verbieten kann, mit seiner Marke identische oder ihr ähnliche Zeichen ohne rechtfertigenden Grund zu benutzen, ohne daß eine Verwechslungsgefahr nachgewiesen werden müßte.
Diese Bestimmungen gelten nämlich – anders als Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b – ausschließlich für bekannte Marken, und zwar unter der Voraussetzung, daß die Benutzung der Drittmarke ohne rechtfertigenden Grund deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Wie bereits in Randnummer 18 festgestellt, ist Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b nicht anwendbar, wenn für den Verkehr keine Verwechslungsgefahr besteht. Insoweit geht aus der zehnten Begründungserwägung der Richtlinie hervor, daß das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr „von einer Vielzahl von Umständen ab [hängt], insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke im Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen“. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist also unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen.
Bei dieser umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Aus dem Wortlaut des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie, wonach „für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht“, geht nämlich hervor, daß es für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend darauf ankommt, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Art von Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke aber normalerweise als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten.
Die Verwechslungsgefahr ist um so größer, je größer sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt. Daher kann bei einer Ähnlichkeit in der Bedeutung, die sich daraus ergibt, daß bei zwei Marken Bilder benutzt werden, die in ihrem Sinngehalt übereinstimmen, eine Verwechslungsgefahr dann bestehen, wenn der älteren Marke entweder von Hause aus oder kraft Verkehrsgeltung eine besondere Kennzeichnungskraft zukommt.
Unter Umständen, wie sie im Ausgangsfall vorliegen, in dem die ältere Marke keine besondere Verkehrsgeltung hat und aus einem Bild besteht, das wenig verfremdende Phantasie aufweist, reicht die bloße Ähnlichkeit in der Bedeutung nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.
Daher ist auf die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage zu antworten, daß die rein assoziative gedankliche Verbindung, die der Verkehr über die Übereinstimmung des Sinngehalts zweier Marken zwischen diesen herstellen könnte, für sich genommen keine „Gefahr von Verwechslungen …, die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird“, im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie begründet.
Kosten
Die Auslagen der belgischen, der französischen, der luxemburgischen und der niederländischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
1: Verfahrenssprache: Deutsch.
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