BGH: Stimmt’s? – Zum Titelschutz an der Kolumnenbezeichnung einer Zeitung Urteil vom 22.03.2012 – I ZR 102/11

a) Titelschutz kann auch der Bezeichnung einer regelmäßig nur wenige Absätze umfassenden Kolumne zukommen, die zu einem bestimmten Themengebiet in einer Zeitung oder Zeitschrift erscheint.

b) Bei schutzfähigen Titeln für Teile einer Zeitung oder Zeitschrift kommt es für die Frage der Verwechslungsgefahr maßgeblich auch auf Form und Inhalt der medialen Einbettung der angegriffenen Bezeichnung an, wobei unter anderem die typische Art der Präsentation der Beiträge (z.B. nur Text oder auch Bilder) erheblich ist.

BGH, Urteil vom 22.03.2012 – I ZR 102/11Stimmt’s?
MarkenG § 5 Abs. 3, § 15 Abs. 2

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 3. Zivilsenat, vom 12. Mai 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

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Die Klägerin gibt die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ heraus. Darin erscheint seit vielen Jahren unter der Kolumnenbezeichnung „Stimmt’s?“ wöchentlich ein jeweils mit einer wechselnden inhaltsbezogenen Überschrift versehener Artikel, in dem Fragen der Leser beantwortet werden, die sich auf Rätsel des Alltags, schwer zu verifizierendes Allgemeinwissen, wissenschaftliche Phänomene, Mythen und andere populärwissenschaftliche Fragen beziehen. Beispielhaft wird nachfolgend der Beitrag aus der Ausgabe vom 9. August 2007 wiedergegeben:

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Der Beitrag war dort auf Seite 30 unten links wie folgt platziert:-

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Die in der Kolumne „Stimmt’s?“ erschienenen Beiträge werden jedenfalls seit Oktober 2001 auch im Internetauftritt der „ZEIT“ unter der Internetadresse www.zeit.de veröffentlicht.

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Die Beklagte betreibt das Internetportal „web.de“. Sie veröffentlichte dort unter der Bezeichnung „Stimmt’s?“ ebenfalls Beiträge, in denen Fragen der Nutzer beantwortet werden. Am 29. März 2007 konnte der nachfolgend eingeblendete Beitrag aufgerufen werden:

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Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihrer Titelschutzrechte. Sie hat im Wege der Stufenklage beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr eine redaktionelle Internetrubrik mit dem Titel „Stimmt’s?“ zu versehen bzw. diese im Internet anzubieten und/oder anbieten zu lassen, wie dies beispielsweise unter http://magazine.web.de/de/themen/wissen/stimmts/index/htm am 29. März
2007 der Fall war;

2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, wann auf welchen Websites, mit welchen Inhalten, welchen Nutzerzahlen und jeweils für welchen Zeitraum die Rubrikenbezeichnung „Stimmt’s?“ von der Beklagten bzw. von Dritten in rechtlicher Abhängigkeit von der Beklagten verwendet wurden;

3. an die Klägerin einen Lizenzbetrag zu zahlen, dessen Höhe nach erfolgter Auskunft gemäß Ziffer 2 bestimmt wird.

6
Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil antragsgemäß zu Unterlassung und Auskunft verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Hamburg, GRUR-RR 2011, 70). Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

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I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gemäß § 5 Abs. 3, § 15 Abs. 2 MarkenG wegen Verwendung der Bezeichnung „Stimmt’s?“ zu. Dazu hat es ausgeführt:Die Bezeichnung „Stimmt’s?“ sei als Titel einer Rubrik nach § 5 Abs. 3 MarkenG schutzfähig und auch hinreichend unterscheidungskräftig. Zwar habe der Titel durchaus beschreibenden Gehalt. Aufgrund der umgangssprachlichen Frageform unter Verwendung eines Fragezeichens komme der Bezeichnung aber ein ausreichendes Mindestmaß an Originalität zu. Zwischen den Bezeichnungen der Parteien bestehe bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung Verwechslungsgefahr. Allerdings komme dem Titel der Klägerin keine über die Werkidentifizierung hinausgehende Titelfunktion zu, weil er nicht hinreichend bekannt sei. Die von Haus aus nur geringe Kennzeichnungskraft sei aber durch Art und Umfang der langjährigen Benutzung gesteigert. Die gegenüberstehenden Titel seien identisch und die damit bezeichneten Werke ähnlich. Daran ändere auch nichts, dass sich die Angebote der Parteien an unterschiedliche Kundenkreise richteten und in Art und Weise der Informationsvermittlung erheblich unterschieden.

9
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Die Kolumnenbezeichnung „Stimmt’s?“ ist zwar für die Klägerin als Titel nach § 5 Abs. 1, 3 MarkenG geschützt und verfügt auch über hinreichende Unterscheidungskraft. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann jedoch keine Verwechslungsgefahr zwischen dem Titel der Klägerin und der von der Beklagten verwendeten gleichlautenden Bezeichnung angenommen werden.

10
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 Satz 2, § 313 Abs. 3 ZPO keine konkreten Feststellungen dazu getroffen, dass es sich bei der Serie „Stimmt’s?“ um ein titelschutzfähiges Werk handele. Es genügt den Anforderungen des § 313 Abs. 3 ZPO, wenn durch Bezugnahme in den Entscheidungsgründen erkennbar wird, dass das Berufungsgericht die von der Vorinstanz gegebene Begründung überprüft und sich zu eigen gemacht hat (BGH, Urteil vom 7. Juni 1996 – I ZR 114/94, GRUR 1996, 786, 788 = WRP 1996, 1020 – Blumenverkauf an
Tankstellen). Das ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat in den Urteilsgründen auf die Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils durch den Hinweis Bezug genommen, das Landgericht habe den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungs- und Auskunftsanspruch mit zutreffender Begründung zuerkannt.
Aus dieser Bezugnahme wird hinreichend deutlich, dass das Berufungsgericht die vom Landgericht gegebene Begründung für die Annahme, die Kolumne „Stimmt’s?“ sei ein titelschutzfähiges Werk, überprüft und sich zu eigen gemacht hat. Nach Auffassung des Landgerichts weist die streitgegenständliche Kolumne die für die Werkqualität erforderliche Selbständigkeit auf, weil sie als eigenständige Abteilung und wiederkehrender Bestandteil der Zeitung wahrgenommen wird und zudem durch einen deutlichen Trennstrich von den übrigen auf der Seite befindlichen Texten abgesetzt ist.

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2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass für die Kolumnenbezeichnung „Stimmt’s?“ der Klägerin Titelschutz besteht, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

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a) Für die Annahme eines schutzfähigen Werktitels genügt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings nicht, dass der Verkehr die Bezeichnung einer Rubrik als bestimmt und geeignet ansieht, diese von anderen Rubriken zu unterscheiden. Dieses Kriterium dient der Prüfung, ob einem Titel die für den Schutz als Werktitel nach § 5 Abs. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft zukommt. Davon zu trennen ist die vorgelagerte Frage, ob sich die Bezeichnung, für die Titelschutz begehrt wird, überhaupt auf ein titelschutzfähiges Werk im Sinne von § 5 Abs. 3 MarkenG bezieht.

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b) Werktitel werden nach § 5 Abs. 1 MarkenG als geschäftliche Bezeichnung geschützt. Gemäß § 5 Abs. 3 MarkenG sind schutzfähige Werktitel die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken. Dabei gilt ein gegenüber dem Urheberrecht eigenständiger kennzeichenrechtlicher Werkbegriff (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Markenrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 12/6581, S. 67; Baronikians, Der Schutz des Werktitels, 2008, Rn. 94 f.; Deutsch/Ellerbrock, Titelschutz, 2. Aufl. 2004,Rn. 26). Werke im kennzeichenrechtlichen Sinne sind alle immateriellen Arbeitsergebnisse, die als Gegenstand des Rechts- und Geschäftsverkehrs nach der Verkehrsanschauung bezeichnungsfähig sind (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1993 – I ZR 25/91, GRUR 1993, 767, 768 = WRP 1993, 701 – ZappelFisch; Urteil vom 24. April 1997 – I ZR 44/95, BGHZ 135, 278 – PowerPoint; Deutsch/Ellerbrock aaO Rn. 29).

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c) Im Hinblick auf die Werkkategorie der Druckschriften war bereits in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu § 16 UWG aF anerkannt, dass Titelschutz nicht nur für die Bezeichnung einer Zeitung oder Zeitschrift als Ganzes, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch für die Bezeichnung von Teilen einer Druckschrift in Betracht kommt (RGZ 133, 189, 191 – KunstseidenKurier). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof fortgeführt (BGH, Urteil vom 29. April 1999 – I ZR 152/96, GRUR 2000, 70, 72 = WRP 1999, 1279 – SZENE; Urteil vom 18. Juni 2009 – I ZR 47/07, GRUR 2010, 156 Rn. 15 = WRP 2010, 266 – Eifel-Zeitung).

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Danach ist ein Teil einer Zeitung oder Zeitschrift ein eigenes titelschutzfähiges Werk im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG, wenn es sich um eine besondere, nach ihrer äußeren Aufmachung sowie nach ihrem Gegenstand und Inhalt in gewissem Umfang selbständig gestaltete Abteilung handelt, die regelmäßig wiederkehrend unter eigener kennzeichnungskräftiger Bezeichnung erscheint (RGZ 133, 189, 191 – Kunstseiden-Kurier; BGH, GRUR 2000, 70, 72 – SZENE). Die erforderliche äußere Selbständigkeit liegt jedenfalls bei regelmäßigen Beilagen von Zeitungen, die sich inhaltlich mit bestimmten Themen befassen (RGZ 133, 189, 191 – Kunstseiden-Kurier), sowie bei mehrseitigen Regionalteilen oder anderen Rubriken einer Tageszeitung (BGH, GRUR 2010, 156 Rn. 15 – Eifel-Zeitung; OLG Hamburg, GRUR-RR 2009, 309, 310 f.) vor und kann auch bei einer einzelnen, thematisch besonders ausgerichteten Zeitungsseite gegeben sein (RGZ 133, 189, 191 – Kunstseiden-Kurier; offengelassen in BGH, GRUR 2000, 70, 72 – SZENE).

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Nach diesen Grundsätzen kann auch der Bezeichnung einer Kolumne, die seit vielen Jahren zu einem bestimmten Themengebiet in einer Zeitung oder Zeitschrift erscheint, Titelschutz zukommen. Der Kolumnentitel wird dann zur geschäftlichen Bezeichnung der darunter erscheinenden redaktionellen Beiträge. Die erforderliche äußerliche Selbständigkeit der Kolumne gegenüber dem übrigen Inhalt der Zeitschrift ergibt sich aus ihrer drucktechnischen Gestaltung, die sie von anderen Beiträgen abgrenzt. Nicht entscheidend ist, ob die Kolumne einen größeren oder kleineren Teil einer Zeitungs- oder Zeitschriftenseite einnimmt. Titelschutz kann für eine Kolumne auch dann bestehen, wenn sie regelmäßig nur wenige Absätze umfasst.

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d) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist hier von einer titelschutzfähigen Kolumne auszugehen. Die Kolumne ist von den übrigen Artikeln der Seite durch einen Trennstrich deutlich abgesetzt und erhält dadurch eine gewisse äußere Selbständigkeit. Sie erscheint seit vielen Jahren wöchentlich mit einer bestimmten thematischen Ausrichtung. Jedenfalls im Streitfall ist die Kolumne damit ein titelschutzfähiges Werk. Dafür ist unerheblich, dass die Kolumnenbezeichnung als „Übertitel“ stets deutlich kleiner gestaltet ist als die eigentliche Überschrift des unter ihr veröffentlichten konkreten Beitrags.

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3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Bezeichnung „Stimmt’s?“ sei hinreichend unterscheidungskräftig.

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a) Die Unterscheidungskraft bezeichnet die Eignung des Titels, ein Werk als solches zu individualisieren und von einem anderen zu unterscheiden (RGZ 112, 2, 5 – Brehms Tierleben; BGH, Urteil vom 6. Juni 2002 – I ZR 108/00, GRUR 2002, 1083, 1084 = WRP 2002, 1279 – 1, 2, 3 im Sauseschritt). Sie fehlt, wenn sich der Titel nach Wortwahl, Gestaltung und vom Verkehr zugemessener Bedeutung in einer werkbezogenen Inhaltsbeschreibung erschöpft (BGH, Urteil vom 27. September 1990 – I ZR 87/89, GRUR 1991, 153, 154 = WRP 1991, 151 – Pizza und Pasta). An die Unterscheidungskraft eines Zeitungs- oder Zeitschriftentitels sind nach der Rechtsprechung des Senats nur geringe Anforderungen zu stellen, da der Verkehr seit langem daran gewöhnt ist, dass Zeitschriften und Zeitungen mit mehr oder weniger farblosen und nur inhaltlich oder räumlich konkretisierten Gattungsbezeichnungen gekennzeichnet werden (BGH, GRUR 2000, 70, 72 – SZENE). Diese Grundsätze hat der Senat auch bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft eines Titels des Regionalteils einer Zeitung für anwendbar erachtet (BGH, GRUR 2010, 156 Rn. 14 – Eifel-Zeitung). Sie gelten aber – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht in gleichem Maße für die Bezeichnung von einzelnen Artikeln, Serien schutzfähiger Artikel zu bestimmten Themengebieten oder regelmäßig erscheinenden Kolumnen. Zwar gibt es auch hier wie bei jedem Titel ein gewisses Bedürfnis, den Inhalt des bezeichneten Werkes zu beschreiben. In diesen Fällen besteht aber regelmäßig ein deutlich größerer Gestaltungsspielraum als bei Zeitungs- und Zeitschriftentiteln. Daraus folgt, dass höhere Anforderungen an die Unterscheidungskraft zu stellen sind.

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b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die umgangssprachliche Fassung in Frageform dem Titel „Stimmt’s?“ ein gewisses Mindestmaß an Originalität verleiht. Der Titel ist nicht glatt beschreibend. Er weist zwar deutlich darauf hin, dass in den unter dem Titel erscheinenden Artikeln Fragen beantwortet werden. Dass es sich dabei um Fragen der Leser handelt, wird aber ebenso wenig erkennbar wie die besondere thematische Ausrichtung auf Allgemeinwissen, Alltagsrätsel und populärwissenschaftliche Fragen.

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Auch wenn daher dem Titel „Stimmt’s?“ bereits von Haus aus eine hinreichende, wenngleich nur geringe Unterscheidungskraft zukommt, besagt dies nicht, dass ein solcher Titel schon mit Benutzungsaufnahme Titelschutz erlangt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Verkehr die fragliche Überschrift auch als Titel eines titelschutzfähigen Werkes erkennt. Im Falle eines Kolumnentitels wird dies häufig voraussetzen, dass die Kolumne bereits mehrere Male und mit einiger Regelmäßigkeit erschienen ist. Denn andernfalls wird der Verkehr die Bezeichnung lediglich als Überschrift des einzelnen Artikels ansehen, für die ein Titelschutz nicht in Betracht käme. Im Streitfall steht diese Voraussetzung jedoch nicht in Zweifel. Aufgrund der vom Berufungsgericht festgestellten regelmäßigen Verwendung des Klagezeichens in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ seit 1997 erkennt der Leser, dass es sich bei dem Zeichen um den Titel der Kolumne und nicht nur um die Überschrift des einzelnen Artikels handelt.

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4. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen dem Titel der Klägerin und der angegriffenen Bezeichnung der Beklagten bestehe im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG Verwechslungsgefahr.

23
a) Werktitel im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG dienen grundsätzlich nur der Unterscheidung eines Werkes von anderen, ohne einen Hinweis auf den Hersteller oder Inhaber des Werkes und damit auf eine bestimmte betriebliche Herkunft zu enthalten. Sie sind daher in der Regel nur gegen die Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung im engeren Sinne geschützt (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 – I ZR 181/02, GRUR 2005, 264, 265 f. = WRP 2005, 213 -Das Telefon-Sparbuch, mwN). Eine solche Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung liegt dann vor, wenn aufgrund der Benutzung des angegriffenen Titels die Gefahr besteht, dass der Verkehr den einen Titel für den anderen hält (BGH, Urteil vom 1. März 2001 – I ZR 211/98, BGHZ 147, 56, 64 f. – Tagesschau). Dabei ist die Verwechslungsgefahr auf der Grundlage einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren zu beurteilen, insbesondere der Kennzeichnungskraft des älteren Titels, der Werknähe und der Ähnlichkeit der Titel (vgl. BGHZ 146, 56, 63 – Tagesschau; BGH GRUR 2002, 1083, 1084 – 1, 2, 3 im Sauseschritt). Bei Zeitschriftentiteln sind zudem die Marktverhältnisse sowie Charakter, Erscheinungsbild, Gegenstand, Aufmachung, Erscheinungsweise und Vertriebsform der Zeitschrift zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 – I ZR 27/99, GRUR 2002, 176 = WRP 2002, 89 – Auto Magazin). Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei selbständig schutzfähigen Teilen einer Zeitung oder Zeitschrift gelten dieselben Grundsätze.

24
b) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Titel der Klägerin verfüge über gesteigerte Kennzeichnungskraft, weil seine von Haus aus nur geringe Unterscheidungskraft durch langjährige Benutzung in der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und jedenfalls seit dem 29. Oktober 2001 auch im Internet unter der Adresse www.zeit.de gesteigert worden sei. Die jeweiligen Kolumnen als solche seien als Informationsangebote sehr ähnlich, weil in ihnen Fragen des alltäglichen Wissens verschiedener Bereiche beantwortet würden. Nicht sehr ähnlich sei allerdings das mediale Umfeld, in das die Kolumnen eingeordnet seien. Während die Klägerin eine Qualitätszeitung für ein gehobenes Publikum anbiete, sei die Art und Weise der Information auf dem Internetportal der Beklagten eher als boulevardesk bis unterhaltungsorientiert zu bezeichnen. Trotz dieser Unterschiede in der medialen Einbettung seien die gegenüberstehenden Werke aber als ähnlich einzustufen. Angesichts einer gesteigerten Kennzeichnungskraft des Titels der Klägerin, der Ähnlichkeit der Werkkategorien und der Identität der sich gegenüberstehenden Zeichen sei die Verwechslungsgefahr im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bejahen.

25
c) Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

26
aa) Der Titel „Stimmt’s?“ ist im Hinblick auf seine deutlich beschreibenden Anklänge von Haus aus nur schwach unterscheidungskräftig (s. oben Rn. 20). Die vom Berufungsgericht festgestellte langjährige Benutzung verstärkt zwar die Kennzeichnungskraft. Das rechtfertigt aber nicht die Annahme, die Benutzung habe im Falle des Klagezeichens zu einer gesteigerten – im Sinne von überdurchschnittlichen – Kennzeichnungskraft geführt. Ein Werktitel, der von Haus aus nur eine schwache Unterscheidungskraft aufweist, wird in der Regel durch intensive Benutzung durchschnittliche Kennzeichnungskraft erlangen. Für eine gesteigerte Kennzeichnungskraft wäre eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit erforderlich, die das von Haus aus nur schwach unterscheidungskräftige Klagezeichen im Zweifel nur aufgrund einer besonders intensiven Benutzung erreichen könnte. Eine derartig intensive Benutzung ist indes nicht festgestellt. Insbesondere ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Titel als Bezeichnung der Kolumne in der Wochenzeitung der Klägerin außerhalb des Kreises ihrer Leser bekannt ist, der jedenfalls nur einen Teil des angesprochenen Verkehrs umfasst. Aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts kann im Hinblick auf die Größe und die unterschiedliche Platzierung der unter dem Klagezeichen erscheinenden Kolumne noch nicht einmal angenommen werden, dass jedem Leser der „ZEIT“ das Klagezeichen als Titel der Kolumne bekannt ist. Es ist auch weder festgestellt noch dargelegt, dass die Klägerin die fragliche Kolumne in der Werbung besonders herausgestellt hat.

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bb) Auf der Grundlage einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft reichen Titelidentität und Ähnlichkeit der mit dem Titel bezeichneten Inhalte für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht aus. Denn die Art der Präsentation und die mediale Einbettung der angegriffenen Bezeichnung können eher gegen die Gefahr einer Verwechslung der beiden in Rede stehenden Titel sprechen. Es ist nicht auszuschließen, dass auch der Teil des Verkehrs, dem der Kolumnentitel „Stimmt’s?“ der Klägerin geläufig ist und dem unter dem gleichen Titel die Rubrik im Internetportal der Beklagten begegnet, wegen der unterschiedlichen medialen Einbettung mit Blick auf den deutlichen Inhaltsbezug des Titels von einer zufälligen Übereinstimmung ausgehen und nicht annehmen wird, die hier wie dort unter diesem Titel erscheinenden Beiträge seien Teil derselben Serie. Dabei ist zu berücksichtigen, dass – worauf die Revision mit Recht hinweist – die Nutzer eines Internetportals nach der Lebenserfahrung in aller Regel wissen, wessen Informationsangebot sie gerade in Anspruch nehmen (vgl. zur Senderwahl der Fernsehzuschauer BGHZ 147, 56, 66 – Tagesschau; ferner OLG Hamburg, NJW-RR 1997, 357, 358, insoweit bestätigt von BGH, GRUR 2000, 70, 72 – SZENE). Die Gefahr, dass die Nutzer des Portals der Beklagten im Hinblick auf den Titel „Stimmt’s“ annehmen, sie befänden sich auf der Internetseite der Klägerin, erscheint unter diesen Umständen als eher fernliegend.

28
Dem kann – anders als die Revisionserwiderung unter Berufung auf das landgerichtliche Urteil meint – auch nicht entgegengehalten werden, der Schutz von Rubriktiteln laufe leer, wenn die Verwechslungsgefahr schon deshalb verneint werden könne, weil die beiden mit dem gleichen Titel versehenen Rubriken in Publikationen mit unterschiedlichem Haupttitel erschienen (vgl. hierzu Viefhues/Emsinghoff, AfP 2008, 358, 359 ff.). Tragen beispielsweise zwei Rubriken in zwei ähnlichen Zeitschriften denselben Titel, ist es denkbar, dass der wenig aufmerksame Leser mit Blick auf die Rubrik die eine Zeitschrift für die andere hält (vgl. OLG München, GRUR-RR 2008, 402, 404). Darüber hinaus wird bei besonders kennzeichnungskräftigen Titeln auch ein Teil der Leser, die erkennen, dass es sich um zwei verschiedene Organe handelt, davon ausgehen, dass es sich um eine Rubrik handelt, die hier wie dort erscheint.

29
cc) Unter diesen Umständen kann das angefochtene Urteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.

30
III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin – etwa unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) oder der gezielten Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) – kommen nicht in Betracht. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der regelmäßig verwendeten Kolumnenüberschrift „Stimmt’s“ keine herkunftshinweisende Kennzeichnungskraft zukommt. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird von der Revisionserwiderung auch nicht in Frage gestellt.

31
IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend selbst beurteilen, ob Verwechslungsgefahr vorliegt. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist zwar eine Rechtsfrage, die grundsätzlich auch das Revisionsgericht beantworten kann (BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 – I ZR 231/06, GRUR 2009, 1055 Rn. 62 = WRP 2009 1533 – airdsl). Voraussetzung dafür ist aber die Beurteilung des Gesamteindrucks der Zeichen,
die im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2000 – I ZR 123/97, GRUR 2000, 506, 508 = WRP 2000, 535 – ATTACHÉ/TISSERAND; Urteil vom 27. November 2003 – I ZR 79/01, GRUR 2004, 514, 516 = WRP 2004, 758 – Telekom). Eine fehlerfreie Gesamtbeurteilung auf der Grundlage einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Klagezeichens, Titelidentität und Ähnlichkeit der mit dem Titel bezeichneten Inhalte unter Berücksichtigung der medialen Einbettung ist bisher durch das Berufungsgericht nicht erfolgt.

Unterschriften

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 16.02.2008 – 315 O 549/07
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.05.2010 – 3 U 58/08

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