BGH: Pietra di Soln

BGH, Urteil vom 05.10.2006 – I ZR 229/03 – Pietra di Soln (OLG München)
MarkenG §§ 127, 128; TDG § 4 Abs. 2; Deutsch-italienisches Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben Art. 2, Art. 4 und Art. 5

Das für die Werbung im elektronischen Geschäftsverkehr gemeinschaftsrechtlich eingeführte Prinzip der Beurteilung nach dem Recht des Sitzes des werbenden Unternehmens kann eine im Vergleich zum deutschen Recht, dem Recht des Marktorts, günstigere Beurteilung nicht nach sich ziehen, wenn nach einem bilateralen Abkommen über den Schutz von geographischen Herkunftsangaben der Schutz der durch die Werbung betroffenen Herkunftsangabe im Herkunftsland unter denselben Voraussetzungen zu gewährleisten ist, wie er im Recht des Marktorts vorgesehen ist.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. Oktober 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:

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Die Klägerin ist ein in Solnhofen ansässiges Unternehmen, das aus in Solnhofener Steinbrüchen gewonnenem Naturstein Bodenplatten und Fliesen herstellt und unter der Bezeichnung „Solnhofener Platten“ vertreibt. Die in Italien ansässige Beklagte fertigt dort industriell Keramikbodenplatten und Keramikfliesen, darunter solche, deren Oberfläche der des Solnhofener Natursteins ähnelt und die sie zunächst unter der Bezeichnung „Pietra di Solnhofen“ und später unter der Bezeichnung „Pietra di Soln“ vertrieb. Unter diesen Bezeichnungen bewarb sie diese Produkte auf einer deutschsprachigen und für den deutschen Markt bestimmten Internetseite, die sie von Italien aus einspeiste.

Darin führte sie unter anderem Folgendes aus:

„A. High Tech Es hat Millionen von Jahren gedauert, bis das Wunder der Marmor- und Natursteine entstanden ist.

Unsere High Tech-Marmorsorten und Steine machen aus jedem Bodenbelag und jeder Wand ein Konzentrat aus Eleganz und Beständigkeit, wobei alle technischen Merkmale der Fliesen aus Feinsteinzeug beibehalten werden, jedoch mit dem unvergänglichen Zauber der Marmorsorten und Natursteine. …

High Tech-Marmorsorten und Steine: viel mehr als Fliesen.“

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Außerdem enthielt der Internetauftritt eine Unterteilung mit der Bezeichnung „Produkte: Marmor, Natursteine“ und unter einem Bild des Produkts der Beklagten auch ein Bild eines Natursteins aus Solnhofen mit der Beschreibung „entsprechender Marmor aus dem Steinbruch Pietra di Soln“. Daneben wurden andere Produkte der Beklagten mit den Bezeichnungen „Pietra di B.“, „Pietra di L.“ und „Pietra P.“ beworben. Diese Werbung wurde von der Klägerin an ihrem Sitz in Solnhofen aus dem Internet abgerufen.

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Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verstoße mit der Verwendung der Bezeichnung „Pietra di Soln“ gegen § 127 Abs. 1 MarkenG, weil sie im geschäftlichen Verkehr eine geographische Herkunftsangabe für Waren benutze, die nicht aus dem Ort stammten, der durch die geographische Herkunftsangabe bezeichnet werde.

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Die Klägerin hat beantragt,

I. der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Internet unter den Internet-Domains

… (Auflistung der Domains)

für ihre industriell hergestellten Keramikplatten die Bezeichnung „Pietra di Soln“ zu benutzen und mit dieser Bezeichnung für sie zu werben, sie mit dieser Bezeichnung im geschäftlichen Verkehr anzubieten, zu vertreiben und in Verkehr zu bringen,

II. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen über Namen und Anschriften sämtlicher gewerblicher Abnehmer und Auftraggeber, über Mengen der hergestellten und ausgelieferten Keramikplatten mit der Bezeichnung „Pietra di Soln“ und über die mit dieser Bezeichnung erzielten Umsätze,

III. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr aus den unter Nr. I beschriebenen Handlungen entstanden sind und künftig noch entstehen werden,

IV. die Beklagte zu verurteilen, sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände, die mit der Bezeichnung „Pietra di Soln“ gekennzeichnet sind, und die so gekennzeichneten Etiketten, Verpackungen, Kataloge, Prospekte zu vernichten.

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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG lägen nicht vor. Außerdem scheiterten die Klageansprüche bereits daran, dass die Klägerin nichts zu den entsprechenden tatbestandlichen Voraussetzungen des italienischen Rechts vorgetragen habe. Dieses sei anwendbar, da sie – die Beklagte – hinsichtlich ihres Internet-Auftritts ein Teledienst sei und deshalb gemäß dem in § 4 Abs. 1 und 2 TDG normierten Herkunftslandprinzip keinen strengeren Anforderungen als denen des italienischen Rechts unterworfen werden dürfe.

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Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

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Die Berufung der Beklagten hat hinsichtlich des Vernichtungsanspruchs zur Abweisung der Klage geführt; im Übrigen ist sie ohne Erfolg geblieben (OLG München GRUR-RR 2004, 252).

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Mit ihrer – vom Senat zugelassenen – Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

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I. Das Berufungsgericht hat die Klage – mit Ausnahme des in der Revisionsinstanz nicht mehr anhängigen Vernichtungsanspruchs – für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

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Auf den streitgegenständlichen Sachverhalt sei das deutsche Markengesetz anzuwenden. Der Internet-Auftritt sei von der Beklagten zielgerichtet für den deutschen Markt bestimmt und von der Klägerin in Deutschland abgerufen worden. Damit liege jedenfalls ein Erfolgsort der angegriffenen Handlung in Deutschland.

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Durch § 4 Abs. 2 TDG sei die Anwendung der §§ 126 ff. MarkenG nicht ausgeschlossen, weil diese Bestimmungen gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 6 TDG nicht für gewerbliche Schutzrechte gälten. Zu diesen gehörten auch die in den §§ 126 ff. MarkenG geregelten geographischen Herkunftsangaben.

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Die Beklagte sei gemäß § 128 Abs. 1 MarkenG zur Unterlassung der Bezeichnung „Pietra di Soln“ für ihre Produkte verpflichtet, weil diese der geographischen Herkunftsangabe „Solnhofen“ ähnlich sei und trotz der Abweichung zwischen beiden Bezeichnungen eine Irreführungsgefahr bestehe. Die Irreführungsgefahr werde jedenfalls durch die besonderen Umstände begründet, unter denen die Beklagte die angegriffene Bezeichnung verwende. Die Beklagte bilde nicht nur neben ihrem Produkt einen Stein aus den Steinbrüchen in Solnhofen ab und stelle damit einen unmittelbaren Bezug zu jenem Ort her, sondern verwende „Pietra di Soln“ durchgängig zur Bezeichnung ihres Produkts, also auch ohne Gegenüberstellung zum Naturstein aus Solnhofen und damit ohne Abgrenzung zu diesem. Darüber hinaus habe die Beklagte die geographische Herkunftsangabe in einer früheren Fassung ihres Internet-Auftritts mit der Bezeichnung „Pietra di Solnhofen“ identisch verwendet und damit eine Irreführungsgefahr begründet, die fortwirke, weil der Verkehr mit der nunmehr streitgegenständlichen Bezeichnung mangels eindeutiger Abstandnahme jene frühere verbinde und auf diese Weise in seiner mit der Wirklichkeit nicht im Einklang stehenden Auffassung vom Inhalt der späteren Bezeichnung bestärkt werde.
Gemäß § 128 Abs. 2 MarkenG sei die Beklagte zum Ersatz des durch die Benutzung der Bezeichnung „Pietra di Soln“ entstandenen Schadens und gemäß § 242 BGB zur Auskunftserteilung verpflichtet.

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II. Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche nach § 128 Abs. 1 und 2, § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG, § 242 BGB zu.

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1. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 15. Oktober 2002 auf die sofortige Beschwerde der Klägerin den Beschluss des Landgerichts vom 11. Juni 2002, das Verfahren wegen eines vor dem Tribunale di Reggio Emilia/Italien anhängigen Rechtsstreits auszusetzen, insoweit aufgehoben, als die Klägerin sich gegen die Benutzung der Bezeichnung „Pietra di Soln“ wendet.
Insoweit hat es den Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht der Revision ist diese Entscheidung der Nachprüfung durch das Revisionsgericht schon deshalb entzogen, weil das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat (§§ 252, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und seine Entscheidung damit unanfechtbar i. S. des § 557 Abs. 2 ZPO ist. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht zutreffend angenommen, dass zwischen der vor dem Tribunale di Reggio Emilia anhängigen Frage der Zulässigkeit der Verwendung von „Pietra di Solnhofen“ und der im vorliegenden Verfahren streitigen Verwendung von „Pietra di Soln“ keine Identität der Ansprüche i. S. von Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ vorliegt.

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2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf die beanstandete Internet-Werbung der Beklagten deutsches Recht anzuwenden ist. Nach dem Marktortprinzip setzt die Anwendung deutschen Wettbewerbsrechts voraus, dass die wettbewerbsrechtlichen Interessen der Mitbewerber im Inland aufeinander treffen (vgl. BGH, Urt. v. 4.6.1987 – I ZR 109/85, GRUR 1988, 453, 454 = WRP 1988, 25 – Ein Champagner unter den Mineralwässern; BGHZ 113, 11, 14 – Kauf im Ausland; BGH, Urt. v. 14.5.1998 – I ZR 10/96, GRUR 1998, 945, 946 = WRP 1998, 854 – Co-Verlagsvereinbarung). Nach deutschem Wettbewerbsrecht ist der Internet-Auftritt der Beklagten zu beurteilen, wenn er sich bestimmungsgemäß auch im Inland ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.3.2006 – I ZR 24/03, GRUR 2006, 513, 515 = WRP 2006, 736 – Arzneimittelwerbung im Internet, m. w. N.). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war der Internet-Auftritt von der Beklagten zielgerichtet für den deutschen Markt bestimmt und konnte von der Klägerin in Deutschland abgerufen werden. Darin liegt ein hinreichender Inlandsbezug, der zur Anwendbarkeit deutschen Wettbewerbsrechts führt.

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3. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass im vorliegenden Fall die Anwendung der §§ 126 ff. MarkenG nicht durch § 4 Abs. 2 TDG ausgeschlossen ist. Diese Auffassung unterliegt, soweit das Klagebegehren auf ein Verbot des Vertriebs von Keramikplatten unter der Bezeichnung „Pietra di Soln“ gerichtet ist, schon deshalb keinen durchgreifenden Bedenken, weil die Bestimmungen des Teledienstegesetzes für die Beurteilung des Vertriebsverbots nicht einschlägig sind. Die Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juli 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“, ABl. EG Nr. L 178 vom 17.7.2000, S. 1; im Folgenden: E-Commerce-Richtlinie), deren Umsetzung die Novellierung des Teledienstegesetzes durch das elektronische Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG) diente (vgl. Begr. zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 14/6098, S. 11), regelt nicht die Lieferung von Produkten (vgl. BGH GRUR 2006, 513, 515 f. – Arzneimittelwerbung im Internet).

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Hinsichtlich des Werbeverbots spricht viel für die Ansicht des Berufungsgerichts, die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 2 TDG sei im vorliegenden Fall gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 6 TDG ausgeschlossen. Nach § 4 Abs. 4 Nr. 6 TDG gelten die Absätze 1 und 2 des § 4 TDG u. a. nicht für gewerbliche Schutzrechte. Diese Vorschrift setzt wörtlich die Regelung gemäß Art. 3 Abs. 3 i. V. mit dem Anhang, erster Spiegelstrich der E-Commerce-Richtlinie um. Im Hinblick auf den Zweck der E-Commerce-Richtlinie, im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 4 bis 6), liegt es nahe, den im Anhang der Richtlinie verwendeten Begriff der gewerblichen Schutzrechte (in der englischen Fassung: „industrial property rights“) im Sinne des in Art. 30 EG verwendeten Begriffs des gewerblichen und kommerziellen Eigentums (in der englischen Fassung: „industrial and commercial property“) zu verstehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften genießen geographische Herkunftsangaben i. S. der §§ 126 ff. MarkenG Schutz als gewerbliches und kommerzielles Eigentum i. S. des Art. 30 EG (vgl. EuGH, Urt. v. 10.11.1992 – C-3/91, Slg. 1992, I-5529 Tz 37 = GRUR Int. 1993, 76 – Exportur/Turrón; Urt. v. 5.11.2002 – C-325/00, Slg. 2002, I-9977 Tz 27 = GRUR Int. 2002, 1021 = WRP 2002, 1420 – CMA-Gütezeichen).

18
Die Frage, ob mit dem im Anhang der E-Commerce-Richtlinie verwendeten Begriff der gewerblichen Schutzrechte und mit dem ihm entsprechenden Begriff in § 4 Abs. 4 Nr. 6 TDG das gewerbliche und kommerzielle Eigentum i. S. von Art. 30 EG gemeint ist oder ob im Hinblick auf die unterschiedliche Wortwahl eine engere Auslegung in Betracht kommt, kann allerdings offen bleiben. Denn im vorliegenden Fall scheidet eine Einschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von § 4 Abs. 2 TDG schon deshalb aus, weil sich die Rechtslage in Deutschland und Italien hinsichtlich des Schutzes der hier in Rede stehenden geographischen Herkunftsangabe aufgrund des deutschitalienischen Abkommens über den Schutz von Herkunftsangaben, Ursprungsbezeichnungen und anderen geographischen Bezeichnungen vom 23. Juli 1963 (BGBl. 1965 II S. 156) nicht unterscheidet. Unter den Schutz des Abkommens fallen gemäß seiner Anlage A III die Bezeichnungen „Solnhofer Lithographiersteine, -Platten“. Nach Art. 2 Satz 1 des Abkommens ist der Schutz der angeführten Bezeichnungen für deutsche Erzeugnisse in Italien unter denselben Voraussetzungen zu gewährleisten, wie er in der Bundesrepublik Deutschland vorgesehen ist. Zum Schutz dieser Angaben sind alle gerichtlichen und behördlichen Maßnahmen vorgesehen, welche die Gesetzgebung der Vertragsstaaten zulässt (Art. 4 Abs. 1 des Abkommens). Der Schutz des Abkommens greift nicht nur gegenüber der identischen Verwendung der geschützten Bezeichnungen, sondern auch gegenüber solchen in der Werbung verwendeten Kennzeichnungen, die unmittelbar oder mittelbar falsche oder irreführende Angaben über Herkunft, Ursprung, Natur, Sorte oder wesentliche Eigenschaften der Erzeugnisse oder Waren enthalten (Art. 5 des Abkommens). Damit ist die Beurteilung, ob die Verwendung einer identischen oder einer irreführenden Angabe zur Herkunft von Erzeugnissen unzulässig ist, in beiden Vertragsstaaten einem einheitlichen Recht unterstellt. Im Lichte des bilateralen Abkommens stellt sich das Recht des Herkunftslandes der Werbung (Italien) daher nicht anders dar als das Recht des Marktorts (Deutschland). Das für die Werbung im elektronischen Geschäftsverkehr gemeinschaftsrechtlich eingeführte Prinzip der Beurteilung nach dem Recht des Sitzes des werbenden Unternehmens kann folglich für die Beklagte eine im Vergleich zum deutschen Recht, dem Recht des Marktorts, günstigere Beurteilung schon aus diesem Grunde nicht nach sich ziehen. Auf die vom Berufungsgericht in den Vordergrund seiner Erwägung gestellte – und mit guten Gründen bejahte – Frage, ob der Schutz der geographischen Herkunftsangabe den in § 4 Abs. 4 Nr. 6 TDG erwähnten gewerblichen Schutzrechten zu unterstellen ist, kommt es mithin nicht an.

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4. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte mit der Bezeichnung „Pietra di Soln“ für industriell hergestellte Keramikplatten und -fliesen eine der geographischen Herkunftsangabe „Solnhofen“ ähnliche Angabe verwendet und deshalb die Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft der Erzeugnisse nach § 127 Abs. 1 und 4 Nr. 1 MarkenG besteht.

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a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Name des Ortes „Solnhofen“ im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geographischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen i. S. von § 126 Abs. 1 MarkenG (nämlich von Natursteinprodukten, die aus Solnhofen stammen) benutzt wird.

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b) Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die Benutzung der der geographischen Herkunftsangabe „Solnhofen“ ähnlichen Bezeichnung „Pietra di Soln“ für sich genommen genüge, eine relevante Irreführungsgefahr zu begründen. Seiner Ansicht nach begründeten jedenfalls die besonderen Umstände, unter denen die Beklagte die angegriffene Bezeichnung verwende, eine solche Irreführungsgefahr. Seine Erwägungen begegnen jedenfalls insoweit Bedenken, als es aus der früheren Fassung des Internet-Auftritts der Beklagten mit der Bezeichnung „Pietra di Solnhofen“ auch ein Verbot der geänderten Bezeichnung „Pietra di Soln“ hergeleitet hat. Zwar kann eine irreführende Angabe zur Folge haben, dass auch ein späteres Verhalten den Verkehr wegen der Nachwirkung der früheren Angabe irreführt (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.1982 – I ZR 108/80, GRUR 1982, 685, 686 – Ungarische Salami II, m. w. N.). Für die Annahme einer Fortwirkung fehlt es hier jedoch an einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage. Die Fortwirkung darf nicht bloß unterstellt werden (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 5 UWG Rdn. 2. 123). Vielmehr kommt es darauf an, ob die frühere Angabe in einem solchen Umfang und in einer solchen Intensität verwendet worden ist, dass sie sich einem rechtserheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise genügend eingeprägt hat, um fortwirken zu können (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1970 – I ZR 23/69, GRUR 1971, 255, 257 – Plym-Gin).

21
c) Hierzu bedarf es indessen keiner weiteren Aufklärung. Die Verwendung der Bezeichnung „Pietra di Soln“ begründet – was der Senat selbst zu beurteilen vermag – auch unabhängig von dem ursprünglichen Internetauftritt der Beklagten die Gefahr der Irreführung über die geographische Herkunft i. S. des § 127 Abs. 4 Nr. 1 MarkenG. Die von der Beklagten gewählte Bezeichnung für Keramikplatten und Keramikfliesen, die in ihrer Funktion Fliesen und Platten aus Stein ersetzen sollen, wird durch den Bestandteil „Soln“ geprägt. Der Bestandteil „Pietra di“ tritt in dem maßgeblichen Gesamteindruck der Bezeichnung zurück, ohne dass der angesprochene Verkehr dazu – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – über Kenntnisse der italienischen Sprache verfügen müsste. Da bei der Herkunftsangabe „Solnhofen“ der Bestandteil „hofen“ als häufig vorkommender Teil von Ortsbezeichnungen wenig unterscheidungskräftig ist, stimmen die beiden sich gegenüber stehenden Bezeichnungen somit in dem ihren Gesamteindruck jeweils prägenden Bestandteil „Soln“ überein. Die von der Werbung angesprochenen Verkehrskreise verstehen „Pietra di Soln“ als eine verkürzte und nur leicht verfremdete Abwandlung der geschützten Originalbezeichnung. Von einer die Irreführungsgefahr ausschließenden, die Anklänge an die Originalbezeichnung meidenden phantasievollen Begriffswahl für Keramikplatten kann nicht die Rede sein.

22
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Unterschriften

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 11.03.2003 – 9 HKO 22717/02
OLG München, Entscheidung vom 09.10.2003 – 29 U 2690/03

BGH Volltext

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