Die Erstbegehungsgefahr als Voraussetzung einer einstweiligen Verfügung kann im Recherchestadium nur unter sehr engen Voraussetzungen angenommen werden. Die Befürchtung oder die Möglichkeit der Rechtsbeeinträchtigung reichen im Spiegel der Presse- und Meinungsfreiheit nicht aus. Die Erstbegehungsgefahr kann nur angenommen werden, wenn der Recherchetätigkeit der rechtswidrige Eingriff durch das Presseorgan bereits eindeutig anhaftet und durch den rechtswidrigen Eingriff ein irreparabler Schaden entsteht.
OLG Konstanz, Urteil vom 25.03.2008 – 4 U 1292/07
Tenor
1.) Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten vom 05. Oktober 2007 wird das am 13. September 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Mainz – 1 O 185/07 – abgeändert, die einstweilige Verfügung vom 02.07.2007 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 01.07.2007 zurückgewiesen.
2.) Die Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte trägt die Kostend es Verfahrens.
3.) Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin vertreibt über Messen in verschiedenen Städten Deutschlands mit Hilfe von selbständigen Handelsvertretern auf der Grundlage vorgefertigter Vertragsformulare Heizungsanlagen im Bausatz.
Die Verfügungsbeklagte, eine Fernsehanstalt, hat am 23.04.2007 in der Sendung … einen Beitrag mit dem Titel „Zweifelhafte Verkaufsmethoden“ der eingesetzten Produktionsfirma … Film- und Fernsehproduktion gesendet. Darin war über die Gewährung von Messerabatten sowie über die Einräumung von später bestrittenen Rücktrittsrechten und Schadensersatzforderungen eines Mitbewerbers der Klägerin berichtet worden. Der Inhalt der Sendung wurde weder von dem Mitbewerber der Klägerin, noch von der Klägerin oder einem sonstigen Dritten beanstandet.
Die Verfügungsklägerin sieht sich aufgrund eines im Frühjahr 2004 geschlossenen Vertrages mit einem Kaufpreis von 18.000,00 EUR einem Rechtsstreit mit einem Kunden ausgesetzt. Der Rechtsstreit befindet sich derzeit im Berufungsverfahren, nachdem die Klägerin in erster Instanz mit ihrem Zahlungsbegehren Zug um Zug gegen Lieferung des Heizungsbausatzes obsiegt hat. Hiervon hat die von dem Verfügungsbeklagten beauftragte Produktionsfirma Kenntnis erlangt und der Klägerin am 27.06.2007 sieben in Fragen gekleidete Behauptungen mit der Bitte um Stellungnahme „aus produktionstechnischen Gründen“ bis zum Freitag, den 29.06.2007 um 15.00 Uhr übersandt. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass für einen geplanten Bericht im … verschiedene Fälle recherchiert würden, in die auch die Verfügungsklägerin involviert sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 27.06.2007 (Bl. 22 GA) verwiesen.
Die Verfügungsklägerin hat hierauf mit anwaltlichem Schreiben vom 29.06.2007 reagiert. Sie hat zunächst darauf hingewiesen, dass ihr offenbar Fragen aus dem früheren Beitrag über den Mitbewerber vorgehalten werden. Sodann wurden die Fragen teilweise beantwortet und die darin enthaltenen, ihr zum Nachteil gereichenden Behauptungen zurückgewiesen. Abschließend hat sie darauf verwiesen, dass sie ein berechtigtes Interesse daran habe, dass die sich in den Fragen niederschlagenden Darstellungen nicht Gegenstand eines Fernsehberichtes werden und die Produktionsfirma zur Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafenversprechen bis 14.00 Uhr am gleichen Tage aufgefordert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 29.06.2007, Bl. 26 – 31 GA verwiesen.
Zugleich hat sich die Verfügungsklägerin an die Verfügungsbeklagte gewandt und die Vermutung geäußert, dass ein Beitrag in der Sendung … am 02.07.2007 um 19.22 Uhr gesendet werden solle. Aufgrund der von ihr als falsch bezeichneten Behauptungen hat sie ebenfalls bis 14.00 Uhr am gleichen Tage um Abgabe einer Unterlassungserklärung mit einem Vertragsstrafeversprechen nachgesucht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 29.06.2007 verwiesen (Bl. 41 – 44 GA).
Die Produktionsfirma hat darauf am gleichen Tage mitgeteilt, dass sie sich die in den Fragen enthaltenen Behauptungen nicht zu Eigen mache, sondern lediglich von Dritten erhaltende Behauptungen der Klägerin mit der Bitte um Stellungnahme vorhalte. In einem möglichen Beitrag würde hierzu auch keine Stellung genommen, sondern allenfalls die jeweiligen Positionen dargestellt. Das Interesse gelte auch lediglich dem Berufungsrechtsstreit mit dem Kunden H. Zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bestehe deshalb kein Anlass. Zugleich wurden weitere Fragen in Zusammenhang mit den Vertragsformularen der Verfügungsklägerin und dem Berufungsrechtsstreit des Kunden H. aufgeworfen und um zeitnahe Antwort gebeten.
Die Verfügungsbeklagte hat ihrerseits mitgeteilt, dass die Redaktion um Stellungnahme gebeten worden sei und man „spätestens“ bis zum 02.07.2007 um 12.00 Uhr auf die Verfügungsklägerin zukommen werde. Dieses Schreiben ist der Verfügungsklägerin am 02.07. um 08.54 Uhr zugegangen.
Die Verfügungsbeklagte hat glaubhaft gemacht, dass der Beitrag tatsächlich erst am 30.06. und 01.07.2007 ohne Erwähnung der Verfügungsklägerin hergestellt und am 02.07.2007 der Verfügungsbeklagten übermittelt wurde, die diesen unverändert und von der Verfügungsklägerin unbeanstandet am Abend des 02.07.2007 ausgestrahlt hat.
Am 02.07.2007 um 09.23 Uhr hat die Verfügungsklägerin den streitgegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt und dabei beantragt,
Der Antragsgegnerin wird im Wege der Einstweiligen Verfügung aufgegeben, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder der Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem gesetzlichen Vertreter des Antragsgegners, zu unterlassen, folgende Behauptungen – wörtlich oder sinngemäß – öffentlich, insbesondere in Fernsehbeiträgen aufzustellen bzw. zu verbreiten:
1. Verkäufer der Firma … machen auf Messen und Hausmessen Kunden Versprechen, die später nicht eingehalten werden.
Kunden, wie Herrn …, sei mündlich ein Rücktrittsrecht zugesichert worden und er habe nur deshalb den in Rede stehenden Vertrag geschlossen, später würden diese mündlichen Zusagen (selbst bei vorhandenen Zeugen) von den Verkäufern bestritten.
2. Dadurch, dass auf Verträgen der Firma … ein Rücktrittsrecht erwähnt werde, gehen viele Kunden davon aus, dass sie auch ein schriftlich zugesichertes Rücktrittsrecht haben.
Aus dem „Kleingedruckten“ der Verträge der Firma … ergäbe sich, dass es sich ausschließlich um ein Rücktrittsrecht des Verkäufers handele.
3. Verkäufer der Firma … veranlassen regelmäßig zahlreiche Verbraucher mit besonderen Messeangeboten zur schnellen Unterschrift, tatsächlich handele es sich nicht um besondere Konditionen, sondern um die üblichen Universal-Preise, die jederzeit auf jeder Messe zu bekommen seien.
4. Die Firma … veranlasse regelmäßig beide Ehepartner zur Unterschrift auf den Verträgen, um etwaige Zeugen in einem Prozess bereits im Anfangstadium auszuschalten, da die Ehepartner durch ihre Unterschriften vom Zeugen zur Partei würden.
5. Die Firma … halte in ihrem standardmäßigen „Kleingedruckten“ fest, dass mündliche Absprachen nicht getroffen wurden.
6. Die Strategie der … ziele nicht nur auf den Verkauf ihrer Produkte ab, sondern insbesondere auch auf das Einfordern von Vertragsstrafen, wenn Kunden von einem Vertrag zurücktreten wollten und dies, obwohl Kunden über derartige Vertragsstrafen von den Verkäufern vor Vertragsschluss nicht informiert worden seien.
7. Verkäufer der Firma … würden Kunden auf Messen immer wieder falsch beraten, um zu verkaufen, obwohl sie wissen und sich im Nachhinein für den Kunden herausstellt, dass das vertraglich vereinbarte Produkt nicht, nicht alleine oder nicht ohne einen großen Mehraufwand beim Kunden eingebaut werden kann.
Das Landgericht hat darauf zunächst die einstweilige Verfügung nach Antrag erlassen. Die Verfügungsbeklagte hat hiergegen am 05. Juli 2007, eingegangen am 06. Juli 2007 Widerspruch eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2007 hat die Verfügungsklägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Verfügungsbeklagte hat dem widersprochen.
Das Landgericht hat darauf mit dem angefochtenen Urteil vom 13.09.2007 festgestellt, dass die Hauptsache erledigt ist und der Verfügungsbeklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Das Landgericht hat seine Auffassung damit begründet, dass grundsätzlich die Erstbegehungsgefahr erst vorliege, wenn zumindest ein Rohmanuskript des Beitrages existiere, dem die Rechtswidrigkeit des Eingriffs anhafte. Im Einzelfall könne dieser Zeitpunkt aber deutlich früher liegen, wenn zu Recherchezwecken gestellte Fragen konkrete Behauptungen enthielten, welche an eine frühere Berichterstattung oder ein konkretes Streitverhältnis anknüpften, ein enormer Zeitdruck aufgebaut und nicht nur eine Unterlassungserklärung, sondern jegliche Stellungnahme zur unmittelbar bevorstehenden Veröffentlichung abgelehnt werde. Diese Voraussetzungen hat es bei Beantragung der einstweiligen Verfügung als gegeben angesehen.
Gegen dieses ihr am 17.09.2007 zugestellte Urteil, wendet sich die Verfügungsbeklagte und Berufungsklägerin mit ihrer Berufung vom 05.10.2007, eingegangen am 08.10.2007, die sie am 23.10.2007 begründet hat.
Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und greift den rechtlichen Ausgangspunkt des Landgerichtes an. Die Verfügungsbeklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichtes Mainz vom 13.09.2007 – 1 O 185/07 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufungsbeklagte vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und pflichtet dem Landgericht in seinem rechtlichen Ausgangspunkt zur Annahme der Erstbegehungsgefahr zu. Weiterhin verweist die Beklagte auf ein Urteil des LG Kassel vom 19.12.2007 in der gleichen Angelegenheit welches gegen die Produktionsfirma ergangen ist und ihre Auffassung bestätige. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung Bl. 167 – 174 GA sowie die Abschrift des Urteils des LG Kassel vom 19.12.2007, Bl. 175 bis 185 GA verwiesen.
Entscheidungsgründe
1.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 517, 519 ZPO) und begründet (§ 520 ZPO) worden.
2.
Die Berufung ist auch in der Sache begründet und führt zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zum Zeitpunkt seiner Einreichung zulässig, aber mangels eines Verfügungsgrundes unbegründet. Die zwischen den Parteien allein streitige Erstbegehungsgefahr hat zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht vorgelegen.
Es ist allgemein anerkannt, dass für einen Unterlassungsanspruch trotz des Wortlautes des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB („weitere“) auch eine erstmals ernsthaft drohende Beeinträchtigung genügt (vgl. BGH NJW 2004, 3101). Eine solche ernsthaft drohende Beeinträchtigung der Rechte der Verfügungsklägerin ist jedoch vorliegend nicht feststellbar. Die Befürchtung oder die Möglichkeit der Rechtsbeeinträchtigung reichen im Spiegel der Presse- und Meinungsfreiheit nicht aus.
Für die Erstbegehungsgefahr streitet – anders als für die Wiederholungsgefahr – keine Vermutung (OLG Hamm NJW-RR 1995, 1399). Sie muss jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls positiv zu Lasten des Presseorgans festgestellt werden (vgl. BGH NJW 1987, 2225) und wird nur im Ausnahmefall anzunehmen sein (Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in den Medien, 3. Aufl. 2008, Rn. 805; BGH NJW 1975, 1882). Es sind nicht nur die Schwere des Eingriffs und die Umstände der Verletzungshandlung, sondern auch die Motivation des Verletzers und der fallbezogene Grad der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung zu berücksichtigen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass sich der vorliegende Fall im Spannungsfeld zur verfassungsrechtlich besonders geschützten Meinungs- und Pressefreiheit befindet. An einen vorbeugenden, statt des dem deutschen Recht immanenten nachfolgenden Rechtsschutz sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen. So hat der BGH etwa ausdrücklich festgestellt, dass Filmaufnahmen in einer Appartementanlage ohne Kenntnis des konkreten Inhaltes des beabsichtigten Fernsehbeitrages nicht im Rahmen des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs verboten werden können, weil es an einer konkreten Beeinträchtigung fehlt (BGH AfP 1998, 399).
Die Recherchetätigkeit stellt einen Kernbereich der Meinungs- und Pressefreiheit dar, weil sie deren Grundlagen betrifft und muss deshalb grundsätzlich von vorbeugenden Unterlassungsklagen freigehalten werden. Es würde für die Medien eine unerträgliche Belastung und Einschüchterung bedeuten, wenn sie befürchte müssten, dass sie bereits im Recherchestadium mit einem Unterlassungsanspruch überzogen werden würde (Damm/Rehbock, a.a.O., Rn. 805). Dies wäre auch nicht mit Art 5 Abs. 1 S. 3 GG vereinbar (LG Frankfurt AfP 1991, 545). Die Pressefreiheit gewährleistet dabei auch das Recht der Presse, weitgehend selbst zu entscheiden, ob Anlass zur Recherche besteht und welche Recherchemaßnahmen zur Klärung eines Sachverhalts geeignet und erforderlich sind (OLG Karlsruhe AfP 2006, 482 = NJW-RR 2006, 1551). Das LG Stuttgart hat diesen besonderen Schutz auch ausdrücklich für den Fall hervorgehoben, dass eine private Produktionsfirma einen Fernsehbeitrag erstellt und danach erst einem Fernsehsender zur Ausstrahlung anbietet, so dass dort erst noch eine Ankaufentscheidung getroffen werden muss (LG Stuttgart AfP 2003, 471).
Anderes kann nur dann gelten, wenn der Recherchetätigkeit der rechtswidrige Eingriff durch das Presseorgan bereits eindeutig anhaftet und durch den rechtswidrigen Eingriff ein irreparabler Schaden entsteht. Würde bereits die Möglichkeit einer Verletzung von subjektiven Rechten ausreichen, so wäre eine Art 5 Abs. 1 GG entsprechende Recherchetätigkeit eines Presseorgans nicht mehr möglich. Teilweise geht die Rechtsprechung sogar noch weiter und formuliert, dass die Recherchetätigkeit eines Journalisten grundsätzlich keine Erstbegehungsgefahr begründen könne (OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 27 = OLGR 2003, 32 = AfP 2003, 63; OLG Hamburg AfP 1992, 279 = Recht und Medien 1991, 250; LG Essen v. 12.1.2006 – 4 O 480/05 = ZUM-RD 1006, 183). Das Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen berührende Recherchemaßnahmen sind demnach dann gerechtfertigt, wenn sie von einem vertretbaren Informationsinteresse getragen sind, wobei es genügt, wenn einem auch nur schwachem Verdacht nachgegangen wird (OLG Karlsruhe AfP 2006, 482 = NJW-RR 2006, 1551). Da die Verfügungsklägerin schon die Voraussetzungen der engeren Auffassung des Senates nicht dargelegt und glaubhaft gemacht hat, kommt es auf diese Frage aber nicht an.
Die Verfügungsklägerin kann zunächst nicht damit gehört werden, dass die Verfügungsbeklagte sich auf die Pressefreiheit nicht berufen könne, weil sie den hier maßgeblichen Beitrag lediglich habe „einkaufen“ wollen. Wie sich aus der Eidesstattlichen Versicherung des zuständigen Redaktionsleiters ergibt und damit glaubhaft gemacht ist, unterliegt jeder Beitrag einer redaktionellen Endabnahme, wobei bei rechtlichen Implikationen auch noch ein Justitiar beigezogen wird. Damit liegt die redaktionelle Verantwortlichkeit bei der Verfügungsbeklagten. Die Berufungsklägerin hat hiergegen auch nichts mehr vorgebracht.
Allein der Verweis auf den am 23.04.2007 gesendeten Berichtes über den Mitbewerber kann die Anhaftung des rechtswidrigen Eingriffs in die Rechte der Verfügungsklägerin nicht begründen. Dieser Beitrag betraf einen Mitbewerber. Er ist – insoweit unstreitig – rechtlich nicht angegriffen worden, was zumindest die Vermutung eines rechtmäßigen Handelns der Verfügungsbeklagten begründet, keinesfalls aber eines rechtswidrigen Handelns. Hat aber die Verfügungsbeklagte in diesem Fall rechtmäßig gehandelt, so vermag die Ausstrahlung dieses vorherigen Beitrages keinen rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Verfügungsklägerin begründen. Auch liegt dann keine entsprechende Vermutung für einen „auch“ rechtswidrigen Eingriff in die Rechte der Verfügungsklägerin vor. Dies übersieht das LG Kassel in der von der Verfügungsklägerin in Bezug genommenen Entscheidung vom 19.12.2007 im Verfahren 4 O. 1307/07. Unterstellt, die Verfügungsbeklagte habe im hier vorliegenden Fall eine Recherche veranlasst, die der Recherche im Fall des Mitbewerbers … entsprochen habe, so dass anzunehmen sei, dass beabsichtigt gewesen sei, in gleicher Weise zu berichten, vermag dies nur dann ein Indiz für eine Erstbegehungsgefahr sein, wenn die Verfügungsbeklagte oder die von ihr beauftragte Produktionsfirma ihre Rechercheobliegenheiten in diesem Fall verletzt hätte. Genau dies ist aber weder dargetan noch glaubhaft gemacht worden. .
Auch die in den gestellten Fragen enthaltenen Behauptungen sind nicht geeignet, einen rechtswidrigen Eingriff der Verfügungsbeklagten oder der von ihr beauftragten Produktionsfirma in die Rechte der Verfügungsklägerin zu indizieren. Die Produktionsfirma hat in ihrem Schreiben vom 29.06.2007, welches die Verfügungsklägerin unstreitig vor Ablauf der von ihr selbst gesetzten Frist erhalten hat, mitgeteilt, dass lediglich Vorwürfe und Behauptungen von Kunden wiedergegeben werden und insoweit lediglich um Stellungnahme gebeten wird. Es wurde weiter mitgeteilt, dass diese Vorwürfe recherchiert würden und ein Beitrag lediglich geplant sei. Es kann also gerade nicht festgestellt werden, dass aus der Sphäre der Verfügungsbeklagten ein rechtswidriger Eingriff in die Rechte der Verfügungsklägerin erfolgt. Die Verfügungsklägerin konnte nämlich nicht ernsthaft davon ausgehen, dass die Verfügungsbeklagte die Vorwürfe unkommentiert in den Raum stellt, die Vorwürfe gleichsam den Beitrag darstellen. Die Berufungsbeklagte hat jedenfalls nicht für die Annahme dargetan, dass die im Verfügungsantrag zu unterlassenden Behauptungen in dieser Form isoliert gesendet werden sollten, so dass es für die Berufungsklägerin auch keine Veranlassung gab, eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Bei einer solchen Absicht der Berufungsklägerin wäre es nicht erforderlich gewesen, der Verfügungsklägerin und Berufungsbeklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Es muss einem Presseorgan nicht nur möglich sein, sondern es ist als Bestandteil der journalistischen Sorgfalt sogar gefordert, einen Beteiligten mit Vorwürfen eines anderen Beteiligten zu konfrontieren, um den Wahrheitsgehalt zu überprüfen (so auch OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 37).
Die Verfügungsklägerin vermag auch selbst nicht darzustellen, in welcher Form die Behauptung in den beabsichtigten Beitrag hätten einfließen sollen und in welcher Form dabei auch ihre Stellungnahme Berücksichtigung gefunden hätte. Erst aus dem Zusammenspiel der Darstellung der Vorwürfe und der Gegenüberstellung der entkräftenden Darstellung der Klägerin lässt sich die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Filmbeitrages bestimmen. Es ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden, dass die Verfügungsbeklagte selbst oder über einen Dritten der Frage nachgeht, ob im Rahmen von Verkaufsveranstaltungen die bestehenden Verbraucherrechte gewahrt werden oder auch aus Sicht der Verbraucher nachteilige Lücken bestehen. Dabei ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Verfügungsbeklagte als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen auf Vorwürfe und Behauptungen Dritter abstellt und gerade recherchiert, ob diese zutreffen oder einem Reue- oder Rachegefühl bzw. einer Schädigungsabsicht entspringen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Verfügungsbeklagte durch das unstreitige Verhalten eines Mitbewerbers Anlass zu der Fragestellung hatte, ob es sich hierbei um einen Einzelfall handelt oder eine gesamte Branche in dieser Art und Weise arbeitet. Letztlich kann nicht in Frage gestellt werden, dass ein öffentliches Interesse an Antworten auf solche Fragen besteht. Genau aus diesem Grunde hat die Berufungsbeklagte auch nicht von vorneherein einen Anspruch darauf, dass sie negativ berührende Behauptungen überhaupt nicht gesendet werden, wie sie es mit dem Unterlassungsantrag erreichen wollte.
Ebenso wenig wie eine Partei verhindern kann, dass sie einer unberechtigten Klage mit aus ihrer Sicht nicht zutreffenden Behauptungen ausgesetzt wird und dann lediglich das Recht hat im Rahmen einer Klageerwiderung Tatsachen zu bestreiten, einen anderen Sachverhalt darzustellen oder andere Folgerungen aus einem unstreitigen Sachverhalt zu ziehen, hat sie ein Recht darauf in der medialen Berichterstattung von der Zurückweisung erhobener, von ihr aber als unberechtigt angesehenen Vorwürfe verschont zu werden. Im Rahmen der journalistischen Sorgfaltspflicht ist ihr lediglich Gelegenheit zu geben zu Behauptungen und Vorwürfen in angemessener und nicht tendenziöser Form Stellung zu nehmen. Dabei haben die Medien und damit auch die Verfügungsbeklagte eine besondere Verantwortung, wenn die Darstellungsart geeignet ist, Schäden bei dem Betroffenen hervorzurufen. Es ist allerdings zum Zeitpunkt der Recherchetätigkeit, d.h. bis zum 02.07.2007 nicht feststellbar, dass die Verfügungsbeklagte diesen Grundsätzen nicht genügt hat.
Die Verfügungsklägerin und mit ihr das Landgericht übersehen also, dass die Verfügungsbeklagte über die beauftragte Produktionsfirma gerade Gelegenheit gibt, diese Vorwürfe und Behauptungen auszuräumen und ihre Sicht der Dinge darzustellen. Damit stand auch die konkrete Option im Raum, über diese Vorwürfe und Behauptungen nicht zu berichten, weil sie sich aufgrund der Darstellung der Klägerin als unzutreffend darstellen. Insoweit ist schon im Ausgangsschreiben festgehalten, dass verschiedene Fälle lediglich recherchiert werden. Dies wird im Schreiben vom 29.06.2007 nochmals vertieft. Damit sichert die Verfügungsbeklagte gerade die Rechte der Verfügungsklägerin und beeinträchtigt diese nicht. Die Verfügungsklägerin kann dabei nicht geltend machen, dass noch am Morgen des 02.07. behauptet worden sei, es werde recherchiert. Zu diesem Zeitpunkt ist ihr erkennbar ein auf den 29.06.2007 datiertes Schreiben zugegangen, welches sich also auf den 29.06. und nicht auf den 02.07.2007 bezog.
Anders als die Verfügungsklägerin meint, ist auch weder im Ausgangsschreiben noch im Ergänzungsschreiben ausgeführt, dass der beabsichtigte Beitrag sie namentlich bezeichnet. „Gegebenenfalls“ sollen die streitgegenständlichen Positionen im Rechtsstreit mit dem Kunden dargestellt werden, ohne selbst Position zu beziehen. Angesichts des zugunsten der Verfügungsklägerin ergangenen erstinstanzlichen Urteils gegen ihren Kunden, war dies auch nachvollziehbar. Ausdrücklich wird im Schreiben vom 29.06.2007 darauf hingewiesen, dass die gleich lautenden oder ähnlichen Beschwerden anderer Kunden nicht weiter verfolgt würden.
Aus dem dargestellten Sachverhalt ergab sich auch für die Verfügungsklägerin, dass die Verfügungsbeklagte bis zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ihre Recherchen und Überprüfungen noch nicht abgeschlossen, gleichzeitig aber die Belange der Verfügungsklägerin im Blick hatte.
Auch der mitgeteilten weiteren möglichen Verfahrensweise haftet nicht die hinreichend wahrscheinliche Gefahr eines rechtswidrigen Eingriffes in die Rechte der Verfügungsklägerin an. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn über gegensätzliche Positionen unter Beachtung der journalistischen Sorgfalt berichtet wird, d.h. in dem beide Positionen dargestellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Maßstäbe einer sorgfältigen journalistischen Recherche nicht beachtet werden, sind vorliegend nicht erkennbar gewesen. Insbesondere war auch nach dem Dafürhalten der Klägerin der Bericht über den Mitbewerber vom 23.04.2007 nicht zu beanstanden. Die Ausführungen der Verfügungsbeklagten und der Produktionsfirma lassen auch nicht erkennen, ob die Verfügungsklägerin in dem Beitrag überhaupt benannt werden sollte oder ob lediglich beabsichtigt war, abstrakt über die Problematik zu berichten.
Auch aus der Weigerung der Beklagten eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, kann keine Erstbegehungsgefahr hergeleitet werden. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, gab es nämlich keinen entsprechenden Anlass auf Abgabe einer solchen isolierten Unterlassungserklärung mit dem gleichzeitigen Ergebnis, dass weitere Recherche- und Darstellungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt gewesen wären.
Der Verfügungsklägerin ist allerdings zuzugeben, dass an die Erstbegehungsgefahr damit im Spiegel der Meinungs- und Pressefreiheit hohe Anforderungen gestellt werden. Es muss eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass sich die Gefahr auch realisiert. Insoweit kann dem Ansatz des Landgerichtes, dass die Verfügungsbeklagte die Befürchtungen der Verfügungsklägerin nicht beseitigt habe, weder inhaltlich noch unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast gefolgt werden. Befürchtungen reichen nicht. Solche Befürchtungen müssen sich vielmehr aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu einer konkreten und nicht nur abstrakten Gefahr der Rechtsverletzung verdichtet haben. Ohne dass dies abschließend entschieden werden muss, mögen feststehende rechtswidrige Berichterstattungen in vergleichbaren Fällen dafür ebenso ein Indiz sein, wie der eigene Vorhalt – für den Journalisten erkennbar – unzutreffender Behauptungen. Allein die Konfrontation mit Fragen, die Behauptungen Dritter aufnehmen, reicht dagegen nicht.
Der Senat sieht, dass zur hinreichenden Sicherung der Rechte der Verfügungsklägerin die Berufung auf die fortdauernde Recherchetätigkeit auch nicht soweit gehen darf, dass ein vorbeugender Rechtsschutz gänzlich vereitelt wird. Insoweit war der Verfügungsklägerin aber zumutbar, die von der Verfügungsbeklagten mitgeteilte Frist bis zum Ende der Recherche und Prüfung am 02.07.2007 um 12.00 Uhr abzuwarten.
Es hätte der Verfügungsklägerin oblegen, nach dem Erhalt des Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 29.06.2007 am morgen des 02.07.2007 um 08.54 Uhr und damit vor Einreichung der einstweiligen Verfügung, um 12.00 Uhr bei der Verfügungsbeklagten ggf. fernmündlich abzufragen, ob eine solche Entscheidung inzwischen getroffen ist und welchen tatsächlichen Inhalt der Beitrag hat. Es ist nicht erkennbar, dass die Verfügungsklägerin bei einer Übermittlung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach 12.00 Uhr bis um 19.22 Uhr kein hinreichender Rechtsschutz hätte gewährt werden können. Der besondere Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit gebietet es, dem Betroffenen hier besondere zeitliche Anstrengungen auf zu erlegen.
Es kann auch kein Zweifel daran geben, dass eine Bescheidung der einstweiligen Verfügung in diesem zeitlichen Korridor möglich gewesen wäre, da zumindest für die Zeit von 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr von einer üblichen Bürozeit auszugehen ist, die die Erreichbarkeit des Gerichtes und des Richters nicht in Zweifel ziehen lässt. Darüber hinaus besteht bei dem Landgericht Mainz ein richterlicher Eildienst von 16.00 Uhr bis 21.00 Uhr, der den Rechtsschutz hätte kurzfristig sicherstellen können.
(Unterschriften)
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