OLG Hamburg: Auf Studie Bezugnehmende Arzneimittelwerbung

OLG Hamburg Urteil vom 29.3.2007 – 3 U 153/06

1. Es handelt sich um Werbung im Sinne des HWG, wenn der Arzneimittelhersteller eine Broschüre verbreitet, in der Studien, die sich mit dem in der Broschüre hervorgehoben dargestellten Arzneimittel befassen, nach deren Studienziel, teilnehmenden Probanden, Studiendesign, Studiendaten, Studienergebnis und Fundstelle aufbereitet sind.

2. Inwieweit sich dabei die Werbung auf ein Anwendungsgebiet außerhalb der Zulassung bezieht (§ 3 a HWG), beurteilt sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles.

Ein werblicher Anwendungsbezug ist gegeben, wenn das Ergebnis einer Studie versprachlicht so dargestellt, dass die angesprochenen Durchschnitts-Ärzte darin eine hinreichend deutliche Empfehlung zur Anwendung entnehmen (hier: für die „neu eingestellten Patienten“ bzw. zur Umstellung auf das beworbene Mittel; der Zulassungsstatus des beworbenen Arzneimittels bleibt unerwähnt). Anders ist es, wenn eindeutig nur über das betreffende Studienziel referiert wird.

3. a) Die Werbung ist irreführend (§ 3 HWG), wenn es sich bei dem referierten Studienergebnis (hier prozentuale Mortalitäts- bzw. Morbiditätssenkung bei Einsatz des Arzneimittels) nicht (wie mangels Hinweis angenommen) um den primären Studienendpunkt handelt, sondern um eine nachträglich vorgenommene Subgruppenanalyse.

b) Wird dagegen bei einem „Vergleich zu Placebo“ durch den Hinweis „kalkuliert“ und durch den Hinweis im Studiendesign deutlich, dass die Studie keinen Studienarm „versus Placebo“ hatte, so ist die das Arzneimittel betreffende Werbung mit insoweit nur nachträglich errechneten Daten nicht irreführend.

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27 vom 18. Mai 2006 abgeändert.

Die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 3. April 2007 wird zu Ziffer 3. und zu Ziffer 5. des Verbots aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag wird insoweit zurückgewiesen.

Im Übrigen wird – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 3. April 2007 mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der vom Landgericht genannten Ordnungsmittel verboten wird, im geschäftlichen Verkehr für die Arzneimittel Vaaa / CoVaaa mit den Aussagen zu werben:

1. „Mittlere Blutdrucksenkung von CoVaaa 160/12,5″ … „Neu eingestellte Patienten“;

und/oder

2. „Die Umstellung (von Irbesartan 300mg/HTC 12 mg oder Candesartan 16 mg/HTC 12,5 mg) auf Valsartan 160 mg/HTC 25 mg erbrachte eine zusätzliche Blutdrucksenkung von systolisch 6 mmHG und diastolisch 4 mmHG und damit die gewünschte Blutdrucksenkung bis hin zur Normalisierung“;

und/oder

(3. ….)

4. unter der Überschrift „Primäre Endpunkte bei Patienten ohne ACE-Hemmer“ mit den Angaben: „-33,1%“ und „-44,0%“ in den Pfeilen über den Balken-Diagrammen; wie in der mit der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 3. April 2007 verbundenen Kurzübersicht „Vaaa/CoVaaa-Studien“ auf Seiten 10 (Ziffer 1), 17 (Ziffer 2) und 22 (Ziffer 4) geschehen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz (Erlass- und Widerspruchsverfahren) und in zweiter Instanz tragen die Antragstellerin 2/5 und die Antragsgegnerin 3/5.

Tatbestand

A.

Die Parteien sind Pharmaunternehmen und stehen miteinander im Wettbewerb.

Die Antragsgegnerin vertreibt u. a. das Arzneimittel Vaaa 160 mg und „CoVaaa“ (Sartane). Für diese Arzneimittel wirbt sie mit der Broschüre „Vaaa ® / CoVaaa ® – Studien – Eine Kurzübersicht“ (Anlage ASt 6 – im Folgenden: „Kurz-ÜBERSICHT“).

Die Antragstellerin beanstandet Aussagen in der Kurz-ÜBERSICHT als unlauter und nimmt die Antragsgegnerin vorliegend im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin vertreibt das Arzneimittel Deee (ein Candesartan) mit – so die Antragstellerin – den Indikationen „Hypertonie und Herzinsuffizienz“. In der Fachinformation (für „Deee PLUS 16/12,5 mg“) heißt es unter „Anwendungsgebiete“ (Anlage ASt 1):

Essenzielle Hypertonie, wenn diese durch eine Monotherapie mit Candesartancilexetil oder Hydrochlorothiazid nicht ausreichend kontrolliert wird.

Die von der Antragsgegnerin vertriebenen Arzneimittel Vaaa 160 mg und „CoVaaa“ sind – so die Antragstellerin – zu den Indikationen „Hypertonie und Herzinsuffizienz“ auch für die Indikation „akuter Herzinfarkt“ zugelassen.

In der Fachinformation für „Vaaa 80 mg Filmtabletten, Vaaa 160 mg Filmtabletten “ heißt es unter „Anwendungsgebiete“ (Anlage ASt 2):

Hypertonie
Behandlung der essenziellen Hypertonie.
Nach einem vor kurzem aufgetretenen Myokardinfarkt
Behandlung von klinisch stabilen Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz oder einer asymptomatischen, links-ventrikulären systolischen Dysfunktion nach einem vor kurzem (12 Stunden bis 10 Tage) aufgetretenen Myokardinfarkt (siehe 4.4 „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ und 5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“).
Herzinsuffizienz
Behandlung der symptomatischen Herzinsuffizienz, wenn ACE-Hemmer nicht gegeben werden können oder zusätzlich zu einem ACE-Hemmer, wenn Beta-Blocker nicht angewendet werden können (siehe 4.4 „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ und 5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“).

In der Fachinformation der Antragsgegnerin für „Vaaa 40 mg Filmtabletten “ heißt es unter „Anwendungsgebiete“ (Anlage AG 8 – die Anlage ASt 2 ist insoweit überholt):

Nach einem vor kurzem aufgetretenen Myokardinfarkt
Behandlung von klinisch stabilen Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz oder einer asymptomatischen, links-ventrikulären systolischen Dysfunktion nach einem vor kurzem (12 Stunden bis 10 Tage) aufgetretenen Myokardinfarkt (siehe 4.4 „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ und 5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“).
Herzinsuffizienz
Behandlung der symptomatischen Herzinsuffizienz, wenn ACE-Hemmer nicht gegeben werden können oder zusätzlich zu einem ACE-Hemmer, wenn Beta-Blocker nicht angewendet werden können (siehe 4.4 „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ und 5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“).

In der Fachinformation der Antragsgegnerin für „COVaa 160 mg/12,5 mg Filmtabletten “ heißt es unter „Anwendungsgebiete“ (Anlage ASt 2):

Zur Behandlung der essenziellen Hypertonie.
Die fixe Kombination CoVaaa 160 mg/12,5 mg (160 mg Valsartan und 12,5 mg Hydrochlorothiazid) ist bei Patienten indiziert, deren Blutdruck mit Valsartan alleine nicht ausreichend kontrolliert werden kann.

In der Fachinformation der Antragsgegnerin für “ CoVaaa forte 160 mg/25 mg Filmtabletten “ heißt es unter „Anwendungsgebiete“ (Anlage ASt 2):

Zur Behandlung der essenziellen Hypertonie.
Die fixe Kombination CoVaaa 160 mg/25 mg (160 mg Valsartan und 25 mg Hydrochlorothiazid) ist bei Patienten indiziert, deren Blutdruck mit Valsartan alleine nicht ausreichend kontrolliert werden kann.

In der Kurz-ÜBERSICHT der Antragsgegnerin werden im vorliegenden Verfügungsverfahren die Seiten 10, 17, 18, 20, 22 und 23 im Hinblick auf mehrere Aussagen beanstandet (Anlage ASt 6).

Das Landgericht hat mit seiner Beschlussverfügung vom 3. April 2007 der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten,

im geschäftlichen Verkehr für die Arzneimittel Vaaa / CoVaaa mit den Aussagen zu werben:
1. Mit einer mittleren Blutdrucksenkung von CoVaaa 160/12,5″ bei „Neu eingestellte(n) Patienten“
und/oder
2. Die Umstellung (von Irbesartan 300mg/HTC 12 mg oder Condesartan 16 mg/HTC 12,5 mg) auf Valsartan 160 mg/HTC 25 mg erbrachte eine zusätzliche Blutdrucksenkung von systolisch 6 mmHG und diastolisch 4 mmHG und damit die gewünschte Blutdrucksenkung bis hin zur Normalisierung
und/oder
3. „Nutzen von Vaaa bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz zusätzlich zu einer Basistherapie …“
und/oder
4. unter der Überschrift „Primäre Endpunkte bei Patienten ohne ACE-Hemmer“ mit einer Mortalitätssenkung von 33,1 % bzw. eine Mortalitäts- und Morbiditätssenkung von 44,0 %
und/oder
5. „Im Vergleich zu Placebo ergibt sich somit eine 25%-ige Mortalitätsreduktion durch Vaaa bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt“
wie in der diesem Beschluss verbundenen Kurzübersicht „Vaaa/Vaaa-Studien“ auf Seiten 10 (Ziffer 1), 11 (Ziffer 2), 22 (Ziffer 3 und 4) und 23 (Ziffer 5) geschehen (es folgen die Kopien der Seite 1 -Deckblatt – sowie der Seiten 10, 17, 22 und 23 aus der Kurz-ÜBERSICHT).

Auf den Beschluss des Landgerichts nebst Begründung wird Bezug genommen.

Durch Urteil vom 18. Mai 2006 hat das Landgericht seine Beschlussverfügung bestätigt. Auf das Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich Antragsgegnerin mit der Berufung, die sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet hat.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung vom 3. April 2006 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass es im Verbotsausspruch der einstweiligen Verfügung heißt:
– Ziffer 1.):
„Mittlere Blutdrucksenkung von CoVaaa 160/12,5“ … „Neu eingestellte Patienten“
– Ziffer 4.):
unter der Überschrift „Primäre Endpunkte bei Patienten ohne ACE-Hemmer“ mit den Angaben: „-33,1%“ und „-44,0%“ in den Pfeilen über den Balken-Diagrammen.

Entscheidungsgründe

B.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache nur teilweise Erfolg, und zwar betreffend Ziffer 3. und Ziffer 5. der Beschlussverfügung des Landgerichts vom 3. April 2007. Demgemäß ist das landgerichtliche Urteil mit der aus dem Ausspruch des Senatsurteils ersichtlichen Maßgabe abzuändern und die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

I.

Der Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß der Beschlussverfügung des Landgerichts mit den in der Berufungsverhandlung von der Antragstellerin vorgenommenen Klarstellungen betreffend die Verbote zu Ziffer 1. und zu Ziffer 4., mit denen sie die Beschlussverfügung verteidigt.

Der Nachsatz in dem Verbotsausspruch der Beschlussausfertigung des Landgerichts enthält bei den zitierten Seiten der Kurz-ÜBERSICHT zwei Schreibfehler , die der Senat von Amts wegen berichtigt hat. Es muss richtig heißen: „…auf Seiten … 17 (Ziffer 2)…“ und nicht „… 11 (Ziffer 2)“ und die Broschüre betrifft „Vaaa/CoVaaa“-Studien. Der Beschlussverfügung des Landgerichts ist im Übrigen zutreffend u. a. die Kopie der Seite 17 (und nicht etwa der Seite 11) beigefügt worden.

II.

Der Verfügungsantrag gemäß Ziffer 1. des Verbots der Beschlussverfügung in der in der Berufungsverhandlung gestellten Fassung ist aus den §§ 3, 8, 4 Nr. UWG, § 3 a HWG begründet .

Die Antragstellerin kann nach diesen Vorschriften von der Antragsgegnerin verlangen, dass diese es künftig unterlässt,

im geschäftlichen Verkehr für die Arzneimittel Vaaa / CoVaaa mit der Aussage zu werben:
„Mittlere Blutdrucksenkung von CoVaaa 160/12,5″ … bei „Neu eingestellte Patienten“
wie in der Kurz-ÜBERSICHT auf Seite 10 geschehen (vgl. die Anlage zur Beschlussverfügung sowie Anlage ASt 6).

1.) Die Antragstellerin beanstandet die Aussage – und das bestimmt den Streitgegenstand mit – im Hinblick darauf, dass das Arzneimittel der Antragsgegnerin „CoVaaa 160 mg/12,5 mg Filmtabletten“ wie folgt zugelassen ist (Anlage ASt 2, dort unter „Anwendungsgebiete“):

Zur Behandlung der essenziellen Hypertonie.
Die fixe Kombination CoVaaa 160 mg/12,5 mg (160 mg Valsartan und 12,5 mg Hydrochlorothiazid) ist bei Patienten indiziert, deren Blutdruck mit Valsartan alleine nicht ausreichend kontrolliert werden kann.

2.) Nach § 3 a Satz 1 HWG ist eine Werbung für Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung unterliegen und die nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen sind oder als zugelassen gelten, unzulässig. Nach § 3 a Satz 2 HWG findet Satz 1 auch Anwendung, wenn sich die Werbung auf Anwendungsgebiete oder Darreichungsformen bezieht, die nicht von der Zulassung erfasst sind.

Der Begriff „Anwendungsgebiet“ ist gleichbedeutend mit dem in der medizinischen Wissenschaft gebräuchlichen Begriff der Indikation; er bezeichnet die dem Arzneimittel gegebene Zweckbestimmung, insbesondere die körperlichen und seelischen Zustände, die durch das betreffende Arzneimittel beeinflusst werden sollen (Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Auflage, § 4 HWG Rz. 36 m. w. Nw.).

Wie der Senat bereits zu § 3 a HWG a. F. betreffend die Arzneimittelwerbung für Anwendungsgebiete außerhalb der bestehenden Zulassung entschieden hat, setzt der Tatbestand die Fallgestaltung voraus, dass die beanstandete Angabe als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet außerhalb der Zulassung verstanden wird; wird demgegenüber nur auf (zusätzliche) Wirkungen des Mittels hingewiesen, so ist kein Verstoß gegen § 3 a HWG gegeben (OLG Hamburg, Senat, MagazinDienst 2004, 505, 510 m. w. Nw.; OLG Hamburg, Urteil vom 31. März 2005, 3 U 108/04 – zur Veröffentlichung bestimmt). Das gilt für § 3 a Satz 2 HWG n. F. entsprechend. Denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieser Vorschrift muss sich die Werbung auf Anwendungsgebiete (oder Darreichungsformen) beziehen .

Wie der Senat in seinen Entscheidungen mehrfach ausgeführt hat, ist es jeweils Tatfrage des Einzelfalles , ob eine nicht zugelassene Indikation eines Arzneimittels beworben wird oder nicht. Nichts anderes gilt für den vorliegenden Sachverhalt.

3.) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den Angaben in der von der Antragsgegnerin verbreiteten Kurz-ÜBERSICHT um Werbung im Sinne der §§ 3, 3 a HWG handelt.

(a) Der heilmittelrechtliche Werbebegriff ist nach der zutreffenden herrschenden Meinung weit zu verstehen. Ihm unterfallen alle informationsvermittelnden und meinungsbildenden Aussagen, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit des Adressaten zu erwecken und deren Entschlüsse mit dem Ziel der Förderung des Warenabsatzes zu beeinflussen.

(b) Die Kurz-ÜBERSICHT (Anlage ASt 6) ist eine von der Antragsgegnerin verbreitete Broschüre unter ihrer Unternehmensbezeichnung und unter hervorgehobener Nennung ihrer Präparate Vaaa und „CoVaaa“. Inhaltlich stellt sie eine Sammlung von darin in Kurzübersichten vorgestellten wissenschaftlichen Studien dar, die sich mit diesen Arzneimitteln beschäftigen. Das geschieht in der Broschüre in der Weise, dass die einzelnen Studien ausführlich nach Fundstelle, Studienziel, teilnehmenden Probanden, Studiendesign, Schaubildern nach Studiendaten und Ergebnis-Kurzzusammenfassung aufbereitet sind. Am Ende der Broschüre werden die Arzneimittel der Antragsgegnerin über ihre Pflichtangaben vorgestellt.

(c) Auch wenn die wissenschaftliche Information der Fachkreise über diese Studien im Vordergrund steht, stellt das Verbreiten der Kurz-ÜBERSICHT eine Werbung der Antragsgegnerin dar.

Auch sachlich gehaltene Ausführungen – gerade solche werden in der Pharmawerbung erwartet – verlieren nicht etwa den Bezug zur Absatzwerbung und Imageförderung des Pharmaunternehmens und seiner Produkte. Dass es Studien über das so vorgestellte Arzneimittel gibt, wird die Bedeutung des Mittels noch unterstreichen und das Interesse für die Verschreibungspraxis erhöhen. Dass damit der Markterfolg des Mittels – wie beabsichtigt – steigern kann, liegt auf der Hand.

4.) Unter Beachtung dieser Grundsätze stellt auch nach Auffassung des Senats die beanstandete Aussage auf Seite 10 der Kurz-ÜBERSICHT die Werbung für ein (nicht zugelassenes) Anwendungsgebiet dar.

Auf dieser Seite 10 lautet die Überschrift über dem Balkendiagramm in der Mitte der Seite: „Mittlere Blutdrucksenkung von CoVaaa 160/12,5 mg … Neu eingestellte Patienten … Vorbehandelte Patienten“. Zudem wird das Studienergebnis folgendermaßen geschildert: „Mit CoVaaa 160/12,5mg lässt sich eine deutliche bzw. zusätzliche, zweistellige systolische und diastolische Blutdrucksenkung erzielen…“

Damit wird den angesprochenen Fachkreisen die Möglichkeit unterbreitet, das Arzneimittel der Antragsgegnerin für diese Anwendung auch bei „neu eingestellten Patienten“ einzusetzen, zumal – wie berichtet wird – die „M Beobachtungsstudie“ u. a. unbehandelte Hypertoniker betraf.

Die Antragsgegnerin kann sich nicht mit Erfolg mit ihrem Argument verteidigen, es würden „nur“ Studien vorgestellt und die Fachkreise wüssten, dass Studien auch Anwendungsgebiete außerhalb der Zulassung beträfen, zumal sie vielfach eine Erweiterung der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorbereiten sollen. Die Schilderung des Studienergebnisses in ihrer konkreten versprachlichten Ausgestaltung auf der Seite 10 der Kurz-ÜBERSICHT – und nur darüber hat der Senat zu befinden – verhält sich zum Zulassungsstatus der Arzneimittel der Antragsgegnerin nicht und ist zudem so gefasst, dass die Fachkreise darin eine hinreichend deutliche Empfehlung zur Anwendung sehen werden („lässt sich …“).

Der Senat verkennt nicht, sondern hat das bei der Beurteilung dieses Einzelfalles mitberücksichtigt, dass nicht nur Wissenschaftler, sondern selbstverständlich auch Pharmaunternehmen Teilhabe an der wissenschaftlichen Diskussion haben und dass deren Kommunikationsgrundrecht (Art. 5 GG) nicht durch eine zu restriktive Anwendung des HWG unverhältnismäßig beeinträchtigt werden darf. Davon kann aber bei Anlegung des vorstehend skizzierten Maßstabs keine Rede sein. Es bleibt der Antragsgegnerin unbenommen, in zulässiger Weise Studien vorzustellen.

Aus der von der Antragsgegnerin herangezogenen Entscheidung des Senats vom 12. Juli 2006 (3 W 112/06 – Anlage AG 20, zur Veröffentlichung bestimmt) ergibt sich nichts anderes. In der dortigen Entscheidung ist bereits ausgeführt, dass auch eine Broschüre mit Studienergebnissen als Werbung zu bewerten sein kann und dass es eine Frage des Einzelfalles ist, ob eine Darstellung einen Anwendungsbezug bekommt oder nicht. Im Übrigen ging es dort um einen anderen Sachverhalt. Es wurde in zurückhaltender Form über das Ausbleiben bestimmter Neuerkrankungen innerhalb der Studie berichtet, deswegen war das nicht als Werbung für ein Anwendungsgebiet insoweit zu bewerten.

5.) Es handelt sich um die Werbung für eine nicht zugelassene Indikation . Eine Neueinstellung nicht vorbehandelter Patienten auf „CoVaaa 160/12,5 mg“ ist nicht zulassungskonform. Aus der Fachinformation ergibt sich, wie ausgeführt, dass eine fixe Kombination CoVaaa 160 mg/12,5 mg (160 mg Valsartan und 12,5 mg Hydrochlorothiazid) bei Patienten indiziert ist, deren Blutdruck mit Valsartan alleine nicht ausreichend kontrolliert werden kann (Anlage ASt 2).

6.) Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben. Der Verstoß gegen § 3 a HWG ist ein solcher gegen § 4 Nr. 11 UWG. Der Antrag erfasst unter Bezugnahme auf die Seite 10 der Kurz-ÜBERSICHT die konkrete Verletzungsform.

III.

Zu Recht hat das Landgericht den Verfügungsantrag zu Ziffer 2. gemäß dem Verbot der Beschlussverfügung aus den §§ 3, 8, 4 Nr. UWG, § 3 a HWG als begründet angesehen.

Der Verfügungsantrag betrifft das Verbot,

im geschäftlichen Verkehr für die Arzneimittel Vaaa / CoVaaa mit der Aussage zu werben:
Die Umstellung (von Irbesartan 300mg/HTC 12 mg oder Candesartan 16 mg/HTC 12,5 mg) auf Valsartan 160 mg/HTC 25 mg erbrachte eine zusätzliche Blutdrucksenkung von systolisch 6 mmHG und diastolisch 4 mmHG und damit die gewünschte Blutdrucksenkung bis hin zur Normalisierung
wie in der Kurz-ÜBERSICHT auf Seite 17 geschehen (vgl. die Anlage zur Beschlussverfügung sowie Anlage ASt 6).

1.) Auch nach Auffassung des Senats ist in dieser Aussage im konkreten Äußerungsumfeld auf Seite 17 der Kurz-ÜBERSICHT eine Werbung für ein (nicht zugelassenes) Anwendungsgebiet zu sehen.

Es geht um einen Switch vom Konkurrenz-Präparat zu dem beworbenen Mittel der Antragsgegnerin, und zwar um die Anwendung von CoVaaa 160/25 mg. Mit der Wendung „erbrachte … die gewünschte Blutdrucksenkung bis hin zur Normalisierung“ wird den Fachkreisen mangels gegenteiliger Hinweise nahe gelegt, das so beworbene Arzneimittel auch bei neu eingestellten, nicht vorbehandelten Patienten anzuwenden. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin wird insoweit eben nicht „nur“ das Studienergebnis mitgeteilt. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen unter II. entsprechend Bezug genommen.

2.) Es handelt sich um die Werbung für eine nicht zugelassene Indikation . Eine Neueinstellung nicht vorbehandelter Patienten auf „CoVaaa 160/25 mg“ ist nicht zulassungskonform. Aus der betreffenden Fachinformation folgt, wie ausgeführt, dass eine fixe Kombination CoVaaa 160 mg/25 mg (160 mg Valsartan und 25 mg Hydrochlorothiazid) bei Patienten indiziert ist, deren Blutdruck mit Valsartan alleine nicht ausreichend kontrolliert werden kann (Anlage ASt 2).

Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind gegeben. Der Verstoß gegen § 3 a HWG ist ein solcher gegen § 4 Nr. 11 UWG. Der Antrag erfasst unter Bezugnahme auf die Seite 17 der Kurz-ÜBERSICHT die konkrete Verletzungsform.

IV.

Der Verfügungsantrag gemäß Ziffer 4. des Verbots der Beschlussverfügung in der in der Berufungsverhandlung gestellten Fassung ist aus den §§ 3, 8, 4 Nr. UWG, § 3 HWG begründet .

Die Antragstellerin kann nach diesen Vorschriften von der Antragsgegnerin verlangen, dass diese es künftig unterlässt

im geschäftlichen Verkehr für die Arzneimittel Vaaa / CoVaaa mit der Aussage zu werben:
unter der Überschrift „Primäre Endpunkte bei Patienten ohne ACE-Hemmer“ mit den Angaben: „-33,1%“ und „-44,0%“ in den Pfeilen über den Balken-Diagrammen
wie in der Kurz-ÜBERSICHT auf Seite 22 geschehen (vgl. die Anlage zur Beschlussverfügung sowie Anlage ASt 6).

1.) Auch nach Auffassung des Senats handelt es sich bei dieser Darstellung auf Seite 22 der Kurz-ÜBERSICHT um eine irreführende Angabe im Sinne des § 3 HWG.

Die auf dieser Seite der Kurz-ÜBERSICHT vorgestellte VH-Studie hatte die dort mit den Zahlen in den roten Pfeilen über den Balken-Diagrammen dargestellte Mortalitätssenkung von 33,1 % bzw. die Mortalitäts- und Morbiditätssenkung von 44 % nicht – wie die Fachkreise mangels gegenteilige Information selbstverständlich erwarten werden – als primären Studienendpunkt, sondern dass es ging insoweit unstreitig um eine nachträglich vorgenommene Subgruppenanalyse.

Das Argument der Antragsgegnerin demgegenüber, man sehe aus den zwei verschiedenen Grafiken auf der Seite 22, dass die Grafik unten mit der Überschrift „Primäre Endpunkte bei Patienten ohne ACE-Hemmer“ nicht für alle Studienpatienten gelten könne, greift nicht durch. Vielmehr geht es ja gerade darum, dass diese Subgruppe nicht der primäre Studienendpunkt gewesen ist und dass darauf nicht hingewiesen wird.

2.) Die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs sind ebenfalls gegeben. Der Antrag erfasst unter Bezugnahme auf die Seite 22 der Kurz-ÜBERSICHT die konkrete Verletzungsform. Der Verstoß gegen § 3 HWG ist ein solcher gegen § 4 Nr. 11 UWG.

V.

Der Verfügungsantrag gemäß dem Verbot zu Ziffer 3. der Beschlussverfügung ist nach Auffassung des Senats aus den allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden §§ 3, 8, 4 Nr. 11 UWG, § 3 a HWG nicht begründet .

Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin nicht verlangen, dass diese es künftig unterlässt,

im geschäftlichen Verkehr für die Arzneimittel Vaaa / CoVaaa mit der Aussage zu werben:
„Nutzen von Vaaa bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz zusätzlich zu einer Basistherapie …“
wie in der Kurz-ÜBERSICHT auf Seite 22 geschehen (vgl. die Anlage zur Beschlussverfügung sowie Anlage ASt 6).

1.) Die Antragstellerin beanstandet die zitierte Aussage im Zusammenhang mit den Angaben auf Seite 22 unter „Ergebnisse“, und zwar im Hinblick darauf, dass das Arzneimittel der Antragsgegnerin in den Stärken „Vaaa 80 mg Filmtabletten“ und „Vaaa 160 mg Filmtabletten “ zur Therapie der Herzinsuffizienz nur wie folgt zugelassen ist (Anlage ASt 2, dort unter „Anwendungsgebiete“):

Herzinsuffizienz
Behandlung der symptomatischen Herzinsuffizienz, wenn ACE-Hemmer nicht gegeben werden können oder zusätzlich zu einem ACE-Hemmer, wenn Beta-Blocker nicht angewendet werden können (siehe 4.4 „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung“ und 5.1 „Pharmakodynamische Eigenschaften“).

2.) Nach Auffassung des Senats wird mit der beanstandeten Angabe auf Seite 22 der Kurz-ÜBERSICHT nicht für das in Rede stehende (und außerhalb der Zulassung liegende) Anwendungsgebiet geworben.

Die Aussage „Nutzen von Vaaa bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz zusätzlich zu einer Basistherapie …“ steht unter der Rubrik „Studienziel“ und damit in einem Äußerungszusammenhang, der sich eindeutig nur auf den Bericht über die Studie bezieht.

Es wäre daher verfehlt, gleichsam isoliert auf die Angaben darunter unter der Rubrik „Ergebnisse“ abzustellen, zumal diese wiederum mit der Wendung „Bei Patienten ohne ACE-Hemmer konnte Vaaa …“ deutlich machen, dass sie sich auf die Studie beziehen.

VI.

Der Verfügungsantrag zu Ziffer 5. gemäß dem Verbot der Beschlussverfügung ist nach Auffassung des Senats aus den allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden §§ 3, 8, 4 Nr. UWG, § 3 HWG nicht begründet .

Der Verfügungsantrag betrifft das Verbot,

im geschäftlichen Verkehr für die Arzneimittel Vaaa / CoVaaa mit der Aussage zu werben:
„Im Vergleich zu Placebo ergibt sich somit eine 25%-ige Mortalitätsreduktion durch Vaaa bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt“
wie in der Kurz-ÜBERSICHT auf Seite 23 geschehen (vgl. die Anlage zur Beschlussverfügung sowie Anlage ASt 6).

1.) Die Antragstellerin beanstandet die Aussage als irreführend im Hinblick darauf, dass die dort auf der Seite 23 der Kurz-ÜBERSICHT dargestellte Liii-Studie keine Prüfung von Vaaa gegen Placebo enthielt, die grafisch dargestellten Ergebnisse seien nachträglich nur errechnet worden.

2.) Eine Irreführung der angesprochenen Fachkreise ist nach Auffassung des Senats insoweit nicht gegeben. Schon aus den Angaben unter den Rubriken „Studienziel“ und „Studiendesign“ ergibt sich hinreichend deutlich, dass es keine Prüfung gegen Placebo gegeben hat.

Hinzukommt der Umstand, dass der im Antrag zitierte Satz so nicht allein unter der Rubrik „Ergebnisse“ steht, sondern als Nachsatz zu der Angabe:

„Die zu Beginn der Studie definierte Analyse auf Nichtunterlegenheit ergab Gleichwertigkeit von Vaaa gegenüber Peee. Im Vergleich zu Placebo …“

Auch dort ist im Zusammenhang mit der Studie selbst nicht von Placebo die Rede. Zudem heißt es in der Tabelle unten auf Seite 23 „Valsartan (kalkuliert)“. Das alles im maßgeblichen Gesamteindruck lässt nicht die Annahme entstehen, es habe in der Studie auch einen „Studienarm versus Placebo“ gegeben.

Im Übrigen findet sich dieser errechnete Rückschluss unstreitig in der Arbeit von E. wieder (Anlage AG 10).

VII.

Nach alledem war die Berufung der Antragsgegnerin teilweise begründet und im Übrigen war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

(Unterschriften)

Haben Sie Fragen?

Die Kanzlei Breuer Lehmann Rechtsanwälte ist auf Markenrecht spezialisiert. Gerne stehen wir Ihnen als Ansprechpartner zu Markenschutz, Markenanmeldung und Abmahnungen zur Verfügung. Sie erreichen uns telefonisch unter 089 666 610 89 oder per E-Mail an info@breuerlehmann.de.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.