Das ehemalige Markenlogo der Marke „Thor Steinar“ erfüllt in seiner konkreten Gestaltung – jedenfalls aus heutiger Sicht – nicht den Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne von § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB.
OLG Brandenburg, Urteil vom 12.09.2005 – 1 Ss 58/05 –
§ 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB
In der Strafsache
g e g e n ……
w e g e n Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgrund der Hauptverhandlung vom 12. September 2005, für R e c h t erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 8. März 2005 wird als unbegründet verworfen.
Die Landeskasse trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die dem Angeklagten in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen.
G r ü n d e :
I.
Die Staatsanwaltschaft legte dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 2. Februar 2005 zur Last, sich am 25. Januar 2005 des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB strafbar gemacht zu haben. Der Angeklagte hatte an diesem Tag in den Bahnhofspassagen des Hauptbahnhofes Potsdam, aus der linken Hosentasche heraushängend ein Schlüsselband getragen, auf welchem sich (unter anderem) das Markenlogo „Thor Steinar“ der Textilherstellerin ………..GmbH befand. Dieses Markenlogo setze sich, so die Staatsanwaltschaft, aus einer liegenden „Wolfsangel“ und der Tyr-Rune zusammen und habe „von einem unbefangenen Beobachter für eine sogenannte Doppelsig-Rune, Symbol der verbotenen ehemaligen Schutzstaffel der verbotenen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, gehalten werden“ können.
Das Amtsgericht – Jugendrichter – hat den Angeklagten mit dem angegriffenen Urteil aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil durch das Tragen des Schlüsselbandes mit dem entsprechenden Markenlogo bereits der objektive Tatbestand eines Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nicht erfüllt worden sei.
Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, die unter näheren Ausführungen die Verletzung des materiellen Rechts geltend macht.
II.
Das Rechtsmittel bleibt in der Sache erfolglos. Das vom Angeklagten am Anlastungstag getragene Schlüsselband erfüllt – jedenfalls aus heutiger Sicht – nicht den Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne von § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB.
Die vom Senat zur Ergänzung der tatrichterlichen Darstellung und zu deren näherer Überprüfung durchgeführte Inaugenscheinnahme des Schlüsselbandes (vgl. für deren Zulässigkeit: OLG Hamburg NStZ 1981, 393 m. w. N.) hat nicht ergeben, dass das Markenlogo einem Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen entspricht oder im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung einem derartigen Kennzeichen zum Verwechseln ähnlich sieht.
Das Schlüsselband ist in üblicher Form gehalten, wobei die Grundfarbe des Gewebes schwarz ist; sich mehrfach wiederholend aufgedruckt sind die in einer Art Runenschrift gehaltene Markenbezeichnung „Thor Steinar“ sowie das Markenlogo der Herstellerin; dieses besteht aus einem weiß umrandeten Wappenschild, in welchem auf rotem Grund in weißer Farbe sich überlappend ein vertikal nach oben zeigender Pfeil mit waagerecht verlaufendem Querbalken (oder Punkten) als Fuß und ein dem eckig und liegend ausgeführten Buchstaben „S“ des lateinischen Alphabets entsprechendes Zeichen eingestellt sind. Das „S“ ist dabei in der Weise gestaltet, dass sich die beiden Längsbalken horizontal unter das Dach des Pfeilzeichens einfügen und durch einen etwa im Winkel von 45 ° zu ihnen stehenden schrägen Querbalken verbunden werden.
(Hier folgt im Originalurteil eine Kopie des Schlüsselbandes)
Wie der Senat anhand der in der Hauptverhandlung erfolgten Inaugenscheinnahme von am 28. Oktober 2004 ausgedruckten Internetseiten des Herstellerunternehmens ( Bl. 18 ff. d.A. 329 Js 36706/04 Staatsanwaltschaft Neuruppin) festgestellt hat, sind unter der Markenbezeichnung „Thor Steinar“ in der Vergangenheit eine Vielzahl von Kleidungsstücken (u.a. Pullover, Polohemden, T-Shirts, Hemden, Jacken, Mützen) und Accessoires und Schmuckstücke (u.a. Schlüsselbänder, Siegelringe, Anhänger) vertrieben worden, welche unterschiedlich gestaltet sind. Auf den angebotenen Schmuckstücken befindet sich das Markenlogo in der bereits dargestellten Form mit und ohne Wappenschild. Die Kleidungsstücke enthalten das jeweils in gleicher Darstellung wie auf dem verfahrensgegenständlichen Schlüsselband teilweise in unterschiedlicher Größe ausgeführte Markenlogo; zusätzlich sind auf Vorder- bzw. Rückseite verschiedene Aufdrucke in einer Art Runen-, Fraktur- und lateinischer Druckschrift enthalten, die Wortkombinationen wie „Thor Steinar“, „Division Thor Steinar“, „Asgard“ u.ä. enthalten. Die Farbgebung der Kleidungsstücke und Accessoires variiert von schwarz-weiß-rot über weiß, rot, grün, tarnfarben und blau bis schwarz. Das Herstellerunternehmen hat die Gestaltung seines Markenlogos Ende 2004 geändert, nachdem eine große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin durch Beschluss vom 17. November 2004 die Rechtsauffassung vertreten hatte, es würden bei näherer Betrachtung Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, nämlich die Doppelsig-Rune der Schutzstaffel der ehemaligen NSDAP, erkennbar werden. Mehrere Strafkammern des Landgerichts Potsdam haben sich dieser Auffassung angeschlossen. Die Strafverfolgungspraxis der Staatsanwaltschaften der einzelnen Bundesländer ist bezüglich des oben beschriebenen Markenlogos allerdings vollkommen uneinheitlich, so dass in der Bundesrepublik Deutschland die Strafverfolgung des öffentlichen Verwendens des ehemaligen Markenlogos der Marke „Thor Steinar“ von dem jeweiligen „Begehungsort“ abhängig ist. Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Strafbarkeit ist – soweit ersichtlich – noch nicht erfolgt. Seit Ende 2004 ist in Tageszeitungen, Nachrichtensendungen und Internetseiten verschiedentlich berichtet worden, das ehemalige Markenlogo der Marke „Thor Steinar“ enthalte verbotene, nach § 86 a StGB strafbare Runenzeichen.
Das Markenlogo der Marke „Thor Steinar“ entspricht in seiner konkreten Gestaltung keinem Originalkennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen, wie diese auf Fahnen, Uniformstücken oder als Abzeichen Verwendung fanden (vgl. § 86 a Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Es könnte allerdings den Charakter eines von Rechts wegen verbotenen und seinen Träger strafrechtlicher Verfolgung aussetzenden Zeichens durch Aufspaltung des Logos in Einzelbestandteile gewinnen. Zwar soll es ausweislich entsprechender Angaben des Herstellers aus stilisierten Formen „der jeweiligen Anfangsbuchstaben des Produktnamens „Thor Steinar“, also T und S “ bestehen; die Buchstaben sollen germanischer Runenschrift entlehnt sein, wobei das eine nach oben gerichteten Pfeil zeigende Zeichen den Buchstaben „T“, das aus zwei Längsund einem schrägen Querbalken bestehende Zeichen den Buchstaben „S“ darstellen soll. Die hierin bereits nach dem Willen des Herstellers vorgegebene Aufspaltung des Markenlogos ergibt allerdings neben der aufgrund der auch zur Runenschrift deutlich abweichenden Schreibweise von „T und S“ nur schwer nachvollziehbaren Buchstabenkombination, dass in diesem einerseits auch die sogenannte Tyr-Rune und andererseits die Gibor- oder Eib-Rune (landläufig bezeichnet als „Wolfsangel“) enthalten sind. Aus der Verbindung dieser Runen in dem verwendeten Logo können zudem bei ins Einzelne gehender Betrachtung und gleichzeitiger Verlagerung des Blickwinkels um 45° nach links zwei schräg nebeneinander liegende, in der Mitte verbundene und nach oben zeigende Sig-Runen sichtbar werden. Die öffentliche Verwendung von Runenzeichen führt nicht generell zur Strafbarkeit nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB, da sie bereits während der europäischen Eisenzeit von nordischen Völkern zur schriftlichen Fixierung von Sprache genutzt worden sind. Ihre Verwendung wurde allerdings unter der Herrschaft des Nationalsozialismus verklärt und in den Dienst der herrschenden Ideologie einer Verherrlichung der sogenannten „nordischen Rasse“ gestellt. Diese Umstände allein genügen jedoch nicht, um die Verwendung von Runenschrift schlechthin unter dem Gesichtspunkt von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sanktionieren zu können. Hierfür wäre nämlich Voraussetzung, dass diese Kennzeichen durch ihre Verwendung in der NS-Zeit derart von ihrer ursprünglichen Bedeutung gelöst worden wären, dass ihre Zuordnung zur NSDAP und deren Unterorganisationen eindeutig wäre. Die Sig-Rune in ihrer doppelten Verwendung durch die „Sturmstaffel (SS)“ und die (Waffen-) SS hat zweifelsfrei eine Bedeutung erlangt, die sie ohne Weiteres und insbesondere auch ohne Einbettung in die Form eines originalgetreuen Abzeichens zu einem Kennzeichen verfassungswidriger (nationalsozialistischer) Organisationen macht (vgl. BGH bei Wagner GA 1967, 106; OLG Frankfurt am Main NStZ 1982, 333). Andere Runenzeichen haben demgegenüber keine derart eindeutige (verfassungswidrige) Verwendung gefunden; sie finden sich teilweise auch heute noch mit zum Teil unterschiedlichem Bedeutungsgehalt, so die bereits erwähnte „Wolfsangel“ als Gestaltungszeichen in Gemeindewappen und bei der Bundeswehr, wieder.
Erfolgt der Gebrauch dieser Runenzeichen allerdings in einer Weise, dass insbesondere Fahnen, Abzeichen oder Uniformstücke (vgl. § 86 a Abs. 2 Satz 1 StGB) diese Kennzeichen wiederspiegeln oder ihnen zum Verwechseln ähnlich sind, kann dies zur Strafbarkeit nach § 86 a StGB führen.
Die in dem Markenlogo „Thor Steinar“ verwandte Tyr-Rune wurde nach 1933 als Ärmelabzeichen für Absolventen der sogenannten SA-Reichsführerschulen verwandt und war als Rangabzeichen auf den Kragenspiegeln der Sturmführer im Stab dieser Einrichtungen abgebildet. Überdies zeigte das Divisionsabzeichen der 32. SS-Freiwilligen-Grenadierdivision 6 „30. Januar“ eine (einzelne) dunkle, weiß umrandete Tyr-Rune auf wappenförmigem, ebenfalls schwarzem Hintergrund. Die Gibor-Rune („Wolfsangel“) war – in zum Teil abgewandelter Form – als Divisionsabzeichen der 2. SS-Panzerdivision „Das Reich“ sowie der 34. SS-Freiwilligen-Grenadierdivision „Landstorm Nederland“ in Gebrauch, ferner Kennzeichen der „Adjutanten“ (beim politischen Leiter) des „Deutschen Jungvolks“. In ihrer Ursprungsform als waagerechter Querbalken mit zwei gegenläufigen schräg senkrechten Endspitzen wurde sie beim sogenannten
„Deutschen Jungvolk“ verwandt. Die 2. SS-Panzerdivision führte die schwarz gefasste, weiß umrandete, mit einem zusätzlichen Mittelbalken versehene Rune in einem schwarzen, seinerseits weiß umrandeten Schild; der die Endspitzen verbindende Querbalken war zudem im 45-Grad-Winkel verschoben. Die 34. SS-Freiwilligen-Grenadierdivision nutzte die „Wolfsangel“ in ihrer ursprünglichen Gestaltung zusätzlich mit (vertikalem) Mittelbalken; die Rune war schwarz gefärbt und weiß umrandet in ebenfalls schwarzem Wappenschild ausgeführt. In dieser, von der 34. SS-Division gebrauchten Form, allerdings ohne Wappenschild und senkrecht gestellt, war die Eib-Rune zudem Kennzeichen der vom Bundesminister des Innern am 14. Januar 1982 als verfassungswidrig verbotenen „Jungen Front“.
Das bis Ende 2004 gebrauchte Markenlogo „Thor Steinar“ kann mit Blick auf die Verwendung einer Tyr-Rune und/oder einer „Wolfsangel“ keinem der vorstehend beschriebenen Abzeichen und Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer oder verbotener Organisationen eindeutig zugeordnet werden. Vielmehr kombiniert es diese Runenschriftzeichen, die noch dazu in ihrer Farbgebung und zum Teil Ausgestaltung vom möglichen Vorbild aus der NS-Zeit wesentlich abweichen. Greifbare gestalterische Ähnlichkeiten können allenfalls – nach Aufspaltung des Gesamtlogos – mit dem Divisionsabzeichen der 32. SS-Grenadierdivision und der 2. SSPanzerdivision festgestellt werden; deutliche Abweichungen vom Original ergeben sich jedoch auch hier aus der unterschiedlichen farblichen Ausführung (weißes Zeichen auf rotem Grund statt weiß umrandetes schwarzes Zeichen auf schwarzem Hintergrund).
Dies gilt im Ergebnis auch mit Blick auf die mögliche Verwendung einer Doppelsig-Rune als von der (Waffen)-SS genutztes eindeutig verfassungswidriges Kennzeichen, da weder eine Hervorhebung durch Material oder Webart noch eine farbliche Abstufung zu den weiteren Schriftzeichen im Gesamtlogo erfolgt und deshalb eine stilisierte, dicht nebeneinander liegende und abweichend vom Original in der Mitte verbundene Doppelsig-Rune nur erkennbar wird, wenn der Betrachter den Blickwinkel auf das Markenlogo nach links um 45° versetzt und die weiteren Bestandteile des Logos gedanklich verdeckt. Der Betrachter muss, da sich diese Vorgehensweise nicht – wie dies bei einer holographischen Gestaltung der Fall wäre – von selbst aufdrängt, zuvor auf eine entsprechende Veränderung des Blickwinkels hingewiesen oder aber durch weitere optische Merkmale und Zusätze darauf gestoßen worden sein.
Durch die vorgenommenen Verfremdungen und die Kombination verschiedener Kennzeichen haben diese ihre charakteristische, sie als solche erkennbar machende Erscheinungsform letztlich verloren und sind bei der hier allein maßgeblichen Gesamtbetrachtung der gestalterischen Ausführung des Markenlogos als solche nicht mehr eindeutig sichtbar; insoweit unterscheidet sich das Markenlogo „Thor Steinar“ deutlich und wesentlich von seinen möglichen historischen Vorbildern.
Das Logo der Marke „Thor Steinar“ ist deshalb auch nicht Kennzeichen verfassungswidriger bzw. ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen zum Verwechseln ähnlich im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, so zuletzt in dem Urteil des 3. Strafsenats vom 28. Juli 2005 – 3 StR 60/05 (zur Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“) muss „nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich sein“.
Dies setzt voraus, dass die typischen Merkmale, welche das äußere Erscheinungsbild eines Kennzeichens einer der in § 86 Abs. 1 StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen prägen und dadurch dessen Symbolgehalt vermitteln, sich in dem verwendeten Zeichen wiederfinden lassen. Dabei ist es insoweit unerheblich, ob das Original einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat. Bei einem Kennzeichen, das seiner Funktion nach optisch wahrgenommen werden soll, kommt es für die Vergleichbarkeit mit dem Original vielmehr maßgeblich auf die das äußere Erscheinungsbild prägenden Merkmale an, an denen sich sein Symbolgehalt verkörpert. Einerseits braucht die Übereinstimmung mit dem Originalkennzeichen nicht soweit zu gehen, dass die Abweichungen nur von einem Fachmann nach sorgfältiger Prüfung festgestellt werden können; andererseits genügt es aber nicht, dass sich lediglich einzelne Merkmale des Vorbilds in der Abwandlung wiederfinden, ohne dass dadurch einem unbefangenen Betrachter, der das Original kennt, der Eindruck des Originalkennzeichens vermitteln wird (BGHSt 47, 354 f. = NStZ 2003, 31 f.). Ein unbefangener, durchschnittlicher und nicht genau prüfender Betrachter findet – zumindest aus derzeitiger Sicht – in dem Logo der Marke „Thor Steinar“ nicht jene Merkmale möglicher nationalsozialistischer Vorbilder wieder. Er müsste sich vielmehr nicht nur näher mit dem Gesamtlogo befassen, es in mögliche Einzelteile gedanklich aufspalten, einzelne Teile gedanklich verdecken und zudem auf die Notwendigkeit der Veränderung seines Blickwinkels um 45 ° nach links hingewiesen werden, um aus der Kombination einer Tyr-Rune mit einer liegenden „Wolfsangel“ das verfassungswidrige Kennzeichen der Doppelsig-Rune erkennen zu können. Gerade dem flüchtig prüfenden Betrachter bleibt deshalb – noch – ein verfassungswidriger Symbolgehalt des Markenlogos verborgen, er wird es vielmehr als Fantasiekennzeichen bewerten.
Fallbezogen kann bei der Beurteilung der Frage, ob ein verkörpertes Symbol ein Kennzeichen einer verfassungswidrigen bzw. ehemaligen nationalsozialistischen Organisation ist oder einem solchen zum Verwechseln ähnelt, auch die Gesamtbetrachtung sowohl des Symbols als auch weiterer mit ihm in Verbindung stehender Objekte, vor allem Trägermaterialien und deren Gestaltung Hinweise auf einen bestimmten Symbolgehalt geben. Der Senat verkennt nicht, dass die Textilien der Marke „Thor Steinar“ durch ihre farbliche Gestaltung und verwendete Aufschriften gerade Personen der rechtsextremen Szene ansprechen und dies mutmaßlich vom Hersteller auch so beabsichtigt ist.
Das von dem Angeklagten getragene Schlüsselband lässt eindeutig rechtsextremistische Anklänge erkennen, in dem es die Farben schwarz, weiß und rot miteinander kombiniert. Soweit sich dort der in einer Art Runenschrift gehaltene Schriftzug „Thor Steinar“ findet, ergeben sich daraus allerdings keine von nationalsozialistischen Organisationen oder später verbotenen Vereinigungen verwandte Kennzeichen. Der Runenbuchstabe „S“ in der Schrift „Thor Steinar“ ist gegenüber der vom sogenannten „Deutschen Jungvolk“ gebrauchten Form weiter abgewandelt worden, indem er sich aus zwei miteinander in keiner Verbindung stehenden rechtwinkligen Balken zusammensetzt. Der unbefangene Betrachter würde sich nach Einschätzung des Senats durch Farbgebung und Verwendung einer Art Runenschrift an die NS-Zeit erinnert fühlen, das in dem Markenlogo enthaltene verfassungswidrige SS-Symbol ihm allerdings dennoch ohne die oben beschriebenen entsprechenden weiteren Hinweise verborgen bleiben.
In seiner Farbgebung und Gestaltung erinnert das auf dem Schlüsselband befindliche Markenlogo zwar auch als Fantasiezeichen an NS-ideologisch besetzte Zeichen, ohne dass es aber entsprechend dem Tatbestand des § 86 a StGB ein solches darstellt oder einem derartigen Kennzeichen – ausgehend von dem Standpunkt eines unbefangenen nicht genau prüfenden Betrachters – zum Verwechseln ähnlich sieht. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 28. Juli 2005 klargestellt, dass die Auffassung, es komme nicht so sehr auf die akustische oder optische Ähnlichkeit mit einem verfassungswidrigen Kennzeichen an, wenn der Anschein eines Kennzeichens der jeweiligen Organisation geweckt und dessen Symbolgehalt vermittelt werde, mit dem eindeutigen Wortlaut des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB nicht vereinbar sei. Hieraus folgt zugleich, dass Fantasiekennzeichen, die – ohne Ähnlichkeit mit einem Originalkennzeichen – an die NS-Ideologie erinnern, auch dann, wenn sie nur diesen Zweck verfolgen, nicht dem Strafzweck des § 86 a StGB unterfallen und deshalb straflos bleiben.
Insoweit kann allerdings im – hier nicht tatbestandsmäßigen – Einzelfall die Prüfung weiterer Strafvorschriften wie der des neu geschaffenen § 130 Abs. 4 StGB n.F. vom 24. März 2005 zur Strafbarkeit der Verherrlichung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft nahe liegen.
Der Umstand, dass durch Internetveröffentlichungen und Medienberichte eine Diskussion über das Markenlogo „Thor Steinar“ in Teilen der Öffentlichkeit stattgefunden hat und dadurch bekannt geworden ist, dass bei einer Aufspaltung des Markenlogos in Einzelteile unter anderem die Doppelsig-Rune der (Waffen)-SS sichtbar werden kann, hat zwangsläufig dazu geführt, dass der Kreis der „wissenden“ Betrachter gegenüber dem Kreis der „unbefangenen“ Betrachter größer geworden ist.
Der Senat hält es deshalb auch für denkbar, dass bei weiterer Verwendung in der Öffentlichkeit und Diskussion hierüber das ehemalige Markenlogo „Thor Steinar“ im In- und Ausland einen derartig hohen Bekanntheitsgrad erreichen kann, dass die Assoziation zumindest zu dem verfassungswidrigen Kennzeichen der Doppelsig-Rune auch den flüchtigen, nicht genau prüfenden Betrachter ohne Weiteres erreicht und das hinter dem Logo stehende Gedankengut Eingang in das Bewusstsein der Öffentlichkeit findet ( vgl. OLGHamm NStZ RR 2004,12 ff für die Buchstabenkombination „CONSDAPLE“).
Derzeit ist allerdings davon auszugehen, dass das Markenlogo mit seinem sich nur nach genauer Prüfung erschließenden verfassungswidrigen Symbolgehalt – ähnlich auch der Assoziation der Zahl „88“ mit dem Gruß „Heil Hitler!“ – lediglich in rechtsextremen oder in polizeilichen, juristischen oder besonders interessierten Kreisen bekannt ist und damit entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht dem Gesetzeswortlaut des § 86 a Abs. 2 StGB unterfällt.
Nach Vorstehendem kann sich das Tun des Angeklagten unter keinem rechtlichen Gesichtpunkt als strafbar darstellen, weshalb die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
(Unterschriften)
Link zum Thema:
Broschüre des Bundesamts für Verfassungsschutz: „Symbole und Zeichen der Rechtsextremisten“ (pdf)
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