Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2009 – 12 O 284/06 –
§§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG
Es stellt eine Irreführung dar, wenn ein Rechtsanwalt den slowakischen Grad „Dr. práv“ in der abgekürzten Form „Dr.“ ohne fachlichen Zusatz und ohne Herkunftsbezeichnung führt, wenn dies in allen Ländern außer den Ländern Bayern und Berlin nicht zulässig ist.
Mit der Führung des beanstandeten Grades verstößt der Beklagte gegen die betreffenden Hochschulgesetze der Länder in Verbindung mit den entsprechenden Bestimmungen des bilateralen Äquivalenzabkommens und damit gegen Regelungen, die zumindest auch dazu bestimmt sind, das Verhalten im Wettbewerb zu regeln. Dies führt zu einer Unterlassungsverpflichtung des Beklagten in den betreffenden Ländern. (Rn. 24)
Streitwert: 25.000 €
Tenor:
Dem Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs,
insbesondere zur Bewerbung anwaltlicher Dienstleistungen,
in Verbindung mit seinem Namen die Abkürzung „Dr.“ in den Ländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Freistaat Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen zu benutzen,
insbesondere wenn dies wie folgt geschieht: …
2.
Im Übrigen – soweit der Kläger die Verurteilung zur Unterlassung in den Ländern Bayern und Berlin begehrt – wird die Klage abgewiesen.
3.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 601,40 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006 zu zahlen.
4.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 9/100 und dem Beklagten zu 91/100 auferlegt.
5.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 21.875,00 € und für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in dieser Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Parteien sind beide Rechtsanwälte.
2
Der Kläger betreibt eine Anwaltskanzlei in Essen.
3
Der Beklagte betreibt eine Anwaltskanzlei in Düsseldorf. Mit Hauptwohnsitz in Berlin ist der Beklagte seit dem 18.04.2006 gemeldet. In einer am 24.06.2006 in der Essener Ausgabe der Tageszeitung WAZ veröffentlichten Werbeanzeige trat der Beklagte als „RA Dr.xxxx“ auf. Wegen des genauen Inhalts der Werbeanzeige wird auf die Wiedergabe im Unterlassungsantrag des Klägers verwiesen. Die Anzeige enthält keinerlei Hinweis darauf, in welchem Staat oder von welcher Universität der Doktorgrad dem Beklagten verliehen worden ist. Dem Beklagten wurde nach eigenen Angaben am 13.02.2004 von der Comenius-Universität im slowakischen Bratislava der akademische Grad des „Doktor práv“ (Abkürzung: JUDr.) verliehen.
4
Der Beklagte führt das Kürzel „Dr.“ durchgehend auch auf seiner Website, welche zudem angibt, dass der Beklagte auch in Düsseldorf, Köln, Essen und Aachen Rechtsanwaltskanzleien unterhält. Der Beklagte ist schließlich auch im Online-Anwaltsverzeichnis der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf mit der Abkürzung „Dr.“ verzeichnet.
5
Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte benutze die Abkürzung „Dr.“ in unlauterer Weise und sei daher unter den Gesichtspunkten des § 4 Nr. 11 UWG sowie § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG zur Unterlassung verpflichtet. Der Beklagte verstoße gegen die einschlägige Norm des § 119 Abs. 5 Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit Artikel 6 des Deutsch-Slowakischen Äquivalenzabkommens. In welcher Form ein im Ausland erworbener akademischer Grad in Deutschland benutzt werden dürfe, bemesse sich nach dem Recht desjenigen Bundeslandes, in dem sich der jeweilige Gradinhaber schwerpunktmäßig aufhalte. Nach Artikel 6 Abs. 1 des Äquivalenzabkommens vom 23.11.2001 dürfe der in der Slowakei verliehene Grad „Dr. práv (JUDr.)“ in Deutschland nur in der Form geführt werden, wie er in der Slowakei verliehen worden sei. Darüber hinaus müsse der Beklagte den Namen der verleihenden Hochschule als Herkunftsangabe hinzufügen. Die Vorschrift des § 119 Abs. 5 des Hochschulgesetzes in Verbindung mit Artikel 6 des bilateralen Äquivalenzabkommens sei auch dazu bestimmt, das Verhalten im Wettbewerb zu regeln.
6
Der Kläger beantragt,
1.
7
dem Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,
8
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs,
9
insbesondere zur Bewerbung anwaltlicher Dienstleistungen,
10
in Verbindung mit seinem Namen die Abkürzung „Dr.“ zu benutzen,
11
insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:
2.
12
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 740,30 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2006.
13
Der Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Der Beklagte ist der Ansicht, nicht zur Unterlassung verpflichtet zu sein. Er sei mit seinem ersten Wohnsitz unter der Anschrift Kurfürstendamm 59 in Berlin gemeldet. Die zuständige Senatsverwaltung des Landes Berlin habe dem Kläger ausdrücklich bestätigt, dass er den Titel „Dr.“ ohne Zusatz bzw. Herkunftsbezeichnung führen dürfe. Der Doktorgrad „Dr. práv“ könne in der Slowakei neben der Langform als „JUDr.“ auch allgemein zugelassen und rechtmäßig in der Kurzform „Dr.“ geführt werden. Nach dem Recht des Landes Bayern sei der Beklagte schließlich auch befugt, seinen Titel in Kurzform zu führen. Soweit die Beweisaufnahme ergeben habe, dass in den anderen Bundesländern eine andere Rechtslage gelte, sei dies für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Die übrigen Bundesländer seien an die Entscheidungen, die die Länder Berlin und Bayern zugunsten ihrer Bewohner aussprächen, gebunden. Kein anderes Bundesland dürfe dem Bürger des Landes Berlin, der den Titel zu Recht führe, die Titelführung untersagen.
16
Unabhängig von diesem Umstand sei davon auszugehen, dass jedenfalls dann, wenn zwei Bundesländer ausdrücklich die Titelführung für zulässig erachteten, von einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 3 UWG keine Rede sein könne.
17
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung amtlicher Auskünfte. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Auskunft der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder sowie auf die Auskünfte der entsprechenden Ministerien der Länder Baden-Württemberg, Brandenburg, Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Freistaat Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen verwiesen.
18
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
19
Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet; im Übrigen war sie abzuweisen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch insoweit zu, als er die Unterlassung der beanstandeten Titelführung in allen Ländern außerhalb Berlins und Bayern begehrt. Er hat des Weiteren einen Anspruch auf Erstattung des überwiegenden Teils der geltend gemachten Abmahnkosten.
1.)
20
Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch für den überwiegenden Teil der Länder der Bundesrepublik Deutschland gemäß den §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG zu. Das Gericht geht aufgrund der eingeholten Auskünfte davon aus, dass die Führung des slowakischen Grades „Dr. práv“ in der abgekürzten Form „Dr.“ ohne fachlichen Zusatz und ohne Herkunftsbezeichnung seitens des Beklagten in allen Ländern außer den Ländern Bayern und Berlin nicht zulässig ist. Mit der Führung des beanstandeten Grades verstößt der Beklagte gegen die betreffenden Hochschulgesetze der Länder in Verbindung mit den entsprechenden Bestimmungen des bilateralen Äquivalenzabkommens und damit gegen Regelungen, die zumindest auch dazu bestimmt sind, das Verhalten im Wettbewerb zu regeln. Dies führt zu einer Unterlassungsverpflichtung des Beklagten in den betreffenden Ländern.
21
Die Führung ausländischer Grade ist in den einzelnen Ländern durch die entsprechenden Landeshochschulgesetze im Sinne einer gesetzlichen Allgemeingenehmigung geregelt. Danach ist es nicht erforderlich, eine staatliche Genehmigung oder Bestätigung für die Führung ausländischer Grade einzuholen. Regelmäßig ist nach den einzelnen Hochschulgesetzen ein Gradinhaber zur Führung eines rechtmäßig verliehenen ausländischen akademischen Grades oder Titels berechtigt. Voraussetzung ist allerdings, dass die in den Hochschulgesetzen im Einzelnen genannten Vorgaben bei der Verleihung des Grades vorliegen und der Grad in der Form, die dem Wortlaut in der Verleihungsurkunde entspricht, unter Angabe des Namens der verleihenden Hochschule geführt wird. Ein Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten über die Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich, welches der gesetzlichen Regelung vorgeht, ist das deutsch-slowakische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen im Hochschulbereich vom 12.12.2003. Nach Artikel 6 Abs. 1 des Abkommens ist bei den dort genannten slowakischen Graden der Name der Hochschule als Herkunftszusatz hinzuzufügen. Demnach kann der „Dr. práv“ in der Abkürzung nur als „JUDr.“ mit Herkunftszusatz geführt werden. Für die Frage, ob der slowakische Grad „Dr. práv“ in der abgekürzten Form „Dr.“ in den Bundesländern ohne fachlichen Zusatz und ohne Herkunftsbezeichnung geführt werden kann, wenn er bereits am 13.02.2004 an der Comenius-Universität in Bratislava erworben worden ist, kann aufgrund der eingeholten Auskünfte der entsprechenden Ministerien der einzelnen Bundesländer folgendes festgestellt werden:
22
In dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 21.09.2001 in der Fassung vom 05.07.2007 ist festgelegt, dass für sogenannte Berufsdoktorate und Doktorgrade, die nach den rechtlichen Regelungen des Herkunftslandes nicht der dritten Ebene der Bologna-Klassifikation der Studienabschlüsse zugeordnet sind, die Abkürzung „Dr.“ ohne fachlichen Zusatz und ohne Herkunftsbezeichnung nicht zulässig ist. Der hier fragliche Doktorgrad „JUDr.“, der in engem Zusammenhang mit dem ersten Hochschulabschluss als Magister verliehen wird, ist in der Slowakei – im Gegensatz zu dem „echten“ Doktorgrad „Ph.D“ – nicht der dritten Ebene der Bologna-Klassifikation zugeordnet, so dass hier nur die Führung in der Form „JUDr.“ mit Herkunftsbezeichnung in Betracht kommt. Dem entsprechen auch die Regelungen im bereits zitierten Artikel 6 des deutsch-slowakischen Äquivalenzabkommens vom 08.03.2004. Die einzelnen Auskünfte ergeben, dass in der überwiegenden Zahl der Länder die Abkürzung „Dr.“ bei dem erwähnten Hochschulgrad in Übereinstimmung mit den Regelungen der Kultusministerkonferenz und den Vorgaben des Äquivalenzabkommens nicht zugelassen ist, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbs dieser Grade. Diese Rechtsauffassung findet ihren Niederschlag im geänderten Beschluss der Kultusministerkonferenz in der Fassung vom 05.07.2007, der eine Vereinbarung der Länder darstellt, die ebenfalls den eigentlichen Regelungen der betreffenden Hochschulgesetze der Länder vorgeht. Alle Länder sind sich zudem einig darin, dass der hier in Rede stehende slowakische Grad „Dr. práv“ zu den sogenannten „kleinen Doktorgraden“ gehört, die aufgrund des fehlenden Promotionsverfahrens nicht der dritten Ebene der Bologna-Klassifikation zugeordnet werden. Alle Länder haben schließlich auch den Beschluss der Kultusministerkonferenz aus dem Jahre 2007 in der Zwischenzeit umgesetzt. Auch die Länder Freistaat Bayern und Berlin sind – wie die eingeholten Auskünfte ergeben – der soeben skizzierten Auffassung der übrigen Länder und der Kultusministerkonferenz. Sie sind jedoch bereit, den Betroffenen bei der Anwendung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 05.07.2007 einen Vertrauensschutz einzuräumen und die Bestimmungen ihrer Hochschulgesetze aus Gründen des Vertrauensschutzes so auszulegen, dass Personen, denen bereits vor dem 01.09.2007 ein sogenannter „kleiner Doktorgrad“ aus der slowakischen Republik rechtmäßig verliehen worden sind, diesen Grad in der Kurzform „Dr.“ führen können. Personen die nach dem 01.09.2007 zugelassen worden sind, können den Grad nach seiner Verleihung nur in der Originalform führen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Beklagte, der seinen Grad bereits am 13.02.2004 erworben hat, in den Ländern Berlin und Bayern aus Gründen des Vertrauensschutzes diesen Grad in der Kurzform „Dr.“ führen darf und zwar nur in diesen Ländern. Der Beklagte ist demnach befugt, seinen Grad in der Kurzform ohne fachlichen Zusatz und ohne Herkunftsbezeichnung in der von dem Kläger beanstandeten Form in den Ländern Berlin und Bayern zu führen, wenn er in diesen Ländern auftritt. Da er den Grad nicht in den übrigen Bundesländern führen darf, ist es ihm auch verwehrt, den Grad auf seiner Website zu führen, da der von ihm veröffentlichte Internetauftritt bestimmungsgemäß in der gesamten Bundesrepublik abrufbar ist.
23
Die Vorschriften der Hochschulgesetze der Länder sind auch dazu bestimmt, das Verhalten im Wettbewerb zu regeln. Die vorbezeichneten Normen regeln die Frage, wie jemand seinen Doktorgrad im Außenauftritt führen darf. Die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG wird mit dem Verstoß des Beklagten überschritten. Der Beklagte benutzt das Kürzel „Dr.“ in seiner gesamten Außendarstellung, was objektiv geeignet ist, den Wettbewerb zu Lasten der anderen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Der Doktorgrad erzeugt bei einem großen Teil der Bevölkerung erhebliches Vertrauen in die Kompetenz und die intellektuellen Fähigkeiten des jeweiligen Trägers, ein Umstand, der objektiv geeignet ist, neue Mandanten anzulocken und damit die eigene Marktposition zu verbessern.
24
Der Beklagte ist nach allem zur Unterlassung in dem erkannten Umfang verpflichtet.
2.)
25
Ein Anspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung des Klägers verursachten Aufwendungen steht diesem gemäß § 12 UWG in Höhe von 601,40 € zu. Da dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht in Bezug auf die Länder Berlin und Bayern zusteht war – ausgehend von einem von dem Kläger zutreffender Weise angenommenen Streitwert von 25.000,00 € – für die Berechnung der Abmahnkosten von einem Streitwert von 21.875,00 € auszugehen (25.000,00 € = 16 Bundesländer; 21.875,00 € = 14 Bundesländer). Der Kläger hat des Weiteren zulässiger Weise eine Gebühr von 1,8 zugrunde gelegt, so dass sich insgesamt ein zu erstattender Betrag von 601,40 € ergibt.
26
Der Zinsanspruch ist hinsichtlich des erstattungsfähigen Betrages gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 unter Verzugsgesichtspunkten gerechtfertigt.
27
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709 und 711 ZPO.
28
Streitwert: 25.000,00 €, wobei auf den abgewiesenen Teil der Klage 3.125,00 € entfallen.
Unterschriften
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