BGH, Urteil vom 20.01.2005 – I ZR 34/02 – (OLG Nürnberg)
MarkenG § 23 Nr. 3
a) Eine mit der notwendigen Benutzung einer fremden Marke als Hinweis auf die Bestimmung der eigenen Ware verbundene Verwechslungsgefahr reicht als solche noch nicht aus, um die Benutzung als Verstoß gegen die guten Sitten i.S. des § 23 MarkenG erscheinen zu lassen. Maßgeblich ist vielmehr die Beurteilung, ob unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Aufmachung, innerhalb derer die fremde Marke zur Angabe der Bestimmung der eigenen Ware verwendet wird, den berechtigten Interessen des Markeninhabers in unlauterer Weise zuwidergehandelt wird. Soll die Unlauterkeit in einer Irreführung über die Herkunft der angebotenen Waren oder über besondere Beziehungen zwischen dem Anbietenden und dem Unternehmen des Markeninhabers bestehen, müssen daher erhöhte Anforderungen an den Nachweis einer einen Verstoß gegen die guten Sitten begründenden Täuschungsgefahr gestellt werden.
b) Wird in diesem Zusammenhang auf Meinungsforschungsgutachten abgestellt, so muß bereits durch die Art der Befragung eindeutig darüber Klarheit gewonnen werden, inwieweit bestimmte Herkunftsvorstellungen der befragten Personen auf für die Beurteilung der Unlauterkeit nicht relevanten Umständen beruhen wie beispielsweise einer auf mangelndem Wettbewerb oder eingefahrenen Wettbewerbsstrukturen beruhenden Gewöhnung des Verkehrs oder der (an sich erlaubten) Verwendung der notwendigen Bestimmungsangabe als solcher.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 8. Januar 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, 3. Zivilkammer, vom 7. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist ein Unternehmen der „Vorwerk“-Gruppe und vertreibt über Handelsvertreter im Direktvertrieb unter anderem Staubsauger mit der Bezeichnung „Kobold 130“. Die Beklagte vertreibt Staubsaugerfiltertüten. Die Parteien streiten wegen der Beschriftung der nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Filtertüte (Anlage K 1), die die Beklagte in Verkehr brachte:
Die Klägerin hält die Beschriftung für kennzeichen-und wettbewerbsrechtswidrig. Sie hat ihre auf Unterlassung, Schadensersatzfeststellung und Auskunft gerichtete Klage auf Rechte an ihrem Firmenschlagwort („Vorwerk“) und – insoweit als hierzu ermächtigte Prozeßstandschafterin – auf fremde Rechte an verschiedenen Marken sonstiger Unternehmen der „Vorwerk“-Gruppe gestützt, nämlich auf die deutsche Marke Nr. 511 740 „Vorwerk-Kobold“, die auf Deutschland erstreckte IR-Marke Nr. 2 R 204 730 „KOBOLD“ (beide eingetragen für Staubsauger), die deutsche Marke Nr. 396 34 597 „130“ (eingetragen u.a. für Staubsauger nebst Zubehör und Verbrauchsmaterialien, nämlich Filter, Staubbeutel) und die nachfolgend wiedergegebene deutsche Marke Nr. 1 019 711 (eingetragen u.a. für Staubsauger und deren Zubehör, nämlich Staubbeutel, Filtertüten):
Die Beklagte hat für sich in Anspruch genommen, die Zeichen als notwendigen Bestimmungshinweis benutzen zu dürfen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht (OLG Nürnberg OLG-Rep 2002, 106) die Beklagte gemäß den zweitinstanzlich gestellten Anträgen der Klägerin verurteilt,
es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Staubsaugerfiltertüten gemäß der abgebildeten Anlage K 1 anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder zu den genannten Zwecken zu besitzen.
Ferner hat es die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt und sie zur Auskunftserteilung verurteilt.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts, das die Klage abgewiesen hat.
I. Das Berufungsgericht hat zur Frage, wie die streitgegenständliche Gestaltung vom Verkehr verstanden wird, Beweis durch Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens erhoben, im Anschluß daran kennzeichenrechtliche Ansprüche der Klägerin auf Unterlassung, Schadensersatz (dem Grunde nach) und Auskunft angenommen und dazu ausgeführt:
Durch die Verwendung der Bezeichnungen „VORWERK“ und „VORWERK KOBOLD“ habe die Beklagte gegen die von der Klägerin geltend gemachten Rechte gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 15 Abs. 2 MarkenG verstoßen. Die Klägerin sei aufgrund der Prozeßstandschaftserklärungen der konzernverbundenen Unternehmen befugt, im eigenen Namen Rechte wegen Verletzung der Marken „VORWERK“, „Vorwerk-Kobold“, „130“ und „KOBOLD“ gel-tend zu machen. Wegen ihres – von der Beklagten zuletzt nicht mehr bestrittenen – Vertriebs auch von Filtertüten für „Vorwerk“-Staubsauger unter Benutzung besagter Marken habe die Klägerin insoweit ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung. Aus eigenem Recht könne die Klägerin hinsichtlich ihrer Firma mit dem prägenden Schlagwort „Vorwerk“ vorgehen. Der Aufdruck „Filtertüte passend für VORWERK KOBOLD 130“ stelle eine Benutzung im Sinne von § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG dar, da die beanstandeten Zeichen auf Staubsauger eines bestimmten Typs oder auch auf die gekennzeichneten Tüten selbst und damit auch auf deren Hersteller hinwiesen.
Die für Staubsauger und Filter eingetragene Marke „130“ werde identisch benutzt. Hinsichtlich der ebenfalls für Staubsauger und deren Zubehör eingetragenen Marke „VORWERK“ bestehe Verwechslungsgefahr, da Warenidentität vorliege, hohe Zeichenähnlichkeit bestehe und eine gesteigerte Kennzeichnungskraft unterstellt werden könne. Hinsichtlich der nur für Staubsauger eingetragenen Marken „Vorwerk-Kobold“ und „KOBOLD“ müsse wegen der zwischen Staubsaugern und den dazugehörenden Filtertüten bestehenden engen Berührungspunkte eine für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichende Warenähnlichkeit bejaht werden, da die nicht unbekannten Marken des Staubsaugerherstellers identisch benutzt würden. Durch die identische Übernahme des prägenden und unterscheidungskräftigen Schlagworts „Vorwerk“ aus der Firma der Klägerin für ein Produkt, hinsichtlich dessen die Parteien unmittelbare Wettbewerber seien, sei insoweit eine Verletzung der Gesamtfirma der Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 MarkenG gegeben.
Die Beklagte könne sich nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 23 Nr. 3 MarkenG berufen. Zwar würden die beanstandeten Zeichen als Hinweis auf die Bestimmung der Ware, nämlich als Zubehör für ein „Vorwerk“-Staubsaugergerät des Typs „Kobold 130“ zu dienen, benutzt. Dies erschließe sich für den Verkehr deutlich aus dem Aufdruck „Filtertüte passend für VORWERK KOBOLD 130“. Als solcher sei der Hinweis auch notwendig, da es verschiedene Staubsaugerhersteller gebe, die unterschiedliche Typen anböten, für die wiederum nur bestimmte Filtertüten paßten. Des weiteren stehe es der Anwendbarkeit von § 23 Nr. 3 MarkenG nicht entgegen, wenn die angegriffene Bezeichnung „nach Art einer Marke“ verwendet würde.
Die Verwendung der in Rede stehenden Marken, insbesondere der Bezeichnungen „VORWERK“ und „VORWERK KOBOLD“ verstoße aber in ihrer konkreten Gestaltung gegen die guten Sitten, weil die Beklagte die Herkunft dieser Filtertüten aus ihrem Hause nicht hinreichend deutlich gemacht und die mit der notwendigen Bestimmungsangabe unvermeidlich verbundene Irreführungsgefahr nicht durch zumutbare Maßnahmen auf ein für die Markeninhaberinnen und die Klägerin hinzunehmendes Maß reduziert habe. Die hervorgehoben aufgedruckte Marke der Beklagten „EURO PLUS“ mit der Weltkugel reiche nicht aus, um dem Verkehr hinreichend deutlich zu signalisieren, daß die so bezeichnete Filtertüte nicht aus dem Unternehmen der Markeninhaberinnen oder aus einem mit ihnen organisatorisch oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stamme. Der Verkehr könne zwar grundsätzlich einem für ihn erkennbar als Marke benutzten Zeichen den Hinweis entnehmen, daß dahinter ein bestimmtes Unternehmen stecke, das die Verantwortung für das so gekennzeichnete Produkt übernehmen wolle. Insoweit sei die Verwendung einer eigenen Marke grundsätzlich geeignet, darauf hinzuweisen, daß die gekennzeichnete Zubehörware eine andere Herkunft als die Hauptware habe. Es sei aber andererseits üblich und dem Verkehr ebenfalls bekannt, daß Inhaber von -vor allem bekannten -Marken in Verbindung mit ihnen häufig weitere Kennzeichen als Zweitmarken benutzten oder sich verbundener Unternehmen mit eigenen Marken zum Vertrieb bedienten. Daß der Verkehr in nennenswertem Umfang solchen Fehlvorstellungen unterliege, müsse der Hersteller von Zubehörgegenständen in zumutbarer Weise ausschließen.
Im Streitfall sei zu beachten, daß die Beklagte die streitgegenständlichen Marken sowie das Firmenschlagwort, die gerichtsbekanntlich eine nicht unerhebliche Bekanntheit besäßen, hervorgehoben in Großbuchstaben benutzt habe. Angesichts des größeren Schutzumfangs insbesondere des Zeichens „VORWERK“ bedürfe es in einem solchen Fall größerer Anstrengungen, um Herkunftstäuschungen zu vermeiden. Die von der Beklagten verwendete eigene Marke „EURO PLUS“ (mit Weltkugel) bleibe demgegenüber inhaltlich blaß und schließe nach ihrem Erscheinungsbild nicht aus, daß ein mit der Vorwerk-Gruppe verbundenes Unternehmen dahinterstehe.
Das Meinungsforschungsgutachten verdeutliche dies. Danach hätten 41,5 % der befragten „VORWERK“-Staubsaugerbenutzer „EURO PLUS“ für eine Zweitmarke von „VORWERK“ gehalten bzw. wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen dem Filtertütenhersteller und dem Unternehmen „Vorwerk“ angenommen. Die Zahl der durch die konkrete Gestaltung der von der Beklagten vertriebenen Filtertüten tatsächlich getäuschten Verkehrskreise sei insgesamt so hoch, daß die Klägerin und die Markeninhaberinnen sie nicht als unvermeidbar hinnehmen müßten, zumal es der Beklagten unschwer möglich sei, durch geeignete zusätzliche Hinweise den Verbraucher über die wahre Herkunft der Filtertüten aufzuklären, so etwa durch einen Hinweis, daß es sich um ein Produkt aus dem A. -Filter-Werk in D. /A. handele. Die hohe Zahl der tatsächlich über die Herkunft der Filtertüten getäuschten Verkehrsteilnehmer schließe die Annahme aus, es handele sich ausschließlich um nicht schützenswerte unaufgeklärte, nicht informierte und nicht verständige Verbraucher. Da die getäuschten Verkehrskreise die streitgegenständlichen Filtertüten in ihrer konkreten Gestaltung wegen der Verwendung der Zeichen „VORWERK“ und „VORWERK KOBOLD“ mit den Unternehmen der Markeninhaberinnen und der Klägerin in Verbindung brächten, habe die Beklagte jedenfalls die Marken „VORWERK“, „Vorwerk-Kobold“ und „KOBOLD“ sowie das Recht der Klägerin an ihrer Firma verletzt.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die Revision führt zur Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht das Verhalten der Beklagten als eine Verletzung der Kennzeichenrechte der Klägerin beanstandet.
1. Rechtsfehlerfrei – und von der Revision nicht gerügt – hat das Berufungsgericht die Befugnis der Klägerin angenommen, markenrechtliche Ansprüche konzernverbundener Unternehmen im Wege der Prozeßstandschaft im eigenen Namen geltend zu machen. Die Klägerin ist hierzu ermächtigt worden und hat ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung.
2. Zutreffend – und von der Revision ebenfalls nicht angegriffen – ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, daß der Aufdruck „Filtertüten passend für VORWERK KOBOLD 130“ eine gemäß §§ 14, 15 MarkenG vorauszusetzende kennzeichenmäßige Benutzung darstellt, da damit auf die Staubsauger eines bestimmten Typs und auch auf deren Hersteller hingewiesen wird (vgl. EuGH, Urt. v. 23.2.1999 -Rs. C-63/97, Slg. 1999 I-905 Tz. 38 f. = GRUR Int. 1999, 438 = WRP 1999, 407 – BMW).
1. Ob die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe von der Klägerin in den Rechtsstreit eingeführte geschützte Kennzeichen identisch benutzt, zutrifft oder ob dem entgegensteht, daß der Verkehr die von der Beklag
2. ten benutzte Bezeichnung „VORWERK KOBOLD 130“ nicht zergliedernd, sondern in ihrer Gesamtheit betrachtet und insoweit von einem – wenn auch aus mehreren Bestandteilen bestehenden – einheitlichen Zeichen ausgeht, kann offenbleiben. Ebensowenig bedarf es der abschließenden Klärung, ob und inwieweit mit dem Berufungsgericht im Ergebnis (wegen hinreichender Zeichenähnlichkeit) von Verwechslungsgefahr auszugehen ist. Denn auch soweit das der Fall sein sollte, stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche jedenfalls wegen § 23 Nr. 3 MarkenG nicht zu.
3. Nach § 23 Nr. 3 MarkenG, der Art. 6 Abs. 1 lit. c MRRL umsetzt, hat der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr die Marke oder die geschäftliche Bezeichnung als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, zu benutzen, soweit die Benutzung dafür notwendig ist und nicht gegen die guten Sitten verstößt. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ein Durchgreifen dieser Schutzschranke verneint.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die kennzeichenmäßige Benutzung durch die Beklagte (siehe oben II 2.) einer Anwendbarkeit von § 23 Nr. 3 MarkenG nicht entgegensteht. Ebenso wie § 23 Nr. 2 MarkenG (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 7.1.2004 – Rs. C-100/02, GRUR 2004, 234, 235 Tz. 15 – Gerolsteiner Brunnen/Putsch; BGH, Urt. v. 24.6.2004 – I ZR 308/01, WRP 2004, 1285, 1286 – Regiopost/Regional Post, m.w.N.) ist § 23 Nr. 3 MarkenG auch in Fällen anzuwenden, in denen eine kennzeichenmäßige Benutzung des Zeichens nicht verneint werden kann. Die Unlauterkeit des die Schutzschranke des § 23 MarkenG ausschließenden Verhaltens ist nach eigenen Kriterien zu beurteilen (BGH, Beschl. v. 6.5.2004 -I ZR 197/03, GRUR 2004, 712 = WRP 2004, 1051 – PEE-WEE).
b) Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß die Benutzung des Aufdrucks „Filtertüte passend für VORWERK KOBOLD 130“ als Hinweis auf die Bestimmung der Ware i.S. des § 23 Nr. 3 MarkenG notwendig ist. Denn durch diesen Aufdruck erfährt der Kaufinteressent, für welchen Staubsaugertyp er die Ware verwenden kann.
c) Der Beurteilung des Berufungsgerichts, die in Rede stehende Benutzung durch die Beklagte verstoße gegen die guten Sitten i.S. des § 23 MarkenG, kann jedoch nicht beigetreten werden.
aa) Der Sache nach entspricht dieses Tatbestandsmerkmal, das inhaltlich mit dem in Art. 6 Abs. 1 MarkenRL verwendeten Begriff der „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel“ übereinstimmt, der Pflicht des durch § 23 MarkenG privilegierten Benutzers, den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderzuhandeln (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 438, 442, Tz. 61 – BMW; GRUR 2004, 234, 235 Tz. 24 – Gerolsteiner Brunnen/Putsch). Hierzu zählt insbesondere die Verpflichtung, eine Irreführung zu vermeiden, die beispielsweise dann entsteht, wenn der Verkehr die vertriebenen Filtertüten aufgrund des angegriffenen Aufdrucks dem Hersteller des erwähnten Staubsaugertyps zurechnet. Insoweit zieht aber – wovon auch das Berufungsgericht mit Recht ausgeht – nicht schon das Vorhandensein einer Verwechslungsgefahr für sich allein zwingend den Vorwurf der Unlauterkeit nach sich, da ansonsten § 23 Nr. 3 MarkenG als Ausnahme zum Verbot, geschützte Zeichen bei Verwechslungsgefahr zu benutzen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2 MarkenG), leerliefe (vgl. EuGH GRUR 2004, 234, 235 Tz. 25 – Gerolsteiner Brunnen/Putsch zur klanglichen Verwechslungsgefahr; Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zu § 23 MarkenG, BT-Drucks. 12/6581, S. 80). Maßgeblich ist vielmehr eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, die Sache des nationalen Gerichts ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 234, 235 Tz. 26 – Gerolsteiner Brunnen/Putsch; BGH, Urt. v. 1.4.2004 – I ZR 23/02, GRUR 2004, 947, 948 = WRP 2004, 1364 – Gazoz). Die gebotene umfassende Beurteilung aller maßgeblichen Umstände des Streitfalls ergibt, daß entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts das Verhalten der Beklagten nicht unlauter ist.
bb) Da die Benutzung einer fremden Marke für einen notwendigen Hinweis auf die Bestimmung der eigenen Ware gemäß § 23 Nr. 3 MarkenG, Art. 6 Abs. 1 MarkenRL erlaubt ist (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 438 Tz. 54, 63 – BMW) und die mit einer derartigen Benutzung zu Informationszwecken verbundene Verwechslungsgefahr als solche noch nicht für die Annahme genügt, daß die Benutzung der (verwechslungsfähigen) Angabe den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel widerspricht oder gegen die guten Sitten verstößt (vgl. EuGH GRUR 2004, 234, 235 Tz. 25 – Gerolsteiner Brunnen/Putsch; vgl. ferner Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 23 Rdn. 43), müssen, wenn die Unlauterkeit in einer Irreführung über die Herkunft der angebotenen Waren oder über besondere Beziehungen zwischen dem Anbietenden und dem Unternehmen des Markeninhabers bestehen soll, erhöhte Anforderungen an den Nachweis einer einen Verstoß gegen die guten Sitten i.S. von § 23 Nr. 3 MarkenG begründenden Täuschungsgefahr gestellt werden. Wenn in diesem Zusammenhang auf Meinungsforschungsgutachten abgestellt wird, so ist in besonderem Maße darauf zu achten, daß bereits durch die Art der Befragung eindeutig Klarheit darüber gewonnen werden muß, worauf bestimmte Herkunftsvorstellungen der befragten Verkehrsteilnehmer beruhen. Deren Einschätzung, die nachgefragte Bezeichnung werde als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen verstanden, kann wesentlich von den gegebenen tatsächlichen Marktverhältnissen beeinflußt sein, wie beispielsweise von einer Monopolstellung des Markeninhabers oder von einer besonderen Vertriebsform (vgl. dazu BGHZ 30, 357, 364 f. – Nährbier). Eine derartige auf mangelndem Wettbewerb oder eingefahrenen Wettbewerbsstrukturen beruhende Gewöhnung des Verkehrs reicht freilich nicht für eine rechtlich relevante, die Unlauterkeit i.S. des § 23 MarkenG begründende Fehlvorstellung über die Herkunft der Ware oder die geschäftlichen Verbindungen der Unternehmen (vgl. BGH, Urt. v. 24.6.2004 – I ZR 44/02, Umdr. S. 9 – SodaStream). Wenn wie hier eine fremde Marke als Hinweis auf die Bestimmung der eigenen Ware verwendet wird, ist vielmehr insbesondere zu beachten, inwieweit das Verständnis der befragten Personen durch die (an sich erlaubte) Verwendung als notwendige Bestimmungsangabe beeinflußt ist.
cc) Wie die Revision mit Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht dies bei der Beurteilung der Antworten auf die Fragen in dem von ihm eingeholten Meinungsforschungsgutachten nicht hinreichend berücksichtigt.
(1) Das Berufungsgericht hat sich zum einen auf die Antworten auf die Fragen 4 und 5 gestützt, mit denen gezielt danach gefragt wurde, ob die befragten Personen dem Aufdruck auf der Filtertüte der Beklagten etwas über den Hersteller der Filtertüte entnehmen könnten (Frage 4) und wie dieser heiße (Frage 5). Hierbei hätten nur 24,3 % des engeren Verkehrskreises, d.h. derjenigen Personen, die einen Staubsauger der Marke „VORWERK“ benutzen oder im Haushalt haben, und 23,9 % des engsten Verkehrskreises, d.h. derjenigen Befragten, die einen Staubsauger der Marke „VORWERK“ benutzen oder im Haushalt haben und zumindest gelegentlich Staubsauger-Filtertüten kaufen, „EURO PLUS“ und/oder „AI-FI“ als Hersteller bezeichnet. Zum anderen hat das Berufungsgericht den Antworten auf die Frage 7 entnommen, daß mindestens 43 % der Verkehrsteilnehmer im engsten Sinne und 41,5 % der Verkehrsteilnehmer im weiteren Sinne angenommen hätten, „EURO PLUS“ sei eine Zweitmarke von „VORWERK“ oder es bestünden wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen dem Hersteller der Filtertüte und der Firma Vorwerk. Mit der Frage 7 wurden die Verkehrsteilnehmer danach befragt, wie sie den Aufdruck „VORWERK“, auf den sie von dem Fragesteller zuvor ausdrücklich hingewiesen wurden, verstünden. Sie sollten angeben, welche der folgenden Aussagen ihrer Meinung nach zuträfe (vgl. Gutachten der G. -Marktforschung GA 426 mit Antworten):
… (Tabelle mit Umfrage-Antworten)
(2) Dagegen hat das Berufungsgericht den Antworten auf die Frage 1 keine Bedeutung beigemessen. Frage 1 lautete: „Sehen Sie sich jetzt einmal diese Staubsauger-Filtertüte an. Was alles können Sie dem Aufdruck auf dieser Filtertüte entnehmen? Bitte sagen Sie mir alles, was Ihnen beim Betrachten des Aufdrucks in den Sinn kommt, auch wenn es Ihnen im Moment unwichtig erscheint“. Auf diese Frage antworteten 5,5 % aller Befragten mit „Hersteller“ (6,9 % des engsten Verkehrskreises), 18,4 % mit „von EURO PLUS/EURO PLUS-Tüte“ (17,8 % des engsten Verkehrskreises), jedoch nur 7,8 % „von VORWERK“ (11,9 % des engsten Verkehrskreises). Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, Widersprüche zwischen den Antworten auf die Frage 1 und auf die weiteren Fragen bestünden nicht. Die offene Frage 1 habe darauf abgezielt, den Befragten Gelegenheit zu geben, den Gesamteindruck des Tütenaufdrucks aufzunehmen und anzugeben, was ihnen dabei überhaupt in den Sinn komme. Die Befragten hätten hierbei nicht wissen können, worauf es letztlich ankommen werde, weshalb naturgemäß im großen Umfange Antworten gegeben worden seien, die mit dem Beweisthema in keinem Zusammenhang stünden. Dies habe sich naturgemäß geändert, als die nachfolgenden Fragen immer gezielter auf das Beweisthema hingeführt hätten.
(3)
Es begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht unter diesen Umständen angenommen hat, die Zahl der durch die konkrete Gestaltung der von der Beklagten vertriebenen Filtertüten tatsächlich getäuschten Verkehrsteilnehmer sei insgesamt so hoch, daß die Klägerin und die Markeninhaberinnen sie nicht als unvermeidbar hinnehmen müßten. Vor allem ist zu beanstanden, daß sich das Berufungsgericht mit den Antworten auf die Frage 1 nicht näher befaßt hat. Das auf die Frage 1 erzielte Ergebnis ist von maßgeblicher Bedeutung, weil diese offene Frage zum Eingang der Befragung gestellt wurde und darauf abzielt, wie die befragten Personen die Gesamtaufmachung der Filtertüte der Beklagten verstünden. Dagegen betreffen die Antworten auf die Fragen 4 bis 6 nach dem Hersteller, auf deren Ergebnis sich das Berufungsgericht gestützt hat, lediglich einen Ausschnitt der in die Beurteilung einzubeziehenden Gesamtumstände, auf den bei diesen Fragen zudem die Aufmerksamkeit der befragten Personen durch einen gezielten Hinweis auf den Aufdruck und die dort verwendete Bezeichnung „VORWERK“ gelenkt worden war. Diese Art der Fragetechnik legt die Annahme nahe, daß erst durch die während der Befragung geschaffene Situation die Bezeichnung „VORWERK“ im Bewußtsein der befragten Personen in den Vordergrund gerückt worden ist. Unter diesen Umständen kann aber die Möglichkeit, daß die auf diese Frage erhaltenen Äußerungen über Herkunftsvorstellungen nicht auf der konkreten Gestaltung und der konkreten Verwendung der Bezeichnung „VORWERK“ auf der Filtertüte der Beklagten beruhen, sondern maßgeblich durch andere Umstände wie z.B. – zutreffende oder irrige – Annahmen über bestimmte Marktverhältnisse oder Auswirkungen des von der Klägerin verwendeten Vertriebssystems (Direktvertrieb) beeinflußt sind, nicht hinreichend ausgeschlossen werden.
dd) Es bedarf jedoch nicht der Zurückverweisung an das Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung, weil der Senat die Rechtsfrage, ob die Verwendung der für die Klägerin geschützten Kennzeichen auf der Filtertüte der Beklagten gegen die guten Sitten i.S. des § 23 Nr. 3 MarkenG verstößt, aufgrund der getroffenen Feststellungen und des bei der Feststellung der Verkehrsauffassung zugrundezulegenden Erfahrungswissens (vgl. BGHZ 156, 250, 254 – Marktführerschaft) selbst beantworten kann.
(1)
Im Rahmen der gebotenen umfassenden Beurteilung aller relevanten Umstände ist maßgeblich die Aufmachung zu berücksichtigen, innerhalb derer die fremde Marke zur Angabe der Bestimmung der eigenen Waren verwendet wird (vgl. EuGH GRUR 2004, 234, 235 Tz. 26 – Gerolsteiner Brunnen/Putsch).
(2)
Das Berufungsgericht hat es in diesem Zusammenhang für erheblich gehalten, daß die Beklagte die Unternehmensbezeichnung „Vorwerk“ und die Marke „Vorwerk Kobold“ hervorgehoben und in Großbuchstaben benutzt habe.
Das greift die Revision zu Recht an, weil das Berufungsgericht nicht beachtet hat, daß die Verwendung innerhalb des Fließtextes und der dort verwendeten Schriftgröße erfolgt ist. Die Beklagte hat sprachlich unmißverständlich klargestellt, daß es sich um Filtertüten „für“ den genannten Staubsaugertyp handelt. Sie hat diesen Hinweis unübersehbar hervorgehoben. Sie hat in deutlich größerem Schriftbild ihre eigene Marke („EURO PLUS“ mit Weltkugel und „®“) voranstellt. Sie hat damit eine Gestaltung gewählt, welche eine verbleibende Verwechslungs-bzw. Irreführungsgefahr als im Rahmen des § 23 MarkenG nicht rechtlich relevant erscheinen läßt. Unerheblich ist bei der in diesem Zusammenhang gebotenen Würdigung, ob die Beklagte mit dem Aufdruck ihrer eigenen Firma mit Anschrift einer Zuordnungsverwirrung des Verkehrs noch weiterreichend hätte entgegensteuern können. Die Schutzschranke des § 23 MarkenG erfordert nicht, daß der Lieferant von Ersatz- oder Zubehörteilen oder der Erbringer von Dienstleistungen Maßnahmen ergreift, die jegliche denkbare Fehlvorstellung des Verkehrs über die Herkunft der Ware ausschließen. Wie das Berufungsgericht selbst zutreffend ausführt, ist die Verwendung der eigenen Marke vielmehr grundsätzlich geeignet, den Verkehr darauf aufmerksam zu machen, daß die so gekennzeichnete Zubehörware eine andere Herkunft als die Hauptware hat.
5. Auch wettbewerbsrechtliche Ansprüche stehen der Klägerin nicht zu.
Mit dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 ist an die Stelle verschiedener kennzeichenrechtlicher Regelungen, die früher im Warenzeichengesetz oder im UWG enthalten waren, eine umfassende, in sich geschlossene kennzeichenrechtliche Regelung getreten, die im allgemeinen den aus anderen Vorschriften hergeleiteten Schutz verdrängt. Im Anwendungsbereich der jeweiligen Bestimmungen des Markengesetzes ist für die gleichzeitige Anwendung der Vorschriften des UWG oder des § 823 BGB grundsätzlich kein Raum ( BGHZ 149, 191, 195 f. – shell.de; 153, 131, 146 – Abschlußstück). Die Klägerin hat keine weiteren besonderen Umstände dargetan, die ein wettbewerbsrechtlich unlauteres Verhalten der Beklagten annehmen ließen.
III. Auf die Revision der Beklagten ist danach das Berufungsurteil aufzuheben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
(Unterschriften)
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