1. Ein Freihaltebedürfnis gemäß § 23 Nr. 2 MarkenG besteht jedenfalls nicht, wenn das Zeichen (hier: „Schneeflöckchen“) die drucktechnische Aufmachung der Verpackung eines Artikels wiedergibt.
2. § 140 Abs. 3 MarkenG ist für die Notwendigkeit der Abmahnkosten des Patentanwalts analog anwendbar.
OLG Nürnberg, Urteil vom 15.03.2011 – 3 U 1644/10 – Wortmarke Schneeflöckchen
§§ 140 Abs. 3, 23 Nr. 2 MarkenG
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16.07.2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziffer V. des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Für die Beklagte wird hinsichtlich der in Ziffer V. des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth ausgeurteilten Freistellung von der Forderung des Patentanwalts B. über 1.359,80 Euro die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um markenrechtliche Ansprüche.
Die Klägerin ist Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen Wortmarke Nr. 1129346 „Schneeflöckchen“, eingetragen für ein „alkoholfreies Kinderheißgetränk auf Fruchtbasis;……..“.
Sie ist weiterhin Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragenen gleichlautenden Wortmarke Nr. 1136534, eingetragen für Glühwein und alkoholfreien Glühwein.
Die Firma G. GmbH vertreibt ein alkoholfreies Fruchtsaftgetränk mit Glühwein-Gewürzen unter der Bezeichnung „Schnee Flöckchen“.
Mit Lizenzvertrag vom 15.12.1999 gestattete die Klägerin der Firma G. GmbH die Nutzung der Wortmarke Schneeflöckchen (1 …) zur Kennzeichnung des von der G. vertriebenen „Schnee Flöckchen“.
Die Beklagte vertreibt Geschenkartikel. Eine der Produktserien trägt die Bezeichnung „Schneeflocken sind kleine Geschenke des Himmels …“. Teil dieser Produktserie, die u.a. Bleistifte, Tintenroller, Bilderrahmen, Geldbeutel, Schlüsselanhänger, Tassen und anderes beinhaltet, ist auch ein Tee, der als „Schneeflöckchen-Tee“ bezeichnet ist. Die Beklagte bewirbt den „Schneeflocke Schneeflöckchen-Tee“ in einer Verpackung, auf der sich unterhalb des „s.“-Zeichens die Bezeichnung „Schneeflöckchen-Tee“ und darunter die Worte „Schneeflocken sind kleine Geschenke des Himmels…..“ sowie weitere Gestaltungselemente befinden.
Die streitgegenständliche Verpackung gestaltet sich wie folgt:
(Abbildung nicht wiedergegeben)
Die Klägerin hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, dass ihr Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz zustünden, weil die Beklagte die Bezeichnung „Schneeflöckchen-Tee“ markenmäßig verwende und Verwechslungsgefahr bestünde. Es handle sich nicht um eine Beschaffenheitsangabe. Die Beklagte verwende die Bezeichnung „Schneeflöckchen-Tee“ jedenfalls als Zweitmarke. Darüber hinaus stünden ihr Ansprüche auf Freistellung von den Rechtsanwalts- und Patentanwaltskosten für die Abmahnung zu.
Die Klägerin hat daher in erster Instanz beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die Bezeichnung „Schneeflöckchen“ und/oder „Schneeflöckchen-Tee“, insbesondere in der folgenden Form
(Abbildung nicht wiedergegeben)
und/oder „Schneeflocke Schneeflöckchen-Tee“ für Früchtetee zu benutzen, insbesondere anzubieten, herzustellen, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen, hierfür zu werben oder diese zu vorgenannten Zwecken zu besitzen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin schriftlich Auskunft über den Umfang der Handlungen gemäß Ziffer I. unter Vorlage entsprechender Einkaufs- oder Verkaufsbelege zu erteilen, insbesondere über
1. die einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Gegenstand, Menge, Zeitpunkt, Preisen sowie Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer und der gewerblichen Käufer oder Empfänger, einschließlich der Menge der noch im Besitz der Beklagten befindlichen Ware, sowie
2. die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbegegenstand, Werbeträger, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, einschließlich der Verwendung auf Geschäftspapieren, sowie
3. den erzielten Umsatz, aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren und unter der Angabe der Gestehungskosten nach Kostenfaktoren ohne Fixkosten.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus Handlungen gemäß Ziffer I. entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Forderung der Rechtsanwältin L. über 1.379,80 EUR freizustellen.
V. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von der Forderung des Patentanwalts Dipl.-Ing. B. über 1.359,80 EUR freizustellen.
Die Beklagte hat
Klageabweisung beantragt.
Sie hat auf ihre geschmacksmusterrechtlich geschützte Schneeflocken-Produktaufmachung verwiesen und vorgetragen, dass es in der Geschenkartikelbranche üblich sei, motivische Darstellungen zu verwenden und die Waren mit dem Namen des Motivs und der Gattungsbezeichnung zu beschreiben. „Schneeflöckchen-Tee“ vermittle die Vorstellung, dass die Ware mit einer Schneeflöckchenillustration versehen sei. Der Verkehr entnehme hieraus keinen Herkunftshinweis, sondern stelle nur eine Verbindung zu dem abgebildeten Motiv her.
Außerdem fehle es an einer markenmäßigen Verwendung, denn die Bezeichnung „Schneeflöckchen“ wirke hinsichtlich des Verpackungsmotivs abbildungsidentifizierend. Der Verkehr differenziere nicht zwischen dem Schneeflöckchenmotiv und der Angabe „Schneeflöckchen-Tee“, die titelmäßig über der motivischen Darstellung erscheine. Außerdem benenne das Wort „Schneeflöckchen“ eine Eigenschaft der Ware, nämlich das verkaufsentscheidende Ausstattungsmerkmal der Produktaufmachung.
Auch eine prominent herausgestellte Bezeichnung, die in der konkreten Verwendungssituation beschreibenden Charakter habe, werde in der Regel nur als sachhinweisend, nicht als Herstellerangabe verstanden.
Jedenfalls sei § 23 Nr. 2 MarkenG vorliegend einschlägig. Die Norm betreffe auch Angaben, die für den Warenverkehr wichtige und für die Abnehmer bedeutsame Umstände mit Bezug auf die Ware beschrieben. Ein beschreibendes Wort könne auch die Verpackung beschreiben.
Im Hinblick auf die Freistellung im Hinblick von den Patentanwaltskosten hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass eine analoge Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkenG für eine Abmahnung nicht in Betracht käme.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat einen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG bejaht. Ebenso hat es die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt und einen Auskunftsanspruch zugesprochen. Aufgrund einer analogen Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkenG hat das Landgericht auch einen Freistellungsanspruch hinsichtlich der geltend gemachten Patentanwaltskosten für die Abmahnung angenommen.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie wiederholt und vertieft ihren Sachvortrag erster Instanz. Sie vertritt nach wie vor die Ansicht, dass eine markenmäßige Benutzung nicht vorliege, weil die Bezeichnung „Schneeflöckchen“ nicht herkunftshinweisend gebraucht werde. Im Geschenkartikelbereich würden entsprechende Bezeichnungen lediglich als Kennzeichnung einer Motivserie genutzt, damit zur Unterscheidung verschiedener Produkte des jeweiligen Herstellers und nicht zur Unterscheidung gegenüber Produkten anderer Hersteller. Die Unterscheidung erfolge im Geschenkartikelbereich nur nach dem Herstellernamen, vorliegend also nach der Packungsüberschrift „s.“, bzw. in den Internetauftritten wegen dieser auch im Internetauftritt enthaltenen Markenbezeichnung. Selbst wenn man eine markenmäßige Benutzung bejahen würde, stünde den geltend gemachten Ansprüchen § 23 Nr. 2 MarkenG entgegen, da die Angabe „Schneeflöckchen-Tee“ lediglich eine Eigenschaft der Ware, nämlich das verkaufsentscheidende Ausstattungsmerkmal der Produktaufmachung beschreibend benenne.
Die Beklagte beantragt daher die Aufhebung des Ersturteils und die Abweisung der Klage.
Die Klägerin beantragt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Der Klägerin steht wegen des Gebrauchs der Bezeichnung „Schneeflöckchen-Tee“ ein Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 S. 1 MarkenG zu. Danach ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht.
a) Vorliegend ist ein markenmäßiger Gebrauch durch die Bezeichnung „Schneeflöckchen-Tee“ gegeben.
Eine rechtsverletzende Benutzung setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die spezifischen Interessen des Markeninhabers deshalb betroffen sind, weil die Benutzung durch den Dritten die Funktionen der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte, insbesondere ihre Hauptfunktion, d.h. die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber Verbrauchern (Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 128). Dabei ist ohne weiteres herkunftshinweisend auch die Verwendung eines Zeichens als eine dem Verkehr erkennbare Zweitmarke (Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rdnr. 198). Eine Markenverletzung i.S.d. § 14 Abs. 2 MarkenG liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn das Zeichen im Rahmen des Produktabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient (Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rdnr. 132). Maßgeblich ist hierbei die Verkehrsauffassung, d.h., das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers wobei dies die Verkehrskreise sind, die von den Waren angesprochen werden, die von dem das fragliche Zeichen verwendenden Dritten vertrieben werden (Ingerl/Rohnke, a.a.O.). Hierbei kommt es darauf an, dass ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher das Zeichen so auffasst. Der Begriff des markenmäßigen Gebrauchs ist von der Rechtsprechung immer wieder als im Interesse eines umfassenden Kennzeichenschutzes grundsätzlich weit zu fassen bezeichnet worden (Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rdnr. 143). Hierbei genügt bereits die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt. Nur wenn das Zeichen zweifelsfrei nicht in diesem Sinne als betriebliche Herkunftsbezeichnung aufgefasst wird, ist ein markenmäßiger Gebrauch zu verneinen (Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rdnr. Rdnr. 145). Eine Anbringung unmittelbar auf der Ware wird von der Rechtsprechung grundsätzlich als für einen markenmäßigen Gebrauch sprechend bewertet.
Unter Berücksichtigung vorliegender Gesichtspunkte ist von einem markenmäßigen Gebrauch auszugehen. Die Bezeichnung „Schneeflöckchen-Tee“ ist auf der Teeverpackung im oberen Bereich unter der Marke der Beklagten angebracht. Damit ist nicht auszuschließen, dass der Verkehr dieser Bezeichnung als Zweitmarke auffasst. Denn die Anbringung unmittelbar auf der Ware noch vor den weiteren Ausführungen hinsichtlich der Schneeflocken spricht grundsätzlich für einen markenmäßigen Gebrauch. Insoweit können auch die Gepflogenheiten in der Geschenkartikelindustrie zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch wenn es dort üblich ist, die verschiedenen Geschenkartikel serienmotivisch zu bezeichnen, so ist doch nicht ausgeschlossen, dass die entsprechenden Verbraucherkreise die hier farblich noch abgesetzte Bezeichnung „Schneeflöckchen-Tee“ nicht nur als Abgrenzung innerhalb der verschiedenen Motivreihen der Beklagten sehen, sondern als markenmäßige Bezeichnung des entsprechenden Produkts. Nachdem es sich vorliegend um einen Tee handelt, kann hier auch nichts anderes im Hinblick darauf gelten, dass dieser Tee im Rahmen einer Geschenkartikelserie angeboten wird. Denn es kann keinen Unterschied machen, ob ein Tee in der Lebensmittelabteilung oder in der Geschenkabteilung einer Verkaufsstätte angeboten wird.
b) Hinsichtlich der Verwechslungsgefahr aus der Wechselbeziehung von Kennzeichnungskraft und Zeichen- und Warenähnlichkeit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.
c) § 23 Nr. 2 MarkenG steht dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann der Inhaber einer Marke einem Dritten nicht untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen, wie insbesondere ihre Art, ihre Beschaffenheit, ihre Bestimmung, ihren Wert, ihre geographische Herkunft oder die Zeit ihrer Herstellung oder ihre Erbringung zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
aa) Das Verhältnis von markenmäßigem Gebrauch und der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG ist ungeklärt.
Ungeachtet der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG geht der BGH davon aus, dass eine Verwendung eines Zeichens als beschreibende Angabe keine Benutzung i.S.d. § 14 MarkenG darstellt. Es überwog in der Rechtsprechung des BGH zunächst die Ansicht, dass die parallele Anwendung sowohl eines herkunftsorientierten Benutzungsbegriffs als auch der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG möglich sei. Nur noch auf herkunftshinweisenden Gebrauch und nicht auch nach § 23 Nr. 2 MarkenG geprüft hat der BGH die Verwendung von Warenformen. Andererseits ist die Frage der markenmäßigen Benutzung auch immer wieder offen gelassen worden, wenn „jedenfalls“ § 23 Nr. 2 MarkenG eingriff (vgl. Ingerl/Rohnke, § 14 Rdnr. 156 m.w.N. der Rechtsprechung).
bb) Das Verhältnis beider Vorschriften kann vorliegend jedoch dahinstehen, da jedenfalls § 23 Nr. 2 MarkenG nicht greift.
Die Beklagte beruft sich hier darauf, dass die Angabe „Schneeflöckchen“ lediglich eine Eigenschaft der Ware, nämlich das verkaufsentscheidende Ausstattungsmerkmal der Produktaufmachung beschreibend benenne. Zutreffend ist hierbei, dass die streitgegenständliche Teeverpackung auf blauem Hintergrund eine Vielzahl von zeichnerisch gestalteten Schneeflocken aufweist und dass der Text Schneeflocken als „kleine Geschenke des Himmels“ sowie mit weiteren Umschreibungen belegt. § 23 Nr. 2 MarkenG beruht wie § 23 MarkenG insgesamt auf einer für das gesamte Kennzeichenrecht elementaren Interessensabwägung. Das vom Markengesetz grundsätzlich umfassend geschützte Interesse des Kennzeicheninhabers an einer möglichst weitgehenden Monopolisierung seines Kennzeichens im geschäftlichen Verkehr muss zurücktreten, soweit die Benutzung bestimmter Arten von Angaben unmöglich würde, auf die andere Unternehmen angewiesen sind oder an denen zumindest im konkreten Verwendungsfall ein die Interessen des Kennzeicheninhabers überwiegendes Nutzungsinteresse Dritter anzuerkennen ist (Ingerl/Rohnke, a.a.O, § 23 Rdnr. 4). Nur im Fall von Angaben, die sich nach der Verkehrsauffassung wirklich auf ein Produktmerkmal beziehen, kann das Freihaltebedürfnis Verletzungsansprüchen entgegenstehen, dagegen nicht generell als selbständige ungeschriebene Schranke. Vorliegend handelt es sich, auch wenn die Aufmachung als Geschenkartikel ebenso wie der in der Verpackung befindliche Tee dem Verbraucher als Kaufmotivation dienen sollen, jedenfalls um einen Tee. Die Bezeichnung mit „Schneeflöckchen“ bezeichnet damit nicht Merkmale oder Eigenschaften der Ware selbst. Auch die Verpackung als solche wird nicht beschrieben (vgl. BGH GRUR 1999, 992 – BIG PACK). Die reine Beschreibung der Verpackungsaufmachung mit angedeuteten Schneeflocken begründet ein Freihaltebedürfnis jedoch nicht. Denn dies würde dazu führen, dass – unabhängig von den Gepflogenheiten der Geschenkartikelbranche – die gestalterische Aufmachung einer Verpackung jeweils zu einem Freihaltebedürfnis führen würde. Es stünde somit im Belieben des Verwenders durch die drucktechnische Gestaltung einer Verpackung für sich ein Freihaltebedürfnis zu schaffen. § 23 Nr. 2 MarkenG bezieht sich somit jedenfalls nicht auf eine drucktechnische Ausgestaltung einer Verpackung für Waren. Es ist auch nicht ersichtlich, warum hier für die Geschenkartikelindustrie eine Ausnahme bestehen sollte.
2. Demgemäß stehen der Klägerin auch der Auskunftsanspruch und der Feststellungsanspruch zu (§ 14 Abs. 6 MarkenG).
3. Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Freistellungsanspruch hinsichtlich der Rechtsanwalts-/Patentanwaltskosten zu.
a) Der Freistellungsanspruch gemäß § 257 BGB besteht für denjenigen, der berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die für einen bestimmten Zweck gemacht wurden, wenn für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingegangen wird. Vorliegend besteht ein Aufwendungsersatzanspruch für die Abmahnung aus allgemeinen Grundsätzen (GoA). Hierfür ist die Klägerin gegenüber dem Rechtsanwalt und dem Patentanwalt eine Verbindlichkeit eingegangen.
b) Die Forderungen von Rechts- und Patentanwalt sind mit der Erledigung des Auftrages, bei gerichtlichen Verfahren mit einer Kostenentscheidung fällig (§ 8 RVG). Dies ist vorliegend der Fall.
c) Die Mitwirkung von Patentanwalt B. im Abmahnverfahren wird von der Beklagten nicht mehr bestritten.
d) Ob die Mitwirkung notwendig war, ist vorliegend nicht zu prüfen, da § 140 Abs. 3 MarkenG analog anzuwenden ist und damit eine Notwendigkeitsprüfung entfällt.
aa) Eine direkte Anwendung von § 140 Abs. 3 MarkenG kommt nicht in Betracht, da in § 140 Abs. 1 MarkenG eine Kennzeichenstreitsache i.S. von § 140 Abs. 3 MarkenG definiert wird als eine Klage, durch die ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird. Eine Klage liegt im Abmahnverfahren jedoch nicht vor.
bb) Der Senat geht jedoch von einer analogen Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkenG aus.
Eine höchstrichterliche Klärung der Frage ist bislang nicht erfolgt. Auch der BGH hat die Frage nicht abschließend entschieden. Insbesondere ist in der Entscheidung vom 26.02.2009 (BGH NJW 2009, 2747-Thermoroll) keine Entscheidung gefallen, denn zum einen ist diesem Urteil nicht zu entnehmen, ob hier § 140 Abs. 3 MarkenG direkt oder analog angewendet wird. Zum anderen wird in den Entscheidungsgründen des Urteils auch der im Berufungsurteil festgestellte Sachvortrag der dortigen Klägerin wiedergegeben, wonach „zur Klärung der Rechtslage eine markenrechtliche Recherche sowie die Mitwirkung eines Patentanwalts erforderlich gewesen sei“. Dies kann genauso gut bedeuten, dass der BGH eine Erforderlichkeitsprüfung für geboten erachtet und die Regelung des § 140 Abs. 3 MarkenG lediglich für die Höhe der Gebühren des Patentanwalts für relevant hält.
Für eine analoge Anwendung hat sich die Mehrheit der Oberlandesgerichte sowie nahezu vollständig die Kommentarliteratur ausgesprochen (vgl. Senat 3 U 825/10, 3 U 951/10; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 140 Rdnr. 61; Fezer, Markenrecht, 4. Auflage, § 140 Rdnr. 15; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Auflage, § 140 Rdnr. 36).
Gegen eine analoge Anwendung sprechen sich das OLG Düsseldorf (MittdtschPatAnw 2008, 561) und das OLG Frankfurt (GRUR-RR 2010, 127) aus.
Der Senat ist der Ansicht, dass unter Heranziehung des Grundsatzes des argumentum a fortiori eine Erforderlichkeitsprüfung unterbleiben kann. Denn für den Zeitraum ab Einreichung der Klage kann die Notwendigkeitsprüfung für die zusätzliche Beauftragung eines Patentanwalts entfallen. Dann kann diese aber erst recht für den Zeitraum vor oder außerhalb der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens unterbleiben. Denn mehr denn je gilt, dass es im Interesse der Parteien und auch der Gerichte sinnvoll und vom Gesetzgeber jedenfalls erwünscht ist, Streitigkeiten möglichst außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens zu regeln. Wenn aber eine Erforderlichkeitsprüfung unterbleibt, obwohl die Mitwirkung des Patentanwalts sogar während der tatkräftigen Unterstützung durch ein Gericht stattfindet, dann muss dies erst recht gelten, wenn diese Unterstützung im außergerichtlichen Bereich fehlt. Dabei darf jedoch keine Besserstellung des Patentanwalts gegenüber einem Rechtsanwalt erfolgen. Um dies zu verhindern, muss auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Patentanwaltskosten das Bestehen einer materiell rechtlichen Anspruchsgrundlage (Schadensersatzanspruch, Anspruch aus GoA) feststehen. Deren Voraussetzungen werden, so auch hier, in aller Regel jedoch bereits im Zusammenhang mit geltend gemachten Rechtsanwaltskosten geprüft. Liegen sie vor, so ist ihre nochmalige Prüfung im Bezug auf den Patentanwalt nicht notwendig.
e) Die Höhe der Gebühr ist bei einem Streiwert in Höhe von 50.000 Euro und einer 1,3-Gebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG zutreffend berechnet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
V.
Für die Beklagte ist die Revision nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen, soweit es um die Rechtsfrage der analogen Anwendung des § 140 Abs. 3 MarkenG geht. Es handelt sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht abschließend geklärt ist. Angesichts der abweichenden Urteile der Oberlandesgerichte Frankfurt und Düsseldorf erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Quelle: openjur
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