Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 24.04.2007 – 11 U 45/06 – (rechtskräftig)
UrhG 2; UrhG 23; UrhG 31; UrhG 97
1. Mit der Entscheidung BGHZ 140, 183 – Elektronisches Pressearchiv – ist eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung nicht verbunden, wonach wettbewerbrechtliche Ansprüche nicht durch das Urheberrecht ausgeschlossen sind.
2. Der „hängende Panther“ von Cartier weist wettbewerbrechtliche Eigenart auf. Die Eignung zur Erzeugung betrieblicher Herkunftsvorstellungen ergibt sich aus der originellen Gestaltung. Die Eigenart ist nicht dadurch verloren gegangen, dass der „hängende Panther“ seit über zehn Jahren nicht mehr vertrieben wird. Die wettbewerbsrechtliche Eigenart besteht solange fort, als die Gefahr einer Herkunftstäuschung noch besteht.
Tenor
1) Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5.7.2006 – Az.: 2-06 O 142/06 – wird zurückgewiesen.
2) Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4) Die Revision wird nicht zugelassen.
GRÜNDE
A.
Die Klägerin ist die in Frankreich ansässige Firma Cartier S.A., die hochwertigen Schmuck entwickelt, der durch eine Schwestergesellschaft in Deutschland vertrieben wird. Sie hat in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Schmucklinie „hängender Panther“ geschaffen. Diese Schmucklinie wurde nach dem (bestrittenen) Vorbringen der Klägerin bis zum Jahr 1996, ausweislich eines von der Klägerin vorgelegten Katalogs jedenfalls aber noch im Jahr 1993 in den Verkehr gebracht. Wegen der Aufmachung dieser Schmuckstücke wird (beispielhaft) auf die nachfolgende Abbildung (rechtes Foto) verwiesen. Der Beklagte ist bei eBay als gewerblicher Verkäufer und als sog. „Powerseller“ registriert, er nimmt durchschnittlich mehr als 100 bewertete Transaktionen je Monat bei eBay vor. In der Zeit vom 2.10. bis zum 13.10.2005 bot er über eBay einen Schmuckanhänger zum Verkauf an, wegen dessen Aussehen auf die nachfolgende Abbildung (linkes Foto) verwiesen wird.
Nachahmung A Cartier 1993
(die Abbildungen können hier aus technischen Gründen nicht dargestellt werden;
siehe aber pdf-Datei – die Red.)
Die Klägerin, die hierin einen Verstoß gegen Wettbewerbs- und Urheberrecht sah, mahnte den Beklagten wegen dieses Vorfalls mit Anwaltsschreiben vom 7.12.2005 ab. Hierauf gab der Beklagte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, verweigerte jedoch die Zahlung der von der Klägerin geforderten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.485,56 €.
Die Klägerin hat darum vor dem Landgericht Frankfurt Klage auf Zahlung dieses Betrags zuzüglich Zinsen erhoben. Das Landgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 913,80 € zuzüglich Zinsen verurteilt. Die Entscheidung ist wie folgt begründet: Der Anspruch der Klägerin rechtfertige sich dem Grunde nach aus den §§ 677, 683, 670 BGB. Dabei könne die unter den Parteien streitige Frage dahinstehen, ob die Klägerin Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts an der Schmucklinie „hängender Panther“ sei und ob ihr darum Unterlassungsansprüche aus § 97 UrhG zugeständen hätten. Denn der Unterlassungsanspruch sei jedenfalls aus den §§ 3, 4 Nr.9 a, 8 UWG begründet. Das Urheberrecht stehe im vorliegenden Fall einem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nicht entgegen. Zwischen ihr und dem gewerblich handelnden Beklagten bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis. Dem Schmuckstück „hängender Panther“ komme wegen der originellen Gestaltung und der ironischen Bezugnahme auf den Orden „B“ wettbewerbliche Eigenart zu, die der Klägerin als der Herstellerin dieses Schmucks zuzuordnen sei. Da der Schmuck von der Klägerin auch seit den fünfziger Jahren vertrieben worden sei, sei auch von hinreichender Bekanntheit im Verkehr auszugehen. In dem vom Beklagten angebotenen Schmuckstück seien ungeachtet gewisser Abweichungen im Detail die wesentlichen Gestaltungsmerkmale (ungewöhnliche Aufhängung des Panthers am schmalen Leib) übernommen. Hierdurch bestehe bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Gefahr einer Herkunftsverwechslung. Hinsichtlich der Höhe sei von einem Gegenstandswert von 25.000 € auszugehen, die von der Klägerin aufgewendeten Kosten eines Fahndungsdienstes seien nicht notwendig gewesen und darum nicht erstattungsfähig. Hieraus ergebe sich der zuerkannte Betrag von 913,80 €.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung ergänzt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen: Wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin seien im vorliegenden Fall durch das Urheberrecht ausgeschlossen, weil besondere Umstände, die das Verhalten des Beklagten als unlauter erscheinen lassen könnten, nicht gegeben seien. Dem „hängenden Panther“ komme keine wettbewerbliche Eigenart zu, weil seine wesentlichen Gestaltungsmerkmale (schmale Taille) von dem Orden „B“ übernommen seien. Zudem handele es sich bei der Aufhängung am schmalen Leib um eine technisch vorgegebene Lösung. Jedenfalls sei die wettbewerbliche Eigenart dadurch verloren gegangen, dass der „hängende Panther“ – wie der Beklagte behauptet – seit 1980 nicht mehr vertrieben worden sei; der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz dürfe nicht zeitlich unbefristet gewährt werden. Zudem habe die Klägerin zur Bekanntheit im Verkehr nicht hinreichend vorgetragen; Ausführungen zu Vertrieb, Umsatz und Werbeaufwand fehlten. Schließlich handele es sich angesichts der zahlreichen Unterschiede zwischen den „Panthern“ (Verarbeitung des Körpers, Blickrichtung, Körperstellung, Gestaltung des Gesichts, insbesondere der Augen) bei dem von ihm in Verkehr gebrachten Stück nicht um eine Nachbildung, so dass eine Herkunftstäuschung ausscheide.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, der „Panther“ habe sich bis 1996 in der Produktpalette ihrer deutschen Vertriebsgesellschaft befunden. Entgegen dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten sei der „hängende Panther“ von einem ihrer Mitarbeiter im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschaffen worden. Im Übrigen vertritt sie die Auffassung, dass es sich bei dem „hängenden Panther“ um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handele und verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.
B.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben und begründet. Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Klägerin bis zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung gegen den Beklagten Unterlassungsansprüche aus den §§ 97 I, 2, 31, 23 I UrhG zustanden. Denn solche Unterlassungsansprüche rechtfertigten sich jedenfalls aus den §§ 3, 4 Nr.9 a, 8 UWG, so dass die Klägerin nach § 12 I 2 UWG vom Beklagten Aufwendungsersatz verlangen kann.
1) Wettbewerbsrechtliche Ansprüche sind nicht durch das Urheberrecht ausgeschlossen. Da der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz die Wertungen des Sonderrechtsschutzes nicht unterlaufen darf, müssen allerdings zu der bloßen Leistungsübernahme zusätzliche Umstände hinzutreten, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen und das Vorgehen des Nachahmers als unlauter erscheinen lassen; solche Umstände sind insbesondere die Gefahren einer vermeidbaren Herkunftstäuschung oder Rufausbeutung (BGH GRUR 1995, 581, 583 – Silberdistel). Der BGH hat zwar in einer späteren Entscheidung auch betont, dass nicht durch die Zubilligung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche an nicht mit dem Urheber identische Wettbewerber dem Urheber die Möglichkeit genommen werden dürfe, sein Recht durch nachträgliche Lizenzvergabe auch an den Verletzer zu verwerten (BGHZ 140, 183, 188 f – Elektronische Pressearchive). In derselben Entscheidung ist aber auch ausgesprochen, dass ein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz dann nicht ausgeschlossen ist, wenn besondere, außerhalb der Sonderschutztatbestände des Urheberrechtsgesetzes liegende Umstände hinzutreten, welche die beanstandete Handlung als unlauter i.S.v § 1 UWG erscheinen lassen (BGH aaO 189; vgl. auch BGHZ 134,250, 267 – CB-infobank). Danach geht der Senat davon aus, dass mit der Entscheidung „Elektronische Pressearchive“ eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung nicht verbunden ist. Im vorliegenden Fall sind derartige, außerhalb der Sonderschutztatbestände des Urheberrechtsgesetzes liegende Umstände gegeben, und zwar in der Gestalt der Gefahr einer vermeidbarer Herkunftstäuschung.
2) Der Vertrieb des Panthers durch den Beklagten war eine Wettbewerbshandlung i.S.d. §§ 2 I Nr.1, 3 UWG, weil der Beklagte mit dem Ziel gehandelt hat, den Absatz von Waren zugunsten seines eigenen Unternehmens zu fördern. Bei einem Absatz von durchschnittlich 100 verschiedenen Waren je Monat über einen Zeitraum von jedenfalls einem Jahr hinweg kann von einer Tätigkeit im privaten Bereich nicht mehr ausgegangen werden.
3) Die Klägerin war auch Mitbewerberin des Beklagten i.S.v. § 2 III, 3 UWG. Dass sie seit mehr als 10 Jahren den „hängenden Panther“ nicht mehr vertreibt, ist insoweit unerheblich. Es kommt hier nur darauf an, ob die Parteien Waren vertreiben, die nach ihren Eigenschaften und Verwendungszwecken einander so nahe stehen, dass sie in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise austauschbar sind. Dies ist hier zu bejahen, weil beide Parteien (auch) mit Schmuck handeln.
4) Der „hängende Panther“ der Klägerin weist wettbewerbliche Eigenart auf. Die Eignung zur Erzeugung betrieblicher Herkunftsvorstellungen ergibt sich aus der originellen Gestaltung, die darin zu sehen ist, dass ein wildes, normalerweise kraftvolles Tier mit schlaff herunterhängenden Gliedmaßen, gewissermaßen „kadaverartig“, dargestellt und diese ungewöhnliche Darstellungsform als „Aufhängungspunkt“ des Schmuckstücks verwendet wird. Entgegen der Ansicht des Beklagten wird diese Eigenart durch den Orden „B“ nicht in Frage gestellt, zum einen darum nicht, weil dieser Orden und seine Gestaltung kaum einem Schmuckkäufer bekannt sind, zum anderen auch deshalb nicht, weil dort gerade kein Panther, sondern ein Schaf abgebildet ist. Die Eigenart ist auch nicht dadurch verloren gegangen, dass der „hängende Panther“ von der Klägerin seit über 10 Jahren nicht mehr vertrieben wird. Die wettbewerbliche Eigenart besteht solange fort, als die Gefahr einer Herkunftstäuschung noch besteht (BGH GRUR 1998, 477, 478 – Trachtenjanker). Da sich immer noch zahlreiche Schmuckstücke mit dem Motiv „hängender Panther“ im Verkehr befinden – Schmuck ist anders als etwa Modeneuheiten langlebig – kann das Auftreten von Plagiaten im Markt ohne weiteres zu der Fehlvorstellung führen, die Klägerin habe ihren Vertrieb selbst oder durch Lizenznehmer wieder aufgenommen. Einen Beleg für die fortbestehende Eignung des „Panthers“, auf eine bestimmte betriebliche Herkunft, und zwar aus dem Hause Cartier, hinzuweisen, liefern die zahlreichen e-Bay-Angebote von Nachahmungen des „Panthers“, in denen immer wieder die Rede davon ist, es handele sich um einen „Anhänger nach Cartier“, er ähnele einer „Cartier-Katze“ u.ä. (s. im Einzelnen Anlagenkonvolut 2 zur Berufungserwiderung). Gerade dies belegt, dass die Gestaltung „hängender Panther“ nach wie vor geeignet ist, bei den angesprochenen Verkehrskreisen betriebliche Herkunftsvorstellungen auslösen.
5) Aus demselben Grund ist auch ohne weiteres, d.h. ohne weiteren Vortrag der Klägerin zu Absatzzahlen, Umsatz o.a., von der erforderlichen Bekanntheit des „hängenden Panthers“ im Verkehr auszugehen.
6) Bei dem vom Beklagten vertriebenen Panther handelt es sich auch um eine Nachahmung des „hängenden Panthers“ der Klägerin. Sowohl die Grundidee (schlaffer Tierkörper, Aufhängung in der Körpermitte) als auch die Körperhaltung im Detail (Stellung der Vorder- und Hinterpfoten sowie des Schwanzes) sind exakt übernommen. Ebenfalls vorhandene Unterschiede im Einzelnen wie etwa die Darstellung des Gesichts, insbesondere der Augen des „Panthers“ vermögen an diesen den maßgeblichen Gesamteindruck prägenden Übereinstimmungen nichts zu verändern.
7) Schließlich besteht auch die Gefahr von Herkunftstäuschungen. Gerade weil die Klägerin den „Panther“ seit längerer Zeit selbst nicht mehr vertreibt, liegt die Annahme nicht fern, dass sie nunmehr anderen Unternehmen eine Lizenz zur Herstellung von Panthern zu günstigeren Preisen erteilt hat; eine derartige Zweitvermarktung ist auch in anderen Branchen nichts Ungewöhnliches. Dass diese Irreführung angesichts der Vielzahl möglicher Gestaltungen vermeidbar war, bedarf keiner näheren Begründung.
8 ) Die Höhe des zuerkannten Aufwendungsersatzes wird von der Berufung nicht angegriffen; die Berechnung des Landgerichts lässt auch keine Fehler erkennen. Insbesondere entspricht der zugrunde gelegte Gegenstandswert von 25.000 € der Rechtsprechung des Senats.
9) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 710 Nr.8, 713 ZPO.
(Unterschriften)
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