BPatG: Sachsendampf – Löschung einer bösgläubigen Markenanmeldung Beschluss vom 08.12.2010 – 26 W (pat) 63/07

Zur Bösgläubigkeit einer Markenanmeldung aufgrund festgestellter Behinderungsabsicht des Markenanmelders.

BPatG, Beschluss vom 08.12.2010 – 26 W (pat) 63/07Sachsendampf
§ 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 302 59 899.5 – S 25/05 Lösch

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Lehner

beschlossen:

1. Die Beschwerde und der Kostenantrag des Antragsgegners werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

I
Die Antragstellerin hat die Löschung der am 5. November 2002 vom Antragsgegner angemeldeten und am 3. Februar 2003 für die Waren und Dienstleistungen

„Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten), nämlich Postkarten, Aufkleber, Plakate, Bücher; Druckerzeugnisse, nämlich Bücher, Broschüren, Hefte; Fotografien; Schreibwaren; Verpackungsmaterial aus Kunststoffen, soweit in Klasse 16 enthalten; Werbung; Veranstaltung von Reisen“

eingetragenen Wortmarke 302 59 899

Sachsendampf

wegen Bösgläubigkeit des Antragsgegners im Zeitpunkt der Anmeldung beantragt (§§ 54, 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG a. F.; jetzt: § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG).

Zur Begründung ihres Löschungsantrags macht die Antragstellerin geltend, sie sei ein Unternehmen, dessen Gesellschaftszweck die Umsatzsteigerung der Tourismuswirtschaft in Sachsen sowie die Profilierung des Freistaates Sachsen als Reiseland sei. Seit dem Jahre 2001 sei sie auch mit der Vertretung des Netzwerkes „Sachsendampf“ betraut, einem Zusammenschluss von Betreibern von Schmalspur- und Museumseisenbahnen des Freistaates Sachsen sowie von organisierten Eisenbahnfreunden, Eisenbahnvereinen, Museen und dergleichen. Im September 2002 sei sie von den Mitgliedern des Netzwerkes beauftragt worden, die Bezeichnung „Sachsendampf“ als Marke anzumelden. Dabei habe sie feststellen müssen, dass ihr der Markeninhaber zuvorgekommen sei. Dieser habe vor der Einreichung seiner Markenanmeldung von sämtlichen Aktivitäten des Netzwerkes „Sachsendampf“ Kenntnis gehabt und die Markenanmeldung bösgläubig in der Absicht getätigt, die Antragstellerin und die übrigen Mitglieder des Netzwerks „Sachsendampf“ zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil zu behindern.

Bereits im März 2000 habe die Antragstellerin einen Verlag mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie beauftragt mit dem Ziel, eine gemeinsame Dachmarke für touristische Eisenbahnen in Sachsen zu entwickeln. Im ersten Quartal 2002 sei die Studie mit dem Titel „SACHSEN DAMPF“ fertig gestellt worden. Parallel dazu sei unter der Leitung der Antragstellerin das Netzwerk „Sachsendampf“ gegründet worden. Die konstituierende Sitzung habe am 9. Oktober 2001 stattgefunden. In einer weiteren Sitzung am 26. Juni 2002 sei als Marke für die Aktivitäten des Netzwerks die Bezeichnung „Sachsendampf“ vorgeschlagen worden. Ferner sei beschlossen worden, dass die Anmeldung der Marke durch die Antragstellerin erfolgen sollte. In einer weiteren gemeinsamen Sitzung der sächsischen Eisenbahnvereine und des Netzwerks „Sachsendampf“ am 26. Oktober 2002 sei in Anwesenheit des Antragsgegners öffentlich verkündet worden, dass die Vermarktung der sächsischen historischen Eisenbahnen unter der Leitung der Antragstellerin unter der Marke „Sachsendampf“ erfolgen solle und die Markenrechte bei der Antragstellerin liegen sollten. Wenige Tage danach habe der Antragsgegner die Wortmarke „Sachsendampf“ ohne Einverständnis und ohne Information der Antragstellerin selbst angemeldet.

Zum Beweis dafür, dass dem Antragsgegner die Gründung des Netzwerkes „Sachsendampf“ seit Juni 2002 sowie die von der Antragstellerin beabsichtigte Anmeldung dieser Bezeichnung als Marke spätestens seit dem 26. Oktober 2002 bekannt gewesen sei, hat die Antragstellerin u. a. auf das Protokoll der Sitzung vom 26. Oktober 2002, an der der Antragsgegner teilgenommen habe, verwiesen sowie Zeugenbeweis angeboten.

Der Antragsgegner hat dem ihm zugestellten Löschungsantrag innerhalb der Frist des § 54 MarkenG widersprochen.

Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat zur Frage der vom Antragsgegner bestrittenen Kenntnis von der beabsichtigten Verwendung und Anmeldung der Bezeichnung „Sachsendampf“ durch die Antragstellerin Beweis erhoben durch Vernehmung der von der Antragstellerin benannten Zeugen K. und B. Danach hat sie am 4. April 2007 die Löschung der angegriffenen Marke gemäß §§ 50, 54 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG beschlossen, weil der Antragsgegner bei der Anmeldung der Marke bösgläubig gewesen sei, und dem Antragsgegner die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt.

Zur Begründung der Löschung hat die Markenabteilung ausgeführt, Bösgläubigkeit i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG sei gegeben, wenn ein rechtsmissbräuchliches oder sittenwidriges Verhalten des Anmelders bei der Markenanmeldung festgestellt werden könne. Ein solches Verhalten sei insbesondere im Falle der Anmeldung sogenannter Sperr- und Hinterhalts- oder Spekulationsmarken anzunehmen. Eine Sperrmarke, die hier in Betracht komme, könne insbesondere in solchen Fällen vorliegen, in denen der Anmelder einen schutzwürdigen Besitzstand eines Dritten wissentlich und ohne rechtfertigenden Grund verletze oder die Monopolstellung der angemeldeten Marke zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen gedenke. Zwar handele der Anmelder einer Marke nicht schon deshalb unlauter, weil er wisse, dass ein anderer das gleiche Zeichen im Inland für gleiche Waren benutze, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben. Es müssten vielmehr auf Seiten des Markenanmelders weitere, besondere Umstände hinzukommen, die die Erwirkung des Markenschutzes als sittenwidrig erscheinen ließen. Derartige Umstände könnten zum Beispiel darin liegen, dass der Markeninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Marke eintragen lasse. Diese Voraussetzungen der Bösgläubigkeit hätten zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke auf Seiten des Markeninhabers sämtlich vorgelegen. Die Antragstellerin habe zu diesem Zeitpunkt einen schutzwürdigen Besitzstand an der Bezeichnung „Sachsendampf“ besessen, weil die verschiedenen sächsischen Eisenbahntraditionsvereine und die weiteren Gruppierungen, die etwa seit dem Jahre 2001 unter der Leitung der Antragstellerin im „Netzwerk Sachsendampf“ zusammengeschlossen seien, zu jenem Zeitpunkt bereits mehr als zehn Jahre lang unter der fraglichen Bezeichnung gemeinsam aufgetreten seien. Der Zeuge B. habe glaubhaft bestätigt, dass bereits in den Jahren 1990/1991 bei der Reichsbahn bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin eine Arbeitsgruppe mit der Bezeichnung „Sachsendampf“ existiert habe, die sich im Wesentlichen mit Traditionsfahrten beschäftigt habe und die dann unter Beibehaltung der bisherigen Bezeichnung durch eine eigenständige Gruppe des Sozialwerks der Deutschen Bahn AG fortgeführt worden sei. Einen festen rechtlichen Rahmen für die Nutzung der Bezeichnung „Sachsendampf“ habe es zwar nicht gegeben. Die Bezeichnung „Sachsendampf“ habe vielmehr allen Interessierten offen gestanden. Aus einer von der Antragstellerin mit dem Löschungsantrag eingereichten Broschüre „Eisenbahnnostalgie 1991 mit DR-Lokomotiven und -wagen“ sei jedoch ferner zu ersehen, dass eine Veranstaltergruppe „Sachsendampf“ der Reichsbahndirektion Dresden im Jahre 1991 historische Eisenbahnfahrzeuge zur Nutzung angeboten habe. Dort seien als Partner und Veranstalter auch mehrere derjenigen Eisenbahnvereine aufgeführt, die sich im Jahre 2001 im „Netzwerk Sachsendampf“ zusammengeschlossen hätten. Bei dieser Sachlage könne dahingestellt bleiben, ob hier daneben ein schutzwürdiger Besitzstand der Antragstellerin selbst bestanden habe, weil eine Löschung wegen Bösgläubigkeit nicht zwingend voraussetze, dass ein schutzwürdiger Besitzstand des jeweiligen Löschungsantragstellers verletzt sei. Vielmehr reiche es aus, dass ein schutzwürdiger Besitzstand eines Dritten bzw. mehrerer Dritter tangiert sei.

Durch die Anmeldung der angegriffenen Marke habe der Antragsgegner diesen Besitzstand wissentlich gestört, denn er habe spätestens in der Versammlung der sächsischen Eisenbahnvereine am 26. Oktober 2002 von der konkreten Absicht des Netzwerks Sachsendampf erfahren, den Begriff „Sachsendampf“ zur Kennzeichnung der Aktivitäten der beteiligten Vereine nutzen zu wollen. Zwar habe es sich bei dieser Sitzung nicht um eine solche des Netzwerks Sachsendampf gehandelt. Auch sei dem Protokoll der Sitzung nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass die beabsichtigte Markenanmeldung dort zur Sprache gekommen sei. Dies habe auch der Zeuge K., der an dieser Sitzung ebenfalls teilgenommen habe, nicht bestätigen können. Der Zeuge habe jedoch glaubhaft erklärt, dass bei der fraglichen Versammlung das Marketing, das gemeinsame Auftreten sowie die gemeinsame Herausgabe einer Broschüre besprochen worden seien, die sämtlich unter der Bezeichnung „Sachsendampf“ erfolgen sollten. Es bestehe kein Anlass an der Glaubwürdigkeit des Zeugen K. zu zweifeln. Eine Diskrepanz seiner Aussage zu dem offiziellen Protokoll der Sitzung vom 26. Oktober 2002 sei nicht feststellbar, weil es sich insoweit offensichtlich nicht um ein Wortprotokoll, sondern um ein Ergebnisprotokoll handele. Die vom Antragsgegner beantragte Vernehmung des seinerzeitigen Protokollführers sei deshalb entbehrlich gewesen. Abgesehen davon sei in jedem Falle davon auszugehen, dass dem Antragsgegner die jahrelange Nutzung des Begriffs „Sachsendampf“ nicht zuletzt aufgrund seiner einschlägigen Vereins- und fotografischen Aktivitäten sowie seiner zeitweiligen Mitarbeit an den „Sachsendampf“-Heften bekannt gewesen sei.

Ein schutzwürdiges eigenes Interesse des Antragsgegners an der Anmeldung und Nutzung der angegriffenen Marke sei nicht feststellbar. Zwar habe er unstreitig an dem letzten, im Jahre 1998 vom Bahnsozialwerk herausgegebenen „Sachsendampf“-Heft mitgewirkt. Er sei jedoch nur am Layout, an den Fotos und der Titelbildgestaltung beteiligt, jedoch nicht Herausgeber des Heftes gewesen. Zwar habe der Antragsgegner nach der Aussage des Zeugen B. die Bezeichnung „Sachsendampf“ etwa um 1997/1998 für eigene Verlagserzeugnisse, wie z. B. Kalender, genutzt. Ihm seien jedoch insoweit keine besonderen Rechte eingeräumt worden, die nicht auch allen anderen beteiligten Interessengruppen zugestanden hätten. Angesichts des Verhaltens des Antragsgegners nach der Anmeldung und der Eintragung der angegriffenen Marke sei auch davon auszugehen, dass es sein wesentliches Ziel gewesen sei, den Besitzstand der Vorbenutzer, nämlich der Mitglieder des Netzwerks Sachsendampf, zu stören, indem er den Gebrauch für diese gesperrt bzw. die weitere Nutzung von seiner Zustimmung abhängig gemacht habe, die wiederum von der Erteilung von Verlagsaufträgen u. ä. abhängig gemacht worden sei, wie sich aus verschiedenen Schreiben des Antragsgegners an die Antragstellerin ergebe. Für eine Störungs- und Behinderungsabsicht spreche ferner der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Sitzung vom 26. Oktober 2002 und der Markenanmeldung am 5. November 2002.

Die Kostenentscheidung entspreche der ständigen Spruchpraxis der Löschungsabteilung in Bösgläubigkeitsfällen.

Gegen den Beschluss der Markenabteilung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er ist der Ansicht, die Feststellungen der Markenabteilung seien nicht geeignet, die Bösgläubigkeit des Antragstellers bei der Anmeldung der angegriffenen Marke zu begründen. Es habe zum Zeitpunkt der Anmeldung weder einen schutzwürdigen Besitzstand der Antragstellerin noch eines Dritten geben, den der Antragsgegner habe stören oder verletzen können. Als Dritte kämen nur die in § 7 MarkenG benannten Inhaber von Markenrechten in Frage. Eine Erweiterung auf sonstige Dritte sei markenrechtlich nicht zu vertreten. Die von der Markenabteilung insoweit zitierten verschiedenen sächsischen Eisenbahntraditionsvereine und weiteren Gruppierungen seien nicht rechtsfähig und könnten daher nicht Inhaber eines schutzwürdigen Besitzstandes sein. Zu Zeiten der Reichsbahn-Arbeitsgruppe habe zwar eine Bezeichnung „Sachsendampf“ existiert, die jedoch rechtlich nicht geschützt gewesen sei. Auch sei ein solcher Schutz nicht beabsichtigt gewesen. Nach 1998 sei die Bezeichnung „Sachsendampf“ zunächst durch niemanden mehr benutzt worden. Auch die Deutsche Bahn AG bzw. das Bahnsozialwerk schieden als Inhaber eines schutzwürdigen Besitzstandes somit aus. Weder die Antragstellerin noch das Netzwerk Sachsendampf hätten das Recht zur Nutzung des Wortzeichens „Sachsendampf“ erworben. Beide seien nicht Rechtsnachfolger der Deutsche Bahn AG oder des Bahnsozialwerks. In Ermangelung eines schutzwürdigen Besitzstandes eines Dritten, in den hätte eingegriffen werden können, scheide eine Bösgläubigkeit des Antragsgegners zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke aus. Der Antragsgegner könne sich sogar auf einen zeitlichen Vorrang i. S. v. § 6 MarkenG berufen, weil er das Wort „Sachsendampf“ bereits in den Jahren 1997 und 1998 für Druckerzeugnisse, wie z. B. Kalender, verwendet habe.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. April 2007 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen sowie der Antragstellerin die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht sich im Wesentlichen die von der Markenabteilung im angegriffenen Beschluss vertretene Auffassung zu Eigen. Ergänzend vertritt sie die Ansicht, Markeninhaber könnten neben natürlichen und juristischen Personen auch rechtsfähige Personengesellschaften sein, weshalb auch die Mitglieder des Netzwerks Sachsendampf und auch das Netzwerk selbst markenrechtsfähig seien. Deren schutzwürdigen Besitzstand habe der Antragsgegner verletzt. Er habe umfassende Kenntnis von deren Besitzstand gehabt. Er sei über Jahre hinweg mit den Marketingaktivitäten des Netzwerkes vertraut gewesen, wie die Aussagen der Zeugen B… und K… belegten. Der Begriff „Sachsendampf“ sei nicht vom Antragsgegner erdacht worden. Auch habe er keinen schutzwürdigen Besitzstand daran erworben.

II
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners sowie sein Kostenantrag sind unbegründet.

1. Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf den gemäß § 54 Abs. 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 MarkenG zulässig gestellten Löschungsantrag der Antragstellerin hin mit dem angegriffenen Beschluss im Ergebnis zu Recht die Löschung der Marke beschlossen, denn aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Antragsgegner bei der Anmeldung der angegriffenen Marke bösgläubig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG war.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Anmelder bösgläubig ist, sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die dem zu entscheidenden Fall eigen sind und zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung eines Zeichens vorliegen, insbesondere die Tatsache, dass der Anmelder weiß oder wissen muss, dass ein Dritter ein gleiches oder ähnliches Zeichen für eine gleiche oder ähnliche Ware verwendet, ferner die Absicht des Anmelders, diesen Dritten an der weiteren Verwendung eines solchen Zeichens zu hindern, sowie ferner der Grad des rechtlichen Schutzes, den das Zeichen des Dritten und das angemeldete Zeichen genießen (EuGH GRUR 2009, 763 ff., 765, Nr. 38 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth). Wie sich dabei aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ ergibt, handelt es sich bei den vom Europäischen Gerichtshof genannten Faktoren um keine abschließende Aufzählung der Fallumstände, die in die rechtliche Prüfung und Würdigung einzubeziehen sind.
Ein bösgläubiger Markenerwerb kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insbesondere darin liegen, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers ohne rechtfertigenden Grund die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Marke für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen anmeldet mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren (BGH GRUR 1998, 1034 – Makalu; GRUR 2000, 1032, 1034 – EQUI 2000; GRUR 2008, 621, 623, Nr. 21 – AKADEMIKS). Darüber hinaus kann der Erwerb eines formalen Markenrechts, unabhängig vom Bestehen eines schutzwürdigen inländischen Besitzstandes eines Dritten, aber auch dann bösgläubig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG sein, wenn sich die Anmeldung der Marke unter anderen Gesichtspunkten als wettbewerbs- oder sittenwidrig darstellt. Das wettbewerblich Verwerfliche kann insoweit insbesondere darin gesehen werden, dass ein Markenanmelder die mit der Eintragung der Marke verbundene – an sich unbedenkliche – Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt (BGH a. a. O. – Makalu; a. a. O – AKADEMIKS). Dabei ist die maßgebliche Grenze zur Bösgläubigkeit dann überschritten, wenn das Verhalten des Markenanmelders bei objektiver Würdigung aller Umstände in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung eines Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (BGH GRUR 2005, 581, 582 – The Colour of Elégance). Daher wird die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht schon durch die Behauptung oder den Nachweis eines eigenen Benutzungswillens ausgeschlossen. Vielmehr ist eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich, wobei sich im Einzelfall bereits die Markenanmeldung als erster Teilakt eines zweckwidrigen Einsatzes darstellen kann, sich ein markenrechtlich zweckfremder Einsatz aber auch erst aus der späteren Ausübung des Monopolrechts ergeben kann (BGH GRUR 2001, 242, 243 f. – Classe E; GRUR 2004, 510 ff. – S. 100; BPatG GRUR 2001, 744, 746 f. – S. 100).

Ausgehend von diesen vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des zu entscheidenden Einzelfalls anzunehmen, dass der Antragsgegner bei der Anmeldung der angegriffenen Marke bösgläubig i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG war.

Dabei kann die von der Markenabteilung für rechtserheblich gehaltene Frage, ob die Antragstellerin oder ein Dritter zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke durch den Antragsgegner an dieser oder einer verwechselbar ähnlichen Bezeichnung für die hier maßgeblichen Waren und Dienstleistungen bereits einen schutzwürdigen Besitzstand erworben hatte, letztlich dahingestellt bleiben; denn die Anmeldung der Marke stellt sich unabhängig von dem Bestehen eines solchen Besitzstandes bereits deshalb als wettbewerbs- und sittenwidrig dar, weil die von der Antragstellerin vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen in Verbindung mit der Aussage des Zeugen K. vor der Markenabteilung und dem eigenen Verhalten des Antragsgegners geeignet sind, den Nachweis dafür zu erbringen, dass das Verhalten des Antragsgegners in erster Linie auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung der Antragstellerin und der Mitglieder des Netzwerks Sachsendampf gerichtet war, so dass eine Behinderungsabsicht des Antragsgegners bestand.

Maßgeblich spricht dabei im vorliegenden Fall für das Vorliegen einer Behinderungsabsicht des Antragsgegners bereits der tatsächliche Geschehensablauf bis zur Anmeldung der angegriffenen Marke. Aufgrund des von der Antragstellerin vorgelegten „Protokolls zur Versammlung der sächsischen Vereine am 26.10.2002“ steht fest, was auch der Antragsgegner nicht in Abrede stellt, dass dieser an der vorgenannten Versammlung als Gast teilgenommen hat. Dies ergibt sich zudem auch aus seiner namentlichen Aufführung im Protokoll im Zusammenhang mit einem Wortbeitrag zu anderen, nicht die Bezeichnung „Sachsendampf“ betreffenden Themen. Aus dem Protokoll der Versammlung vom 26. Oktober 2002 selbst kann zwar nicht entnommen werden, dass in dieser Versammlung auch die Bezeichnung „Sachsendampf“ zur Sprache gekommen ist. Der Zeuge K., der an dieser Versammlung ebenfalls teilgenommen hat, hat jedoch bei seiner Zeugeneinvernahme durch die Markenabteilung ausgesagt, dass in dieser Versammlung auch über das Marketing, das gemeinsame Auftreten und die gemeinsame Herausgabe einer Broschüre unter der Bezeichnung „Sachsendampf“ gesprochen worden und „definitiv“ bekannt gegeben worden sei, dass das Netzwerk sich künftig „Sachsendampf“ nennen werde. An der Glaubhaftigkeit dieser Aussage sowie der Glaubwürdigkeit des Zeugen K. bestehen keine begründeten Zweifel. Die Aussage des Zeugen lässt keine eigenen Interessen und auch sonst keine Parteilichkeit erkennen. Sie ist im Gegenteil sehr differenziert, indem der Zeuge beispielsweise auch deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass zwar über die künftige Nutzung der Bezeichnung „Sachsendampf“ durch die Antragstellerin und ihre Mitglieder gesprochen worden sei, nicht jedoch über die Absicht einer künftigen Anmeldung dieser Bezeichnung als Marke durch die Antragstellerin.

Soweit der Antragsgegner die Richtigkeit der Aussage des Zeugen K. damit in Zweifel zu ziehen versucht, dass er darauf hinweist, dass das Thema „Sachsendampf“ im Protokoll vom 26. Oktober 2002 nicht vermerkt sei, vermag dies die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage nicht entscheidend zu mindern, weil es sich bei dem nämlichen Protokoll ersichtlich nicht um ein Wortprotokoll, sondern um ein aus der Erinnerung heraus drei Tage nach der Versammlung erstelltes Ergebnisprotokoll handelt, das auf knapp drei DIN A4-Seiten das Ergebnis der etwa fünfstündigen Sitzung zusammenfasst. Ihm ist jedoch unter dem Punkt „10.“ zu entnehmen, dass auch der Projektleiter der Antragstellerin auf der Versammlung anwesend war und über die Herausgabe eines Werbeheftes für das folgende Jahr 2003 referiert hat, was sich mit der Aussage des Zeugen K. deckt, dass in der Versammlung auch über die künftigen Aktivitäten des Netzwerks Sachsendampf informiert worden sei. Es erscheint insoweit, auch bei Außerachtlassung der Aussage des Zeugen K., als in hohem Maße unwahrscheinlich, dass in diesem Zusammenhang nicht über die künftige Bezeichnung des von der T. vorbereiteten Werbeheftes gesprochen worden ist. Bei dieser Sachlage muss davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner jedenfalls spätestens in der Versammlung am 26. Oktober 2002 von der beabsichtigten künftigen Nutzung des Wortes „Sachsendampf“ durch die Antragstellerin und ihre Mitglieder erfahren hat.

Die Tatsache, dass der Antragsgegner, der die Bezeichnung „Sachsendampf“ seinerzeit selbst nicht nutzte, diese nicht einmal zwei Wochen nach der Versammlung vom 26. Oktober 2002 selbst für Druckerzeugnisse und insbesondere auch für die Dienstleistung „Veranstaltung von Reisen“, das Kernangebot der Mitglieder der Antragstellerin, angemeldet hat, lässt erkennen, dass es ihm nicht nur an einer Förderung seiner eigenen Wettbewerbsposition, sondern zugleich auch daran gelegen war, die von der Antragstellerin und ihren Mitgliedern geplante Benutzung der Bezeichnung „Sachsendampf“ für diese zu sperren oder jedenfalls – was für die Feststellung einer Behinderungsabsicht bereits ausreicht (BGH a. a. O. – Classe E) – zu erschweren. Dass der Antragsgegner daneben zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke für einzelne der angemeldeten Waren und Dienstleistungen möglicherweise zugleich einen eigenen künftigen Benutzungswillen hatte, steht der Feststellung einer Behinderungsabsicht des Antragsgegners nicht entgegen, weil es hierfür schon ausreicht, dass die Verhinderung oder Erschwerung der Benutzung der Marke durch die Antragstellerin ein wesentliches, aber nicht das einzige Motiv der Anmeldung war (BGH a. a. O. – AKADEMIKS, Nr. 32).

Für eine Behinderungsabsicht des Markenanmelders spricht es im Allgemeinen auch, wenn eine Markenanmeldung erfolgt, das Interesse an dem Erwerb der Markenrechte oder einer Markenlizenz jedoch im Wesentlichen nur durch den Umstand begründet wird, dass er durch die vorherige Eintragung der Marke an der Verwendung der bisher ungeschützten Kennzeichnung gehindert werden könnte (OLG Karlsruhe GRUR-RR 2004, 73, 74). Auch im vorliegenden Fall sprechen verschiedene Umstände, insbesondere aber das Verhalten des Antragsgegners selbst nach der Anmeldung dafür, dass es von vornherein ein wesentliches Motiv für die Anmeldung der angegriffenen Marke war, der Antragstellerin die Modalitäten für die Nutzung der von ihr ins Auge gefassten Bezeichnung „Sachsendampf“ diktieren zu können und diese insbesondere von der selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Nutzung dieser Bezeichnung ausschließen zu können und sie auf diese Art und Weise u. a. auch dazu zu zwingen, Druckerzeugnisse vom Antragsgegner fertigen zu lassen und ggf. auch abzunehmen. Insbesondere der der Antragstellerin vom Antragsgegner am 18.05.2004 übersandte Vertragsentwurf zur Nutzung der Wortmarke „Sachsendampf“ lässt die entsprechende Motivation des Antragsgegners deutlich und zweifelsfrei erkennen.

Angesichts dieser objektiv feststellbaren Umstände hat der Senat keine begründeten Zweifel daran, dass die Behinderung oder Erschwerung der beabsichtigten Nutzung der Bezeichnung der „Sachsendampf“ durch die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke ein wesentliches Motiv des Antragsgegners war, der seinerzeit selbst nicht beabsichtigte, Reisen mit Dampfzügen in Sachsen durchzuführen oder zu veranstalten. Da zwischen der Veranstaltung von (Dampfzug)-Reisen und den übrigen Waren und Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen worden ist, insbesondere zu Werbung für (Dampfzug-)Reisen und zu Druckerzeugnissen, die im Zusammenhang mit solchen Reisen stehen – wie z. B. Fahrkarten, Fahrplänen, Ansichtskarten, Bildbänden – ein enger Sachzusammenhang besteht, ist auch für eine nach den einzelnen Waren und Dienstleistungen differenzierende Beurteilung der Behinderungsabsicht kein Raum. Deshalb hat die Markenabteilung im Ergebnis zu Recht beschlossen, die angegriffene Marke insgesamt zu löschen.
2. Da einer bösgläubigen Markenanmeldung stets ein rechtsmissbräuchliches oder sittenwidriges Handeln zugrunde liegt, entspricht es regelmäßig der Billigkeit, dem Markeninhaber im Falle der Löschung einer bösgläubig angemeldeten Marke auch die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BPatG GRUR 2000, 809, 812 – SSZ). Die von der Markenabteilung beschlossene Auferlegung der Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens auf den Antragsgegner ist deshalb ebenfalls zu Recht erfolgt.

Aus demselben Grund entspricht es auch der Billigkeit, dem Antragsgegner auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Bei dieser Sachlage war zugleich der Antrag des Antragsgegners, der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, zurückzuweisen.

Unterschriften

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