Aufgrund des eindeutigen Aussagegehalts der Wortkombination „Guter Start“ und des daraus sich ergebenden Zusammenhangs zwischen den beanspruchten Nahrungs- und Genussmitteln (u.a. Tee) und der ihnen zugeschriebenen anregenden, eine positive Stimmungs- und Gefühlslage hervorrufenden Wirkung bedarf es für den der normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Endverbraucher auch keiner analysierenden Betrachtungsweise oder vertieften Nachdenkens, um diesen rein sachlichen Bezug zwischen der angemeldeten Wortkombination und den beanspruchten Waren zu erkennen und zu erfassen. Der Verkehr wird in solchen reklamehaften Anpreisungen oder schlagwortartigen Werbeaussagen zu Eigenschaften und Beschaffenheit von Produkten keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Waren sehen (vgl. dazu auch BGH MarkenR 2010, 25, 26 Tz. 13 – hey!).
BPatG, Beschluss vom 18.11.2010 – 25 W (pat) 18/10 – „Guter Start“
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2008 058 043.7
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 18. November 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll sowie der Richter Merzbach und Metternich
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Wortfolge
Guter Start
ist am 5. September 2008 für die Waren
„Tee und teeähnliche Erzeugnisse (Kräutertees und Früchtetees) für Genusszwecke, auch vitaminisiert und/oder aromatisiert und/oder instantisiert und/oder mineralisiert; Tee-Extrakte; Getränke mit oder auf der Basis von Tee/Kräutertee/Früchtetee (auch in trinkfertiger Form); Getränkepulver und Fertiggetränke (soweit in Klasse 30 enthalten), insbesondere auf der Basis von Tee, Tee-Extrakten, Kaffee, Kaffee-Extrakten, Kaffee-Ersatzmitteln, Kaffee-Ersatzmittelextrakten, Kakao, Malz, Zucker, Zuckerersatzmitteln, Zichorie und/oder anderen geschmackgebenden Zutaten (jeweils einzeln und/oder in Kombination miteinander); Kaffee; Kaffee-Ersatzmittel“
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Nach vorheriger Beanstandung wegen absoluter Schutzhindernisse ist die Anmeldung durch zwei Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. August 2009 und vom 4. Februar 2010, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen worden, weil der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren bereits das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstehe.
Bei der Wortfolge „Guter Start“ handele es sich um eine allgemeine Wunschformel, die ebenso wie z. B. „Guter Morgen“, „Viel Erfolg“, „Schönen Tag“ in alltäglichen Situationen umfangreich verwendet werde. In ihrem Sinngehalt weise sie in Bezug auf die beanspruchten Waren insofern einen sachlichen Bezug auf, als dass Tee, Kaffee oder Instantgetränke typischerweise zum Frühstück oder in Pausen getrunken würden und man danach häufig in einen neuen Tagesabschnitt starte. Der Endverbraucher werde das angemeldete Zeichen daher nicht als individuelles Zeichen, sondern lediglich als sachbezogene Anpreisung wahrnehmen. Die Wortfolge weise insoweit weder eine gewisse Originalität noch Prägnanz auf und erfordere auch kein Mindestmaß an Interpretationsaufwand.
Soweit sich die Anmelderin auf aus ihrer Sicht vergleichbare Voreintragungen berufe, sei zu beachten, dass die Eintragung anderer Marken keinen Anspruch auf Eintragung begründe. Ferner verbiete es sich, zur Schutzfähigkeit von Voreintragungen im Verfahren über andere Markenanmeldungen Aussagen zu treffen.
Dagegen richtet sich die von der Anmelderin erhobene Beschwerde. Sie beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. August 2009 und vom 4. Februar 2010 aufzuheben.
Der angemeldeten Bezeichnung könne bereits im Hinblick darauf, dass nicht nur vergleichbare allgemeingültige Gruß- bzw. Wunschformeln wie z. B. „Guten Morgen“ und „Guten Abend“, sondern sogar die identische Wortfolge „Guter Start“ für weitgehend identische Waren als Marke eingetragen worden seien, die Schutzfähigkeit nicht abgesprochen werden.
Zudem wiesen Redewendungen oder Grußformeln aus dem alltäglichen Sprachgebrauch nicht zwangsläufig einen unmittelbaren sachlichen Bezug zu bestimmten Waren auf. So verfüge auch die Wortfolge „Guter Start“ in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren über eine schutzbegründende Interpretationsbedürftigkeit.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die angemeldete Marke weist entgegen der Auffassung der Anmelderin keine Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, 429 f., Tz. 30, 31 – „Henkel“; BGH GRUR 2006, 850, 854, Tz. 17 – „FUSSBALL WM 2006“). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850, 854, Tz. 19 – „FUSSBALL WM 2006“; EuGH GRUR 2004, 674, 678, Tz. 86 -“Postkantoor“). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006, a. a. O.).
Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, Tz. 60 – Libertel). Dementsprechend hat der EuGH mehrfach eine strenge und vollständige, nicht auf ein Mindestmaß beschränkte Prüfung von absoluten Schutzhindernissen angemahnt, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2003, 606, Tz. 59 – Libertel; GRUR 2004, 674, Tz. 45 – Postkantoor; GRUR 2004, 1027, Tz. 45 – Das Prinzip der Bequemlichkeit). Auch der BGH hat klargestellt, dass nicht nur eine summarische Prüfung erfolgen darf; vielmehr sind die Gesichtspunkte umfassend zu würdigen, wobei im Rahmen der strengen und umfassenden Prüfung zu berücksichtigen ist, dass auch eine geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2009, 949, Tz. 11 – My World).
Schlagwortartige Wortkombinationen, wie die hier vorliegende Markenanmeldung „Guter Start“, unterliegen weder strengeren noch geringeren, sondern den gleichen Schutzvoraussetzungen wie andere Wortmarken. Einerseits reicht allein die Tatsache, dass ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird, – für sich gesehen -nicht aus, um die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft zu verneinen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 44 – VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Es ist auch nicht erforderlich, dass schlagwortartige Wortfolgen einen selbständig kennzeichnenden Bestandteil enthalten oder in ihrer Gesamtheit einen besonderen phantasievollen Überschuss aufweisen (vgl. BGH GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft). Ferner kann selbst dann, wenn die jeweilige Marke zugleich oder sogar in erster Linie als Werbeslogan aufgefasst wird, deren Schutzfähigkeit in Betracht kommen, sofern sie zugleich auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufgefasst wird (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 45 – VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Andererseits ist auch bei schlagwortartigen Wortfolgen die für die Schutzfähigkeit erforderliche Unterscheidungskraft zu verneinen, wenn – wie bei anderen Markenkategorien auch -ein zumindest enger beschreibender Bezug im eingangs dargelegten Sinn zu den jeweils konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen vorliegt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Verkehr in Slogans oder schlagwortartigen Wortfolgen regelmäßig dann keinen Herkunftshinweis sieht, wenn diese eine bloße Werbefunktion ausüben – diese kann z. B. darin bestehen, die Qualität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen anzupreisen – es sei denn, dass die Werbefunktion im Vergleich zu ihrer behaupteten Herkunftsfunktion offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 Tz. 35 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).
Diese Grundsätze werden durch die Entscheidung des EuGH in GRUR 2010, 228 – VORSPRUNG DURCH TECHNIK nicht entscheidend modifiziert. Auch danach setzt die Bejahung der Unterscheidungskraft unverändert voraus, dass das Zeichen geeignet sein muss, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen (vgl. EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 44 – VORSPRUNG DURCH TECHNIK). Letzteres kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die jeweilige Marke nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung besteht, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweist, die ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (EuGH GRUR 2010, 228, Tz. 57 – VORSPRUNG DURCH TECHNIK).
Hiervon ausgehend kann der Wortkombination „Guter Start“ nicht die Eignung zugesprochen werden, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der vorliegend beanspruchten Waren zu dienen. Es handelt sich um eine verbreitete einfache Wunschformel, welche sich auf verschiedenste Umstände und Sachverhalte beziehen kann (z. B. guter Start in den Tag, in die Arbeit oder in ein sonstiges Vorhaben). Die seitens der Markenstelle aufgezeigten Fundstellen belegen, dass im hier maßgeblichen Nahrungs- und Genussmittelbereich vor allem Produkte wie Tee und Kaffee als typische Frühstücksgetränke regelmäßig damit beworben werden, dass der Genuss der entsprechenden Waren aufgrund ihrer anregenden Wirkung und einer damit verbundenen positiven Stimmungs- und Gefühlslage einen guten Start in den Tag ermöglichen bzw. dazu beitragen können. Da zu einer morgendlichen Mahlzeit wie dem Frühstück neben Heißgetränken wie „Tee“ und Kaffee“ regelmäßig auch kalte Getränke konsumiert werden und die weiteren beanspruchten Waren „teeähnlichen Erzeugnisse, Getränke mit oder auf der Basis von Tee/Kräutertee/Früchtetee …; Getränkepulver und Fertiggetränke, Kaffeeersatzmittel“ oberbegrifflich Erzeugnisse umfassen, die als Kalt- und/oder Heißgetränk eine erfrischende, belebende Wirkung entfalten können, wird der Verkehr in dem Gesamtbegriff „Guter Start“ in Bezug auf sämtliche beanspruchten Waren lediglich eine rein sachbezogene Aussage erkennen, die in einer das Hervorrufen von Aufmerksamkeit zielenden, werbemäßig anpreisenden Form darauf hinweist, dass der Konsum dieser Waren für einen „guten Start“ in den (weiteren) Tagesverlauf sorgen kann. Die angemeldete Wortfolge erschöpft sich insoweit in einer Sachangabe, die in schlagwortartiger und anpreisender Weise Eigenschaften dieser Waren beschreibt.
Aufgrund des sich aus dem o. g. ergebenden eindeutigen Aussagegehalts der Wortkombination „Guter Start“ und des daraus sich ergebenden Zusammenhangs zwischen den beanspruchten Nahrungs- und Genussmitteln und der ihnen zugeschriebenen anregenden, eine positive Stimmungs- und Gefühlslage hervorrufenden Wirkung bedarf es für den der normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Endverbraucher auch keiner analysierenden Betrachtungsweise oder vertieften Nachdenkens, um diesen rein sachlichen Bezug zwischen der angemeldeten Wortkombination und den beanspruchten Waren zu erkennen und zu erfassen. Der Verkehr wird in solchen reklamehaften Anpreisungen oder schlagwortartigen Werbeaussagen zu Eigenschaften und Beschaffenheit von Produkten keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Waren sehen (vgl. dazu auch BGH MarkenR 2010, 25, 26 Tz. 13 – hey!).
2. Soweit die Anmelderin auf aus ihrer Sicht vergleichbare Voreintragungen verwiesen hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Bestehende Eintragungen sind zwar zu berücksichtigen, vermögen aber keine für den zu entscheidenden Fall rechtlich bindende Wirkung zu entfalten. Dies hat der EuGH mehrfach und auf ein dahingehend gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen nochmals ausdrücklich bestätigt (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 -Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229, Tz. 47 – 51 – BioID; GRUR 2004, 674, Tz. 42 – 44 – Postkantoor; GRUR 2004, 428, Tz. 63 – Henkel). Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundespatentgerichts und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2008, 1093, Tz. 18) – Marlene-Dietrich-Bildnis I; BPatG GRUR 2007, 333 – Papaya mit ausführlicher Begründung und mit zahlreichen Literatur- und Rechtsprechungsnachweisen). Mehrere Senate des BPatG, u. a. auch der erkennende Senat, haben sich zur Frage der Voreintragungen intensiv auseinandergesetzt (vgl. dazu GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 – VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt), wobei in diesen Entscheidungen teilweise darauf hingewiesen wird, dass sich auch Äußerungen zur Schutzfähigkeit von im Register eingetragenen Marken verbieten, weil diese Marken durch ihre Nennung nicht verfahrensgegenständlich werden und deren Inhaber nach den markenrechtlichen Verfahrensbestimmungen auch nicht am Verfahren beteiligt werden können. Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein auf der Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist. Aus dem Gebot rechtmäßigen Handelns folgt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.
3. Die angemeldete Wortfolge weist somit zu allen beanspruchten Waren einen zumindest engen beschreibenden Bezug auf, so dass ihr die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft fehlt. Aus den vorgenannten Gründen spricht auch einiges dafür, dass der angemeldeten Wortfolge das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht; dies kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben.
4. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht. Die Anmelderin hat keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt (§ 69 Nr. 1 MarkenG). Der Senat hat eine mündliche Verhandlung auch nicht als sachdienlich erachtet (§ 69 Nr. 3 MarkenG), zumal auch keine Tat- oder Rechtsfragen klärungs- oder erörterungsbedürftig erscheinen.
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