EuGH, Urteil vom 26.02.2008 – C-132-05 –
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 – Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Käse ‚Parmigiano Reggiano‘ – Verwendung der Bezeichnung ‚Parmesan‘ – Verpflichtung eines Mitgliedstaats, von Amts wegen die missbräuchliche Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung zu ahnden“
Nur Käse, der die geschützte Ursprungsbezeichnung (G.U.) „Parmigiano Reggiano“ trägt, darf unter der Bezeichnung „Parmesan“ verkauft werden.
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)
26. Februar 2008(*)
In der Rechtssache C?132/05
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 21. März 2005,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. de March, S. Grünheid und B. Martenczuk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
unterstützt durch
Tschechische Republik, vertreten durch T. Bo?ek als Bevollmächtigten,
Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Aiello, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelferinnen,
gegen
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und A. Dittrich als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Loschelder,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Dänemark, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und U. Lõhmus sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), K. Schiemann, P. K?ris, E. Juhász, E. Levits und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2007,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2007
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 208, S. 1) verstoßen hat, dass sie es förmlich ablehnte, die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ bei der Etikettierung von Erzeugnissen, die nicht der Spezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung (im Folgenden: g. U.) „Parmigiano Reggiano“ entsprechen, in ihrem Staatsgebiet zu ahnden, und damit die widerrechtliche Aneignung des dem echten, gemeinschaftsweit geschützten Erzeugnis eigenen Rufs begünstigte.
Rechtlicher Rahmen
2 Mit der Verordnung Nr. 2081/92 wurde ein gemeinschaftlicher Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel eingeführt.
3 Art. 2 der Verordnung Nr. 2081/92 bestimmt:
„(1) Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln werden nach Maßgabe dieser Verordnung auf Gemeinschaftsebene geschützt.
(2) Im Sinne dieser Verordnung bedeutet
a) ‚Ursprungsbezeichnung‘ der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient,
– das aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort oder diesem Land stammt und
– das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt und das in dem begrenzten geografischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde;
…“
4 In Art. 3 Abs. 1 der Verordnung heißt es:
„Bezeichnungen, die zu Gattungsbezeichnungen geworden sind, dürfen nicht eingetragen werden.
Im Sinne dieser Verordnung gilt als ‚Bezeichnung, die zur Gattungsbezeichnung geworden ist‘, der Name eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels, der sich zwar auf einen Ort oder ein Gebiet bezieht, wo das betreffende Agrarerzeugnis oder Lebensmittel ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, der jedoch der gemeinhin übliche Name für ein Agrarerzeugnis oder ein Lebensmittel geworden ist.
Bei der Feststellung, ob ein Name zur Gattungsbezeichnung geworden ist, sind alle Faktoren und insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:
– die bestehende Situation in dem Mitgliedstaat, aus dem der Name stammt, und in den Verbrauchsgebieten;
– die Situation in anderen Mitgliedstaaten;
– die einschlägigen nationalen oder gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften.
…“
5 Gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 2081/92 enthält die Spezifikation mindestens „Angaben zu der Kontrolleinrichtung oder den Kontrolleinrichtungen nach Artikel 10“.
6 Art. 5 Abs. 3 und 4 dieser Verordnung bestimmt:
„(3) Der Eintragungsantrag umfasst insbesondere die Spezifikation gemäß Artikel 4.
(4) Dieser Antrag ist an den Mitgliedstaat zu richten, in dessen Hoheitsgebiet sich das geografische Gebiet befindet.“
7 Art. 10 dieser Verordnung lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten dieser Verordnung die Kontrolleinrichtungen geschaffen sind, die gewährleisten sollen, dass die Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, die mit einer geschützten Bezeichnung versehen sind, die Anforderungen der Spezifikation erfüllen.
(2) Die Kontrolleinrichtung kann eine oder mehrere dafür benannte Kontrollbehörden und/oder zu diesem Zweck von dem Mitgliedstaat zugelassene private Kontrollstellen umfassen. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Liste der Behörden und/oder zugelassenen Stellen sowie deren Zuständigkeit mit. Die Kommission veröffentlicht diese Angaben im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.
(3) Die benannten Kontrollbehörden und/oder die privaten Kontrollstellen müssen ausreichende Gewähr für Objektivität und Unparteilichkeit gegenüber jedem zu kontrollierenden Erzeuger oder Verarbeiter bieten und jederzeit über die Sachverständigen und die Mittel verfügen, die zur Durchführung der Kontrollen der mit einer geschützten Bezeichnung versehenen Agrarerzeugnisse und Lebensmittel notwendig sind.
Zieht die Kontrolleinrichtung für einen Teil der Kontrollen eine dritte Stelle hinzu, so muss diese die gleiche Gewähr bieten. In diesem Fall bleiben die benannten Kontrollbehörden und/oder die zugelassenen privaten Kontrollstellen jedoch gegenüber dem Mitgliedstaat für die Gesamtheit der Kontrollen verantwortlich.
Vom 1. Januar 1998 an müssen die Kontrollstellen die in der Norm EN 45011 vom 26. Juni 1989 festgelegten Anforderungen erfüllen, um von den Mitgliedstaaten für die Zwecke dieser Verordnung zugelassen zu werden.
(4) Stellt eine benannte Kontrollbehörde und/oder eine private Kontrollstelle eines Mitgliedstaats fest, dass ein mit einer geschützten Bezeichnung versehenes Agrarerzeugnis oder Lebensmittel mit Ursprung in ihrem Mitgliedstaat die Anforderungen der Spezifikation nicht erfüllt, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung dieser Verordnung zu gewährleisten. …
(5) Ein Mitgliedstaat muss den Kontrollstellen die Zulassung entziehen, falls die in den Absätzen 2 und 3 genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Er unterrichtet darüber die Kommission, die sodann eine geänderte Liste der zugelassenen Stellen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.
(6) Die Mitgliedstaaten erlassen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein Erzeuger, der die Bestimmungen dieser Verordnung einhält, Zugang zum Kontrollsystem hat.
(7) Die Kosten der in dieser Verordnung vorgesehenen Kontrollen gehen zu Lasten der Hersteller, die die geschützte Bezeichnung verwenden.“
8 Art. 13 derselben Verordnung lautet:
„(1) Eingetragene Bezeichnungen werden geschützt gegen
…
b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn die geschützte Bezeichnung in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Verfahren‘, ‚Fasson‘, ‚Nachahmung‘ oder dergleichen verwendet wird;
…
Enthält ein eingetragener Name den als Gattungsbezeichnung angesehenen Namen eines Agrarerzeugnisses oder Lebensmittels, so gilt die Verwendung dieser Gattungsbezeichnung für das betreffende Agrarerzeugnis oder Lebensmittel nicht als Verstoß gegen Unterabsatz 1 Buchstabe a) oder Buchstabe b).
…
(3) Geschützte Bezeichnungen können nicht zu Gattungsbezeichnungen werden.“
9 Nach Art. 2 und Abschnitt A des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1107/96 der Kommission vom 12. Juni 1996 zur Eintragung geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß dem Verfahren nach Art. 17 der Verordnung Nr. 2081/92 (ABl. L 148, S. 1) stellt die Bezeichnung „Parmigiano Reggiano“ ab 21. Juni 1996 eine g. U. dar.
Das vorprozessuale Verfahren
10 Mit Schreiben vom 15. April 2003 forderte die Kommission aufgrund einer Beschwerde mehrerer Wirtschaftsteilnehmer die deutschen Behörden auf, den mit Betrugsbekämpfung beauftragten Dienststellen klare Anweisungen zu geben, das Inverkehrbringen von als „Parmesan“ bezeichneten Erzeugnissen, die nicht der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entsprechen, im deutschen Staatsgebiet abzustellen. Da der Begriff „Parmesan“ die Übersetzung der g. U. „Parmigiano Reggiano“ sei, stelle seine Verwendung einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2081/92 dar.
11 Die Bundesrepublik Deutschland antwortete mit Schreiben vom 13. Mai 2003, dass der Begriff „Parmesan“ zwar ursprünglich einen historischen Bezug zur Region Parma aufgewiesen habe, heute jedoch zu einer Gattungsbezeichnung für geriebenen oder zum Reiben bestimmten Hartkäse unterschiedlicher Herkunft geworden sei, die sich von der g. U. „Parmigiano Reggiano“ unterscheide. Daher stelle die Verwendung dieses Begriffs keinen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2081/92 dar.
12 Am 17. Oktober 2003 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland, das dieser Mitgliedstaat mit Schreiben vom 17. Dezember 2003 beantwortete.
13 Da die Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland der Kommission nicht befriedigend erschienen, gab diese am 30. März 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.
14 Mit Schreiben vom 15. Juni 2004 teilte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission mit, dass sie an ihrer Auffassung festhalte.
15 Unter diesen Umständen hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
16 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. September 2005 sind zum einen die Italienische Republik und zum anderen das Königreich Dänemark und die Republik Österreich als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission bzw. der Bundesrepublik Deutschland zugelassen worden.
17 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. Mai 2006 ist die Tschechische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.
18 Die Kommission stützt ihre Klage allein darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland es abgelehnt habe, die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ bei der Etikettierung von Erzeugnissen, die nicht der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entsprechen, in ihrem Staatsgebiet zu ahnden.
19 Die Bundesrepublik Deutschland bestreitet die Vertragsverletzung aus drei Gründen:
– Erstens sei eine Ursprungsbezeichnung nach Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 nur in genau der Form geschützt, in der sie eingetragen sei;
– zweitens stelle die Verwendung des Wortes „Parmesan“ keine Verletzung der g. U. „Parmigiano Reggiano“ dar, und
– drittens sei sie nicht von Amts wegen verpflichtet, Verstöße gegen Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 zu ahnden.
Zum Schutz zusammengesetzter Bezeichnungen
20 Die Kommission macht geltend, dass das gemeinschaftliche Schutzsystem auf dem Grundsatz beruhe, dass die Eintragung einer aus mehreren Worten bestehenden Bezeichnung sowohl den Bestandteilen der zusammengesetzten Bezeichnung als auch dieser als Ganzem den Schutz des Gemeinschaftsrechts verleihe. Der wirksame Schutz zusammengesetzter Bezeichnungen erfordere daher, dass grundsätzlich alle Bestandteile einer zusammengesetzten Bezeichnung gegen missbräuchliche Verwendung geschützt seien. Um diesen Schutz zu gewährleisten, verlange die Verordnung Nr. 2081/92 nicht die Eintragung der einzelnen schutzfähigen Teile einer zusammengesetzten Bezeichnung, sondern gehe von dem Grundsatz aus, dass jeder Bestandteil auch für sich allein geschützt sei. Diese Auslegung werde durch das Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juni 1998, Chiciak und Fol (C?129/97 und C?130/97, Slg. 1998, I?3315), bestätigt.
21 Von dem Grundsatz, wonach alle Bestandteile einer zusammengesetzten Bezeichnung geschützt seien, gebe es nur eine Ausnahme. Die sei in Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2081/92 geregelt, wonach die Verwendung eines einzelnen Bestandteils einer zusammengesetzten Bezeichnung Art. 13 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung nicht zuwiderlaufe, wenn es sich bei dem fraglichen Bestandteil um den als Gattungsbezeichnung angesehenen Namen eines Agrarerzeugnisses oder Lebensmittels handele. Diese Vorschrift wäre überflüssig, wenn die einzelnen Bestandteile von Bezeichnungen, die nur in Form von zusammengesetzten Bezeichnungen eingetragen seien, keinen Schutz genössen.
22 Außerdem genieße ein einzelner Bestandteil einer zusammengesetzten Bezeichnung bei isolierter Verwendung nur dann nicht den Schutz der Verordnung Nr. 2081/92, wenn die betreffenden Mitgliedstaaten bei der Mitteilung der zusammengesetzten Bezeichnung angegeben hätten, dass für bestimmte Teile der Bezeichnung kein Schutz beantragt worden sei.
23 Die Kommission hätte dem dann bei Erlass der Verordnung Nr. 1107/96 mit dem Hinweis – gegebenenfalls in einer Fußnote – Rechnung getragen, dass der Schutz eines Teils der betreffenden Bezeichnung nicht beantragt werde.
24 Im Fall der Bezeichnung „Parmigiano Reggiano“ sei jedoch keiner der beiden Bestandteile mit einer Fußnote versehen.
25 Die Bundesrepublik Deutschland hält dem entgegen, dass eine g. U. nur in genau der Form Gegenstand des Schutzes von Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 sei, in der sie eingetragen sei. Entgegen dem Vorbringen der Kommission lasse sich aus dem Urteil Chiciak und Fol nicht das Gegenteil herleiten.
26 Außerdem habe die Italienische Republik in der Rechtssache, in der das Urteil vom 25. Juni 2002, Bigi (C?66/00, Slg. 2002, I?5917), ergangen sei, selbst ausdrücklich bestätigt, dass sie die Eintragung der Bezeichnung „Parmigiano“ nicht beantragt habe. Unter diesen Umständen könne diese Bezeichnung daher keinen gemeinschaftsrechtlichen Schutz genießen.
27 In diesem Punkt heißt es im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/96: „Einige Mitgliedstaaten haben mitgeteilt, dass für bestimmte Teile der Bezeichnungen kein Schutz beantragt wurde und dass dem Rechnung zu tragen ist.“
28 Die Verordnung Nr. 1107/96 nennt unter Hinweis auf Fußnoten in ihrem Anhang die Fälle, in denen kein Schutz für einen Teil der betreffenden Bezeichnung beantragt wurde.
29 Das Fehlen einer Erklärung, der zufolge für bestimmte Bestandteile einer Bezeichnung kein Schutz im Sinne von Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 beantragt worden ist, stellt jedoch keine ausreichende Grundlage für eine Bestimmung des Umfangs dieses Schutzes dar (vgl. in diesem Sinne Urteil Chiciak und Fol, Randnr. 37).
30 In dem durch die Verordnung Nr. 2081/92 geschaffenen Schutzsystem sind die Fragen des Schutzes der verschiedenen Bestandteile einer Bezeichnung und insbesondere die Frage, ob es sich möglicherweise um einen Gattungsnamen oder um einen gegen die in Art. 13 dieser Verordnung genannten Praktiken geschützten Bestandteil handelt, vom nationalen Gericht anhand einer eingehenden Prüfung des Sachverhalts zu beurteilen, den ihm die Parteien vortragen (Urteil Chiciak und Fol, Randnr. 38).
31 Unter diesen Umständen kann das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass eine g. U. nach Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 nur in genau der Form geschützt sei, in der sie eingetragen sei, nicht greifen.
Zur Verletzung der g. U. „Parmigiano Reggiano“
32 Die Kommission ist der Ansicht, dass das Inverkehrbringen von Käse unter der Bezeichnung „Parmesan“, der nicht der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entspricht, einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2081/92 darstellt, weil der Begriff „Parmesan“ die zutreffende Übersetzung der g. U. „Parmigiano Reggiano“ sei. Die Übersetzung sei ebenso wie die g. U. in der Sprache des Mitgliedstaats, der diese Bezeichnung habe eintragen lassen, ausschließlich den Erzeugnissen vorbehalten, die der Spezifikation entsprächen.
33 Außerdem ergebe sich aus dem durch die historische Entwicklung belegten engen Zusammenhang zwischen dem speziellen geografischen Gebiet Italiens, aus dem diese Käseart stamme, und dem Begriff „Parmesan“, dass dieser Begriff keine Gattungsbezeichnung sei, die sich von der g. U. „Parmigiano Reggiano“ unterscheide.
34 Die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ für einen Käse, der nicht der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entspreche, stelle auf jeden Fall eine nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2081/92 verbotene Anspielung auf diese Bezeichnung dar.
35 Außerdem sei der Begriff „Parmesan“ nicht zu einer Gattungsbezeichnung geworden.
36 Zwar könne eine geografische Bezeichnung im Laufe ihrer Benutzung zu einer Gattungsbezeichnung werden, indem die Verbraucher den Begriff nicht länger als Hinweis auf die geografische Herkunft der Ware auffassten, sondern als Hinweis auf eine bestimmte Warengattung. Dieser Bedeutungswandel sei u. a. bei den Begriffen „Camembert“ und „Brie“ eingetreten.
37 Der Begriff „Parmesan“ habe aber nie seine geografische Konnotation verloren. Wäre „Parmesan“ tatsächlich ein neutraler Begriff ohne solche Konnotation, so ließe sich nicht plausibel erklären, warum die Hersteller der Nachahmerprodukte danach trachteten, durch Worte und Abbildungen eine Verbindung zwischen ihren Waren und Italien herzustellen.
38 Dass im italienischen Staatsgebiet bis zum Jahr 2000 ein „Parmesan“ genannter Käse hergestellt worden sei, der nicht der verbindlichen Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entsprochen habe, bedeute nicht, dass dieser Begriff in Italien die Gattungsbezeichnung für geriebenen Käse unterschiedlicher Herkunft sei, denn dieser Käse sei ausschließlich zur Ausfuhr in Länder bestimmt gewesen, in denen der Begriff „Parmesan“ gemäß dem Territorialitätsgrundsatz keinen besonderen Schutz genossen habe. Erst seit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1107/96 am 21. Juni 1996 genieße die Bezeichnung „Parmigiano Reggiano“ gemeinschaftsweiten Schutz.
39 Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, dass die Verwendung des Wortes „Parmesan“ keinen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2081/92 darstelle, weil es nur die Übersetzung – nach Ansicht der Kommission – des Begriffs „Parmigiano“ sei, der – wie die Situation in Italien und in anderen Mitgliedstaaten sowie die nationale und gemeinschaftliche Gesetzgebung zeigten – eine Gattungsbezeichnung sei. Als solche könne dieser Begriff nicht unter den Schutz der Verordnung fallen.
40 Hilfsweise macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass der Gebrauch des Begriffs „Parmigiano“, selbst wenn dieser keine Gattungsbezeichnung wäre und Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2081/92 daher auf diesen Bestandteil keine Anwendung fände, keinen Verstoß gegen die Bestimmungen über den Schutz der Ursprungsbezeichnung „Parmigiano Reggiano“ darstelle. Die Bezeichnung „Parmesan“ habe seit Jahrhunderten eine eigene Entwicklung genommen und sei in Deutschland ebenso wie in anderen Mitgliedstaaten zu einer Gattungsbezeichnung geworden. Die Verwendung dieser Bezeichnung stelle deshalb weder eine widerrechtliche Aneignung der g. U. „Parmigiano Reggiano“ noch eine Anspielung auf sie dar.
41 Für diese Auffassung beruft sich die Bundesrepublik Deutschland erstens auf Nr. 35 der Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Canadane Cheese Trading und Kouri (C?317/95, Beschluss vom 8. August 1997, Slg. 1997, I?4681), zweitens auf das Urteil Bigi, in dem der Gerichtshof die Frage, ob der Begriff „Parmesan“ eine Gattungsbezeichnung sei, ausdrücklich offengelassen habe, und drittens auf die Tatsache, dass die Feststellung, dass die Bezeichnung eines Erzeugnisses die Übersetzung einer Ursprungsbezeichnung sei, nicht ausreiche. Es müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob es sich bei dieser Übersetzung wirklich um eine Anspielung auf die fragliche Bezeichnung handele. Das sei nicht der Fall, wenn die fragliche Bezeichnung ursprünglich zwar eine Übersetzung gewesen sei, im Laufe der Zeit aber im allgemeinen Sprachgebrauch der Verbraucher einen Bedeutungswandel erfahren habe und zu einer Gattungsbezeichnung geworden sei. Viertens stützt sich die Bundesrepublik Deutschland auf die Tatsache, dass das Wort „Parmesan“ in Deutschland – dem Mitgliedstaat, auf dessen Beurteilung des Gattungscharakters des Begriffs „Parmesan“ für das vorliegende Vertragsverletzungsverfahren allein abzustellen sei – schon immer als Gattungsbezeichnung für geriebenen oder zum Reiben bestimmten Hartkäse verstanden worden sei. Das gelte im Übrigen auch für andere Mitgliedstaaten, einschließlich Italiens.
42 Zunächst ist zu prüfen, ob die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ im Hinblick auf die g. U. „Parmigiano Reggiano“ einem der Fälle des Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2081/92 entspricht.
43 Nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung werden eingetragene Bezeichnungen u. a. gegen jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung geschützt, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn die geschützte Bezeichnung in Übersetzung verwendet wird.
44 Der Gerichtshof hat in Bezug auf die Anspielung auf eine g. U. entschieden, dass dieser Begriff eine Fallgestaltung erfasst, in der der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer geschützten Bezeichnung in der Weise einschließt, dass der Verbraucher durch den Namen des Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die Bezeichnung trägt (Urteil vom 4. März 1999, Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, C?87/97, Slg. 1999, I?1301, Randnr. 25).
45 Der Gerichtshof hat festgestellt, dass eine Anspielung auf eine g. U. auch dann vorliegen kann, wenn keinerlei Gefahr der Verwechslung zwischen den betroffenen Erzeugnissen besteht und wenn für die Bestandteile der Referenzbezeichnung, die in dem streitigen Ausdruck übernommen werden, kein gemeinschaftsrechtlicher Schutz gelten würde (Urteil Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, Randnr. 26).
46 In der vorliegenden Rechtssache besteht zwischen den Bezeichnungen „Parmesan“ und „Parmigiano Reggiano“ eine phonetische und optische Ähnlichkeit, wobei die fraglichen Erzeugnisse geriebener oder zum Reiben bestimmter Hartkäse sind, d. h. auch noch ähnlich aussehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola, Randnr. 27).
47 Außerdem ist unabhängig davon, ob die Bezeichnung „Parmesan“ die genaue Übersetzung der g. U. „Parmigiano Reggiano“ oder des Begriffs „Parmigiano“ ist oder nicht, auch die zwischen diesen beiden Begriffen aus verschiedenen Sprachen bestehende begriffliche Nähe, wovon die Erörterungen vor dem Gerichtshof zeugen, zu berücksichtigen.
48 Diese Nähe und die in Randnr. 46 dieses Urteils genannten phonetischen und optischen Ähnlichkeiten können im Verbraucher gedanklich einen Bezug zu dem Käse wachrufen, der die g. U. „Parmigiano Reggiano“ trägt, wenn er vor einem geriebenen oder zum Reiben bestimmten Hartkäse steht, der die Bezeichnung „Parmesan“ trägt.
49 Unter diesen Umständen ist die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ als eine Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2081/92 auf die g. U. „Parmigiano Reggiano“ anzusehen.
50 Die Frage, ob die Bezeichnung „Parmesan“ die Übersetzung der g. U. „Parmigiano Reggiano“ ist, spielt daher für die Beurteilung der vorliegenden Klage keine Rolle.
51 Die Bundesrepublik Deutschland macht jedoch geltend, dass die Verwendung des Begriffs „Parmesan“ keine rechtswidrige Anspielung auf die g. U. „Parmigiano Reggiano“ sein könne, weil die Bezeichnung „Parmesan“ zu einer Gattungsbezeichnung geworden sei.
52 Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beweis dafür zu erbringen, dass diese Behauptung zutreffend ist, zumal der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dass es keineswegs offensichtlich ist, dass die Bezeichnung „Parmesan“ zu einer Gattungsbezeichnung geworden ist (Urteil Bigi, Randnr. 20).
53 Im Rahmen der Beurteilung des generischen Charakters einer Bezeichnung sind gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2081/92 die Gegend der Herstellung des betreffenden Erzeugnisses sowohl innerhalb als auch außerhalb des Mitgliedstaats, der die Eintragung der fraglichen Bezeichnung erwirkt hat, der Verbrauch dieses Erzeugnisses, das Verständnis dieser Bezeichnung durch den Verbraucher innerhalb und außerhalb des genannten Mitgliedstaats, das Bestehen einer spezifischen nationalen Regelung für das genannte Erzeugnis und die Art der Verwendung der fraglichen Bezeichnung in den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 25. Oktober 2005, Deutschland und Dänemark/Kommission, C?465/02 und C?466/02, Slg. 2005, I?9115, Randnrn. 76 bis 99).
54 Die Bundesrepublik Deutschland hat, wie der Generalanwalt in den Nrn. 63 und 64 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, lediglich Zitate aus Wörterbüchern und aus der Fachliteratur angeführt, die keinen umfassenden Überblick vermitteln, wie die Verbraucher in Deutschland und in anderen Mitgliedstaaten das Wort „Parmesan“ verstehen, und nicht einmal Produktions? oder Verbrauchszahlen für Käse vorgelegt, der in Deutschland oder in anderen Mitgliedstaaten unter der Bezeichnung „Parmesan“ vertrieben wird.
55 Außerdem ergibt sich aus den Gerichtsakten, dass in Deutschland bestimmte Hersteller von Käse mit der Bezeichnung „Parmesan“ dieses Erzeugnis mit Etiketten vermarkten, die auf die Kultur und Landschaften Italiens hinweisen. Daraus lässt sich zulässigerweise folgern, dass die Verbraucher in diesem Mitgliedstaat Parmesan als einen Käse ansehen, der mit Italien in Verbindung steht, selbst wenn er tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat erzeugt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Deutschland und Dänemark/Kommission, Randnr. 87).
56 In der mündlichen Verhandlung schließlich hat die Bundesrepublik Deutschland auch keine Angaben über die nach Deutschland eingeführten Mengen des in Italien unter der g. U. „Parmigiano Reggiano“ hergestellten Käses machen können, so dass es dem Gerichtshof dadurch auch nicht möglich ist, die Angaben über den Verbrauch dieses Käses als Hinweis auf den generischen Charakter der Bezeichnung „Parmesan“ zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Deutschland und Dänemark/Kommission, Randnr. 88).
57 Infolgedessen ist, da die Bundesrepublik Deutschland nicht den Beweis erbracht hat, dass die Bezeichnung „Parmesan“ zu einer Gattungsbezeichnung geworden ist, im vorliegenden Fall die Verwendung des Wortes „Parmesan“ für Käse, der nicht der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entspricht, als Beeinträchtigung des durch Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2081/92 gewährten Schutzes anzusehen.
Zur Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, Verstöße gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2081/92 zu ahnden
58 Die Kommission macht geltend, dass die Bundesrepublik Deutschland nach den Art. 10 und 13 der Verordnung Nr. 2081/92 verpflichtet sei, von Amts wegen die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig seien, um Verhaltensweisen zu unterbinden, die zu einer Beeinträchtigung einer g. U. führten. Ein solches Einschreiten der Mitgliedstaaten umfasse Maßnahmen auf administrativer und strafrechtlicher Ebene, die zur Verwirklichung der Ziele der Verordnung auf dem Gebiet des Schutzes von Ursprungsbezeichnungen geeignet seien. Erzeugnisse, die den Anforderungen der genannten Verordnung nicht entsprächen, dürften nicht in Verkehr gebracht werden.
59 Die Kommission betont, dass sich ihre Rügen nicht auf die deutsche Gesetzgebung oder das Fehlen eines Rechtsbehelfs vor den nationalen Gerichten beziehen, sondern auf die dem Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufende Verwaltungspraxis der deutschen Behörden. Würden die Mitgliedstaaten von ihrer Verpflichtung zum Einschreiten befreit und müssten die Wirtschaftsteilnehmer sich demzufolge immer selbst an die Gerichte wenden, wenn ihr ausschließliches Recht, die fragliche g. U. im gesamten Gebiet der Europäischen Union zu verwenden, beeinträchtigt werde, so könnten die Ziele der Verordnung Nr. 2081/92 nicht erreicht werden.
60 In einem Rechtsstreit zwischen privaten Wirtschaftsteilnehmern gehe es hauptsächlich um die Wahrung der Rechte des geistigen Eigentums, die die im Herkunftsgebiet des betroffenen Erzeugnisses ansässigen Hersteller besäßen, während die Ahndung von Verstößen gegen Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 durch den Staat nicht den Schutz privater Wirtschaftsinteressen, sondern den der Verbraucher bezwecke, deren Erwartungen im Hinblick auf die Qualität und den geografischen Ursprung des genannten Erzeugnisses nicht enttäuscht werden dürften. Der durch diese Verordnung angestrebte Verbraucherschutz würde in Frage gestellt, wenn die Durchsetzung der in der Verordnung vorgesehenen Verbote allein davon abhinge, ob die privaten Wirtschaftsteilnehmer gerichtliche Hilfe in Anspruch nähmen.
61 Im Ergebnis sei das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland als ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch Unterlassen zu bewerten.
62 Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 bestimme den Schutzbereich von eingetragenen geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen. Aufgrund der unmittelbaren Wirkung dieser Verordnung begründe diese Vorschrift für die Inhaber bzw. die berechtigten Nutzer der g. U. Rechte, zu deren Schutz die nationalen Gerichte verpflichtet seien.
63 Die unmittelbare Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 2081/92 entbinde die Mitgliedstaaten zwar nicht von der Verpflichtung, nationale Maßnahmen zu ergreifen, die die Anwendung dieser Verordnung sicherstellten. Die Bundesrepublik Deutschland habe jedenfalls zahlreiche Rechtsvorschriften erlassen, um gegen den unerlaubten Gebrauch der g. U. vorgehen zu können, insbesondere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909 und das Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen vom 25. Oktober 1994 (BGBl. 1994 I, S. 3085).
64 Außerdem sei die Klagemöglichkeit gegen ein die Rechte aus einer g. U. verletzendes Verhalten nicht auf den Inhaber der genannten Bezeichnung beschränkt. Sie stehe vielmehr jedem Wettbewerber, den Unternehmensverbänden und den Verbraucherverbänden zu. Dieser große Kreis der Klageberechtigten mache hinreichend deutlich, dass sich die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften nicht darauf beschränkten, den im Herkunftsgebiet des betroffenen Erzeugnisses ansässigen Herstellern die Durchsetzung der ihnen zustehenden Rechte des geistigen Eigentums zu ermöglichen. Diese Vorschriften bildeten ein allgemeines und effektives System zur Verhinderung von Verstößen gegen Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 und zu deren wirksamer Ahndung durch gerichtliche Entscheidungen.
65 Die Bundesrepublik Deutschland habe durch die Einräumung der genannten zivilrechtlichen Ansprüche alle Maßnahmen ergriffen, die geboten seien, um die volle und umfassende Anwendung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2081/92 zu gewährleisten. Es sei nicht notwendig, dass die Behörden von Amts wegen Verstöße gegen diese Vorschrift durch ordnungsbehördliche Maßnahmen ahndeten; auch die Art. 10 und 13 der Verordnung verlangten das nicht. Aus dem Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen von Art. 10 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2081/92 ergebe sich, dass es in Anbetracht des italienischen Ursprungs der g. U. „Parmigiano Reggiano“ Sache des Consorzio del formaggio Parmigiano Reggiano und nicht der deutschen Kontrolleinrichtungen sei, zu prüfen, ob die Spezifikation der genannten Bezeichnung bei deren Verwendung beachtet worden sei.
66 Soweit die Kommission geltend mache, dass die Ahndung von Verstößen gegen Art. 13 der Verordnung Nr. 2081/92 durch den betroffenen Mitgliedstaat nicht nur dem Schutz privater Wirtschaftsinteressen, sondern auch dem der Verbraucher diene, stelle dies keine Besonderheit der genannten Verordnung dar, die es rechtfertigen würde, das System des Schutzes von Ursprungsbezeichnungen durch Einräumung zivilrechtlicher Ansprüche anders als bei anderen Rechten des geistigen Eigentums oder den Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs als unzureichend anzusehen.
67 Wenn in Deutschland die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ bei Erzeugnissen, die nicht den Anforderungen der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entsprächen, nicht von Amts wegen verfolgt oder strafrechtlich geahndet werde, so beruhe dies, selbst wenn diese Verwendung überhaupt einen Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2081/92 darstellen würde, nur auf dem Verzicht auf Sanktionsmodalitäten, die die Mitgliedstaaten zwar vorsehen könnten, nach dem gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts aber nicht vorsehen müssten.
68 Dazu ist festzustellen, dass die Möglichkeit der Rechtsbürger, sich vor den innerstaatlichen Gerichten auf eine Verordnung zu berufen, die Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung befreien kann, die geeigneten innerstaatlichen Maßnahmen zu erlassen, um die uneingeschränkte Anwendung der Verordnung zu gewährleisten, wenn dies erforderlich ist (vgl. insbesondere Urteil vom 20. März 1986, Kommission/Niederlande, 72/85, Slg. 1986, 1219, Randnr. 20).
69 Es ist unstreitig, dass die deutsche Rechtsordnung über rechtliche Regelungen wie z. B. die in Randnr. 63 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsvorschriften verfügt, die dazu dienen, einen wirksamen Schutz der den einzelnen Bürgern nach der Verordnung Nr. 2081/92 zustehenden Rechte sicherzustellen. Ebenso unstreitig ist, dass die Möglichkeit, gegen ein Verhalten vorzugehen, das die Rechte aus einer g. U. beeinträchtigt, nicht allein dem berechtigten Nutzer der genannten Bezeichnung vorbehalten ist. Sie steht vielmehr jedem Wettbewerber, den Unternehmensverbänden und den Verbraucherverbänden zu.
70 Unter diesen Umständen kann eine solche Regelung auch die Interessen anderer als der Hersteller von Waren mit g. U. schützen, insbesondere die Interessen der Verbraucher.
71 In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland im Übrigen vorgetragen, dass vor den deutschen Gerichten zurzeit Rechtssachen anhängig seien, die die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ in Deutschland beträfen. Eine dieser Klagen habe das Consorzio del formaggio Parmigiano Reggiano erhoben.
72 Zu der Rüge der Kommission, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, von Amts wegen die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich seien, um Verstöße gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2081/92 zu ahnden, ist Folgendes zu bemerken.
73 Zunächst ergibt sich eine solche Pflicht nicht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 2081/92.
74 Um die Wirksamkeit der Verordnung Nr. 2081/92 zu gewährleisten, sieht deren Art. 10 Abs. 1 zwar vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass spätestens sechs Monate nach Inkrafttreten der Verordnung die Kontrolleinrichtungen geschaffen sind. Sie sind also verpflichtet, derartige Einrichtungen zu schaffen.
75 Aus Art. 10 Abs. 4 der Verordnung Nr. 2081/92, wonach „eine benannte Kontrollbehörde und/oder eine private Kontrollstelle eines Mitgliedstaats … [wenn sie feststellt], dass ein mit einer geschützten Bezeichnung versehenes Agrarerzeugnis oder Lebensmittel mit Ursprung in ihrem Mitgliedstaat die Anforderungen der Spezifikation nicht erfüllt, … die erforderlichen Maßnahmen [trifft], um die Einhaltung dieser Verordnung zu gewährleisten“, ergibt sich jedoch, dass es sich bei den benannten Kontrollbehörden und/oder privaten Kontrollstellen eines Mitgliedstaats um die desjenigen Mitgliedstaats handelt, aus dem die g. U. stammt.
76 Die Worte „zu kontrollierenden Erzeuger oder Verarbeiter“ in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2081/92, das in Art. 10 Abs. 6 vorgesehene Recht der Erzeuger auf Zugang zum Kontrollsystem und deren Verpflichtung nach Art. 10 Abs. 7, die Kosten der Kontrollen zu tragen, bestätigen, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 2081/92 für die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gilt, aus denen die g. U. stammt.
77 Für diese Auslegung sprechen auch Art. 4 Abs. 2 Buchst. g in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 2081/92, wonach der Eintragungsantrag die Spezifikation umfassen muss und an den Mitgliedstaat zu richten ist, in dessen Hoheitsgebiet sich das geografische Gebiet befindet, und die Spezifikation mindestens Angaben zu der Kontrolleinrichtung oder den Kontrolleinrichtungen nach Art. 10 enthalten muss.
78 Daraus folgt, dass es sich bei den Kontrolleinrichtungen, die für die Einhaltung der Spezifikation der g. U. zu sorgen haben, um die desjenigen Mitgliedstaats handelt, aus dem die fragliche g. U. stammt. Die Kontrolle der Einhaltung der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ obliegt also nicht den deutschen Kontrolleinrichtungen.
79 Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2081/92 gebietet zwar den Schutz der eingetragenen Bezeichnungen gegen jede „widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn die geschützte Bezeichnung in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Verfahren‘, ‚Fasson‘, ‚Nachahmung‘ oder dergleichen verwendet wird“.
80 Die Kommission hat jedoch zum einen nicht nachgewiesen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 2081/92 verstoßen hat, und zum anderen nichts vorgetragen, was darauf hinwiese, dass Maßnahmen wie die in Randnr. 63 des vorliegenden Urteils genannten nicht erlassen worden oder zum Schutz der g. U. „Parmigiano Reggiano“ nicht geeignet sind.
81 Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission nicht den Beweis erbracht hat, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2081/92 verstoßen hat, dass sie es förmlich ablehnte, die Verwendung der Bezeichnung „Parmesan“ bei der Etikettierung von Erzeugnissen, die nicht der Spezifikation der g. U. „Parmigiano Reggiano“ entsprechen, in ihrem Staatsgebiet zu ahnden.
82 Demzufolge ist die von der Kommission erhobene Klage abzuweisen.
Kosten
83 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland eine solche Verurteilung der Kommission beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Nach § 4 dieses Artikels tragen die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Italienische Republik und die Republik Österreich ihre eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.
3. Die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Italienische Republik und die Republik Österreich tragen ihre eigenen Kosten.
(Unterschriften)
* Verfahrenssprache: Deutsch.
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