EuGH, Urteil vom 15.09.2005 – C-37/ 03 P
„Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/ 94 – Wortbildmarke – BioID – Absolutes Eintragungshindernis – Marke ohne Unterscheidungskraft“
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 5. Dezember 2002 in der Rechtssache T-91/ 01 (BioID/ HABM [BioID], Slg. 2002, II-5159) wird aufgehoben.
2. Die Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 20. Februar 2001 wird abgewiesen.
3. Die Rechtsmittelführerin trägt die Kosten beider Instanzen.
In der Rechtssache C-37/ 03 P betreffend ein Rechtsmittel nach Artikel 56 der Satzung des Gerichtshofes, eingereicht am 3. Februar 2003, BioID AG mit Sitz in Berlin (Deutschland), im Liquidationsverfahren befindlich, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Nordemann, Rechtsmittelführerin, anderer Verfahrensbeteiligter: Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. von Mühlendahl und G. Schneider als Bevollmächtigte, Beklagter im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.-P. Puissochet, S. von Bahr, J. Malenovský und A. Ó Caoimh (Berichterstatter), Generalanwalt: P. Léger, Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2005, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Juni 2005 folgendes Urteil (*):
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die BioID AG die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Zweite Kammer) vom 5. Dezember 2002 in der Rechtssache T-91/ 01 (BioID/ HABM [BioID], Slg. 2002, II-5159, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 20. Februar 2001 (Sache R 538/ 1999-2, im Folgenden: streitige Entscheidung) über die Zurückweisung der Anmeldung einer komplexen Marke, die das Wortelement BioID enthält, abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
2 Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 40/ 94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) bestimmt:
„Gemeinschaftsmarken können alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“
3 Artikel 7 der Verordnung bestimmt:
„(1) Von der Eintragung ausgeschlossen sind …
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,
c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,
d) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich geworden sind, …“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
4 Am 8. Juli 1998 meldete die Rechtsmittelführerin unter ihrer früheren Firma D. C. S. Dialog Communication Systems AG beim HABM die folgende komplexe Marke an: …
5 Die Marke wurde für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38 und 42 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:
– „Computersoftware, Computerhardware und deren Teile, optische, akustische sowie elektronische Geräte und deren Teile, sämtliche vorstehenden Waren insbesondere zur und im Zusammenhang mit der Kontrolle von Zugangsberechtigungen, für die Kommunikation von Computern untereinander sowie zur computergestützten Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen“ in Klasse 9;
– „Telekommunikationsdienstleistungen; Sicherheitsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Kommunikation von Computern, dem Zugang zu Datenbanken, dem elektronischen Zahlungsverkehr, der Überprüfung von Zugangsberechtigungen sowie der computergestützten Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen“ in Klasse 38;
– „Zurverfügungstellung von Software über das Internet und andere Kommunikationsnetze, Online-Wartung von Computerprogrammen, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, sämtliche vorstehende Dienstleistungen insbesondere zur und im Zusammenhang mit der Kontrolle von Zugangsberechtigungen, mit der Kommunikation von Computern untereinander sowie mit der computergestützten Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen; technische Entwicklung von Systemen zur Kontrolle von Zugangsberechtigungen, für die Kommunikation von Computern untereinander sowie von Systemen zur computergestützten Identifikation bzw. Verifikation von Lebewesen basierend auf einem oder mehreren spezifischen biometrischen Merkmalen“ in Klasse 42.
6 Mit Entscheidung vom 25. Juni 1999 wies der Prüfer die Anmeldung mit der Begründung zurück, dass die angemeldete Marke im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/ 94 für die beanspruchten Waren beschreibend sei und keine Unterscheidungskraft habe. Gegen diese Entscheidung legte die Rechtsmittelführerin Beschwerde ein.
7 Mit der streitigen Entscheidung wies die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass die Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit eine Abkürzung der Wörter „biometric identification“ (biometrische Identifikation) darstelle und, da sie damit Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibe, nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/ 94 von der Eintragung ausgeschlossen sei. Die grafischen Elemente der Anmeldemarke könnten ihr keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung verleihen.
Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil
8 Mit Klageschrift, die am 25. April 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Rechtsmittelführerin Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung erhoben; sie stützte sich hierfür auf die beiden Klagegründe eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 und eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c.
9 Das Gericht, das die Klage abgewiesen hat, hat in Randnummer 23 des angefochtenen Urteils zunächst ausgeführt:
„Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 erfasst nach der Rechtsprechung insbesondere Marken, die aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise im geschäftlichen Verkehr für die Präsentation der fraglichen Waren oder Dienstleistungen gewöhnlich verwendet werden oder für die zumindest aufgrund konkreter Hinweise anzunehmen ist, dass sie in dieser Weise verwendet werden können. Solche Marken ermöglichen es den maßgeblichen Verkehrskreisen im Übrigen nicht, bei einem späteren Erwerb, wenn ihre Erfahrung beim ersten Erwerb positiv war, die gleiche Wahl oder, wenn sie negativ war, eine andere Wahl zu treffen (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache T-79/ 00, Rewe-Zentral/ HABM [LITE], Slg. 2002, II-705, Randnr. 26).“
10 In Randnummer 25 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass die maßgeblichen Verkehrskreise jedenfalls aus Personen bestünden, die über den Bereich dieser Waren und Dienstleistungen gut unterrichtet seien.
11 Es hat sodann in Randnummer 27 des Urteils ausgeführt, dass die in Frage stehende Anmeldemarke als eine aus mehreren Elementen zusammengesetzte Marke in ihrer Gesamtheit zu betrachten sei, um ihre Unterscheidungskraft zu beurteilen. Dies schließe es jedoch nicht aus, dass die verschiedenen Elemente, aus denen die Marke zusammengesetzt sei, nacheinander geprüft würden.
12 Zum angemeldeten Zeichen selbst hat das Gericht in Randnummer 28 des angefochtenen Urteils dargelegt, dass im Englischen das Element „ID“ eine übliche Abkürzung für das Substantiv „identification“ (Identifizierung) sei und die Vorsilbe „Bio“ als Abkürzung entweder für das Adjektiv „biological“ (biologisch) oder „biometrical“ (biometrisch) oder für das Substantiv „biology“ (Biologie) stehen könne. In Randnummer 29 des Urteils hat das Gericht hinzugefügt, dass angesichts der durch die Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen die maßgeblichen Verkehrskreise das Wortelement BioID im Sinne von „biometrical identification“ (biometrische Identifikation) verstünden.
13 Zu den in der Anmeldung bezeichneten Waren und Dienstleistungen hat das Gericht in den Randnummern 30 bis 32 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die biometrische Identifikation von Lebewesen den Einsatz der zur Klasse 9 gehörenden Waren umfasse und sogar erfordere und sich das Wortelement BioID außerdem, da die zu den Klassen 38 und 42 gehörenden Dienstleistungen durch eine biometrische Identifikation erbracht würden oder die Entwicklung von Systemen für solche Identifikationen bezweckten, unmittelbar auf eine Eigenschaft dieser Dienstleistungen beziehe, die für die maßgeblichen Verkehrskreise bei der Auswahl unter ihnen von Bedeutung sein könne.
14 In Randnummer 34 des angefochtenen Urteils heißt es weiter, dass die Wortbildung BioID aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise im geschäftlichen Verkehr für die Präsentation der in der Anmeldung aufgeführten Arten von Waren und Dienstleistungen gewöhnlich verwendet werden könne. Daher habe sie für diese Kategorien von Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft.
15 In Randnummer 37 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass die Bildbestandteile der Anmeldemarke, nämlich die Verwendung der Schriftart „Arial“ und von Buchstaben unterschiedlicher Strichstärke, für die Präsentation von Waren und Dienstleistungen aller Art im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich verwendet würden und daher für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft hätten.
16 In den Randnummern 38 bis 40 des Urteils hat das Gericht zu den grafischen Elementen der Anmeldemarke ausgeführt, dass für den Punkt“?“ im Zeichen die Klägerin selbst eingeräumt habe, dass dieses Element als das letzte von mehreren Elementen einer Wortmarke gewöhnlich verwendet werde, um darauf hinzuweisen, dass eine Abkürzung vorliege. Zum Symbol „®“ hat das Gericht festgestellt, dass sich seine Funktion in der Angabe erschöpfe, dass es sich um eine für ein bestimmtes Schutzgebiet eingetragene Marke handele; bestehe eine derartige Eintragung in Wirklichkeit nicht, so begründe die Verwendung dieses grafischen Elements die Gefahr einer Irreführung des Verkehrs. Die genannten grafischen Elemente würden im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich für die Präsentation von Waren und Dienstleistungen aller Art verwendet und hätten daher für diese keine Unterscheidungskraft.
17 In Randnummer 41 des angefochtenen Urteils ist das Gericht nach der Prüfung der einzelnen Bestandteile der Anmeldemarke zu dem Ergebnis gekommen, es sei von jedem dieser Bestandteile anzunehmen, dass er für die Präsentation der in der Anmeldung aufgeführten Kategorien von Waren und Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich verwendet werden könne, und daher habe keiner dieser Bestandteile hinsichtlich dieser Waren und Dienstleistungen Unterscheidungskraft.
18 In den Randnummern 42 bis 44 des angefochtenen Urteils hat das Gericht dargelegt, dass die angemeldete Marke für die betreffenden Kategorien von Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft habe, da keine konkreten Anhaltspunkte – wie etwa die Art und Weise, in der die verschiedenen Bestandteile miteinander kombiniert seien – darauf hinwiesen, dass die komplexe Marke in ihrer Gesamtheit mehr darstelle als die Summe ihrer Bestandteile.
19 Zu dem Vorbringen, mit dem die Rechtsmittelführerin das Bestehen anderer eingetragener Gemeinschaftsmarken geltend gemacht hatte, hat das Gericht in Randnummer 47 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass in einer früheren Entscheidung des HABM angeführte Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art zwar Argumente darstellen könnten, auf die die Rüge eines Verstoßes gegen die Verordnung Nr. 40/ 94 gestützt werden könne, dass aber die Rechtsmittelführerin im vorliegenden Fall aus solchen Entscheidungen keine Gründe angeführt habe, die gegen die vorgenommene Beurteilung der Unterscheidungskraft der Anmeldemarke sprächen.
20 In den Randnummern 49 und 50 des angefochtenen Urteils hat das Gericht demgemäß entschieden, dass der Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 zurückzuweisen sei und dass unter diesen Umständen der weitere Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c nicht geprüft zu werden brauche.
Das Rechtsmittel
21 Die Rechtsmittelführerin beantragt, das angefochtene Urteil und die streitige Entscheidung aufzuheben und dem HABM die Kosten aufzuerlegen.
22 Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.
23 Die Rechtsmittelführerin stützt sich auf zwei Rechtsmittelgründe. Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht sie geltend, das Gericht habe das absolute Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 fehlerhaft und zu weit ausgelegt. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund rügt sie, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es den zweiten Klagegrund einer Verletzung der Verordnung nicht geprüft habe, was es bei zutreffender Auslegung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung hätte tun müssen.
Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94
24 Dieser Rechtsmittelgrund besteht aus vier Rügen.
Zur ersten Rüge in Bezug auf die Berücksichtigung des von der Anmeldemarke hervorgerufenen Gesamteindrucks
25 Mit dieser Rüge wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, es habe sich für seine Beurteilung der Frage, ob die Anmeldemarke Unterscheidungskraft habe, nicht auf das Kriterium des von der Marke bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorgerufenen Gesamteindrucks gestützt. Zwar habe das Gericht die verschiedenen Bild- und grafischen Elemente der Marke im Einzelnen untersucht und daraus Schlüsse gezogen, es habe aber nicht wirklich den Gesamteindruck gewürdigt.
26 Das HABM meint, das Gericht habe die Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit gewürdigt, auch wenn es zutreffend darauf hingewiesen habe, dass es dieser Ansatz nicht ausschließe, mit einer Analyse der jeweiligen Bestandteile zu beginnen. Eine solche Analyse ergebe jedoch, dass der Gesamteindruck der verschiedenen Bestandteile der Anmeldemarke der einer Marke ohne Unterscheidungskraft sei.
27 Insoweit ist erstens daran zu erinnern, dass die Hauptfunktion der Marke darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. u. a. Urteile vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache 102/ 77, Hoffmann-La Roche, Slg. 1978, 1139, Randnr. 7, und vom 18. Juni 2002 in der Rechtssache C-299/ 99, Philips, Slg. 2002, I-5475, Randnr. 30). Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 bezweckt somit, die Eintragung von Marken zu verhindern, die keine Unterscheidungskraft haben, denn diese allein macht Marken geeignet, ihre Hauptfunktion zu erfüllen (Urteil vom 16. September 2004 in der Rechtssache C-329/ 02 P, SAT. 1/ HABM, Slg. 2004, I-8317, Randnr. 23).
28 Zweitens ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Zeichen als Marke eintragungsfähig ist, die Sichtweise der maßgeblichen Verkehrskreise zugrunde zu legen.
29 Drittens kann die etwaige Unterscheidungskraft einer komplexen Marke wie der streitigen zwar teilweise anhand einer gesonderten Prüfung ihrer einzelnen Wort- oder sonstigen Bestandteile beurteilt werden, doch muss sie jedenfalls auf der Gesamtwahrnehmung der Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise beruhen, nicht aber auf der Vermutung, dass Bestandteile, die isoliert betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, auch im Fall ihrer Kombination nicht unterscheidungskräftig werden können (Urteil SAT. 1/ HABM, Randnr. 35). Dass jeder dieser Bestandteile für sich betrachtet keine Unterscheidungskraft hat, schließt es nicht aus, dass ihre Kombination unterscheidungskräftig sein kann (vgl. entsprechend Urteile vom 12. Februar 2004 in den Rechtssachen C-363/ 99, Koninklijke KPN Nederland, Slg. 2004, I-1619, Randnrn. 99 und 100, und C-265/ 00, Campina Melkunie, Slg. 2004, I-1699, Randnrn. 40 und 41, und Urteil SAT. 1/ HABM, Randnr. 28).
30 Im Urteil SAT. 1/ HABM, das die Anmeldung des Wortzeichens SAT. 2 als Gemeinschaftsmarke betraf, hat der Gerichtshof das Urteil des Gerichts vom 2. Juli 2002 in der Rechtssache T-323/ 00 (SAT. 1/ HABM [SAT. 2], Slg. 2002, II-2839) deshalb aufgehoben, weil das Gericht darin die Zurückweisung dieser Anmeldung auf die Vermutung gestützt hatte, dass Markenbestandteile, die isoliert betrachtet ohne Unterscheidungskraft sind, auch in der Kombination nicht unterscheidungskräftig sein könnten. Das Gericht hatte daher den von dem genannten Wortzeichen hervorgerufenen Gesamteindruck nur subsidiär geprüft und dabei Umständen wie dem Bestehen einer phantasievollen Gestaltung, die bei dieser Prüfung zu berücksichtigen sind, die Relevanz abgesprochen.
31 In Randnummer 27 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gesamtwürdigung einer komplexen Marke, um ihre Unterscheidungskraft zu beurteilen, nicht damit unvereinbar ist, dass die verschiedenen Elemente, aus denen die Marke zusammengesetzt ist, nacheinander geprüft werden.
32 Zwar hat das Gericht in Randnummer 42 des angefochtenen Urteils nach seiner Feststellung, dass die verschiedenen Bestandteile der Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft hätten, ausgeführt, es sei anzunehmen, dass die Anmeldemarke selbst keine Unterscheidungskraft habe.
33 Anders als im Fall des Urteils SAT. 1/ HABM (SAT. 2) hat diese Feststellung jedoch im vorliegenden Fall die vom Gericht vorgenommene Prüfung dieser Frage nicht beeinträchtigt, weil es den von der Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit hervorgerufenen Eindruck nicht nur subsidiär geprüft hat, sondern einen Teil seiner Überlegungen der Beurteilung widmete, ob die in Frage stehende komplexe Marke in ihrer Gesamtheit Unterscheidungskraft hat.
34 So hat das Gericht in Randnummer 42 des angefochtenen Urteils hervorgehoben, dass eine komplexe Marke für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft habe, wenn keine konkreten Anhaltspunkte – wie etwa die Art und Weise, in der die verschiedenen Bestandteile der Marke miteinander kombiniert sind – darauf hinwiesen, dass die Marke in ihrer Gesamtheit mehr darstelle als die Summe ihrer Bestandteile.
35 Weiterhin hat das Gericht in den Randnummern 43 und 44 des Urteils auf seine eingehende Analyse der typografischen Merkmale der Anmeldemarke in Randnummer 37 des Urteils und ihrer grafischen Elemente in den Randnummern 38 und 39 des Urteils verwiesen. Damit hat das Gericht diese Analyse in seine Prüfung des von der Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit hervorgerufenen Eindrucks einbezogen, um festzustellen, ob sie als Marke eintragungsfähig ist.
36 Schließlich hat das Gericht ausgeführt, dass die Struktur der Anmeldemarke nichts daran ändern könne, dass diese, insgesamt betrachtet, keine Unterscheidungskraft habe.
37 Diese Urteilsgründe weisen keinen Rechtsfehler auf, da das Gericht geprüft hat, ob die Anmeldemarke in ihrer Gesamtheit Unterscheidungskraft besitzt oder nicht.
38 Die erste Rüge im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Zur zweiten Rüge in Bezug auf den Nachweis einer tatsächlichen Verwendung der Anmeldemarke durch die Allgemeinheit oder Wettbewerber
39 Die Rechtsmittelführerin rügt zweitens, das Gericht habe bei seiner Feststellung, dass die Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft habe, außer Betracht gelassen, dass eine tatsächliche Benutzung der Anmeldemarke durch die Allgemeinheit oder Konkurrenten nicht habe nachgewiesen werden können, dass die Anmeldemarke nicht lexikalisch nachweisbar sei und dass eine Recherche im Internet nach Eingabe der Bezeichnung „biometric identification“ zwar 19 075 Treffer ergeben habe, die Anmeldemarke aber nur in Veröffentlichungen zu „biometric identification“ verwendet worden sei, die auf die Rechtsmittelführerin zurückgingen.
40 Das HABM meint, bei der konkreten Bewertung der Wirkung einer Marke auf die Verbraucher, die durch die in der Anmeldung aufgeführten Waren und Dienstleistungen klar definiert seien, handele es sich um eine Tatsachenfeststellung, die vom Gerichtshof nicht überprüft werde, soweit nicht eine Verfälschung der Tatsachen geltend gemacht werde. Da die Rechtsmittelführerin nichts vorgetragen habe, was die insoweit relevanten Tatsachenfeststellungen des Gerichts entkräften könnte, sei diese Rüge unzulässig
41 Hinsichtlich des Nachweises, dass die Anmeldemarke von der Allgemeinheit oder Wettbewerbern üblicherweise beschreibend verwendet wird, genügt zum einen der Hinweis, dass die Erbringung eines solchen Nachweises gegebenenfalls zwar im Rahmen von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe d der Verordnung Nr. 40/ 94, nicht jedoch im Rahmen von Buchstabe b ein relevanter Gesichtspunkt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2004 in der Rechtssache C-64/ 02 P, HABM/ Erpo Möbelwerk, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 40 und 46).
42 Zum anderen handelt es sich bei der konkreten Bewertung der Wirkung einer Marke auf die Verbraucher, die durch die in der Anmeldung aufgeführten Waren und Dienstleistungen klar definiert sind, um eine Tatsachenfeststellung. In Wirklichkeit verlangt die Rechtsmittelführerin damit vom Gerichtshof, dass er die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Tatsachen durch seine eigene ersetzt.
43 Wie sich aus den Artikeln 225 EG und 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes ergibt, ist das Rechtsmittel jedoch auf Rechtsfragen beschränkt. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2002 in der Rechtssache C-104/ 00 P, DKV/ HABM, Slg. 2002, I-7561, Randnr. 22, vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C-194/ 99 P, Thyssen Stahl/ Kommission, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 20, und vom 7. Oktober 2004 in der Rechtssache C-136/ 02 P, Mag Instrument/ HABM, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39).
44 Demnach ist die zweite Rüge im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes als teils unbegründet, teils unzulässig zurückzuweisen.
Zur dritten Rüge in Bezug auf die Berücksichtigung anderer eingetragener Gemeinschaftsmarken
45 Mit der dritten Rüge macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht hätte beachten müssen, dass andere vom HABM eingetragene Gemeinschaftsmarken, darunter nicht nur Marken, die aus der Vorsilbe Bio- und einem weiteren beschreibenden Begriff zusammengesetzt seien, sondern auch die Wortmarke Bioid, Indizien für die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke darstellten.
46 Das Amt macht geltend, dass frühere Entscheidungen nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden könnten, da es sich bei den Entscheidungen der Beschwerdekammern nicht um Ermessensentscheidungen, sondern um gebundene Entscheidungen handele. Die Liste der vom HABM zurückgewiesenen Wortmarken, die den Bestandteil „bio“ enthielten, sei genauso umfangreich wie die Liste der eingetragenen Marken mit diesem Bestandteil. Vergleichbare Eintragungen müssten Fall für Fall und insbesondere in Anbetracht der Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung der Marke beantragt worden sei, untersucht werden. Darüber hinaus könne die Wortmarke Bioid nicht ohne weiteres mit der Bildmarke BioID verglichen werden. Die bildliche, auch grafisch hervorgehobene Trennung von „Bio“ einerseits und „ID“ andererseits mache deutlich, dass es sich um zwei Bestandteile einer Marke handele, während es an solchen trennenden Elementen bei der Wortmarke Bioid völlig fehle.
47 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen der Beschwerdekammern über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke gemäß der Verordnung Nr. 40/ 94 gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern ist daher allein auf der Grundlage der Verordnung Nr. 40/ 94 in ihrer Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (Urteil des Gerichts vom 22. Juni 2005 in der Rechtssache T-19/ 04, Metso Paper Automation/ HABM [PAPERLAB], noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39).
48 Sodann ist die Unterscheidungskraft einer Marke anhand der in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen und der Wahrnehmung der Marke durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen.
49 Folglich hat die Identität oder Ähnlichkeit der Anmeldemarke mit einer anderen Gemeinschaftsmarke keinerlei Relevanz, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die für die Anmeldung der anderen Marke angeführt wurden, wie im vorliegenden Fall nicht von der Rechtsmittelführerin geltend gemacht werden, um die Unterscheidungskraft der Anmeldemarke darzutun.
50 Jedenfalls hat es das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin keineswegs abgelehnt, die aus der Entscheidungspraxis des HABM hergeleiteten Beweiselemente zu prüfen.
51 So hat das Gericht in Randnummer 47 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass in einer früheren Entscheidung angeführte Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art Argumente darstellen könnten, auf die die Rüge eines Verstoßes gegen die Verordnung Nr. 40/ 94 gestützt werden könne. Es hat jedoch in derselben Randnummer ausdrücklich hinzugefügt, dass die Rechtsmittelführerin im vorliegenden Fall aus den früheren Entscheidungen der Beschwerdekammern über die Eintragungsfähigkeit anderer Marken mit dem Element „Bio“ keine Gründe angeführt habe, die die Beurteilung seiner Unterscheidungskraft in der streitigen Entscheidung in Frage stellen könnten.
52 Im Übrigen hat das Gericht unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin in der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug, wonach das HABM die Wortmarke Bioid für die Waren- und Dienstleistungskategorien „Druckereierzeugnisse“, „Telekommunikation“ und „Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung“ eingetragen habe, darauf hingewiesen, dass entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerin die Anmeldemarke und die Wortmarke Bioid nicht austauschbar seien und dass sich die Wortmarke Bioid besonders wegen der Kleinschreibweise der Buchstaben „id“ dem Sinngehalt nach von der Wortbildung BioID unterscheide.
53 Schließlich ergibt sich, wie bereits oben in Randnummer 43 ausgeführt, aus den Artikeln 225 EG und 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes, dass das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge.
54 In Wirklichkeit wendet sich die Rechtsmittelführerin, die die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Ähnlichkeit oder Identität von eingetragenen Marken und damit der Einschlägigkeit vorheriger Entscheidungen des HABM beanstandet, jedoch gegen die vom Gericht vorgenommene Beurteilung von Tatsachen, ohne eine Verfälschung geltend zu machen oder darzulegen.
55 Die dritte Rüge im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes ist daher als teils unbegründet, teils unzulässig zurückzuweisen.
Zur vierten Rüge in Bezug auf das für die Zurückweisung einer Anmeldung heranzuziehende Kriterium
56 Mit der letzten Rüge im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes, die die Rechtsmittelführerin erstmals in der mündlichen Verhandlung erhoben hat, macht sie geltend, das Gericht habe Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 fehlerhaft ausgelegt, als es festgestellt habe, dass unter diese Bestimmung insbesondere Marken fielen, die aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise im geschäftlichen Verkehr für die Präsentation der fraglichen Waren oder Dienstleistungen gewöhnlich verwendet würden oder für die zumindest aufgrund konkreter Hinweise anzunehmen sei, dass sie in dieser Weise verwendet werden könnten.
57 Nach Auffassung des Amtes ist diese Feststellung des Gerichts, wonach die Anmeldemarke gewöhnlich verwendet werden könne, nicht fehlerhaft. Die Marke könne von dem begrenzten Publikum, an das sich die Anmeldung richte, nicht ohne weiteres als eine auf die Produktherkunft hinweisende Marke erkannt werden. Das HABM hat in der mündlichen Verhandlung außerdem implizit die Frage aufgeworfen, ob diese in der Rechtsmittelschrift nicht erhobene Rüge zulässig sei.
58 Dazu ist, wie auch der Generalanwalt in Nummer 25 seiner Schlussanträge dargelegt hat, festzustellen, dass diese Rüge zur Stützung des ersten Rechtsmittelgrundes erhoben wird, mit dem die Rechtsmittelführerin vor dem Gerichtshof geltend macht, das Gericht habe das absolute Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft einer Marke gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 fehlerhaft ausgelegt. Es handelt sich folglich nicht um einen neuen Rechtsmittelgrund im Sinne von Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung.
59 In der Sache ist zu der Rüge darauf hinzuweisen, dass jedes der in Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/ 94 genannten Eintragungshindernisse unabhängig von den anderen zu sehen ist und getrennt geprüft werden muss (vgl. Urteil HABM/ Erpo Möbelwerk, Randnr. 39). Außerdem sind diese Eintragungshindernisse im Licht des Allgemeininteresses auszulegen, das jedem von ihnen zugrunde liegt. Das bei der Prüfung jedes dieser Eintragungshindernisse berücksichtigte Allgemeininteresse kann oder muss sogar je nach dem betreffenden Eintragungshindernis in unterschiedlichen Erwägungen zum Ausdruck kommen (Urteil vom 29. April 2004 in den Rechtssachen C-456/ 01 P und C-457/ 01 P, Henkel/ HABM, Slg. 2004, I-5089, Randnrn. 45 und 46, und Urteil SAT. 1/ HABM, Randnr. 25).
60 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der dem Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 zugrunde liegende Begriff des Allgemeininteresses und die Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung dadurch zu garantieren, dass sie ihm die Unterscheidung dieser Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft ermöglicht, offensichtlich ineinander übergehen (Urteil SAT. 1/ HABM, Randnrn. 23 und 27).
61 Für seine Beurteilung, dass die Anmeldemarke unter Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b fällt, hat das Gericht indessen in den Randnummern 23, 34, 41 und 43 des angefochtenen Urteils hauptsächlich darauf abgestellt, dass die Anmeldemarke im geschäftlichen Verkehr gewöhnlich verwendet werde.
62 Wie der Gerichtshof jedoch in Randnummer 36 des Urteils SAT. 1/ HABM entschieden hat, ist dieses Kriterium zwar im Rahmen von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/ 94 relevant, es ist aber nicht das Kriterium, das für die Auslegung von Buchstabe b gilt.
63 Damit ist festzustellen, dass die Rüge, wonach das Gericht ein nicht im Rahmen von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung relevantes Kriterium, sondern das für Buchstabe c maßgebende Kriterium angewandt habe, begründet ist.
64 Der erste Rechtsmittelgrund einer fehlerhaften Auslegung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 greift daher durch.
65 Demnach ist, ohne dass der zweite Rechtsmittelgrund geprüft zu werden braucht, das angefochtene Urteil aufzuheben, da das Gericht Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 fehlerhaft ausgelegt hat.
Begründetheit der Klage im ersten Rechtszug
66 Nach Artikel 61 Absatz 1 Satz 2 seiner Satzung kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Das ist hier der Fall.
67 Wie oben in den Randnummern 27 und 28 festgestellt, ist für die Beurteilung der Frage, ob die Anmeldemarke dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung garantiert, indem sie es ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden, die Sichtweise der maßgeblichen Verkehrskreise zugrunde zu legen.
68 Angesichts der in der Anmeldung bezeichneten und oben in Randnummer 5 aufgeführten Waren und Dienstleistungen ist davon auszugehen, dass es sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen um ein im Bereich dieser Waren und Dienstleistungen erfahrenes, normal informiertes und angemessen aufmerksames und verständiges Publikum handelt.
69 Die Anmeldemarke enthält das Wortelement BioID und Bildelemente, nämlich die typografischen Merkmale des Wortelements, sowie zwei daran angefügte grafische Elemente, nämlich einen Punkt (?) und ein Symbol (®).
70 Was das Wortelement anbelangt, so werden die maßgeblichen Verkehrskreise, wie das HABM in der streitigen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, BioID im Licht der in der Anmeldung bezeichneten Waren und Dienstleistungen als Zusammensetzung aus der Abkürzung des Adjektivs „biometrical“ und des Substantivs „identification“ und damit in der Gesamtbedeutung von „biometrical identification“ auffassen. Damit erscheint das Wortelement, das sich von den in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht trennen lässt, aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise nicht geeignet, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren.
71 Da außerdem die typografischen Merkmale der Wortbildung BioID häufig verwendet werden und jede unterscheidungskräftige Besonderheit fehlt, verleihen auch die verwendete Schriftart „Arial“ und die Buchstaben unterschiedlicher Strichstärke der Anmeldemarke nicht die Eignung, den maßgeblichen Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen zu garantieren.
72 Auch die beiden der Wortbildung BioID nachgestellten grafischen Elemente, ein Punkt (?) und ein Symbol (®), enthalten nichts, was es den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglichen könnte, die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen ohne Verwechslungsgefahr von Waren und Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden. Diese grafischen Elemente können folglich für die betroffenen Waren und Dienstleistungen nicht die oben in Randnummer 25 genannte Hauptfunktion einer Marke erfüllen.
73 Weiterhin erscheint, wie der Generalanwalt in Nummer 105 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, bei der Prüfung des Gesamteindrucks, den die Anmeldemarke bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft, das nicht unterscheidungskräftige Wortelement BioID als der dominierende Bestandteil der Marke.
74 Wie das HABM in Randnummer 21 der streitigen Entscheidung dargelegt hat, sind die Bild- und grafischen Elemente außerdem so minimaler Natur, dass sie der Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft verleihen können. Sie weisen keinen Aspekt, etwa der phantasievollen Gestaltung oder der Art ihrer Kombination, auf, der es der Anmeldemarke ermöglichen würde, für die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen ihre Hauptfunktion zu erfüllen.
75 Nach alledem hat die Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94. Demnach ist die Klage der Rechtsmittelführerin gegen die streitige Entscheidung abzuweisen.
Kosten
76 Gemäß Artikel 122 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach Artikel 118 der Verfahrensordnung im Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM die Verurteilung der Rechtsmittelführerin zur Tragung der Kosten beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten beider Instanzen aufzuerlegen.
* Verfahrenssprache: Deutsch.
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