BPatG: zero ./. „Xxero Luxury Cosmetics“ – Verwechslungsgefahr bei klanglicher Ähnlichkeit von Marken Beschluss vom 21.04.2009 – 24 W (pat) 37/08

1. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr gem. § 9 Absatz I Nr. 2 MarkenG wird – herkömmlicher deutscher Auffassung und ständiger Praxis entsprechend – weiterhin davon ausgegangen, dass bereits eine Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen in einer Richtung (im vorliegenden Fall in phonetischer) für die Annahme einer solchen ausreichend ist. Der in der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Gemeinschaft entwickelten so genannten Neutralisierungslehre vermag sich der Senat angesichts der entgegenstehenden gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland (zuletzt BGH, GRUR 2008, GRUR Jahr 2008 Seite 803 Rdnr. 21 – HEITEC; GRUR 2008, GRUR Jahr 2008 Seite 903 Rdnr. 17 – SIERRA ANTIGUO) nicht anzuschließen.

2. Die Marken „Xxero Luxury Cosmetics“, wobei der auch in Alleinstellung zu berücksichtigende Eingangsbestandteil klanglich (meist) als „ksero“ in Erscheinung tritt, und „zero“ (überwiegend gesprochen wie „tsero“) sind sich phonetisch hochgradig ähnlich und unterliegen für, jeweils identisch registrierte, Körperpflegemittel und Parfümeriewaren einer (unmittelbaren) Verwechslungsgefahr.

Anmerkung:
In der Entscheidung zur Verwechslungsgefahr zwischen den Marken zero und Xxero Luxury Cosmetics geht das Gericht davon aus, dass bereits eine phonetische Ähnlichkeit ausreiche, um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen. Der vom EuG entwickelten und dem EuGH gebilligten sog. „Neutralisierungslehre“, wonach die klangliche Ähnlichkeit der Zeichen unter Umständen für eine Annahme der Verwechslungsgefahr nicht ausreiche, wenn das Schriftbild und/oder der Sinngehalt deutlich erkennbare Abweichungen aufwiesen, hat sich der Senat nicht angeschlossen.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist nicht eingelegt worden.

BPatG, Beschluss vom 21.04.2009 – 24 W (pat) 37/08zero ./. Xxero Luxury Cosmetics
§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b Nr. 1 MarkenG

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache


betreffend die Marke 304 36 310

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Viereck und Eisenrauch in der Sitzung vom 21. April 2009

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Januar 2006 und vom 18. Februar 2008 aufgehoben.

2. Die Marke 304 36 310 wird wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 1 051 515 hinsichtlich der Waren

„03: Mittel zur Körper-und Schönheitspflege, Haarwässer, ätherische Öle, Seifen, Desodorierungsmittel für den privaten Gebrauch“

gelöscht.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

G r ü n d e

I.
Die am 23. Juni 2004 angemeldete Wortmarke

Xxero Luxury Cosmetics

wurde am 23. November 2004 für Waren der Klasse 3 sowie Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 unter der Nr. 304 36 310 in das Markenregister eingetragen. Die Veröffentlichung erfolgte am 24. Dezember 2004.

Widerspruch erhoben, beschränkt auf die Waren der jüngeren Marke

„03: Mittel zur Körper-und Schönheitspflege, Haarwässer, ätherische Öle, Seifen, Desodorierungsmittel für den privaten Gebrauch“,

ist aus der am 22. Januar 1999 angemeldeten Gemeinschaftsmarke

zero

die seit dem 2. April 2004 u. a. für die Waren

„03: kosmetische Seifen; Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper-und Schönheitspflege“

unter der Nr. 1 051 515 registriert ist.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschlüssen vom 16. Januar 2006 und vom 18. Februar 2008, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.

Trotz Warenidentität bzw. -ähnlichkeit und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke – Tatsachen, die den Schluss auf eine erhöhte Verkehrsbekanntheit zuließen, seien nicht liquide oder amtsbekannt – wiesen die sich gegenüberstehenden Marken keine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit auf. Im Schriftbild und im Klang ergäben sich deutliche Unterschiede am jeweiligen Wortanfang. In der jüngeren Marke werde „Xx“ phonetisch doppelt (wie „icksksero“) wiedergegeben. Zudem wirke der Bedeutungsgehalt von „zero“ (englisch „null“) Kollisionen entgegen. „Xxero“ komme auch nicht als Stammbestandteil einer Zeichenserie der Widersprechenden in Betracht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie beantragt (sinngemäß),

die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben. Sie erstrebt weiterhin die Löschung der jüngeren Marke, soweit mit dem Widerspruch angegriffen.

Die Widerspruchsmarke weise infolge langjähriger kontinuierlicher Benutzung eine erhöhte Kennzeichnungskraft auf. Aber auch bei Zugrundelegung eines durchschnittlichen Schutzumfangs reiche der Abstand der Marken angesichts der Warenidentität für einen Ausschluss der Verwechslungsgefahr nicht aus. Die jüngere Marke werde durch das am Anfang stehende Element „Xxero“ geprägt, da die weiteren Bestandteile „Luxury Cosmetics“ glatt beschreibend seien und deshalb in den Hintergrund träten. Die somit sich gegenüberstehenden Wortelemente „Xxero“ und „zero“ seien sich phonetisch hochgradig ähnlich. Sie stimmten in der Lautfolge „ero“ überein und auch die Anfangslaute „Xx“ (gesprochen wie „ks“) und „z“ würden ähnlich klingen. Der Bedeutungsgehalt von „zero“ im Englischen verhindere die Verwechslungsgefahr nicht, da ein Teil des deutschen Verkehrs die-sen nicht erkenne und keine Ähnlichkeit zu dem entsprechenden deutschen Zahlwort „null“ vorhanden sei. Die Rechtsprechung der europäischen Gerichte zur sog. Neutralisierung einer (nur) klanglichen Zeichenähnlichkeit durch schriftbildliche oder begriffliche Unterschiede sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Eine Stellungnahme des Markeninhabers ist im Beschwerdeverfahren nicht zur Gerichtsakte gelangt.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der ergangenen Beschlüsse der Markenstelle und zur Löschung der jüngeren Marke, soweit mit dem Widerspruch angegriffen.

1. Die sich gegenüberstehenden Marken unterliegen – entgegen der Auffassung der Markenstelle – der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125b Nr. 1 MarkenG. Ob Verwechslungsgefahr im Sinne dieser Vorschriften vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und der bei der Auswahl zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen.

a) Die für die jüngere Marke registrierten verfahrensgegenständlichen Waren sind mit denen der Widerspruchsmarke in vollem Umfang gleich, da der weite Oberbegriff „Mittel zur Körper-und Schönheitspflege“ auch solche Waren umfasst, welche im Verzeichnis der Widerspruchsmarke keine unmittelbare Entsprechung finden (wie Haarwässer und Desodorierungsmittel).

b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liegt im durchschnittlichen Bereich. Für eine Verminderung des Schutzumfangs fehlt es an Anhaltspunkten. Zwar können fremdsprachige Zahlwörter – „zero“ bedeutet im Englischen und Französischen „null“ – u. U. kennzeichnungsschwach sein, allerdings nur dann, wenn in Anbetracht der jeweiligen Waren ein Verständnis als Mengenangabe oder Typenbezeichnung naheliegt (vgl. BPatG GRUR 2006, 868 – go seven); dies ist bei den vorliegend verfahrensgegenständlichen Produkten in Klasse 3 aber nicht der Fall. Andererseits reichen die seitens der Widersprechenden im patentamtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen nicht aus, um eine Steigerung des Schutzumfangs zu belegen. Eine etwaige Bekanntheit der Marke „zero“ für (modische) Bekleidung strahlt nicht ohne weiteres auf den Sektor der Körperpflegemittel und Parfümeriewaren aus.

c) In ihrer Gesamtheit sind sich die Vergleichszeichen im Hinblick auf die Länge des jüngeren Zeichens nicht ähnlich. Jedoch liegt der kennzeichnende Schwerpunkt dieser Marke eindeutig auf dem Eingangselement „Xxero“. Zwar kann auch ein Bestandteil, der eine beschreibende Angabe enthält, zum Gesamteindruck einer Marke beitragen (vgl. BGH GRUR 2008, 719, 722, Nr. 37 – idw Informationsdienst Wissenschaft), ein solcher Fall ist vorliegend aber nicht gegeben. Die weiteren Wortbestandteile „Luxury Cosmetics“ sind für die beanspruchten Erzeugnisse in so deutlicher Weise beschreibend, dass sie von breiten deutschen Publikumskreisen als nicht zur Marke gehörig empfunden werden. Mithin ist „Xxero“ auch in Alleinstellung der Widerspruchsmarke „zero“ gegenüberzustellen. Zwar wird die auffällige Verdoppelung des „X“ am Anfang des Eingangselements der angegriffenen Marke bei optischer Wahrnehmung nicht übersehen, so dass schriftbildlich keine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit mit „zero“ vorhanden ist.

Bei phonetischer Aufnahme und Wiedergabe von „Xxero“, die – generell und auch auf dem vorliegenden Warengebiet – nicht zu vernachlässigen ist, kommt dieses Wortelement aber der Widerspruchsmarke sehr nahe. Es ist nämlich nicht nur (oder in erster Linie) mit einer Aussprache wie „icksksero“ zu rechnen, sondern auch mit einer solchen wie „ksero“, bei der klanglich die (schriftbildliche) Verdoppelung des „X“ keinen Niederschlag findet. Denn doppelte gleiche Anfangskonsonanten führen in der Regel keineswegs dazu, dass der betreffende Laut zweifach wiedergegeben würde (vgl. Lloyd, gesprochen wie „leud“).

Bei der Widerspruchsmarke ist nicht in erster Linie von einer Aussprache nach englischen (oder gar französischen) Sprachregeln auszugehen, sondern von einer buchstabengetreuen deutschen Artikulation (wie „tsero“). Es liegt auf der Hand, dass sich die mithin vorrangig zu berücksichtigenden Aussprachevarianten „ksero“ und „tsero“ klanglich sehr nahe kommen, und zwar nicht nur unter ungünstigen Übermittlungsbedingungen.

d) Die Aufmerksamkeit des Publikums bei Auswahl und Erwerb von Waren der vorliegenden Art wird nicht einheitlich sein; bei – teils auch preislich gehobenen – Parfümeriewaren, bei denen die Kundinnen im Allgemeinen markenbewusst sind, eher höher, bei sonstigen, häufig niedrigpreisigen Körperpflegemitteln dagegen nicht besonders hoch. Von durchweg großer Aufmerksamkeit kann jedenfalls nicht ausgegangen werden.

e) Die Gesamtabwägung ergibt, dass vor allem in Anbetracht der Warenidentität und der nicht unbeträchtlichen klanglichen Zeichenähnlichkeit von (unmittelbarer) Verwechslungsgefahr auszugehen ist.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung davon aus, dass – herkömmlicher deutscher Auffassung und ständiger Praxis entsprechend – bereits eine Annäherung der Marken in einer Richtung, d. h. hier in phonetischer, ausreicht, um eine Verwechslungsgefahr zu bejahen (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs; zuletzt GRUR 2008, 803, 804, Nr. 21 – HEITEC; GRUR 2008, 903, 904, Nr. 17 – SIERRA ANTIGUO). Der vor allem in der Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaft entwickelten und vom Europäischen Gerichtshof gebilligten sog. Neutralisierungslehre (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, 238, Nr. 20 – PICASSO; GRUR 2006, 413, 415, Nr. 35 – ZIRH/SIR; GRUR 2008, 343, 344, Nr. 32, 34 – BAINBRIDGE), wonach die klangliche Ähnlichkeit der Zeichen dann u. U. nicht für die Annahme von Verwechslungsgefahr ausreicht, wenn das Schriftbild und/oder der Sinngehalt deutlich erkennbare Abweichungen aufweisen, vermag sich der Senat angesichts der entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland nicht anzuschließen.

Die Entscheidung der Markenstelle kann daher keinen Bestand haben. Dem Widerspruch ist stattzugeben und die Marke 304 36 310 hinsichtlich der angegriffenen Waren in Klasse 3 zu löschen.

2. Für eine Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.

3. Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG zugelassen. Die Grundsatzfrage, ob eine Verwechslungsgefahr auch dann anzunehmen ist, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine Zeichenähnlichkeit nur in klanglicher, nicht aber in schriftbildlicher Hinsicht vorhanden ist, oder ob in einem solchen Fall die phonetische Verwechslungsgefahr als „neutralisiert“ anzusehen ist, bedarf angesichts der unterschiedlichen Rechtsprechung auf europäischer und nationaler Ebene höchstrichterlicher Erörterung und Klärung.

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