BPatG: Topline

BPatG, Beschluss vom 15.03.2007 – 27 W (pat) 98/06
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

Leitsatz:

Zur Frage der Voreintragung identischer oder vergleichbarer Marken.

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 306 14 714.9

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 15. März 2007 durch …
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 21. August 2006 die Anmeldung der Wortmarke

Topline

für verschiedene Waren der Klassen 9, 11, 15 und 20 nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen, weil die angesprochenen Verkehrskreise diese als üblichen Hinweis auf eine Spitzenproduktlinie bzw. auf Waren von höchster Qualität ansähen und damit in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren erkennen könnten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 21. August 2006 aufzuheben.

Sie hält die Anmeldemarke weiterhin für schutzfähig, weil sie die beanspruchten Waren nicht unmittelbar beschreiben könne und weist im Übrigen auf zahlreiche Voreintragungen identischer Bezeichnungen hin. Im Hinblick darauf regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

II.
A. Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt. Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

Mit der Markenstelle geht auch der Senat davon aus, dass der angemeldeten Bezeichnung ungeachtet der Frage eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG jedenfalls jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG fehlt, also nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] – Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 – St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 – Unter Uns) die Eignung, von den Abnehmern, an welche sich die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Trotz des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1995, 408 [409] – PROTECH; BGH GRUR 2001, 413, 415 – SWATCH) ist nämlich davon auszugehen, dass die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2) in ihr keinen Hinweis mehr auf die Herkunft der beanspruchten Waren aus einem bestimmten Unternehmen sehen, sondern ihr nur einen für diese Waren im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen werden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) und sie nur als Werbeaussage allgemeiner Art verstehen werden (vgl. BGH MarkenR 2000, 262, 263 – Unter uns; WRP 2000, 298, 299 – Radio von hier; WRP 2000, 300, 301 – Partner with the best; GRUR 2001, 1047, 1048 – LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 – Test it.; GRUR 2002, 1070, 1071 – Bar jeder Vernunft).

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, besteht die Anmeldemarke für den Verkehr ohne Mühe erkennbar aus den beiden zum englischen Grundwortschatz gehörenden Worten „top“ für „oberster Punkt, Spitze“ und „line“, welches im geschäftlichen Verkehr nach ständiger nationaler und europäischer Rechtsprechung die Produkt- oder Sortimentslinie bzw. -serie bezeichnet (vgl. BGH GRUR 1996, 68, 69 – COTTONLINE; BPatGE 30, 227, 228 – LADYLINE; BPatGE 34, 11 – Glass-Line; s. a. von den zahlreichen auf der PAVIS-CD-ROM veröffentlichten Zurückweisungen von Marken mit dem Bestandteil „Line“ u. a. BGH I ZB 7/95 und 8/95 – Active Line; BPatG 25 W (pat) 9/95 und 24 W (pat) 76/95 – Topline; 30 W (pat) 53/95 – POWERLINE; 24 W (pat) 237/95 – TRENDLINE; 32 W (pat) 89/96 – ComfortLine; 32 W (pat) 157/96 – TOPLINE; 32 W (pat) 171/96 – Profiline; 29 W (pat) 209/96 – SALES LINE; 28 W (pat) 190/98 – Trendline; EuG T 0019/99 – COMPANYLINE; HABM R0741/99 1 – EUROLINE; R0690/99 3 – TOP-LINE). In ihrer Zusammenfügung wird der Verkehr der Anmeldemarke daher nur den ihm aus zahlreichen Verwendungen für jegliche Art von Waren geläufigen schlichten Sachhinweis darauf entnehmen, dass es sich bei den beanspruchten Waren um solche handelt, welche einer Spitzenproduktserie des jeweiligen Warenanbieters angehören. Soweit die Anmelderin geltend macht, damit würden nicht Merkmale der beanspruchten Waren beschrieben, irrt sie; denn mit dem Hinweis auf die Angehörigkeit zur Spitzenproduktlinie wird eine Aussage über die Qualität der beanspruchten Waren und damit über eines ihrer für die Kaufentscheidung wesentlichsten Merkmale getroffen (st. Rspr., vgl. BPatG 33 W (pat) 45/01 – TopLine; 25 W (pat) 9/95 – Topline; 24 W (pat) 76/96 – Topline; 32 W (pat) 157/95 – TOP-LINE; ähnlich EuGH GRUR 2003, 58 – Companyline; BGH GRUR 1998, 394 – Active Line; BPatG 24 W (pat) 262/99 – babyline; 28 W (pat) 117/95 – BIOLINE; 32 W (pat) 78/95 – BLUE LINE; 25 W (pat) 134/01 – c@rline; 29 W (pat) 12/99 – Colorline; 32 W (pat) 89/96 – ComfortLine; 28 W (pat) 41/05 – CREATIVE LINE; 33 W (pat) 210/03 – creative line; 27 W (pat) 235/00 – CyberLine; 25 W (pat) 34/05 – Danceline; 32 W (pat) 154/96 – ecoLINE; 32 W (pat) 59/98 – EUROLINE; 28 W (pat) 24/98 – EUROLINE; 28 W (pat) 133/96 – Fantasy-Line; 32 W (pat) 108/05 – GOURMET LINE; 33 W (pat) 122/97 – Green-Line; 33 W (pat) 144/99 – GREENLINE; 30 W (pat) 187/03 – Handyline; 30 W (pat) 6/02 – HighQLine; 28 W (pat) 378/03 – Hobby Line; 32 W (pat) 18/97 – Kitchenline; 25 W (pat) 126/03 – Language Line; 32 W (pat) 411/02 – LearnLine; 27 W (pat) 103/03 – magic line; 27 W (pat) 336/03 – MEGALINE; 24 W (pat) 30/95 – NEURON-LINE; 30 W (pat) 53/95 – POWERLINE; 32 W (pat) 171/96 – Profiline; 27 W (pat) 306/00 – STARLINE; 28 W (pat) 190/98 – Trendline; 24 W (pat) 237/95 – TRENDLINE; 27 W (pat) 46/01 – FUNLine; sämtliche Entscheidungen veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM). Ungeachtet ihres beschreibenden Gehalts handelt es sich wegen der Üblichkeit eines solchen Hinweises im Geschäftsleben auch um eine Werbeaussage allgemeiner Art, bei der einer Bezeichnung nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis abzusprechen ist.

Unbehelflich ist schließlich auch der Hinweis auf Voreintragungen identischer Bezeichnungen.
Voreintragungen kommen nach ständiger Rechtsprechung – wenn überhaupt – allenfalls indizielle Bedeutung zu; das Indiz ist jedoch bereits widerlegt, wenn wie hier die mangelnde Eignung einer Bezeichnung als Unterscheidungsmittel feststeht. Auch aus dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung kann einer Voreintragung keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Der Gedanke der Selbstbindung der Verwaltung könnte nämlich bei Markeneintragungen nur dann zum Tragen kommen, wenn die Voreintragung als rechtmäßig erachtet würde; andernfalls hätte es nämlich die Verwaltung in der Hand, durch rechtswidriges Verwaltungshandeln gesetzliche Vorschriften zu unterlaufen und stattdessen eigene normative Vorgaben zu entwickeln, was weder mit dem Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 GG) noch im vorliegenden Fall einer Markeneintragung mit dem Grundsatz der Vereinbarkeit des Handelns der nationalen Markenregisterbehörden mit den Vorgaben der europäischen Markenrechtsrichtlinie vereinbar wäre. Für die Rechtmäßigkeit einer Voreintragung bestehen aber weder objektive Anhaltspunkte noch spricht hierfür eine (widerlegliche) Vermutung. Wird die Schutzfähigkeit einer später angemeldeten Bezeichnung verneint, wird damit zwangsläufig auch eine Aussage über die Rechtsmäßigkeit der Voreintragung von mit der angemeldeten Bezeichnung identischen Bezeichnungen für dieselben Waren und Dienstleistungen getroffen, so dass diese somit als rechtswidrig anzusehenden Voreintragungen schon aus diesem Grund keine Präjudizwirkung für die Eintragung einer später angemeldeten Kennzeichnung haben können. Werden die früheren Eintragungen demgegenüber für rechtmäßig erachtet, gelten die hierfür sprechenden Sachgründe auch für die identische später angemeldete Marke, so dass es eines Rückgriffs auf den Gedanken der Selbstbindung der Verwaltung von Vorneherein erst gar nicht bedarf. Dass für die Richtigkeit der Beurteilung der Schutzfähigkeit oder Schutzunfähigkeit der später angemeldeten Bezeichnung wiederum weder objektive Anhaltspunkte noch eine widerlegliche Vermutung besteht, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen von selbst, so dass im Fall der Verneinung der Schutzfähigkeit einer später angemeldeten Marke auch kein zwangsläufiger Schluss auf die Löschungsreife früherer identischer Eintragungen gezogen werden kann, welche vielmehr der dann zur Entscheidung berufenen Stelle nach ihrer eigenen Beurteilung überlassen bleibt. Im Ergebnis kann einer Voreintragung somit keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen (i. E. ebenso Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 8 Rn. 25).

Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zutreffend die Eintragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

B. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Zu befinden war vielmehr allein auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung über die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls. Auch die Frage der Bedeutung von Voreintragungen rechtfertigt nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil sie bereits mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung mit dem vom Senat geteilten Ergebnis war und eine von den obigen Ausführungen abweichende Sichtweise ohne Missachtung verfassungs- und europarechtlicher Vorgaben nicht vorstellbar ist, so dass es einer erneuten Befassung der höchstrichterlichen Instanzen – wobei im Übrigen im Falle von Markeneintragungen dem Europäischen Gerichtshof die allein entscheidende Bedeutung zukommt – nicht bedarf.

(Unterschriften)

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