EuGH, Urteil vom 11.05.2006 – C-416/04 P – Vitafruit
„Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b, 15 Absatz 3 und 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 40/ 94 – Verwechslungsgefahr – Anmeldung der Wortmarke VITAFRUIT als Gemeinschaftsmarke – Widerspruch des Inhabers der nationalen Wortmarke VITAFRUT – Ernsthafte Benutzung der älteren Marke – Nachweis der Zustimmung des Inhabers der älteren Marke zur Benutzung – Ähnlichkeit der Waren“
1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
2. The Sunrider Corp. trägt die Kosten des Verfahrens.
In der Rechtssache C-416/04 P betreffend ein Rechtsmittel nach Artikel 56 der Satzung des Gerichtshofes, eingereicht am 27. September 2004, The Sunrider Corp. mit Sitz in Torrance, Kalifornien (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Kockläuner, Rechtsmittelführerin, anderer Verfahrensbeteiligter: Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch: S. Laitinen und A. Folliard-Monguiral als Bevollmächtigte, Beklagter im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer), unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Schiemann, K. Lenaerts, E. Juhász und M. Ilešic ((Berichterstatter), Generalanwalt: F. G. Jacobs, Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2005, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Dezember 2005 folgendes Urteil (*):
1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt The Sunrider Corp. die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T-203/02 (Sunrider/ HABM – Espadafor Caba [VITAFRUIT], Slg. 2004, II-0000, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 8. April 2002 (Sache R 1046/2000-1) über die Ablehnung der Eintragung der Wortmarke VITAFRUIT (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen worden ist.
Rechtlicher Rahmen
2 Artikel 8 „Relative Eintragungshindernisse“ der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) sieht in den Absätzen 1 Buchstabe b) und 2 Buchstabe a) Ziffer ii) Folgendes vor:
„(1) Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen, …
b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.
(2) ‚Ältere Marken‘ im Sinne von Absatz 1 sind
a) Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke, gegebenenfalls mit der für diese Marken in Anspruch genommenen Priorität, die den nachstehenden Kategorien angehören: …
ii) in einem Mitgliedstaat … eingetragene Marken; …“
3 Artikel 15 „Benutzung der Gemeinschaftsmarke“ der Verordnung Nr. 40/ 94 bestimmt:
„(1) Hat der Inhaber die Gemeinschaftsmarke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren, gerechnet von der Eintragung an, nicht ernsthaft in der Gemeinschaft benutzt, oder hat er eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Gemeinschaftsmarke den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. …
(3) Die Benutzung der Gemeinschaftsmarke mit Zustimmung des Inhabers gilt als Benutzung durch den Inhaber.“
4 Artikel 43 „Prüfung des Widerspruchs“ der Verordnung Nr. 40/ 94 sieht in den Absätzen 2 und 3 vor:
„(2) Auf Verlangen des Anmelders hat der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis zu erbringen, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke die ältere Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat, … sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere Gemeinschaftsmarke seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Widerspruch zurückgewiesen. Ist die ältere Gemeinschaftsmarke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt worden, so gilt sie zum Zwecke der Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren oder Dienstleistungen als eingetragen.
(3) Absatz 2 ist auf ältere nationale Marken im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der Benutzung in der Gemeinschaft die Benutzung in dem Mitgliedstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist.“
5 Regel 22 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/ 95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/ 94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) sieht vor, dass die „Angaben und Beweismittel, die zum Nachweis der Benutzung vorgelegt werden, … gemäß Absatz 3 aus Angaben über Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde und auf denen der Widerspruch beruht, sowie aus Beweisen für diese Angaben [bestehen].“
Vorgeschichte des Rechtsstreits
6 Am 1. April 1996 beantragte die Rechtsmittelführerin beim HABM gemäß der Verordnung Nr. 40/ 94 die Eintragung der Wortmarke VITAFRUIT als Gemeinschaftsmarke.
7 Die Waren, für die die Eintragung begehrt wurde, gehören zu den Klassen 5, 29 und 32 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner revidierten und geänderten Fassung. Die Waren der Klasse 32 sind: „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Frucht- und Gemüsegetränke, Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; Kräuter- und Vitamingetränke“.
8 Am 1. April 1998 erhob Herr Espadafor Caba gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für alle von der Anmeldung erfassten Waren Widerspruch gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/ 94.
9 Bei der älteren Marke, deren Inhaber Herr Espadafor Caba ist, handelt es sich um die nationale Wortmarke VITAFRUT, die in Spanien für folgende Waren der Klassen 30 und 32 eingetragen ist: „alkoholfreie und nicht therapeutische kohlensäurehaltige Getränke, nicht therapeutische Kaltgetränke aller Art, mit Kohlensäure versetzt, körnig sprudelnd; Frucht- und Gemüsesäfte ohne Fermentation (ausgenommen Most), Limonaden, Orangeaden, Kaltgetränke (ausgenommen Mandelmilchgetränke), Sodawasser, Seidlitzwasser und künstliches Eis“.
10 Auf Antrag der Rechtsmittelführerin forderte die Widerspruchsabteilung des HABM Herrn Espadafor Caba gemäß Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/ 94 auf, den Nachweis zu erbringen, dass die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke in Spanien ernsthaft benutzt wurde.
11 Herr Espadafor Caba legte zum einen sechs Flaschenetiketten, auf denen die ältere Marke abgebildet war, und zum anderen vierzehn Rechnungen und Bestellungen vor, von denen zehn aus der Zeit vor der Veröffentlichung der Anmeldung stammten.
12 Mit Entscheidung vom 23. August 2000 wies die Widerspruchsabteilung die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke für die Waren der Klasse 32 mit Ausnahme der Biere zurück. Sie war der Meinung, dass erstens die von Herrn Espadafor Caba vorgelegten Beweismittel zeigten, dass die ältere Marke für die Waren „Frucht- und Gemüsesäfte ohne Fermentation, Limonaden, Orangeaden“ ernsthaft im Sinne von Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/ 94 benutzt worden seien. Zweitens seien diese Waren den in der Markenanmeldung genannten Waren der Klasse 32 mit Ausnahme der Biere teilweise ähnlich und teilweise mit ihnen identisch, und es bestehe zwischen der älteren Marke und der angemeldeten Marke eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94.
13 Die von der Rechtsmittelführerin hiergegen eingelegte Beschwerde wurde mit der streitigen Entscheidung zurückgewiesen. Die Erste Beschwerdekammer des HABM bestätigte im Wesentlichen die in der Entscheidung der Widerspruchsabteilung enthaltene Beurteilung, wobei sie allerdings feststellte, dass die Benutzung der älteren Marke nur für Waren mit der Bezeichnung „Saftkonzentrate“ nachgewiesen worden sei.
Das Verfahren vor dem Gericht und das angefochtene Urteil
14 Mit Klageschrift, die am 2. Juli 2002 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung wegen Verstoßes gegen Artikel 43 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/ 94 und gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b derselben Verordnung.
15 Mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes machte sie geltend, dass die Beschwerdekammer fälschlicherweise die Benutzung der Marke durch einen Dritten berücksichtigt habe. Der Widersprechende habe nämlich nicht nachgewiesen, dass er der behaupteten Benutzung der älteren Marke zugestimmt habe.
16 In Randnummer 23 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht fest, dass die ältere Marke von der Industrias Espadafor SA und nicht von Herrn Espadafor Caba, dem Inhaber der Marke, benutzt worden sei, auch wenn dessen Name im Namen dieser Gesellschaft enthalten sei. In den Randnummern 24 bis 28 dieses Urteils vertrat es jedoch die Ansicht, dass die Beschwerdekammer sich zu Recht auf die Annahme habe stützen können, dass die ältere Marke mit Zustimmung des Inhabers benutzt worden sei, zumal die Rechtsmittelführerin dies vor der Kammer nicht bestritten habe.
17 Das Gericht wies daher den ersten Teil des ersten Klagegrundes zurück.
18 Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes machte die Rechtsmittelführerin geltend, die Beschwerdekammer habe den Begriff der ernsthaften Benutzung falsch ausgelegt. Dazu trug sie im Wesentlichen vor, dass sich aus den von Herrn Espadafor Caba vorgelegten Beweismitteln nicht ergebe, in welcher Zeit, an welchem Ort oder in welcher Form die Marke benutzt worden sei und ob die behauptete Nutzung ausreichend gewesen sei, um sie als ernsthaft anerkennen zu können.
19 Nach dem Hinweis in den Randnummern 36 bis 42 des angefochtenen Urteils auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 11. März 2003 in der Rechtssache C-40/ 01, Ansul, Slg. 2003, I-2439) sowie auf seine eigene Rechtsprechung und nach der Prüfung der vom Widersprechenden vorgelegten Beweismittel in den Randnummern 43 bis 53 des Urteils kam das Gericht in Randnummer 54 des Urteils zu folgendem Ergebnis:
„Daraus folgt, dass der andere am Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligte den Nachweis erbracht hat, dass in der Zeit von Mai 1996 bis Mai 1997 mit seiner Zustimmung an einen spanischen Kunden ungefähr 300 [Kisten] mit je zwölf Stück konzentrierte Säfte verschiedener Früchte verkauft wurden, was einem Umsatz von annähernd 4 800 Euro entspricht. Auch wenn der Umfang der Benutzung der älteren Marke begrenzt ist und es vorzuziehen wäre, wenn mehr Beweismittel zur Art der Benutzung im maßgebenden Zeitraum zur Verfügung stünden, reichen die Tatsachen und Beweise, die der andere am Verfahren Beteiligte beigebracht hat, aus, um eine ernsthafte Benutzung festzustellen. Daher war das HABM in der streitigen Entscheidung zutreffend der Auffassung, dass die ältere Marke für einen Teil der Waren, für die sie eingetragen war, nämlich für Fruchtsäfte, ernsthaft benutzt worden sei.“
20 Daher wies das Gericht den zweiten Teil des ersten Klagegrundes zurück.
21 Mit dem zweiten Klagegrund machte die Rechtsmittelführerin geltend, die Beschwerdekammer habe dadurch gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 verstoßen, dass sie von einer Ähnlichkeit zwischen den in der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke genannten Waren „Kräuter- und Vitamingetränke“ und den Waren „Saftkonzentrate“, für die die ältere Marke ernsthaft benutzt worden sei, ausgegangen sei. Wenn überhaupt, so bestehe nur eine schwache Ähnlichkeit zwischen diesen Waren.
22 In Randnummer 66 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht fest, dass die ältere Marke für verschiedene konzentrierte Fruchtsäfte, die für den Endverbraucher bestimmt gewesen seien, und nicht für Saftkonzentrate, die für die Fruchtsaftindustrie bestimmt gewesen seien, benutzt worden sei. Es wies daher das Argument der Rechtsmittelführerin zurück, dass die Kräuter- und Vitamingetränke und die Waren, für die die ältere Marke ernsthaft benutzt worden sei, für unterschiedliche Käufer bestimmt gewesen seien.
23 In Randnummer 67 dieses Urteils führte das Gericht aus, dass die Kräuter- und Vitamingetränke und die konzentrierten Fruchtsäfte denselben Verwendungszweck hätten, nämlich den Durst zu löschen, dass es sich in beiden Fällen um normalerweise kalt genossene, alkoholfreie Getränke handele und dass diese Getränke in hohem Maße miteinander konkurrierten. Obwohl die Zusammensetzung dieser Waren unterschiedlich sei, ändere dies nichts an der Feststellung, dass sie austauschbar seien, da sie dazu bestimmt seien, dasselbe Bedürfnis zu befriedigen.
24 Daher verwarf das Gericht den zweiten Klagegrund und wies die Klage insgesamt ab.
Das Rechtsmittel
25 Mit ihrem auf drei Gründe gestützten Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,
– das angefochtene Urteil aufzuheben;
– hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Ablehnung der Eintragung der für die Waren „Kräuter- und Vitamingetränke“ angemeldeten Marke bestätigt hat;
– die streitige Entscheidung aufzuheben;
– dem HABM die Kosten des Verfahrens vor den Organen des HABM sowie des Verfahrens vor dem Gericht und dem Gerichtshof aufzugeben.
26 Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit der Rechtsmittelbeantwortung des HABM
27 In ihrer Erwiderung macht die Rechtsmittelführerin die Unzulässigkeit der Rechtsmittelbeantwortung des HABM mit der Begründung geltend, das Amt habe entgegen dem Erfordernis des Artikels 116 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes nicht beantragt, die im ersten Rechtszug gestellten Anträge vollständig oder teilweise aufrecht zu erhalten.
28 Absatz 1 dieser Bestimmung lautet:
„Die Anträge in der Rechtsmittelbeantwortung müssen zum Gegenstand haben:
– die vollständige oder teilweise Zurückweisung des Rechtsmittels oder die vollständige oder teilweise Aufhebung der Entscheidung des Gerichts;
– die vollständige oder teilweise Aufrechterhaltung der im ersten Rechtszug gestellten Anträge; neue Anträge können nicht gestellt werden.“
29 Diese Bestimmung regelt, zu welchem Zweck ein anderer Verfahrensbeteiligter als der Rechtsmittelführer eine Rechtsmittelbeantwortung einreichen kann.
30 Für die praktische Wirksamkeit der Rechtsmittelbeantwortung müssen andere Verfahrensbeteiligte als der Rechtsmittelführer grundsätzlich zu dem Rechtsmittel Stellung beziehen, indem sie dessen vollständige oder teilweise Zurückweisung beantragen, sich ihm vollständig oder teilweise anschließen oder sogar ein Anschlussrechtsmittel einlegen. Alle diese Anträge sind in Artikel 116 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Verfahrensordnung vorgesehen.
31 Dagegen sind die anderen Verfahrensbeteiligten nicht verpflichtet, den im zweiten Gedankenstrich dieser Bestimmung vorgesehenen Antrag zu stellen, um die Unwirksamkeit ihrer Rechtsmittelbeantwortung zu vermeiden. Jedem Beteiligten steht es nämlich frei, vor einem Gericht diejenigen Anträge zu stellen, die er für zweckmäßig hält. Hat das Gericht den Anträgen eines Beteiligten nicht oder nicht vollständig stattgegeben, steht es somit im Belieben dieses Beteiligten, in dem gegen die Entscheidung des Gerichts gerichteten Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof von einem Antrag, der die Aufrechterhaltung seiner Anträge zum Gegenstand hat, abzusehen.
32 Für einen Verfahrensbeteiligten, der wie im vorliegenden Fall vor dem Gericht in vollem Umfang obsiegt hat und im Verfahren vor dem Gerichtshof in seiner Rechtsmittelbeantwortung die vollständige Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt, besteht daher erst recht keine Veranlassung zu einem Antrag, der die Aufrechterhaltung seiner im ersten Rechtszug gestellten Anträge zum Gegenstand hat. Im Übrigen muss der Gerichtshof, wenn er dem Rechtsmittel stattgibt und aufgrund seiner Befugnis gemäß Artikel 61 der Satzung des Gerichtshofes über den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet, diese Anträge berücksichtigen und sie entweder noch einmal ganz oder teilweise für begründet erklären oder aber sie zurückweisen, ohne die Zurückweisung darauf stützen zu können, dass der Beteiligte die Anträge vor dem Gerichtshof nicht wiederholt hat.
33 Daher ist die Einrede der Unzulässigkeit der Klagebeantwortung des HABM zurückzuweisen.
Zum ersten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
34 Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe gegen Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/ 94 in Verbindung mit Artikel 15 Absätze 1 und 3 dieser Verordnung verstoßen, indem es die Benutzung der älteren Marke durch einen Dritten berücksichtigt habe.
35 Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, die Beweislastverteilung verkannt zu haben, vom Widersprechenden vorgelegte Beweismittel, die keinen Beweiswert hätten, berücksichtigt zu haben und sich auf Vermutungen statt auf Beweise gestützt zu haben.
36 Nach der Rechtsprechung des Gerichts könne die ernsthafte Benutzung einer Marke nicht auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitsannahmen oder Vermutungen nachgewiesen werden, sondern müsse auf konkrete und objektive Beweismittel gestützt werden, die eine tatsächliche und ausreichende Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt belegten.
37 Obwohl im vorliegenden Fall der Widersprechende hätte nachweisen müssen, dass die Industrias Espadafor SA die ältere Marke mit seiner Zustimmung benutzt habe, habe er keinen Beweis für seine Zustimmung zu dieser Benutzung vorgelegt. Für ihre Feststellung, dass der Widersprechende dieser Benutzung zugestimmt habe, hätten sich die Beschwerdekammer und das Gericht daher zu Unrecht auf die Wahrscheinlichkeit und Vermutungen gestützt.
38 Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des im ersten Rechtszug geltend gemachten ersten Klagegrundes nicht untersucht habe, ob es zum Zeitpunkt seiner Entscheidung eine neue Entscheidung mit dem gleichen Tenor wie die streitige Entscheidung habe rechtmäßig erlassen können. Diese Forderung habe es in seiner Rechtsprechung selbst aufgestellt (Urteil des Gerichts vom 23. September 2003 in der Rechtssache T-308/ 01, Henkel/ HABM – LHS [UK [[KLEENCARE], Slg. 2003, II-3253, Randnr. 29).
39 Das Gericht habe in den Randnummern 25 und 26 des angefochtenen Urteils nur geprüft, ob die Beschwerdekammer zum Zeitpunkt, zu dem sie die streitige Entscheidung erlassen habe, von der Annahme habe ausgehen dürfen, dass der Widersprechende der Benutzung der älteren Marke durch die Industrias Espadafor SA zugestimmt habe.
40 Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes meint das HABM, dass im vorliegenden Fall die Annahme, der Widersprechende habe der Benutzung der älteren Marke durch die Industrias Espadafor SA zugestimmt, wovon auch das Gericht ausgegangen sei, aus den in den Randnummern 24 bis 29 des angefochtenen Urteils dargelegten Gründen in vollem Umfang gerechtfertigt sei. Daher enthalte die Sachverhaltswürdigung des Gerichts, aufgrund deren es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Widersprechende der geltend gemachten Benutzung der älteren Marke zugestimmt habe, keinen Beurteilungsfehler und stelle auch keine Verfälschung dar, die es dem Gerichtshof erlaubte, die Feststellungen des Gerichts in Zweifel zu ziehen.
41 Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht das HABM geltend, dass die Klage vor dem Gericht nach ständiger Rechtsprechung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beschwerdekammer im Sinne von Artikel 63 der Verordnung Nr. 40/ 94 sicherstellen solle, so dass das Gericht nicht verpflichtet sei, zu prüfen, ob es zum Zeitpunkt seiner Entscheidung eine neue Entscheidung mit dem gleichen Tenor wie die streitige Entscheidung rechtmäßig erlassen könne.
Würdigung durch den Gerichtshof
42 Nach Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/ 94 muss auf Verlangen des Anmelders einer Gemeinschaftsmarke der Inhaber einer älteren Marke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis erbringen, dass seine Marke ernsthaft benutzt worden ist.
43 Nach Artikel 15 Absatz 3 dieser Verordnung bedeutet die ernsthafte Benutzung einer Marke, dass diese von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung benutzt worden sein muss.
44 Infolgedessen muss der Inhaber der älteren Marke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis erbringen, dass er der geltend gemachten Benutzung dieser Marke durch einen Dritten zugestimmt hat.
45 Soweit im vorliegenden Fall dem Gericht zum einen eine Verkennung der Beweislastverteilung vorgeworfen wird, ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
46 Nach dem Hinweis in Randnummer 23 des angefochtenen Urteils, dass der Name der Gesellschaft Industrias Espadafor SA, die die ältere Marke benutzt hat, einen Bestandteil des Familiennamens des Inhabers dieser Marke enthalte, und nach der Feststellung in den Randnummern 24 und 25 dieses Urteils, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass Herr Espadafor Caba die Beweismittel für die Benutzung der älteren Marke, die er der Widerspruchsabteilung und der Beschwerdekammer des HABM vorgelegt hat, hätte erlangen können, wenn die Marke gegen seinen Willen benutzt worden wäre, ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das HABM zu Recht davon ausgegangen sei, dass der Widersprechende der geltend gemachten Benutzung der älteren Marke zugestimmt habe.
47 Damit hat das Gericht von der Rechtsmittelführerin keineswegs den Nachweis verlangt, dass keine Zustimmung erteilt worden ist, sondern hat aufgrund der vom Widersprechenden vorgelegten Beweise den Nachweis für dessen Zustimmung zu der geltend gemachten Benutzung als erbracht angesehen. Somit hat es die Beweislast nicht umgekehrt.
48 Soweit dem Gericht zum anderen vorgeworfen wird, die vom Widersprechenden vorgelegten Beweismittel als Nachweis für dessen Zustimmung zu der geltend gemachten Benutzung anerkannt zu haben, zielt dieser Teil des Rechtsmittelgrundes darauf ab, dass der Gerichtshof die Sachverhaltswürdigung des Gerichts durch seine eigene ersetzt, und ist deshalb unzulässig.
49 Das Rechtsmittel ist nämlich nach den Artikeln 225 EG und 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes auf Rechtsfragen beschränkt. Daher ist allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung dieser Tatsachen und Beweise, sofern sie nicht verfälscht worden sind, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegen würde (vgl. u. a. Urteil vom 15. September 2005 in der Rechtssache C-37/ 03 P, BioID/ HABM, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 43 und die dort zitierte Rechtsprechung).
50 Nichts spricht aber dafür, dass das Gericht die Tatsachen und die ihm unterbreiteten Beweismittel in den Randnummern 23 bis 25 des angefochtenen Urteils verfälscht hätte.
51 Nur als zusätzliches Argument hat das Gericht in den Randnummern 26 und 27 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das „HABM sich umso mehr auf [die] Annahme stützen konnte, [dass der Widersprechende der geltend gemachten Benutzung zugestimmt hat,] als die Klägerin nicht bestritten hat, dass die Benutzung der älteren Marke durch die Gesellschaft Industrias Espadafor, SA mit Zustimmung des Widersprechenden erfolgt war.“
52 Somit ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes teils als unbegründet und teils als unzulässig zurückzuweisen.
53 Zweitens ergibt sich entgegen der Ansicht der Rechtsmittelführerin aus der Rechtsprechung des Gerichts nicht, dass dieses feststellen muss, ob es im Zeitpunkt, in dem es über eine Klage gegen eine Entscheidung einer Beschwerdekammer des HABM entscheidet, eine neue Entscheidung mit dem gleichen Tenor wie die streitige Entscheidung erlassen kann. In den Randnummern 25 und 26 seines Urteils Henkel/ HABM – LHS (UK) (KLEENCARE) hat das Gericht eine solche Verpflichtung nämlich nur für die Beschwerdekammern des HABM festgestellt, da zwischen ihnen und den als erste Instanz entscheidenden Stellen des Amtes – wie den Prüfern und den Widerspruchs- und Nichtigkeitsabteilungen – eine funktionale Kontinuität bestehe.
54 Nach Artikel 63 der Verordnung Nr. 40/ 94 kann das Gericht die Entscheidung einer Beschwerdekammer des HABM nur „wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrages, der Verordnung Nr. 40/ 94 oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs“ aufheben oder abändern.
55 Infolgedessen kann das Gericht die streitgegenständliche Entscheidung nur aufheben oder abändern, wenn zum Zeitpunkt ihres Erlasses einer dieser Gründe für ihre Aufhebung oder Abänderung vorlag. Dagegen kann das Gericht diese Entscheidung nicht aus Gründen aufheben oder abändern, die nach ihrem Erlass eingetreten sind.
56 Daher ist der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unbegründet und der Rechtsmittelgrund somit insgesamt zurückzuweisen.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
57 Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die vom Widersprechenden vorgelegten Etiketten mangels einer Datumsangabe nicht den Beweis erbringen könnten, dass die ältere Marke im maßgeblichen Zeitraum benutzt worden sei, und damit die anderen im Verfahren vorgelegten Beweismittel nicht untermauern könnten.
58 Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, gegen Artikel 43 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/ 94 verstoßen zu haben, da es den Begriff der ernsthaften Benutzung im Sinne dieses Artikels verkannt habe. Insbesondere habe es nicht die Bedingungen beachtet, unter denen die Benutzung einer Marke als ernsthaft angesehen werden könne.
59 Aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer, dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Ansul und der Rechtsprechung des Gerichts ergebe sich, dass eine nur symbolische Benutzung zur Wahrung der durch die Marke begründeten Rechte keine ernsthafte Benutzung sei, dass die Grenze, von der an die Benutzung der Marke im Geschäftsverkehr als hinreichend und ernsthaft angesehen werden könne, unmittelbar mit der Art der Ware oder der Dienstleistung zusammenhänge, dass unabhängig vom Umfang und der Häufigkeit der unter der Marke durchgeführten Geschäfte die Marke kontinuierlich und nicht nur vereinzelt oder gelegentlich benutzt worden sein müsse und dass für eine ernsthafte Benutzung die Marke auf einem erheblichen Teil des Gebietes, in dem sie geschützt sei, vertreten sein müsse.
60 Im vorliegenden Fall seien die verkauften Waren für den Endverbraucher bestimmte Massengüter des täglichen Verbrauchs, die billig und daher leicht absetzbar seien. Aufgrund der Art dieser Waren könne der Absatz in dem vorliegend nachgewiesenen Umfang nicht als ausreichend im Sinne von Artikel 43 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/ 94 angesehen werden. Im Übrigen habe der Widersprechende, der nur fünf Verkäufe im Laufe von 11 Monaten nachgewiesen habe, damit höchstens eine gelegentliche oder vereinzelte Nutzung der älteren Marke dargetan. Eine solche Benutzung könne jedenfalls nicht als eine kontinuierliche, tatsächliche und dauerhafte Benutzung angesehen werden. Da außerdem die vorgelegten Rechnungen alle an denselben Kunden gerichtet gewesen seien, sei der Beweis nicht erbracht worden, dass die ältere Marke in einem wesentlichen Teil des Gebietes, in dem sie geschützt sei, vertreten gewesen sei.
61 Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin wird ihre Feststellung, dass das Gericht den Begriff der ernsthaften Benutzung im Sinne von Artikel 43 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/ 94 verkannt habe, durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Deutschland) bestätigt, der in einer anderen Rechtssache eine echte Benutzung bei einem monatlichen Umsatz von 4 400 Euro verneint habe.
62 Die Rechtsmittelführerin ziehe nicht die tatsächlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung des Gerichts in Zweifel, sondern werfe ihm vor, den Begriff der ernsthaften Benutzung verkannt zu haben. Dabei handele es sich um eine im Rahmen eines Rechtsmittels zulässige Rechtsfrage.
63 Das HABM macht geltend, dass das Gericht in den Randnummern 32 bis 42 des angefochtenen Urteils die von ihm selbst und dem Gerichtshof entwickelten Grundsätze zum Begriff der ernsthaften Benutzung zutreffend dargestellt habe und dass die Rechtsmittelführerin diese Grundsätze nicht in Frage stelle, sondern bemängele, dass eine solche Benutzung durch die vorliegenden Tatsachen nicht bewiesen werde.
64 Infolgedessen ziele der zweite Rechtsmittelgrund auf eine Überprüfung der Tatsachen und Beweise durch den Gerichtshof ab und sei daher für unzulässig zu erklären.
65 Hilfsweise trägt das HABM vor, das Gericht habe zu Recht entschieden, dass der Beweis der ernsthaften Benutzung der älteren Marke erbracht worden sei, so dass der Rechtsmittelgrund zurückzuweisen sei. Das Amt räumt ein, dass die nachgewiesene Benutzung verhältnismäßig gering gewesen sei und sich offensichtlich nur auf einen einzigen Kunden bezogen habe, hebt aber hervor, dass der Gesamtumsatz innerhalb einer ziemlich kurzen Zeit erreicht worden sei. Auch gebe es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kein Mindestmaß, und das Gericht habe zu Recht festgestellt, dass eine begrenzte Benutzung mit einer tatsächlichen Marktpräsenz vereinbar sei.
66 Zum Argument der Rechtsmittelführerin, eine Marke müsse in einem wesentlichen Teil des Gebietes, in dem sie geschützt sei, vertreten sein, um von einer ernsthaften Benutzung sprechen zu können, trägt das HABM vor, diese Forderung gehe angesichts des Urteils Ansul und des Beschlusses vom 27. Januar 2004 in der Rechtssache C-259/ 02 (La Mer Technology, Slg. 2004, I-1159) ins Leere. Wie groß das von der Marke abgedeckte Gebiet sei, sei nur eines der Kriterien, das bei der Entscheidung über die Ernsthaftigkeit der Benutzung zu berücksichtigen sei.
67 Zu dem auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs gestützten Argument trägt das HABM vor, die Entscheidungen eines nationalen Gerichts seien im vorliegenden Verfahren nicht bindend. Da außerdem die Frage, ob eine Marke ernsthaft benutzt werde, jeweils im konkreten Fall zu prüfen sei, sei es praktisch unmöglich, aus anderen Rechtssachen allgemeine Schlüsse zu ziehen.
Würdigung durch den Gerichtshof
68 Erstens ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin das Ergebnis, zu dem das Gericht in den Randnummern 46 bis 48 des angefochtenen Urteils auf der Grundlage der vom Widersprechenden vorgelegten Rechnungen gelangt ist, dass nämlich der Wert der unter der älteren Marke vermarkteten Waren, die zwischen Mai 1996 und Mai 1997 an einen einzigen Kunden in Spanien geliefert worden sind, höchstens 4 800 Euro betragen hat, was dem Verkauf von 293 Kisten zu je 12 Stück entspricht, nicht in Frage gestellt hat.
69 Unter diesen Umständen kann der erste Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes, dem zufolge die vom Widersprechenden vorgelegten Etiketten naturgemäß weder eine Benutzung der älteren Marke während des maßgeblichen Zeitraums beweisen noch die anderen Beweiselemente untermauern könnten, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen und ist daher als unwirksam zurückzuweisen.
70 Zweitens wird, wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt, eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, d. h. der Garantierung der Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch benutzt wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann; dazu gehören insbesondere eine Nutzung, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (vgl. zu Artikel 10 Absatz 1 der Ersten Richtlinie 89/ 104/ EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken [ABl. 1989, L 40, S. 1], der dem Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/ 94 entspricht, Urteil Ansul, Randnr. 43, und Beschluss La Mer Technology, Randnr. 27).
71 Die Frage, ob eine Benutzung mengenmäßig hinreichend ist, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen, hängt von mehreren Faktoren und einer Einzelfallbeurteilung ab. Die Merkmale dieser Waren oder Dienstleistungen, die Häufigkeit und die Regelmäßigkeit der Benutzung der Marke, die Frage, ob die Marke benutzt wird, um alle identischen Waren oder Dienstleistungen des Markeninhabers oder nur manche von diesen zu vermarkten, oder auch die Beweise über die Benutzung der Marke, die der Inhaber vorlegen kann, gehören zu den Kriterien, die dabei in Betracht zu ziehen sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss La Mer Technology, Randnr. 22).
72 Infolgedessen ist es nicht möglich, von vornherein und abstrakt zu bestimmen, ab welcher mengenmäßigen Grenze eine Benutzung als ernsthaft anzusehen ist. Ein Mindestmaß der Benutzung, das das HABM oder auf eine entsprechende Klage hin das Gericht daran hindern würde, sämtliche Umstände des ihnen unterbreiteten Streitfalles zu würdigen, kann deshalb nicht festgesetzt werden (vgl. in diesem Sinne Beschluss La Mer Technology, Randnr. 25). Daher kann eine selbst geringfügige Benutzung, wenn sie unter den vorstehend in Randnummer 70 dieses Urteils genannten Voraussetzungen wirtschaftlich tatsächlich gerechtfertigt ist, als ausreichend angesehen werden, um das Vorliegen der Ernsthaftigkeit zu belegen (Beschluss La Mer Technology, Randnr. 27).
73 Im vorliegenden Fall hat das Gericht die Ernsthaftigkeit der Benutzung der älteren Marke rechtsfehlerfrei gewürdigt.
74 Erstens hat das Gericht gemäß der Regel 22 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2868/ 95 in den Randnummern 46 bis 54 des angefochtenen Urteils Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung untersucht.
75 Zweitens hat es gemäß der vorstehend in den Randnummern 70 bis 72 angeführten Rechtsprechung ermittelt, ob die ältere Marke benutzt worden ist, um für die Waren „Fruchtsaftkonzentrate“, für die die Benutzung der Marke nachgewiesen ist, einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern oder ob die Benutzung vielmehr lediglich dazu diente, die durch die Marke begründeten Rechte zu wahren und daher als symbolisch anzusehen ist.
76 Drittens kann entgegen der Ansicht der Rechtsmittelführerin die Tatsache, dass die Benutzung der älteren Marke im vorliegenden Fall nur hinsichtlich des Verkaufs von Waren an einen einzigen Kunden nachgewiesen ist, nicht von vornherein die Ernsthaftigkeit der Benutzung ausschließen (vgl. in diesem Sinne Beschluss La Mer Technology, Randnr. 24), auch wenn sie zeigt, dass diese Marke nicht auf einem wesentlichen Teil des spanischen Hoheitsgebiets, in dem sie geschützt ist, vertreten war. Mit dem HABM ist nämlich festzustellen, dass die Größe des Gebietes, in dem die Marke benutzt wird, nur einer der Faktoren ist, der neben anderen bei der Entscheidung, ob die Benutzung ernsthaft ist, zu berücksichtigen ist.
77 Viertens ist zu dem Argument der Rechtsmittelführerin, das sie auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs in einer Rechtssache stützt, die eine andere Marke als die Marke VITAFRUT betrifft, zu bemerken, dass nach der vorstehend in den Randnummern 70 bis 72 dieses Urteils angeführten Rechtsprechung die Ernsthaftigkeit der Benutzung einer Marke anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist und nicht von vornherein und abstrakt festgelegt werden kann, von welcher mengenmäßigen Grenze an die Benutzung als ernsthaft anzusehen ist. Infolgedessen können Gerichte, die über zwei unterschiedliche Rechtssachen entscheiden, die vor ihnen geltend gemachte Ernsthaftigkeit der Nutzung unterschiedlich beurteilen, auch wenn der in beiden Fällen durch die Benutzung erzielte Umsatz vergleichbar ist.
78 Zudem zielt das Argument der Rechtsmittelführerin, dass der Umfang der Benutzung der älteren Marke angesichts der Art der unter dieser Marke vertriebenen Waren für eine Qualifizierung als ernsthafte Benutzung im Sinne des Artikels 43 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/ 94 nicht ausreiche, darauf ab, dass der Gerichtshof die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Gerichts durch seine eigene ersetzt. Außer im Fall der Verfälschung, die hier nicht behauptet worden ist, stellt dieses Vorbringen aus den vorstehend in Randnummer 49 dieses Urteils genannten Gründen keine Rechtsfrage dar, die als solche der Überprüfung durch den Gerichtshof unterliegt.
79 Daher ist der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes, mit dem eine Verkennung des Begriffes der ernsthaften Benutzung im Sinne von Artikel 43 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/ 94 gerügt wird, teils unzulässig und teils unbegründet. Der Rechtsmittelgrund ist daher insgesamt zurückzuweisen.
Zum dritten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
80 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund, der zur Begründung ihres Hilfsantrags auf teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils vorgetragen wird, macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 verstoßen, indem es die zur Eintragung angemeldeten Waren „Kräuter- und Vitamingetränke“ und die Waren „Fruchtsaftkonzentrate“, für die eine ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachgewiesen worden ist, als ähnliche Waren im Sinne dieser Bestimmung angesehen habe.
81 Zum einen habe das Gericht nicht die jeweilige Art der Waren berücksichtigt, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes jedoch ein wichtiges Kriterium bilde, das bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen zu berücksichtigen sei.
82 Zum anderen wiesen diese Waren sehr große Unterschiede hinsichtlich der Art ihrer Herstellung, ihrer Verwendung, ihrer Bestimmung und ihrer Vertriebsstätten auf. Diese Unterschiede wögen in ihrer Gesamtheit schwerer als das einzige gemeinsame Merkmal, das darin bestehe, dass die Waren sich an den gleichen potenziellen Verbraucherkreis richteten.
83 Die Rechtsmittelführerin macht geltend, mit diesem Rechtsmittelgrund ziehe sie keineswegs die tatsächlichen Feststellungen und die Beweiswürdigung des Gerichts in Zweifel, sondern werfe ihm vor, den Begriff der „Ähnlichkeit der Waren“ verkannt zu haben. Es handele sich somit um eine im Rahmen des Rechtsmittels zulässige Rechtsfrage.
84 Das HABM beantragt, den dritten Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen, da die Rechtsmittelführerin sich auf eine Kritik der Sachverhaltswürdigung des Gerichts beschränkt habe. Hilfsweise trägt sie vor, dass die betreffenden Waren ähnlich seien.
Würdigung durch den Gerichtshof
85 Wie das Gericht in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils zu Recht angeführt hat, sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Dazu gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl. zu Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 89/ 104, der im Wesentlichen mit Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/ 94 übereinstimmt, Urteil vom 29. September 1998 in der Rechtssache C-39/ 97, Canon, Slg. 1998, I-5507, Randnr. 23).
86 Im Einklang mit dieser Rechtsprechung hat das Gericht in Randnummer 66 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die zur Eintragung angemeldeten Waren „Kräuter- und Vitamingetränke“ und die Waren „Fruchtsaftkonzentrate“, für die eine ernsthafte Benutzung der älteren Marke nachgewiesen worden ist, für Endverbraucher bestimmt seien. In Randnummer 67 des angefochtenen Urteils hat es weiter ausgeführt, dass diese Waren denselben Verwendungszweck hätten, nämlich den Durst zu stillen, und in hohem Maße miteinander konkurrierten, dass Art und Nutzung gleich seien – es handele sich um normalerweise kalt genossene, alkoholfreie Getränke – und dass die unterschiedliche Zusammensetzung dieser Waren nichts an ihrer Austauschbarkeit ändere, da sie dazu bestimmt seien, dasselbe Bedürfnis zu befriedigen.
87 Soweit die Rechtsmittelführerin dem Gericht vorwirft, die Art der betreffenden Waren bei der Beurteilung ihrer Ähnlichkeit nicht berücksichtigt zu haben, hat sie das angefochtene Urteil nicht richtig gelesen. In Randnummer 67 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich geprüft, ob diese Waren unter Berücksichtigung gerade ihrer Art einander ähnlich sind.
88 Soweit die Rechtsmittelführerin bemängelt, dass das Gericht nicht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Unterschiede zwischen den betreffenden Waren schwerer wögen als ihr einziges gemeinsames Merkmal, das darin bestehe, dass sie sich an den gleichen potenziellen Verbraucherkreis richteten, verlangt sie in Wirklichkeit, dass der Gerichtshof die Sachverhaltswürdigung, die das Gericht in den Randnummern 66 und 67 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat, durch seine eigene ersetzt (vgl. entsprechend zur Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken die Urteile vom 12. Januar 2006 in der Rechtssache C-361/ 04 P, Ruiz-Picasso u. a./ HABM, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 23, und vom 23. März 2006 in der Rechtssache C-206/ 04 P, Mühlens/ HABM, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 41). Außer im Fall der Verfälschung, die hier nicht behauptet worden ist, ist dieses Vorbringen aus den vorstehend in Randnummer 49 dieses Urteils genannten Gründen keine Rechtsfrage, die als solche der Überprüfung durch den Gerichtshof unterliegt.
89 Infolgedessen ist der dritte Rechtsmittelgrund teils unbegründet und teils unzulässig. Somit ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.
Kosten
90 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechend anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM eine entsprechende Verurteilung der Rechtsmittelführerin beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
* Verfahrenssprache: Englisch.
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