OLG Karlsruhe, Urteil vom 8.11.2006 – 6 U 227/05 –
§§ 3, 5 Abs. 1, 4 UWG
Leitsätze
1. Ist bei der Werbung mit herabgesetzten Preisen streitig, ob und in welchem Zeitraum der bisherige Preis gefordert worden ist, trifft denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat, nicht nur die Beweislast, sondern auch die Darlegungslast.
2. Zum Umfang des Unterlassungsanspruchs, wenn ein bestimmter Preisvorteil für „alle Produkte“ beworben wird, dieser jedoch bei einigen Produkten in Wirklichkeit geringer ist.
3. Zur Konkretisierung des Verbotsausspruchs bei der Werbung mit herabgesetzten Preisen, wenn der bisherige Preis nur für eine „unangemessen kurze Zeit“ gefordert worden ist.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13.12.2005 – 2 O 96/05 – im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt geändert:
1. Den Beklagten wird zur Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1 zu vollstrecken ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Aussage zu werben: „Heute zahlt Deutschland keine MwSt. – Alle Produkte dadurch 16 % billiger!“, wenn die beworbenen Waren eigens für die angekündigte Sonderaktion mit Preisen ausgezeichnet werden, die über den Preisen liegen, die in den letzten fünf Verkaufstagen zuvor verlangt worden sind.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist oder noch entsteht, dass sie in der in Ziffer 1 beschriebenen Weise für die am 03.01.2005 durchgeführte Sonderaktion der Beklagten zu 1 geworben haben.
3. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, Auskunft über die Art und den Umfang der in Ziffer 1 beschriebenen Werbung für die am 03.01.2005 durchgeführte Sonderaktion der Beklagten zu 1 zu erteilen und zwar unter Angabe der Art der Werbematerialien, ihrer Stückzahl und des Zeitraums ihres Vertriebs.
4. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin
a. 279,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2005 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Canon Camcorder MV 690 silber und
b. 1.359,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2005 zu zahlen.
5. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung hinsichtlich der Ziffer I. 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 45.000,- Euro abwenden, die Beklagte zu 1 kann die Vollstreckung hinsichtlich der Ziffer I. 2 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagten können im übrigen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien betreiben den Handel mit Elektrogeräten aller Art. Die Klägerin hat zwei Ladengeschäfte in Mannheim. Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, ist ebenfalls in Mannheim tätig.
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Die Beklagte zu 1 warb am 03.01.2005 mit einer Beilage zu der Tageszeitung „Mannheimer Morgen“ mit dem Slogan:
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„Heute zahlt Deutschland keine MwSt – Alle Produkte dadurch 16 % billiger!“.
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Diese Werbeaktion war von der Beklagten zu 1 bereits in den letzten Wochen des Jahres 2004 mit Werbespots in Rundfunk und Fernsehen angekündigt worden.
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Die Klägerin macht geltend, die Beklagten hätten bei der Gewährung des in der Werbung angekündigten Preisnachlasses von 16 % Ausgangspreise zugrunde gelegt, die höher gewesen seien als die zuvor verlangten Preise.
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Da die Beklagten nach vorangegangenem Verfügungsverfahren keine Abschlusserklärung abgegeben haben, hat die Klägerin Hauptsacheklage erhoben, mit der sie Unterlassung, Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz, Auskunft, Erstattung der Aufwendungen für Testkäufe und von Anwaltsgebühren für vorgerichtliche Tätigkeit (Abmahnung und Abschlussschreiben) begehrt.
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Das Landgericht hat die Beklagte wie folgt verurteilt:
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1. Den Beklagten wird zur Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu werben: „Heute zahlt Deutschland keine MwSt. – Alle Produkte dadurch 16 % billiger!“, wenn die beworbenen Waren eigens für die angekündigte Sonderaktion mit Preisen ausgezeichnet werden, die über den Preisen liegen, die in den letzten fünf Verkaufstagen zuvor verlangt worden sind.
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2. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, Auskunft über die Art und den Umfang der unter Ziff. 1 beschriebenen Handlungen zu erteilen, und zwar unter Angabe der Art der Werbematerialien, ihrer Stückzahl und des Zeitraums ihrer Vertreibung.
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3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der unter Ziff. 1 beschriebenen Handlung bisher entstanden ist und noch entstehen wird.
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4. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an die Klägerin
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a. 279,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2005 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Canon Camcorder MV 690
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b. 1.359,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2005 zu bezahlen.
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Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.
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Gegen dieses Urteil, auf das wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug und der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache nur insoweit Erfolg, als die Schadensersatzpflicht und die Verurteilung zur Auskunft auf die begangene Verletzungshandlung zu beschränken sind, ferner hinsichtlich der Höhe der Zinsen.
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1. Der mit der Klage verfolgte Unterlassungsanspruch ist nach §§ 3, 5 Abs. 1, 4 UWG begründet.
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a) Bereits unter der Geltung des bis zum 07.07.2004 geltenden UWG entsprach es der Rechtsprechung des BGH, dass die Werbung mit einer Preisgegenüberstellung u.a. dann als irreführend anzusehen ist, wenn dem aktuell beworbenen Preis ein anderer gegenübergestellt wird, der nicht, nicht ernsthaft oder nicht längere Zeit oder nicht in letzter Zeit verlangt worden ist, oder wenn ein überhöhter Preis angesetzt ist, um eine Preissenkung vortäuschen zu können (BGH GRUR 1996, 796, 798 – Setpreis). Mit der Änderung des UWG, die am 08.07.2004 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 4 UWG eine Regelung geschaffen, nach der vermutet wird, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der (bisherige) Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert ist, trifft danach die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.
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b) Bei der Anwendung dieser Norm ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Unternehmer in seiner Preisgestaltung grundsätzlich frei ist, er also den Preis einer Ware oder Leistung nach seinem eigenen Ermessen bilden und seine allgemein angekündigten Preise zu jedem ihm sinnvoll erscheinenden Zeitpunkt nach Belieben erhöhen oder senken kann (Bornkamm, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 24. Auflage, § 5 Rn. 7. 12). Andererseits darf nicht außer Betracht bleiben, dass die Werbung mit einer Preisherabsetzung ein besonders hohes Irreführungspotential hat, weil sich der Verbraucher erfahrungsgemäß bei – vermeintlich – herabgesetzten Preisen eine besonders günstige Kaufgelegenheit verspricht. Mit der Regelung in § 5 Abs. 4 UWG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Durchsetzung von Ansprüchen auf Unterlassung irreführender Werbung mit Preisgegenüberstellungen zu verbessern. Bislang war das vielfach mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, weil die Geltendmachung des Anspruchs genaue Informationen über den dem jetzt beworbenen Preis gegenübergestellten Preis voraussetzte, die nicht oder nur mit großem Aufwand zu erlangen waren, und die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich beim Gläubiger lag (vgl. BGH GRUR 2004, 246, 247 – Mondpreise?). Schon in der Vergangenheit wurde hiervon jedoch eine Ausnahme für den Fall gemacht, dass es um einen eigenen Preis des Unternehmens ging (vgl. BGH GRUR 1975, 78, 79 – Preisgegenüberstellung). Ausdrücklich in § 5 Abs. 4 Satz 2 UWG geregelt ist nur eine Umkehr der Beweislast. Nähme man die Regelung wörtlich, würde das bedeuten, dass es weiterhin Sache des Gläubigers wäre, substantiiert darzulegen, der frühere Preis sei nicht oder nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden. Richtigerweise ist jedoch anzunehmen, dass § 5 Abs. 4 Satz 2 UWG nicht nur die Beweislast, sondern auch die Darlegungslast betrifft (Bornkamm, a.a.O. Rn. 7.80, ebenso Piper, in: Piper/Ohly, UWG, 4. Auflage, § 5 Rn. 458). Das gilt zumindest in den Fällen, in denen es um frühere eigene Preise der Beklagten zu 1 geht. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1487) soll die Beweislastumkehr der besseren Durchsetzung der Vorschrift in der Praxis dienen. Der Kläger habe in der Regel keinen Zugang zu den maßgeblichen Informationen und wäre daher im Streitfall selten in der Lage, den Beweis für die Zeitdauer, in der der ursprüngliche Preis gefordert wurde, zu erbringen. Diese genannten Schwierigkeiten treffen jedoch, worauf Bornkamm zutreffend hinweist (a.a.O. Rn. 7.80) nicht nur auf die Beweissituation des Gläubigers zu, sondern bereits auf seine Möglichkeit, einen entsprechenden Verstoß darzulegen. Diese Verlagerung der Darlegungslast beschwert den Werbenden auch nicht unbillig, weil es ihm regelmäßig anhand seiner Geschäftsunterlagen ohne weiteres möglich ist nachzuvollziehen, welche Preise er in welchem Zeitraum für welche Waren gefordert hat. Anhaltspunkte dafür, dass es sich im Streitfall anders verhielte, haben die Beklagten nicht aufgezeigt.
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c) Die Beklagte zu 1 hat am 03.01.2005 als Ausgangspreis für den von ihr gewährten generellen Nachlass von 16 % für den Canon Camcorder MV 700, das Philips Fernsehgerät TV 29 8509, den Philips DVD-Recorder DVD-R 610 und den Kaffeeautomaten Saeco Incanto Sirius SBS höhere Preise zugrunde gelegt, als nach der am 26.12.2004 erschienenen Werbebeilage in den darauf folgenden Tagen für diese Geräte gefordert worden sind. Eine irreführende Werbung i.S. von § 5 Abs. 4 UWG liegt hinsichtlich der angeführten Artikel jedenfalls deshalb vor, weil die Beklagte – trotz gerichtlichem Hinweis – nicht konkret dargetan hat, dass die Beklagte zu 1 diese Artikel vor der Werbeaktion vom 26.12.2004 zu Preisen angeboten hat, die höher oder genauso hoch lagen, wie die am 03.01.2005 als Ausgangspreis für die Gewährung des angekündigten Nachlasses von 16 % zugrunde gelegten Preise.
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d) Ist mithin für die rechtliche Beurteilung davon auszugehen, dass die Preise, die in der Werbebeilage vom 26.12.2004 für die genannten Artikel angegeben waren und nach Erscheinen der Werbung gefordert wurden, „Normalpreise“ waren, liegt eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung darin, dass die Beklagte zu 1 am 03.01.2005 als Ausgangsbasis für den angekündigten generellen Preisnachlass nicht diese Preise sondern höhere zugrunde gelegt hat. Denn damit belief sich der Preisvorteil entgegen den durch die Werbung hervorgerufenen Erwartungen der Verbraucher nicht auf 16 %, sondern lediglich auf ca. 6,5 % (Canon Camcorder MV 700), ca. 8 % (Philips Fernsehgerät), ca. 6 % (Philips DVD-Recorder) bzw. ca. 7,5 % (Kaffeemaschine Saeco).
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e) Irreführend war die Werbung der Beklagten zudem, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, hinsichtlich des Canon Camcorders MV 690 silber. Nach der Darstellung der Beklagten war dieser Artikel vor der 52. Kalenderwoche des Jahres 2004 nicht im Sortiment der Beklagten zu 1, sondern wurde gezielt für eine Aktion eingekauft, bei der er mittels Plakaten unter Hinweis auf eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers von EUR 449,- zu einem Preis von EUR 299,- beworben wurde. Am Montag, den 03.01.2005 wurde dagegen als Ausgangspreis EUR 333,- angesetzt. Am Freitag, den 07.01.2005 wurde der Artikel, wie die Klägerin unwidersprochen vorgetragen hat, in einer Werbebeilage zum „Mannheimer Morgen“ zum Preis von EUR 299,- beworben. In einer weiteren Anzeigenstrecke vom 24.01.2005 wurde der Camcorder zum Preis von EUR 300,- beworben, am 12.02.2005 zum Preis von EUR 299,-. Aufgrund dessen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich bei dem Preis von EUR 299,-, wie er in der Kalenderwoche 52/2004 gefordert worden war, um den „Normalpreis“ handelte. Das rechtfertigt sich daraus, dass der Camcorder nicht nur vor, sondern mehrfach und in kurzen Abständen auch nach der Aktion vom 03.01.2005 zu diesem Preis verkauft wurde. Unter diesen Umständen wäre es Sache der Beklagten gewesen darzulegen, dass der Preis von EUR 333,-, den die Beklagten zu 1 am 03.01.2005 als Ausgangspreis für den generell gewährten Nachlass von 16 % zugrunde gelegt hat, für einen nennenswerten Zeitraum ernsthaft gefordert wurde. Die Beklagten haben sich hierzu jedoch auf den Hinweis beschränkt, der Artikel sei beispielsweise am 04.01.2005 zum Preis von EUR 333,- verkauft worden. Das kann zugunsten der Beklagten als richtig unterstellt werden, denn es genügt nicht, um darzulegen, dass der Preis für einen nennenswerten Zeitraum ernsthaft gefordert wurde. Daran ändert auch der Verweis darauf nichts, der Preis von EUR 299,- habe die unverbindliche Preisempfehlung um ein Drittel unterschritten, zumal den Mitgliedern des Senats aus vielfältigen wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen unter Beteiligung der Beklagten und ihrer Schwestergesellschaften bekannt ist, dass die unverbindlichen Preisempfehlungen bei Waren dieser Art kaum jemals den auf dem Markt tatsächlich geforderten Preisen entsprechen.
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Handelte es sich mithin bei dem Preis von EUR 299,-, der unmittelbar vor dem 03.01.2005 für den Canon Camcorder MV 690 gefordert wurde, um den „Normalpreis“, liegt eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung der Verbraucher darin, dass an diesem Tag als Ausgangspunkt für den angekündigten generellen Preisnachlass nicht dieser Preis zugrunde gelegt wurde, sondern ein Preis von EUR 333,-. Denn damit belief sich der Preisvorteil entgegen den berechtigten Erwartungen der Verbraucher nicht auf 16 %, sondern lediglich auf ca. 6,5 %.
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f) Die damit festgestellten konkreten Verletzungshandlungen begründen den geltend gemachten Unterlassungsanspruch in dem Umfang, in dem ihn das Landgericht zugesprochen hat. Mit der angegriffenen Werbeaussage hat die Beklagte zu 1 einen generellen Preisnachlass von 16 % angekündigt, also einen Preisnachlass von 16 % für „alle Produkte“. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, war der Preisnachlass jedoch bei einigen Produkten deutlich niedriger. Darin liegt eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise. Der Senat hat in seinem im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Beschluss (6 U 228/05) die Auffassung vertreten, ein Verbot komme nur bezüglich der Warenart oder Warenarten in Betracht, für die der Nachweis erbracht sei, dass der Ausgangspreis kurz zuvor erhöht worden war. Der Senat hält daran nach erneuter Überprüfung nicht fest. Hierauf sind die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2006 ausdrücklich hingewiesen worden.
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g) Nicht zu beanstanden ist die angefochtene Entscheidung auch insoweit, als den Beklagten untersagt worden ist, mit dem Hinweis auf einen generellen Preisnachlass von 16 % zu werben, wenn die beworbenen Waren eigens für die angekündigte Sonderaktion mit Preisen ausgezeichnet werden, die über den Preisen liegen, die in den letzten fünf Verkaufstagen zuvor verlangt worden sind. Liegt ein Wettbewerbsverstoß nach § 5 Abs. 4 Satz 1 UWG bereits dann vor, wenn mit der Herabsetzung eines Preises geworben wird, der nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist, so ist eine Irreführung „erst recht“ anzunehmen, wenn mit der Herabsetzung eines Preises geworben wird, der zuvor nicht gefordert worden ist. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die in § 5 Abs. 4 Satz 1 UWG angesprochene, unangemessen kurze Zeit dahin konkretisiert hat, dass die Eigenpreisgegenüberstellung verboten ist, wenn Artikel mit Preisen ausgezeichnet werden, die über den Preisen liegen, die in den letzten fünf Verkaufstagen zuvor verlangt worden sind. Will das Gericht den von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Anforderungen an die Bestimmtheit eines gerichtlichen Unterlassungsgebots genügen, kann es sich regelmäßig nicht darauf beschränken, die gesetzliche Formulierung zu wiederholen, sondern ist darauf angewiesen, den dort beschriebenen Sachverhalt – hier also eine unangemessen kurze Zeit – zu konkretisieren. Der hierfür erforderlichen Grenzziehung haftet notwendig eine gewisse Beliebigkeit an. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Markt, in dem die Parteien tätig sind, ist die Fassung des Verbots durch das Landgericht jedoch nicht zu beanstanden. Nachdem die Beklagten in der Klageerwiderung den ursprüngliche Antrag der Klägerin und den im einstweiligen Verfügungsverfahren erlassenen Beschluss als nicht hinreichend bestimmt gerügt haben, hat die Klägerin zur Begründung ihres dem jetzigen Verbot entsprechenden modifizierten Antrags darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu 1 und ihre Schwestergesellschaften in der Regel wöchentlich mit Werbebeilagen in Erscheinung treten. Das haben die Beklagten nicht in Abrede gestellt. Da ein solches Verhalten die Erwartung der Verbraucher in einem gewissen Umfang beeinflusst, sie also in Bezug auf solche Waren an relativ rasch eintretende Veränderungen der Preise gewohnt sind, ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Zeitraum auf fünf Verkaufstage konkretisiert hat.
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2. Der Antrag der Klägerin auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz ist zulässig. Das Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin einen ihr entstandenen Schaden derzeit nicht beziffern kann, zudem droht Verjährung. Der Antrag ist jedoch nur insoweit begründet, als er sich auf die konkret beanstandete Werbung bezieht. Dagegen kann die Klägerin keine Feststellung der Schadensersatzverpflichtung in der von ihr beantragten umfassenden Form verlangen (vgl. BGH GRUR 2003, 446, 447 – Preisempfehlung für Sondermodelle). Ohne Anführung weiterer Verstöße, an der es vorliegend fehlt, ist die Wahrscheinlichkeit eines weitergehenden Schadenseintritts nicht dargelegt. Die Beklagten haben schuldhaft gehandelt. Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätten sie, gegebenenfalls rechtlich beraten, die Wettbewerbswidrigkeit der angegriffenen Werbung der Beklagten zu 1 erkennen können und müssen.
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3. Die Klägerin kann schließlich von der Beklagten zu 1 Auskunft verlangen. Zur Berechnung eines ihr möglicherweise entstandenen Schadens ist sie auf die begehrte Auskunft angewiesen. Der Auskunftsanspruch ist auf den konkret angeführten Wettbewerbsverstoß beschränkt. Ein Anspruch auf Auskunftserteilung darüber, ob der Verletzer ähnliche Handlungen begangen hat, die neue Schadensersatzansprüche rechtfertigen können, besteht nicht. Die Klägerin kann daher nur Auskunft darüber verlangen, in welchen Medien und in welchem Umfang die Beklagte 1 für die Aktion vom 03.01.2005 geworben hat.
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4. Hinsichtlich der Verurteilung zur Erstattung des für den Testkauf des Canon Camcorder MV 690 aufgewendeten Betrags hat die Berufung der Beklagten insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Höhe der zuerkannten Zinsen wenden. Da es sich nicht um eine Entgeltforderung aus einem Rechtsgeschäft handelt, sondern um einen Schadensersatzanspruch (vgl. Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 24. Auflage, § 9 Rn. 1.29), ist § 288 Abs. 2 BGB nicht anwendbar. Die Klägerin kann daher nur Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz als Rechtshängigkeitszinsen beanspruchen (§ 291 i.V. mit § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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5. Die Klägerin kann ferner Erstattung der für die Abmahnung und das Abschlussschreiben entstandenen Anwaltskosten verlangen, soweit diese nicht auf die Prozessgebühr anrechenbar sind (wird ausgeführt).
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die geringfügige Klageabweisung hat keine Kostenfolgen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
(Unterschriften)
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