OLG Frankfurt a.M.: Gewerbliche Diät- und Ernährungsberatung durch einen Arzt

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 14.04.2005 – 6 U 111/04 – Gewerbliche Diät- und Ernährungsberatung durch einen Arzt

Ein Arzt, der im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit als X-Ernährungsberater fungiert, nutzt im Wettbewerb mit sonstigen Anbietern von Methoden und Mitteln zur Gewichtsreduktion sein Ansehen als Arzt und dieses Verhalten kann den Wettbewerb verfälschen, da der Verkehr mit dem Berufsbild des Arztes eine von kommerziellen Interessen weitgehend unabhängige Tätigkeit zum Wohle des Patienten verbindet.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 111/04

Entscheidung vom 14. April 2005

In dem Rechtsstreit


gegen

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2005 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23.03.2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Ärzten ein Konzept zu bewerben, das vorsieht, daß Ärzte das X-Diät- und Ernährungsprogramm empfehlen und/oder vertreiben, und hierbei den Eindruck zu vermitteln, der Arzt dürfe die Empfehlung und/oder die Anwendung und/oder den Vertrieb des X-Programms ohne eine (auch) räumliche Trennung von der Arztpraxis vornehmen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K1, Seite 3 und 4 mit den Überschriften: „Der richtige Partner für Sie auf dem Weg in die Zukunft“ und „Informationen zu Gewerbe und Recht“ und/oder wie im Anhang zu Anlage K5 „Arbeitsblatt Rechtsgrundlage“.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,– EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin, die A, nimmt die Beklagte wegen eines Wettbewerbsverstoßes in Anspruch, der sich aus dem Verleiten niedergelassener Ärzte zu berufsrechtswidrigem Verhalten ergebe.

Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung „X“ ein Diät- und Er-nährungsprogramm zum Zweck der Gewichtsreduktion an, das den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln aus der „X“- Produktlinie umfaßt. Die Beklagte vertreibt ihre Produkte im Rahmen des „X Diät- und Ernährungsprogramms“ über fachkundige Personen, die als Ernährungsberater fungieren. Eine solche Beratungstätigkeit bietet die Beklagte auch niedergelassenen Ärzten an. In ihrer Internetwerbung gemäß der Anlage K 1, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wendet sich die Beklagte unter der Überschrift „Der richtige Partner für Sie auf dem Weg in die Zukunft“ an Ärzte und propagiert die Vorteile eines nachfrageorientiert agierenden „Unternehmens Arztpraxis“. Unter anderem heißt es dort: „Als Arzt wird Ihnen in der Bevölkerung eine besonders hohe Beratungskompetenz zum Themenkomplex ‚Gesunde Ernährung‘ zugesprochen. Mit dem medizi-nisch gestützten X Diät- und Ernährungsprogramm haben Sie die Möglichkeit, Ihr Leistungsspektrum jenseits der heilkundlich orientierten Tätigkeit durch eine qualifizierte Ernährungsberatung zu erweitern.“ Unter der Überschrift „Informationen zu Gewerbe und Recht“ führt die Beklagte unter anderem aus: „Sofern die gewerbliche Ernährungsberatung und die freiberufliche ärztliche Tätigkeit organisatorisch, wirtschaftlich und rechtlich voneinander getrennt durchgeführt werden, steht das ärztliche Berufsrecht einer gewerblichen Tätigkeit nicht entgegen. Mit der Trennung ist insbesondere gemeint, daß die gewerbliche Tätigkeit außerhalb der Sprechstundenzeiten und Behandlungszeiten stattfindet.“ Zu den steuerrechtlichen Aspekten weist die Beklagte darauf hin, daß „die Kosten für Einrichtung, Räume (…), die sowohl für die Arztpraxis als auch für die Ernährungsberatung anfallen,“ beiden Unternehmen anteilig zugerechnet werden könnten. Schließlich heißt es in dem bei Schulungen für Berater verwendeten Arbeitsblatt „Rechtsgrundlagen“ (Anhang zur Anlage K 5) zu dem Stichwort „Örtliche Trennung“: „Optimal ist die örtliche Trennung zwischen Arzt-praxis und Gewerberaum. Mehrfachnutzung vorhandener Praxisräume unterliegt je-doch keiner Beschränkung der Berufsordnung (BGH in NJW 89/2324).“

Im Rahmen des X Diät- und Ernährungsprogramms sind bereits zahlreiche Ärzte für die Beklagte als Berater tätig geworden. Häufig findet die gewerbliche Ernährungsberatung (außerhalb der Sprechzeiten) in den Praxisräumen statt, wobei meistens das Wartezimmer oder Nebenräume zweckentsprechend umgestaltet werden.

Die Klägerin hatte die Beklagte wegen ähnlicher Werbung schon einmal unter dem 04.05.2001 abgemahnt (Anlage K 2). Die Beklagte hatte die Abmahnung mit Anwaltsschreiben vom 10.05.2001 (Anlage K 3) zurückgewiesen. Im Mai 2003 griff die Klägerin die Angelegenheit erneut auf. Auf die Abmahnung der Klägerin vom 08.05.2003 (Anlage K 4) gab die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 13.05.2003 (Anlage K 5) eine teilweise Unterwerfungserklärung ab, die sich auf die Notwendigkeit einer organisatorischen und zeitlichen Trennung zwischen der ärztlichen Tätigkeit und der Tätigkeit als X-Ernährungsberater bezog. Die Beklagte hielt es jedoch weiterhin für zulässig, daß Ärzte die gewerbliche Ernährungsberatung in den Räumlichkeiten ihrer Praxis durchführen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ein Arzt, der gewerbliche Ernährungsberatung in den Räumen seiner Praxis betreibe, verstoße gegen § 3 Abs. 2 und § 34 Abs. 5 der Hessischen Berufsordnung für Ärzte bzw. gegen die entspre-chenden, gleichlautenden, Bestimmungen der anderen Landesberufsordnungen.

§ 3 Abs. 2 (Hessische) BOÄ lautet:

Dem Arzt ist untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter sei-ner Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind.

§ 34 Abs. 5 (Hessische) BOÄ lautet:

Dem Arzt ist nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte oder Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen.

Auf dieser Grundlage hat die Klägerin ein wettbewerbswidriges Handeln der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch darin gesehen, daß die Beklagte durch ihre Werbung Ärzte zu einem standeswidrigen Verhalten veranlasse. Ferner hat die Klägerin Aufwendungsersatz wegen der von ihr ausgesprochen Abmahnung beansprucht.

Die Klägerin hat – unter teilweiser Modifizierung ihres zunächst angekündigten Klageantrags zu 1) (vgl. Bl. 2 d.A.) – beantragt,

1. es der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– EUR, ersatzweise Ord-nungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist und insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Ärzten ein Konzept zu bewerben und/oder umzusetzen, das vorsieht, daß Ärzte das X-Diät- und Ernährungsprogramm empfehlen und/oder vertreiben, sofern im gesamten Kontext der Werbung oder Umsetzung nicht darauf hingewiesen wird, daß Empfehlung und/oder Anwendung und/oder Vertrieb auch räumlich von der Arztpraxis getrennt sein müssen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 31.05.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, daß eine auch räumliche Trennung zwischen der ärztlichen Tätigkeit und der gewerblichen Beratertätigkeit nach dem ärztlichen Berufsrecht nicht unbedingt erforderlich sei. Unter Hinweis auf die vorherige Abmahnung aus dem Jahr 2001 hat die Beklagte außerdem die Einrede der Verjährung erhoben und vorsorglich auch Verwirkung geltend gemacht. Ferner hat die Beklagte Einwände gegen die Höhe des geltend gemachten Aufwendungsersatzes erhoben.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird im übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl 84 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Unterlassungsantrag sei nur dann begründet, wenn der Vertrieb eines Ernährungsprogramms durch Ärzte in den Räumlichkeiten einer Arztpraxis in jedem Falle dem ärztlichen Standesrecht widerspreche. Hiervon sei aber nicht auszugehen. Durch die von der Klägerin genannten Bestimmungen der Berufsordnung solle lediglich gewährleistet werden, daß eine auch nach außen deutlich werdende Trennung zwischen Gewerbeausübung und ärztlicher Tätigkeit stattfindet. Dafür sei eine (auch) räumliche Trennung nicht stets – unabhängig von dem jeweiligen konkreten Einzelfall – erforderlich.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und sieht weiterhin bei einer gewerblichen Beratungs- und Verkaufstätigkeit des Arztes in den Räumen seiner Praxis die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der angesprochenen Verbraucher gegeben. Dabei würden die einschlägigen Bestimmungen der Berufsordnung, die dieser Gefahr entgegenwirken sollten, verletzt. Die Verbraucher sähen in dem in seinen Praxisräumen beratenden Mediziner grundsätzlich den unabhängigen Arzt, der seine Beratung nicht an wirtschaftlichen Interessen ausrichte. Die Beklagte mache sich diese – im Falle einer gewerblichen Tätigkeit unzutreffende – Einschätzung zum Zwecke der Umsatzsteigerung zunutze.

Mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin zunächst eine Wiederholung der im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Klageanträge angekündigt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin den Unterlassungsantrag nochmals modifiziert.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1. der Beklagten es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

bei Ärzten ein Konzept zu bewerben, das vorsieht, daß Ärzte das X-Diät- und Ernährungsprogramm empfehlen und/oder vertreiben, und hierbei den Eindruck zu vermitteln, der Arzt dürfe die Empfehlung und/oder die Anwendung und/oder den Vertrieb des X-Programms ohne eine (auch) räumliche Trennung von der Arztpraxis vornehmen, wenn dies geschieht wie in der Anlage K1, Seite 3 und 4 mit den Überschrif-ten: „Der richtige Partner für Sie auf dem Weg in die Zukunft“ und „In-formationen zu Gewerbe und Recht“ und/oder wie im Anhang zu Anlage K5 „Arbeitsblatt Rechtsgrundlage“.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 31.05.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, tritt der Berufung entgegen und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagte bleibt bei ihrer Auffassung, daß ein berufsrechtlich unzulässiger Zusammenhang zwischen ärztlicher und gewerblicher Tätigkeit durch ihr Vertriebskonzept nicht vorgegeben werde. Die Nutzung vorhandener Praxisräume für beide Tätigkeiten sei bei den als X-Berater tätigen Ärzten zwar verbreitet, da die Produkte der Beklagten zumeist über solche Ärzte vertrieben würden, die aus finanziellen Gründen nicht in der Lage seien, parallel zu ihren Praxisräumen weitere Gewerberäume anzumieten. Eine solche Mehrfachnutzung der Praxisräume begründe aber keinen unzulässigen Zusammenhang im Sinne der BOÄ. Weiter meint die Beklagte, die Klägerin habe nicht genau genug dargelegt, unter welchen Bedingungen die von ihr geforderte räumliche Trennung gegeben wäre.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist im wesentlichen begründet.

Der Unterlassungsantrag ist in der zuletzt gestellten Form hinrei-chend bestimmt und geht auch nicht zu weit. Der Antrag richtet sich in zulässiger Weise dagegen, daß die Beklagte in ihrer Werbung gegenüber Ärzten den Eindruck vermittelt, die Ärzte dürften eine X-Diät- und Ernährungsberatung sowie die Abgabe von Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln aus der „X“- Produktlinie in den Räumen ihrer Arztpraxis vornehmen, insoweit sei der Verzicht auf eine (auch) räumliche Trennung also berufsrechtlich zulässig. Eine genaue Festlegung der Umstände, die im Einzelfall vorliegen müssen, um dem (auch) räumlichen Trennungsgebot der Berufsordnung Genüge zu tun, mußte die Klägerin in ihrem Antrag nicht vornehmen. Es ist nicht die Sache des Klägers, zu einer wettbewerbswidrigen Werbung alternative Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die aus dem Verbotsbereich herausführen.

Die im Termin vor dem Senat vorgenommene Klarstellung und Modifizierung des Unterlassungsantrags beinhaltete weder eine Klageänderung noch eine zustimmungsbedürftige Teilrücknahme. Die Einbeziehung der beanstandeten Werbung in den Antrag stellte eine sachgemäße Konkretisierung ohne inhaltliche Änderung dar.

Das Unterlassungsbegehren beschränkte sich, wie seine Auslegung unter Berücksichtigung der Anspruchsbegründung ergibt, der Sache nach von vornherein auf die durch die Anlagen zur Klageschrift dokumentierte konkrete Verletzungsform. Insbesondere hat die Klägerin durchgängig betont, daß sie sich nicht pauschal gegen die Einbeziehung von Ärzten als Ernährungsberater im Rahmen des X-Diät- und Ernährungsprogramms wende, sondern lediglich gegen den Aspekt einer unzureichenden räumlichen Trennung der Beratertätigkeit von der Arztpraxis. Da der Anknüpfungspunkt hierfür nur das von der Beklagten entwickelte Vertriebssystem und dessen konkrete Bewerbung sein kann, gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß das Klagebegehren ursprünglich auf ein über die konkrete Verletzungsform und den zugehörigen Kernbereich hinausgehendes Verbot gerichtet gewesen sei.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG zu.

Ein niedergelassener Arzt, der eine gewerbliche Diät- und Ernährungsberatung bzw. die Abgabe von Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Lebensmitteln in seinen Praxisräumen betreibt, verletzt seine Berufspflichten.

Gegen § 34 Abs. 5 BOÄ verstößt eine derartige Beratungstätigkeit für sich genommen allerdings nicht. Diese Vorschrift betrifft das Verhalten des Arztes gegenüber Patienten und statuiert insofern Verhaltenspflichten im Arzt-Patienten-Verhältnis. Ein Arzt, der außerhalb seiner Sprechzeiten eine nichtärztliche Tätigkeit ausübt, indem er als Diät- und Ernährungsberater fungiert, wendet sich insoweit nicht an seine Patienten, auch wenn sich der Kreis seiner Patienten und der Kreis der Be-ratungskunden überschneiden können. In Betracht kommt in der vorliegenden Konstellation zwar eine im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit liegende berufsrechtswidrige Werbung für die Diät- und Ernährungsberatung (vgl. OLG Stuttgart, WRP 1997, 70, 71), zumal sich eine auf die Beratung weisende Empfehlung des Arztes an seine Patienten konkludent möglicherweise schon daraus ergeben könnte, daß die Ernährungsberatung in den Räumen der Arztpraxis stattfindet, was im Regelfall durch eine Beschilderung verdeutlicht werden wird. Auf eine etwaige berufsrechtswidrige Verweisung von Patienten an die X-Diät- und Ernährungsberatung stellt die Klägerin mit ihrem vorliegenden Unterlassungsbegehren indessen nicht in der erforderlichen Deutlichkeit ab.

Ein Arzt, der die beschriebene Beratungstätigkeit in seinen Praxisräumen vornimmt, verstößt gegen § 3 Abs. 2 BOÄ. Denn er handelt, wenn er in den Praxisräumen berät, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit.

Das in § 3 Abs. 2 BOÄ normierte Verbot hat die Trennung merkan-tiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes zum Gegenstand und soll verhindern, daß das besondere Vertrauen in den Arztberuf zur Verkaufsförderung solcher Produkte mißbraucht wird, die die Patienten nicht notwendigerweise im Zusammenhang mit ihrer Betreuung benötigen (vgl. OLG Köln, WRP 2003, 405, 406). Mit dieser Zielrichtung beinhaltet § 3 Abs. 2 BOÄ eine verfassungsrechtlich zulässige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit. Denn es besteht ein legitimes und im Hinblick auf Art. 12 GG anerkennenswertes Gemeinschaftsinteresse daran, einer Verbindung von ärztlicher Behandlungstätigkeit und kommerzieller Verkaufstätigkeit entgegenzuwirken.

Die Fremdwerbung eines Arztes ist im Regelfall Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, am Gewinn orientierten Verhaltens und birgt daher die Gefahr in sich, das Vertrauen in den Arztberuf zu untergraben und dadurch langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu haben (BVerfG, WRP 2003, 1209, 1211 – Werbung von Zahnärzten im Internet).

Eine gewerbliche Tätigkeit ist einem Arzt nicht schlechthin verboten. Er darf ihr aber, um die eben dargestellten nachteiligen Auswirkungen zu vermeiden, nicht im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit nachgehen ( § 3 Abs. 2 BOÄ). Nach dem oben dargestellten Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist ein Zusammenhang mit der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit dann gegeben, wenn zwischen der gewerblichen und der ärztlichen Tätigkeit konkrete Berührungspunkte vorliegen, die den durch die gewerbliche Tätigkeit angesprochenen Verbrauchern den Eindruck nahelegen, der gewerblich tätige Arzt trete ihnen insofern „wie ein Arzt“ gegenüber, als er seine Empfehlungen und Ratschläge unvoreingenommen, nur dem gesundheitlichen Wohl der Ratsuchenden dienend und unbeeinflußt durch kommerzielle Interessen gebe.

Ein solcher unzulässiger Zusammenhang besteht bei dem Vertrieb eines Diät- und Ernährungsprogramms bereits dann, wenn die gewerbliche Beratungs- bzw. Verkaufstätigkeit – organisatorisch getrennt und außerhalb der Sprechstunden – in den Räumen der Arztpraxis stattfindet. Der als Berater tätige Arzt wird in seinen Praxisräumen ohne weiteres als der dort praktizierende Arzt identifiziert. Den Besuchern der Ernährungsberatung wird im Regelfall nicht verborgen bleiben, daß sich die Räumlichkeiten in einer Arztpraxis befinden, mag der betreffende Raum auch – durch das Umstellen bzw. Hinzustellen von Stühlen und sonstige Maßnahmen – umgestaltet worden sein. Der Name des Beraters weist diesen als den dort praktizierenden, auf dem Praxisschild genannten, Arzt aus. Insoweit ist es entgegen der Ansicht der Beklagten unerheblich, ob sich der Berater im Hinblick auf § 3 Abs. 1 Satz 2 BOÄ lediglich als „Dr. …“ und nicht als „Dr. med. …“ bezeichnet. Unerheblich ist auch, ob der Berater von dem Tragen ärztlicher Berufskleidung absieht. Auch eine getrennte, jeweils gesondert auf die Arztpraxis und Ernährungsberatung hinweisende Beschilderung ändert nichts, wenn der Weg in dieselben Räumlichkeiten führt.

Wird der Berater in den Praxisräumen als der dort praktizierende Arzt wahrgenommen, so wird ein besonderes, dem ärztlichen Berufsbild geschuldetes Vertrauen geweckt, das geeignet ist, den Blick auf die kommerzielle Ausrichtung der Beratungstätigkeit zu verstellen. Soweit die kommerzielle Orientierung erkannt wird, besteht umgekehrt die Gefahr, daß das Vertrauen in den Arztberuf Schaden nimmt. Die Beklagte negiert diese Gefahren, weil zwischen der Funktion als Arzt einerseits und der Tätigkeit als Gewerbetreibender andererseits zu trennen sei. Eine solch klare Trennung nimmt der angesprochene Verkehr aber nicht vor, wenn ihm die Personenidentität des praktizierenden Arztes und des Gewerbetreibenden so deutlich vor Augen geführt wird wie bei einer Beratung in den Praxisräumen. In dieser Situation ist der durchschnittliche Verbraucher auch nicht geneigt, sein Vertrauen in die Empfehlungen des Mediziners allein danach auszurichten, in welcher Rolle ihm der Mediziner gerade gegenübertritt. Es liegt vielmehr auf der Hand, daß die durch die Tätigkeit als praktizierender Arzt begründete Vertrauenswürdigkeit auf die an gleicher Stelle ausgeübte Beratungstätigkeit übergreift. In ihrer Werbung gegenüber den Ärzten hat die Beklagte selbst dies im Ergebnis kaum anders gesehen; dort hat sie auf die besonders hohe Beratungskompetenz zum Themenkomplex „Gesunde Ernährung“ hingewiesen, die den Ärzten in der Bevölkerung zugesprochen werde.

Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 BOÄ verlangt somit eine (auch) räumliche Trennung. Dieser Einschätzung steht die von der Beklagten in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gerückte Entscheidung des BGH „Institutswerbung“ (WRP 1989, 585 f. = NJW 1989, 2324) nicht entgegen. In der genannten Entscheidung hat der BGH folgendes ausgeführt:

„Die gemeinschaftliche Benutzung von Räumlichkeiten, Einrichtungen und Personal lediglich im Empfangs- und Eingangsbereich ist in Fällen wie hier nach § 1 UWG nicht zu beanstanden. Eine gewisse von der gemeinschaftlichen Nutzung ausgehende Werbewirkung kann bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art kein entscheidendes Gewicht erlangen. Sie könnte auch bei einer räumlichen Trennung von Arztpraxis und Institut nicht ausgeschlossen werden.“

Die Entscheidung des BGH betraf indes den Vorwurf einer unzulässigen Eigenwerbung des Arztes. Es ging um die Frage, ob der Arzt durch die, auch räumliche, Verbindung mit dem von seiner Ehefrau geleiteten medizinischen Institut einen werblichen Nutzen zog, der eine noch zulässige Eigenwerbung überschritt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist demgegenüber der unzulässige Einsatz ärztlichen Ansehens für eine gewerbliche Tätigkeit. In dem genannten Fall des BGH richtete sich die Klage mithin nicht gegen eine nichtärztliche gewerbliche Nebenbeschäftigung des Arztes im Zusammenhang mit seiner Arztpraxis. Überdies lag eine solche nichtärztliche gewerbliche Nebenbeschäftigung nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt auch gar nicht vor. Vielmehr leitete die Ehefrau des dort beklagten Arztes ein Institut für medizinische Behandlungen zur ästhetischen Korrektur der äußeren Erscheinung, in dem der Beklagte als leitender Arzt fungierte.

Der Ausnahmetatbestand gemäß § 3 Abs. 2, letzter Halbsatz BOÄ ist hier nicht erfüllt. Die Ausnahmebestimmung läßt die Abgabe von Waren und die Erbringung gewerblicher Dienstleistungen im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit dann zu, wenn die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Für das hier in Rede stehende Diät- und Ernährungsprogramm sowie für die Abgabe entsprechender Diätprodukte und Nahrungsergänzungsmittel besteht die Notwendigkeit eines „verkürzten Versorgungsweges“ nicht. Die Beklagte macht dies auch nicht geltend.

Der Verstoß gegen § 3 Abs. 2 BOÄ stellt zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung des betreffenden Arztes dar, die geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen ( §§ 3, 4 Nr. 11 UWG). Die Vorschriften der ärztlichen Berufsordnungen, die Fremdwerbung und gewerbliche Nebentätigkeiten betreffen, sind auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktver-halten zu regeln, da sie auch dem Schutz der Verbraucher vor unsachlicher Beeinflussung dienen (vgl. Baumbach / Hefermehl – Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 4 UWG, Rdnr. 11.106; ferner OLG Köln, WRP 2003, 405, 408). Ein Arzt, der im Zusammenhang mit seiner ärztlichen Tätigkeit als X-Ernährungsberater fungiert, nutzt im Wettbewerb mit sonstigen Anbietern von Methoden und Mitteln zur Gewichtsreduktion sein Ansehen als Arzt und dieses Verhalten kann den Wettbewerb verfälschen, da der Verkehr mit dem Berufsbild des Arztes eine von kommerziellen Interessen weitgehend unabhängige Tätigkeit zum Wohle des Patienten verbindet.

Die Beklagte stiftet durch die beanstandete Werbung zu dem wettbewerbswidrigen Verhalten der Ärzte an. Unstreitig sind bereits zahlreiche Ärzte als X-Diät- und Ernährungsberater in ihren Praxisräumen tätig geworden.

Notwendig für die Annahme einer Anstiftung ist allerdings eine wirklich bestimmende Einflußnahme, wobei man berücksichtigen muß, daß Ärzte durch Werbeschreiben und -maßnahmen nicht leicht zu einem bestimmten oder gar berufsrechtswidrigen Verhalten zu veranlassen sind (vgl. BGH, GRUR 2001, 255, 256 – Augenarztanschreiben). Die Beklagte übt durch ihre Werbung einen bestimmenden Einfluß in die-sem Sinne aus. Denn sie nimmt in ihren „Informationen zu Gewerbe und Recht“ die Kompetenz für eine (auch) berufsrechtliche Beurteilung in Anspruch und suggeriert hierbei eindeutig die Entbehrlichkeit einer räumlichen Trennung, indem sie den Eindruck erweckt, daß eine organisatorische (zeitliche), wirtschaftliche und rechtliche Trennung genüge. Zudem erschließt sich auch aus den Ausführungen der Beklagten zu den „Steuerrechtlichen Aspekten“, daß ein Betrieb der Arztpraxis und der Ernährungsberatung in denselben Räumlichkeiten für zulässig gehalten wird. Noch deutlicher können die angesprochenen Ärzte die Einschätzung der Beklagten aus dem Arbeitsblatt „Rechtsgrundlagen“ entnehmen.

Neben der von der Beklagten in Anspruch genommenen Beratungskompetenz, ist auch die Situation der angeworbenen Ärzte zu berücksichtigen, denen im Normalfall aus wirtschaftlichen Gründen daran gelegen sein wird, die Beratung in ihren Praxisräumen durchführen zu können. Auf diesem Hintergrund ist die Werbung der Beklagten, die die standesrechtliche Unbedenklichkeit suggeriert, ohne weiteres geeignet, Ärzte zu dem dargestellten Berufsrechtsverstoß zu veranlassen.

Im übrigen liegt ein Wettbewerbsverstoß der Beklagten, der geeignet ist, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, auch deshalb vor, weil die Beklagte mit der beanstandeten Werbung ihren eigenen Wettbewerb planmäßig zu Lasten rechtstreuer Mitbewerber durch die Veranlassung Dritter zur Verletzung der diesen obliegenden Standespflichten gefördert hat (vgl. hierzu BGH, GRUR 2001, 255, 256 – Augenarztanschreiben). Mitbewerber der Beklagten sind in diesem Zusammenhang nicht nur Unternehmen, die sich ähnlicher Vertriebsmethoden bedienen, sondern alle gewerblichen Anbieter von Erzeugnissen, die der Gewichtsreduzierung dienen sollen.

Weder unter dem Gesichtspunkt der Anstiftung noch unter dem Gesichtspunkt eines eigenen Wettbewerbsverstoßes der Beklagten durch die Veranlassung Dritter zur Verletzung von Standespflichten ist es erforderlich, daß der Vertrieb des X-Diät- und Ernährungsprogramms durch Ärzte in den Räumlichkeiten der Arztpraxis in jedem Fall dem ärztlichen Standesrecht widerspricht. Selbst wenn be-sondere Umstände denkbar sein mögen, die im Einzelfall trotz einer Benutzung der Praxisräume den Zusammenhang mit der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit ausschließen können, ändert dies nichts an der Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Werbung. Denn auf solche besonderen Anforderungen weist die Beklagte in ihrer Werbung nicht (einschränkend) hin. Sie bewirkt durch ihre Werbung, daß Ärzte die Beratung in ihren Praxisräumen durchführen und dadurch zumindest im Normalfall berufsrechtswidrig handeln. Darauf ob die Beklagte jeden als Berater teilnehmenden Arzt zu einem Verstoß gegen seine Berufspflichten veranlaßt, kommt es nicht an.

Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt, da die Beklagte auch nach der Abmahnung im Mai 2001 weiterhin wettbewerbswidrig geworben hat. Auch eine Verwirkung ist nicht eingetreten. Der Umstand, daß die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch in 2001 zunächst nicht weiterverfolgte, berechtigte die Beklagte nicht zu der Erwartung, die wettbewerbswidrige Werbung unbeanstandet weiter fortsetzen zu dürfen. Ferner hat die Beklagte auch nicht dargetan, daß ihr durch eine Beendigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ein zwischenzeitlich erworbener wertvoller Besitzstand verloren gehen könne.

Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Die Werbung der Beklagten war auch nach dem im Zeitpunkt der Abmahnung noch geltenden UWG wettbewerbswidrig, da sie gegen § 1 UWG a.F. verstieß. Der Wettbewerbsverstoß war geeignet, den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt wesentlich zu beeinträch-tigen ( § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F.). Der Erstattungsanspruch ist in der geltend ge-machten Höhe von 189,– EUR (176,64 EUR zuzüglich 7% Mehrwertsteuer) angemessen und begründet (vgl. zur Kostenpauschale der Wettbewerbszentrale Baum-bach / Hefermehl – Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 12 UWG, Rdnr. 1.97). Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 BGB. Er beläuft sich allerdings auf lediglich fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, da es sich bei dem Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten nicht um eine „Entgeltforderung“ gemäß § 288 Abs. 2 BGB handelt.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie im wesentlichen unterlegen ist ( §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des § 3 Abs. 2 der ärztlichen Berufsordnungen grundsätzliche Bedeutung haben (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

(Unterschriften)

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