BPatG: „musicrocker“ als Marke für Stühle schutzfähig Beschluss vom 01.08.2012 – 26 W (pat) 46/11

Bei der Marke „musicrocker“ handelt es sich nicht um eine Gattungsbezeichnung für Möbel. Aus dem zufälligen Rechercheergebnis, auf das sich die Schutzversagung der Markenstelle stützt, ist nur vordergründig auf die Verwendung des Zeichens als Gattungsname zu schließen. Die Ausführungen und Belege der Anmelderin überzeugen vom Gegenteil, wonach der Begriff letztlich stets auf die Anmelderin zurückzuführen ist und die – auch viel näherliegende – Gattungsbezeichnung gerade nicht „musicrocker“, sondern „Multimediasessel“ oder „Soundsessel“ lautet. Aus diesem Gesichtspunkt ist der konkreten Marke ein Schutz daher nicht zu versagen.

BPatG, Beschluss vom 01.08.2012 – 26 W (pat) 46/11musicrocker
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG

BESCHLUSS

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 019 770.6

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 1. August 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Hermann

beschlossen:

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 15. März 2011 und 31. Mai 2011 aufgehoben.

Gründe

I.
Die Wortmarke 30 2010 019 770.6

musicrocker

ist für die Waren

„Bürostühle; Sessel; Polstersessel; Hocker; Stufenhocker; Multimediasessel; Kopfpolster, Matratzenauflagen, Matratzenunterlagen, Polstermatten als Auflagen für Sitzmöbel; Polsterüberzüge aus Textilien oder Kunststoff; Schulterpolster (Sportartikel) oder Schutzpolster (Sportausrüstung)“

zur Eintragung in das Register angemeldet worden. Mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 20 des Deutschen Patent- und Markenamtes die Anmeldung wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenstelle im Wesentlichen ausgeführt, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Anmeldewort im Zusammenhang mit den oben genannten beanspruchten Waren lediglich als einen eindeutig im Vordergrund stehenden Hinweis auf eine Produktkategorie und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen würden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit der Begründung, es handele sich bei dem Zeichen nicht um den Namen einer Produktkategorie, Hinweise im Internet bezögen sich stets auf die Anmelderin. Auch beschreibend sei der mehrdeutige Begriff nicht. Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die angefochtenen Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 15. März 2011 und 31. Mai 2011 aufzuheben.

II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil entgegen der Auffassung der Markenabteilung dem Anmeldezeichen das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden kann und auch ein Freihaltungsbedürfnis zugunsten der Mitbewerber i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht besteht.

Unterscheidungskraft im Sinn der genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH MarkenR 2002, 231, 235 (Nr. 35) „Philips/Remington“; MarkenR 2003, 187, 190 (Nr. 40) „Linde u. a.“; MarkenR 2004, 116, 120 (Nr. 48) „Waschmittelflasche“; GRUR 2006, 229, 230 (Nr. 27) „BioID“; BGH GRUR 2003, 1050 „Cityservice“; GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) „FUSSBALL WM 2006“). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. u. a. EuGH a. a. O. (Nr. 41) „Linde u. a“; a. a. O. (Nr. 50) „Waschmittelflasche“; GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 24) „SAT.2“). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen i. d. R. so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren, analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH a. a. O. (Nr. 53) „Waschmittelflasche“; BGH MarkenR 2000, 420, 421 „RATIONAL SOFTWARE CORPORATION“; GRUR 2001, 1151, 1152 „marktfrisch“). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung insbesondere solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH a. a. O. „marktfrisch“; GRUR 2001, 1153 „antiKalk“; a. a. O. (Nr. 19) „FUSSBALL WM 2006“;

EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) „Postkantoor“) oder eine bloße Anpreisung oder Werbeaussage allgemeiner Art (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 35) „DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT“; BGH GRUR 1995, 410, 411 „TURBO“; GRUR 2001, 735, 736 „Test it.“; GRUR 2002, 1070, 1071 „Bar jeder Vernunft“) entnehmen sowie ferner solche, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache bestehen, welche etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. a. a. O. „Cityservice“; a. a. O. (Nr. 19) „FUSSBALL WM 2006“).

Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Wortmarke über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Im Gegensatz zur Markenabteilung ist der Senat mit der Beschwerde der Auffassung, dass es sich bei der Marke nicht um eine Gattungsbezeichnung für Möbel handelt. Wie die Anmelderin in ihrem Schriftsatz vom 23. Juli 2012 überzeugend begründet und belegt hat, ist aus dem zufälligen Rechercheergebnis, auf das sich die Schutzversagung stützt, nur vordergründig auf die Verwendung des Zeichens als Gattungsname zu schließen. Die Ausführungen und Belege der Anmelderin überzeugen vom Gegenteil, wonach der Begriff letztlich stets auf die Anmelderin zurückzuführen ist und die – auch viel näherliegende – Gattungsbezeichnung gerade nicht „musicrocker“, sondern „Multimediasessel“ oder „Soundsessel“ lautet. Aus diesem Gesichtspunkt ist der konkreten Marke ein Schutz daher nicht zu versagen.

Dem Zeichen fehlt auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft, weil die Wortelemente „music“ und „rocker“ als solche für die beanspruchten Waren § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 MarkenG beschreibend oder als Bestimmungsangabe nicht schutzfähig wären. So ist zwar die im inländischen Verkehr geläufige Bedeutung von „music“ Musik. Die Bedeutung von „rocker“ als Schaukelstuhl, Kipper, Schaukelapparat ist im Inland aber weitgehend unbekannt. Vielmehr drängt sich dem deutschen Verkehr der auch im Inland geläufige Begriff „Rocker“ auf, der ein Mitglied einer Motorradgang bezeichnet. In dieser ohne vertiefte Englischkenntnisse ohne gedankliches Analysieren sofort erfassbaren Bedeutung steht ein eindeutig beschreibender Aussagegehalt nicht im Vordergrund. Das Gleiche gilt für die angemeldete Marke insgesamt, bei der es sich auch nicht um einen in der englischen Sprache gebräuchlichen Begriff handelt.

Den weiteren Gedanken an eine Bestimmungsangabe ,für Rockmusiker’ weist die Beschwerde mit ebenfalls zutreffender Begründung zurück. So sind die Ausführungen Seite 10 unter II 2.b) richtig, wonach „Rocker“ zunächst mit den Angehörigen der einschlägig medienpräsenten, motorradfahrenden Subkultur assoziiert wird. Auch eine „Google“-Suche führt zuerst zu diesbezüglichen Treffern. Hierzu haben die gekennzeichneten Waren allerdings unzweifelhaft keinen Bezug.

Aufgrund des Gesamteindrucks, auf den allein abzustellen ist, ist daher davon auszugehen, dass die angemeldete Marke vom Verkehr als Produktkennzeichnung und nicht nur als Sachhinweis verstanden werden wird.

Aus denselben Gründen steht der Marke auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, weil sie nicht ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Der Beschwerde der Anmelderin war somit stattzugeben.

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