BPatG: Keine Gefahr von Verwechslungen zwischen der Marke „Die blaue Linie“ und der Marke „Blue Line“ Beschluss vom 23.08.2010 – 27 W (pat) 2/10

Keine Verwechslungsgefahr zwischen der Wortmarke „Die blaue Linie“ und der Wort-/Bildmarke „Blue Line“.

Die Ähnlichkeit von Marken ist grundsätzlich aufgrund ihres jeweiligen Gesamteindrucks unabhängig vom Prioritätsalter zu beurteilen; hierbei sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt. Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte ist für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber noch nicht ausreichend; sie kann aber im konkreten Einzelfall die Annahme einer Verwechslungsgefahr begründen.

BPatG, Beschluss vom 23.08.2010 – 27 W (pat) 2/10 – Die blaue Linie vs. Blue Line
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 046 040

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht und die Richter Schwarz und Kruppa

b e s c hlo s s e n :

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e :

I.
Die Widersprechende hat gegen die am 13. Februar 2009 veröffentlichte Eintragung der am 17. Juli 2008 angemeldeten, für

Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung; Ernährungsberatung

geschützten Marke Nr. 30 2008 046 040

Widerspruch eingelegt aus ihrer am 7. April 1993 angemeldeten und seit 8. November 1994 für

Milch und Milchprodukte, insbesondere ungeschlagene Sahne, saure Sahne, Joghurt, auch mit Früchten, Quark, Kefir, Butter-milch, geschlagene Buttermilch, Trockenmilch für Nahrungszwecke, Butter, Käse, insbesondere Weichkäse und Käsezubereitungen, Milchmischgetränke mit überwiegendem Milchanteil; Nahrungsmittel mit und ohne vorgenannten Produkten kombiniert, soweit in Klasse 29 enthalten; Beherbergung und Bewirtung von Gästen

eingetragenen Marke Nr. 2 084 241

Die blaue Linie

Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent-und Markenamtes hat mit Beschluss vom 27. Oktober 2009 den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke seien zu den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke unähnlich. Nahrungsmittel hätten kaum Berührungspunkte zu Aus-und Fortbildungs-sowie Erziehungsberatung und bei der Dienstleistung „Ernährungsberatung“ würden die Nahrungsmittel nicht gleichzeitig verwendet, da hierbei nur abstrakt beraten werde, welche Nahrungsmittel zu empfehlen seien. Die angesprochenen Verkehrskreise würden nicht davon ausgehen, dass ein Ernährungsberater auch Lebensmittel produziere und vertreibe. Ernährungsberatung werde auch kaum von der Nahrungsmittelindustrie erbracht, sondern meist von ausgebildeten Ernährungsberatern in Zusammenarbeit mit Ärzten, Apotheken, Verbraucherorganisationen, Fitnessstudios usw., da die Ernährungsberatung objektiv sein und nicht den Verdacht erregen solle, lediglich bestimmte Produkte der Nahrungsmittelindustrie zu bewerben. Somit wäre sogar im Falle identischer Marken aufgrund der Waren-und Dienstleistungsunähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Umso mehr gelte dies hier, da die Marken nicht identisch seien, sondern es sich bei „Blue Line“ um die englische Übersetzung von „Die blaue Linie“, ohne bestimmten Artikel, handele und die angegriffene Marke noch den Zusatz „DER WEG ZUM ZIEL“ enthalte. Insgesamt bestehe damit keine Verwechslungsgefahr, so dass der Widerspruch zurückzuweisen sei.

Mit ihrer Beschwerde macht die Widersprechende im Wesentlichen geltend, die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien hinreichend ähnlich. Die für die Widerspruchsmarke geschützten Waren und die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen ergänzten sich nämlich. Zudem werde auf dem hier relevanten Markt der Milchprodukte regelmäßig seitens der herstellenden Unternehmen an die Abnehmer der Produkte auch Ernährungstipps weitergegeben; hiervon mache insbesondere die Widersprechende regelmäßig Gebrauch. Die gegenüberstehenden Zeichen seien schriftbildlich und begrifflich kollisionsbegründend ähnlich. Beide Marken würden dabei jeweils durch „Blue Line“ und „blaue Linie“ geprägt, die schriftbildliche Ähnlichkeiten aufwiesen und zudem begrifflich identisch seien. Für eine Verwechslungsgefahr spreche auch, dass das Publikum beide Marken ohne Weiteres gedanklich miteinander in Verbindung bringe.

Die Widersprechende beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent-und Markenamtes vom 27. Oktober 2009 aufzuheben und die Marke 30 2008 046 040 zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält eine Verwechslungsgefahr für nicht gegeben, da er seine Marke nur zur medizinischen Beratung zur Gewichtsreduktion einsetze.

In der mündlichen Verhandlung, an welcher der ordnungsgemäß geladene Beschwerdegegner nicht teilgenommen hat, hat die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.
A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf welche der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, den Widerspruch mangels der Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

1. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] – Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] – Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 – Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] -Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] -Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] – Adam Opel/Autec).

1. Nach diesen Grundsätzen ist der Grad der Waren-und Dienstleistungsähnlichkeit sowie der Grad der Markenähnlichkeit zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

a) Auszugehen ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Anhaltspunkte für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft hat die Widersprechende weder vorgetragen noch sind sie anderweitig ersichtlich. Ob die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von Haus aus oder nachträglich geschwächt ist, kann auf sich beruhen, da selbst bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft eine Verwechslungsgefahr aus den nachfolgenden Gründen nicht besteht.

b) Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bedarf es nach der oben genannten Wechselwirkungstheorie entweder eines gleichermaßen erhöhten Grades an Waren-und Zeichenähnlichkeit oder im Fall eines hiervon abweichenden geringeren Grades einer dieser beiden Komponenten des Ausgleichs durch einen entsprechend höheren Grad der anderen Komponente; im Falle einer Waren-oder Zeichenunähnlichkeit scheidet dabei allerdings ein Ausgleich durch die andere Komponente und damit auch die Annahme einer Verwechslungsgefahr von Rechts wegen aus. Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, weil die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen nur einen am untersten Rand liegenden Grad an Ähnlichkeit aufweisen und vor diesem Hintergrund der mögliche Grad der Zeichenähnlichkeit zu gering ist, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

Die Ähnlichkeit der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren zu ermitteln, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere ihre Beschaffenheit, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 23] – Canon); daneben können auch ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, die Vertriebs-oder Erbringungsart sowie ihre wirtschaftliche Bedeutung Berücksichtigung finden (vgl. Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 44 m. w. N.). Abzustellen ist dabei vor allem darauf, ob zwischen den jeweils angebotenen Produkten oder Leistungen so enge Beziehungen bestehen, dass sich den Abnehmern, wenn sie die Waren oder Dienstleistungen mit denselben Zeichen gekennzeichnet wahrnehmen, der Schluss aufdrängt, dass diese Waren oder Dienstleistungen vom selben oder von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR Int. 1994, 614 [Rz. 16] – Ideal Standard II; GRUR 1998, 922, 924 [Rz. 29] – Canon).

Soweit es die Beratungsdienstleistungen „Ausbildungsberatung; Fortbildungsberatung; Erziehungsberatung“, für welche die angegriffene Marke u. a. geschützt ist, betrifft, ist nicht ersichtlich, dass Beratungen, welche die Ausbildung, Fortbildung und Erziehung als solche zum Gegenstand haben, also nur die pädagogische Wissensvermittlung losgelöst vom jeweiligen Wissensinhalt betreffen, nähere Berührungspunkte mit Nahrungsmitteln haben sollten. Selbst soweit Aus-oder Fortbildung sowie Erziehung der Wissensvermittlung über Nahrungsmittel dienen, beziehen sich die Beratungsdienstleistungen nicht auf diese, sondern auf die pädagogische Vorgehensweise. Es liegt daher für das Publikum selbst im Falle identischer Marken völlig fern anzunehmen, der Produzent von Nahrungsmitteln werde auch als pädagogischer Berater tätig.

Eine hinreichende Ähnlichkeit liegt auch nicht in Bezug auf die für die angegriffene Marke geschützte Dienstleistung „Ernährungsberatung“ zu den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren bzw. zu der Dienstleistung „Beherbergung und Bewirtung von Gästen“ vor. Unter den Begriff der Dienstleistung „Ernährungsberatung“ fällt nicht jede beliebige „Empfehlung“ von Speisen, Getränken oder Nahrungsmitteln, sondern nur solche Tätigkeiten, die im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Kunden wenigstens dem Anschein nach eine ernsthafte Beratung nach wissenschaftlichen, insbesondere medizinischen Grundsätzen versuchen. Um eine solche Tätigkeit handelt es sich bei „Empfehlungen“ von Speisen und Getränken durch einen Gastwirt nicht. Auch die Weitergabe von bloßen Allgemeinplätzen, wie sie sich etwa in den von der Widersprechenden angeführten Werbetexten ihres Mutterunternehmens wiederfinden, stellt noch keine Ernährungsberatung im Sinne der Klasse 44 dar, da sie nicht auf einem Dienstleistungsverhältnis zwischen dem Dienstleistungsanbieter und einem konkreten Kunden beruht und zudem der bloßen Bewerbung der eigenen Produkte dienen. Es handelt sich entgegen der Ansicht der Widersprechenden bei der Dienstleistung auf der einen Seite und den Nahrungsprodukten auf der anderen Seite auch nicht um einander ergänzende Waren bzw. Dienstleistungen; hiervon kann nur bei solchen Waren und Dienstleistungen die Rede sein, bei denen wenigstens eines der beteiligten Produkte oder Tätigkeiten für die ordnungsgemäße Verwendung der anderen Waren oder Dienstleistungen unentbehrlich ist, wie dies etwa bei dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall von Batterien und Videorekordern der Fall war, da letztere ohne erstere nicht betrieben werden können. Ein solches Verhältnis liegt indessen bei der Ernährungsberatung auf der einen Seite und dem Vertrieb von Nahrungsmitteln auf der anderen Seite nicht vor, da es für eine ordnungsgemäße Ernährungsberatung keines Angebots von Nahrungsmitteln bedarf und mit letzterem -wie leider sehr häufig -auch solche Produkte angeboten werden, die unter ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten kaum zu empfehlen sind. Insofern unterscheidet sich das Verhältnis von Ernährungsberatung und Nahrungsmittelangebot -worauf die Markenstelle zutreffend hingewiesen hat -entscheidend etwa von kosmetischen Dienstleistungen, weil letztere ohne Verwendung von Kosmetika nicht durchführbar sind. Sofern daher in Bezug auf die hier konkret gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen überhaupt von einer Ähnlichkeit gesprochen werden kann, ist sie allenfalls sehr entfernt.

c) Dies allenfalls äußerst geringe Grad an Warenähnlichkeit wird nicht durch einen entsprechend höheren Grad an Ähnlichkeit der konkurrierenden Marken ausgeglichen.

aa) Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 – Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]).

Die Ähnlichkeit von Marken ist grundsätzlich aufgrund ihres jeweiligen Gesamteindrucks unabhängig vom Prioritätsalter zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 – Sabèl/Puma; GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f.] -Thomson Life; GRUR 2006, 413, 414 [Rn. 19] – SIR/Zirh; BGH GRUR 2000, 233 f. – Rausch/Elfi Rauch); hierbei sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] – SIR/ Zirh). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte ist entgegen der Auffassung der Widersprechenden für die Annahme einer Verwechslungsgefahr nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber noch nicht ausreichend (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21 f.] – SIR/Zirh); sie kann aber im konkreten Einzelfall die Annahme einer Verwechslungsgefahr begründen (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] – SIR/Zirh; BGH GRUR 1959, 182, 185 – Quick; GRUR 1979, 853, 854 – LILA; GRUR 1990, 367, 368 – alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 – dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 – ac-pharma; GRUR 1999, 241, 243 – Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35] – SIR/Zirh).

bb) Nach diesen Grundsätzen kommt eine bis zur Identität reichende hochgradige Markenähnlichkeit, die wegen der nur sehr entfernten Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit erforderlich wäre, um die Annahme einer Verwechslungsgefahr zu begründen, nicht in Betracht.

In schriftbildlicher Hinsicht unterscheiden sich beide Marken nach ihrem jeweiligen Gesamteindruck schon darin, dass die Widerspruchsmarke die auffällige grafische Gestaltung, welche den visuellen Eindruck der jüngeren Marke dominiert, nicht enthält. Eine hochgradige schriftbildliche Ähnlichkeit bestünde selbst dann nicht, wenn davon ausgegangen wird, dass die jüngere Marke bei ihrer optischen Wahrnehmung in den Augen des Publikum allein von ihrem Bestandteil „Blue Line“ dominiert würde, denn die visuellen Abweichungen zu der Widerspruchsmarke infolge der unterschiedlichen Vokalfolge sowie der abweichenden Wort-und Silbenzahl wird dem Publikum, auch wenn es, wie die Widersprechende meint, den bestimmten Artikel am Zeichenanfang der Widerspruchsmarke außer acht ließe, nicht entgehen; selbst bei einer von der Widersprechenden angenommenen Prägung der angegriffenen Marke durch die Wortfolge „Blue Line“ ist dabei in schriftbildlicher Hinsicht auch die besondere Schreibweise der jüngeren Marke zu berücksichtigen, die durch eine handschriftartige Wiedergabe der einzelnen Buchstaben und die Rundung bestimmt ist und bei der es sich nicht um eine übliche Schriftform handelt, welche unter den Schutzbereich der als Wortmarke eingetragenen Widerspruchsmarke fällt.

Entsprechend ist auch eine klangliche Verwechslungsgefahr zu verneinen, weil der Klangeindruck der ohne Mühe als englische Wortfolge erkennbaren jüngeren Marke von dem der aus deutschen Wörtern gebildeten Widerspruchsmarke stark abweicht.

Zwar liegt eine begriffliche Ähnlichkeit zwischen den Wortfolgen beider Marken insoweit vor, als sie einen ähnlichen Gedanken in verschiedenen Sprachen ausdrücken. Die Verschiedenartigkeit der Sprachen kann dabei nicht außer acht gelassen werden, weil sie die Semantik von Sprachausdrücken maßgeblich mitbestimmt; wie jedem Übersetzer bekannt ist und sich bei Computerübersetzungen immer wieder bestätigt findet, stehen Wortausdrücke in verschiedenen Sprachen nämlich stets in einem abweichenden Sprachumfeld, das zu verschiedenen Bedeutungsfeldern der Sprachausdrücke führt, weshalb es häufig schwierig ist, einen Satzgedanken angemessen in einer anderen Sprache wiederzugeben. Insofern ist die Semantik des englischsprachigen Begriffs „Blue Line“ nicht zwangsläufig mit derjenigen des deutschen Ausdrucks „blaue Linie“ identisch. Auch wenn aus diesem Grund nur eine große begriffliche Ähnlichkeit vorliegt, kann hierauf die Annahme einer Verwechslungsgefahr nicht gegründet werden, weil dieser Ähnlichkeitsaspekt durch die Unähnlichkeit der gegenüberstehenden Markenwörter in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht so weit neutralisiert wird, dass das Publikum allenfalls noch geringe Berührungspunkte zwischen beiden Marken erkennen kann. Damit kann die begriffliche Nähe beider Zeichen die Annahme einer hochgradigen Markenähnlichkeit nicht begründen, bei welcher allein eine Verwechslungsgefahr angenommen werden könnte.

Für die Annahme einer Markenähnlichkeit in Form des gedanklichen Inverbindungbringens i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz MarkenG liegen keine Anhaltspunkte vor. Dies wäre nur zu bejahen, wenn der Verkehr zwar die hinter den Zeichen stehenden Unternehmen auseinanderhält, aber unzutreffend den Eindruck gewinnt, diese seien wirtschaftlich miteinander verbunden, weil sich das ältere Zeichen allgemein zu einem Hinweis auf das oder die Unternehmen der Widersprechenden entwickelt hat (vgl. BGH GRUR 2002, 171, 175 – Marlboro) oder wenn das Publikum einem in ihnen vorhandenen übereinstimmenden Element einen Hinweis auf den Inhaber der älteren Marke entnimmt. Hiervon kann aber bei verschiedensprachigen Ausdrücken trotz deren begrifflicher Ähnlichkeit nicht ausgegangen werden, weil das Publikum keine Veranlassung hat, den in unterschiedlichen Sprachen zum Ausdruck kommenden ähnlichen Gedanken selbst als „Stammmarke“ der Widersprechenden anzusehen.

3. Da die Markenstelle somit den Widerspruch mangels Bestehens einer Verwechslungsgefahr zu Recht zurückgewiesen hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).

C. Anhaltspunkte für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.

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