BPatG: ID

Leitsätze:

Der Prüfungsmaßstab zur Beurteilung der erforderlichen Unterscheidungskraft wird maßgeblich davon bestimmt, dass dieser Rechtsbegriff ausschließlich herkunftsbezogen zu definieren ist und die Herkunftsfunktion einer Marke neben anderen möglichen Funktionen stets im Vordergrund stehen muss.

2. Für eine Zurückweisung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist es nicht erforderlich, dass ein Zeichen aus Begriffen besteht, mit denen die fraglichen Waren oder Dienstleistungen direkt bezeichnet bzw. ihre Merkmale direkt beschrieben werden.

BPatG, Beschluss vom 05.08.2009 – 28 W (pat) 103/08ID
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache


betreffend die Markenanmeldung 306 32 917.4

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 5. August 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Schell

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Angemeldet zur Eintragung ins Register ist die Wortmarke

ID

für die Waren der Klasse 13

„Munition und Geschosse“.

Die Anmeldung wurde von der Markenstelle für Klasse 13 des Deutschen Patent- und Markenamts mit zwei Beschlüssen zurückgewiesen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist. Zur Begründung wurde ausgeführt, die angemeldete Marke beinhalte im Hinblick auf die beanspruchten Waren einen unmittelbar beschreibenden Charakter. Die Abkürzung „ID“ stehe im allgemeinen Sprachgebrauch für den Bedeutungsgehalt „Identifikation, Identität, Kennzeichnung“ und weise mit diesem Aussagegehalt darauf hin, dass die fraglichen Waren über eine spezielle, identifizierende Kennzeichnung bzw. Identifikationsnummer verfügten. Die angemeldete Marke werde deshalb vom Verkehr als beschreibende Sachangabe, nicht aber als betriebskennzeichnender Hinweis aufgefasst. Ihr fehle daher jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Zu diesen Feststellungen wurden der Anmelderin von der Markenstelle mit dem Erinnerungsbeschluss vom 21. August 2008 verschiedene Internetauszüge übermittelt.

Gegen die Zurückweisung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, der angemeldeten Marke lasse sich keineswegs ein relevanter Sachhinweis auf die beanspruchten Waren entnehmen. Zwar könne der Buchstabenkombination „ID“ abstrakt betrachtet die von der Markenstelle angenommene Bedeutung zukommen, in der Praxis werde das Kürzel aber nie in Alleinstellung, sondern nur als Bestandteil in Gesamtbegriffen verwendet, wie etwa in den Begriffen „ID-Nummer“ oder „User-ID“. Allenfalls sei das Kürzel im Zusammenhang mit Produkten aus dem Bereich der Informationstechnologie gebräuchlich, wie sie vorliegend aber nicht beansprucht würden. Eine Verwendung der Buchstabenfolge auf dem hier maßgeblichen Produktbereich hätten die Internetnachweise der Markenstelle nicht belegen können und auch als Bestandteil des allgemeinen Sprachgebrauchs könne die Abkürzung „ID“ nicht angesehen werden. Stelle man auf die mit den beanspruchten Waren angesprochenen, waffenkundigen Fachkreise ab, so müsse vor diesem Hintergrund davon ausgegangen werden, dass diese der angemeldeten Marke keine produktbezogene Aussage zuordnen würden. Eine zielgerichtet, analysierende Betrachtungsweise, wie sie die Markenstelle ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe, finde im Markenrecht keine Stütze. Vielmehr bleibe der Bedeutungsgehalt der Marke für diese Verkehrskreise völlig vage und enthalte gerade keine im Vordergrund stehende, beschreibende Aussage. Der angemeldeten Marke könnten somit keine absoluten Schutzhindernisse entgegengehalten werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen.

Unterscheidungskraft i. S. v § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende, konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie dadurch für die angesprochenen Verbraucher von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidbar macht (EuGH GRUR Int. 2005, 135, Rdn. 19 – Maglite; BGH GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard). Dabei ist entgegen dem allgemeinen Begriffsgehalt des Tatbestandsmerkmals „jegliche Unterscheidungskraft“ in § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht davon auszugehen, dass jede „irgendwie“ geartete Unterscheidungskraft ausreichend wäre, um das Schutzhindernis zu überwinden. Vielmehr ist der Rechtsbegriff der Unterscheidungskraft einer allgemeinsprachlichen Interpretation nicht zugänglich, sondern normativ auszulegen und dabei – wie der Europäische Gerichtshof schon früh klargestellt hat – ausschließlich herkunftsbezogen zu definieren (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 727, Rdn. 49 – Chiemsee). Als Hauptfunktion einer Marke muss die Herkunftsfunktion zudem stets im Vordergrund stehen, während mögliche weitere Markenfunktionen, wie etwa eine anpreisende oder produktbeschreibende Funktion, daneben immer nur von untergeordneter Bedeutung sein dürfen. Ergeben die in der Schutzfähigkeitsprüfung zu treffenden Feststellungen nicht den Nachweis, dass ein angemeldetes Zeichen die konkrete Eignung zur Herkunftsfunktion aufweist und dass diese Herkunftsfunktion im Vordergrund steht, widerspricht ihre Eintragung der in § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG normierten Zielsetzung, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigen Monopolen zu schützen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, Rdn. 59, 62 – EUROHYPO; GRUR Int 2008, 135, 137, Rdn. 80 – Form einer Kunststoffflasche; GRUR 2004, 1027, 1029, Rdn. 35, 45 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).

Keine Unterscheidungskraft besitzen zum einen Zeichen, die im Hinblick auf die einschlägigen Produkte oder Dienstleistungen einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen. Bei solchen beschreibenden Angaben ist nicht davon auszugehen, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard). Die eigenständige Bedeutung von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist aber insbesondere darin zu sehen, dass diese Norm darüber hinaus auch nicht unmittelbar beschreibende Angaben erfasst, wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (EuGH GRUR 2004, 674, 677, Rdn. 70, 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411, Rdn. 9 – STREETBALL). Für eine Zurückweisung beschreibender Angaben ist es somit keineswegs erforderlich, dass ein Zeichen aus Begriffen besteht, mit denen die fraglichen Waren bzw. Dienstleistungen direkt bezeichnet oder Merkmale beschrieben werden, die ihnen unmittelbar anhaften (vgl. EuGH GRUR RR 2008, 47, Rdn. 32 – map&guide).

Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der Buchstabenfolge „ID“ um die lexikalisch nachweisbare Abkürzung für „Identifikation“ handelt, die dem inländischen Publikum mit diesem Bedeutungsgehalt allgemein bekannt ist (vgl. hierzu Handbuch der Abkürzungen, 1996, Band 6 – „ID“; in diesem Sinne auch bereits EuG GRUR Int 2003, 548, Rdn. 28 – BioID). Die Anmelderin hat hiergegen eingewandt, die beschreibende Verwendung dieser Abkürzung sei sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch auf dem hier maßgeblichen Waffensektor in Alleinstellung ungebräuchlich. Sie verkennt dabei aber, dass es nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der markenrechtlichen Unterscheidungskraft gerade nicht ausschlaggebend ist, ob eine angemeldete Marke bereits im geschäftlichen Verkehr verwendet wird oder nicht (vgl. hierzu EuGH GRUR Int 2005, 1012, Rdn. 56, 59, 62 – BioID; BGH a. a. O., Rdn. 9 – STREETBALL m. w. N.). Von entscheidender Bedeutung ist für den vorliegenden Fall vielmehr die Frage, ob das Kürzel „ID“ mit seinem lexikalisch korrekten Begriffsgehalt auf Umstände hinweist, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den mit der Anmeldung beanspruchten Waren hergestellt wird. Zur Klärung dieser Frage ist maßgeblich auf die angesprochenen Verkehrskreise und das einschlägige Branchenumfeld abzustellen.

Dass von Munition und Geschossen ein erhebliches Gefahrenpotenzial ausgeht, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Ausführungen. Die technische Identifikation von Geschossen und Munition bzw. ihrer Hersteller, ihres Fabrikats, ihres Kalibers, ihres Produktionsdatums oder ihres Herkunftslandes ist ein wesentlicher Sicherheits-und Schutzaspekt und sowohl für die angesprochenen Verbraucher als auch für die Öffentlichkeit im Allgemeinen von überragendem Interesse (vgl. hierzu auch § 24 Waffengesetz). Nur eine genaue Identifikation der fraglichen Waren kann zuverlässige Auskunft über die aufgeführten Produktaspekte und den rechtlichen Status der betreffenden Waren geben. Sie ist unabdingbare Voraussetzung für ihre effektive Kontrolle bzw. für ihre spätere Rückverfolgung, was nicht zuletzt den Vertrieb illegaler Munition bzw. Geschossen erschweren soll. Zur technischen Identifizierung von Munition und Geschossen werden in der Praxis beispielsweise Bodenstempel, Prüfzeichen bzw. so genannte Losnummern sowie eingeprägte Fertigungsstempel verwendet. Wiedergeladene Munition ist außerdem mit einem besonderen Kennzeichen zu versehen (§ 24 Abs. 3 Waffengesetz). Einzelne Hersteller verwenden darüber hinaus auch Codierungen, die in die Patronenhülse eingebracht werden und etwa bei Haftungsfragen relevant werden können. Daneben ist die Verwendung sichtbarer und fühlbarer Markierungen bekannt, wie beispielsweise Rändelungen, die es dem Nutzer ermöglichen sollen, die jeweilige Munitionsart bzw. das jeweilige Munitionsmodell selbst bei Dunkelheit oder eingeschränkter Sicht zu identifizieren und damit Verwechslungsmöglichkeiten sicher auszuschließen. Aber auch zur Erleichterung der Bestandsnachweisführung oder der Kontrolle von Munitionsnachweislisten spielt die Identifikation der verfahrensgegenständlichen Waren in der Praxis eine wesentliche Rolle, etwa über den Aufdruck von Ziffern, Buchstaben oder anderen Zeichen. Bei der Identifikation bzw. der Identifizierbarkeit der fraglichen Waren handelt es sich somit um ein wesentliches Produktmerkmal von Munition und Geschossen. Dass dieser Umstand den hier angesprochenen Verkehrskreisen bekannt ist, liegt auf der Hand, zumal es sich hier um fachkundiges Publikum handelt, worauf auch die Anmelderin zutreffend hingewiesen hat. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil dieser Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren in dem allgemein bekannten Kürzel „ID“ lediglich einen schlagwortartigen, produktbezogenen Hinweis darauf sehen wird, dass bei diesen Waren dem Aspekt ihrer Identifikation bzw. ihrer Identifizierbarkeit in besonderer Weise berücksichtigt wurden.

Das Kürzel „ID“ bezieht sich damit auf Umstände, die in einem derart engen Sachzusammenhang mit den beanspruchten Waren stehen, dass mit der angemeldeten Marke ein ausgeprägter, beschreibender Bezug zu den fraglichen Produkten hergestellt wird. Dieser beschreibende Bezug wird sich den angesprochenen Verkehrskreisen unmittelbar aufdrängen, weshalb sie die angemeldete Buchstabenfolge „ID“ nicht als individualisierender, betrieblicher Herkunftshinweis, sondern als produktbezogene Sachangabe auffassen werden. Der Umstand, dass sich dem Verkehr dabei keine detaillierten Produktinformationen erschließen werden, steht dem nicht entgegen (vgl. hierzu BGH GRUR 2008, 900, 901, Rdn. 15 – SPA II). Auch allgemein gehaltene, schlagwortartige Angaben können als verbraucherorientierte Sachinformationen zu bewerten sein, wenn sie sich, wie im vorliegenden Fall, auf Umstände beziehen, die für die jeweiligen Waren eine zentrale, übergeordnete Bedeutung besitzen. Die Verbraucher sind schon lange daran gewöhnt, in der Produktwerbung mit solchen Sachangaben konfrontiert zu werden, die Produktinhalte zwar nicht detailliert benennen, mit denen sie aber trotzdem ausschließlich beschreibende Assoziationen verbinden. Dem typischen, dem markenrechtlichen Leitbild entsprechenden Verbraucher ist bewusst, dass eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit von werbeüblich herausgestellten Sachaussagen sogar häufig notwendig und gewollt ist, um einen möglichst weiten Bereich produktbezogener Eigenschaften erfassen zu können, ohne sie im Einzelnen benennen zu müssen (vgl. BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice). Eine Marke weist nicht schon deshalb die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf, weil sie die fraglichen Waren oder Dienstleistungen bzw. ihre Merkmale nicht direkt bezeichnet (vgl. nochmals EuGH GRUR RR 2008, 47, Rdn. 32 – map&guide).

Auch der Vortrag der Beschwerdeführerin, die Marke sei jedenfalls mehrdeutig, vermag ihr die notwendige Unterscheidungskraft nicht zu vermitteln, da eine Wortmarke bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn ihr die angesprochenen Verkehrskreise – wie hier – von mehreren in Betracht kommenden Bedeutungen eine eindeutige Aussage mit sachbezogenem Charakter entnehmen (BGH GRUR 2005, 257, 258 – Bürogebäude).

Das angemeldete Wortzeichen vermag damit die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Waren zu gewährleisten, nicht zu erfüllen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Ob der Eintragung der angemeldeten Marke auch ein schutzwürdiges Allgemeininteresse i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann bei dieser Sachlage unerörtert bleiben.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen. Die vorliegende Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, nachdem eine mündliche Verhandlung von der Anmelderin nicht beantragt wurde und auch nach Wertung des Senats nicht sachdienlich gewesen wäre (§ 69 MarkenG).

Unterschriften

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