BPatG, Beschluss vom 05.11.2008 – 32 W (pat) 61/07 – Die Drachenjäger
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 § 8 Abs. 3 MarkenG
Leitsatz:
Als Gattungsbezeichnung sog. Fantasy-Comic-Figuren entbehrt die Wortfolge „Die Drachenjäger“ für mediale Waren und Dienstleistungen (Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger, Spiele und Spielzeug, Unterhaltung, Telekommunikation) jeglicher Unterscheidungskraft (Abgrenzung zu BPatG GRUR 2006, 593 – Der kleine Eisbär).
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenmeldung 306 65 047.9
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Viereck und der Richterin Bayer auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2008
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 20. Oktober 2006 angemeldete Wortmarke
Die Drachenjäger
ist für zahlreiche Waren und Dienstleistungen unterschiedlicher Klassen bestimmt.
Seitens der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent-und Markenamts ist die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung, der Internet-Ausdrucke zum Beleg der Verwendung der angemeldeten Bezeichnung (10 Blatt) beigefügt waren, mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 5. März 2007 teilweise, nämlich bezüglich der Waren und Dienstleistungen
„Magnetaufzeichnungsträger; Schallplatten; Druckereierzeugnisse; Spiele, Spielkarten; Spielzeug; Telekommunikation; Unterhaltung“
als beschreibende und somit freihaltebedürftige sowie nicht unterscheidungskräftige Angabe (§ 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG) zurückgewiesen worden.
Unbeschadet ihrer Eigenschaft als Phantasiebegriff komme die angemeldete Bezeichnung für Medienträger, Spiele und Spielzeug sowie Dienstleistungen der Unterhaltung und Telekommunikation als inhaltsbeschreibende bzw. Titelangabe ernsthaft in Betracht und sei daher freihaltebedürftig. Nicht nur das Fabelwesen des Drachen, sondern auch das Motiv des „Drachenjägers“ finde als Gegenstand von Kurzgeschichten, Romanen, PC-und Gesellschaftsspielen sowie Internetforen tatsächlich Verwendung. Wegen der Bekanntheit und Beliebtheit der Drachenfigur und des Drachenjägermotivs im Fantasy-Bereich sei die angemeldete Wortfolge geeignet, als Sachhinweis auf Inhalt und Gegenstand der versagten Waren und Dienstleistungen zu wirken. Ihr fehle die Eignung, als Herkunftshinweis auf einen bestimmten Betrieb zu dienen. Dem Beschluss waren weitere Internet-Ausdrucke (16 Blatt) beigefügt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt den Antrag,
den Beschluss des Deutschen Patent-und Markenamts vom
5. März 2007 aufzuheben und die angemeldete Marke auch für die Waren und Dienstleistungen, hinsichtlich derer die Zurückweisung erfolgt ist, einzutragen,
wobei sie ihr Begehren hilfsweise auf Verkehrsdurchsetzung (§ 8 Abs. 3 MarkenG) stützt.
Aufgrund des ersten Wortbestandteils der angemeldeten Marke, des mit großem Anfangsbuchstaben geschriebenen bestimmten Artikels „Die“, werde klargestellt, dass es nicht allgemein um die Beschreibung von jemanden gehe, der Drachen jage. Zudem finde das Wort „Drachenjäger“ in der Realität keine Entsprechung; vielmehr handele es sich um einen Phantasiebegriff. Eine beschreibende Verwendung der angemeldeten Bezeichnung lasse sich nicht belegen. Diese sei kurz, prägnant und eingängig. Der Verkehr entnehme ihr keinen Sachhinweis (als Inhaltsbeschreibung), sondern einen betrieblichen Herkunftshinweis.
Jedenfalls sei die angemeldete Marke für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt. Die Bezeichnungen „Dragon Hunters“ und „Die Drachenjäger“ seien Titel einer in Frankreich und China produzierten Cartoonserie, die bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen beliebt sei und in zahlreichen europäischen Ländern Kultstatus genieße. In Deutschland werde die Serie seit September 2005 in dem von ihr – der Anmelderin -betriebenen Fernsehsender „Super RTL“ ausgestrahlt; sie habe im Wege des Lizenzvertrags die Fernsehrechte für Deutschland, einschließlich Merchandising, DVD und Online-Auswertung, erworben. In der Zielgruppe der Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren habe das Sendeformat einen Marktanteil von … %.
Die Sendung werde auch als DVD-Video sowie Hörspiel auf CD und MC vermarktet. Des weiteren seien zahlreiche Spiele zur Sendung entwickelt worden. Es werde umfangreiche (Cross-)Promotion betrieben, u. a. mit Unternehmen wie McDonalds, Nestlé und Punica. Außerdem gebe es Magazine, Zeitschriften und Kalender zur Sendung. Als Anlagen legt die Anmelderin verschiedene Unterlagen zum Beleg der tatsächlichen Verwendung vor (Spielposter, Sammelkarten, Sammelkartenspiele, Kopien aus einem Produktkatalog).
Zusammen mit der (am 17. Juni 2008) erfolgten Ladung zur mündlichen Verhandlung ist folgender Hinweis an die Anmelderin ergangen:
„Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wird auf folgendes hingewiesen:
1. Was die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke von Hause aus angeht, wird ergänzend zu den von der Markenstelle bereits übersandten Belegen auf den Sachbuch-Titel „Drachen und Drachenjäger zeichnen“ hingewiesen.
2. Soweit die Anmeldung hilfsweise auf Verkehrsdurchsetzung gestützt wird, ist in geeigneter Weise glaubhaft zu machen, dass das betreffende Zeichen -als Marke -für die beschwerdegegenständlichen Waren/Dienstleistungen benutzt worden ist/benutzt wird und -seit wann und -in welchem Umfang dies geschehen ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die einschlägigen Kommentierungen verwiesen.
3. Um möglichen Missverständnissen im Hinblick auf das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG vorzubeugen, könnte es hilfreich sein darzulegen, dass die Markenanmeldung mit Einverständnis der Inhaberind er von der Anmelderin lizenzierten Rechte erfolgt ist oder warum es darauf ggf. nicht ankommen sollte.“
Ein Internet-Ausdruck (2 Blatt) zu dem Buchtitel „Drachen und Drachenjäger zeichnen“ war beigefügt.
In der mündlichen Verhandlung am 5. November 2008 hat die Anmelderin eine Marktanteilsübersicht zu „Dragon Hunters“ sowie eine Liste von „Dragon Hunters-Produkten“ vorgelegt.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Von Hause aus – d. h. vor und unabhänig von jeder Benutzung – fehlt der als Marke angemeldeten Bezeichnung für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen das für eine Eintragung erforderliche Maß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Produkte und Angebote zu gewährleisten (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Nr. 27 – BioID; BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice; GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006). Die Beurteilung hat im Blick auf die konkret betroffenen Waren und Dienstleistungen und auf das Verständnis des mit diesen angesprochenen Verkehrs – d. h. im vorliegenden Falle breiter Endverbraucherkreise -zu erfolgen. Dabei darf die Prüfung, ob die erforderliche Unterscheidungskraft vorhanden ist, nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern muss streng und vollständig sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu vermeiden (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, Nr. 59 – Libertel; GRUR 2004, 674, Nr. 123 – Postkantoor; GRUR 2004, 1027, Nr. 45 – DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT).
Handelt es sich bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen um solche, die neben ihrem Charakter als handelbare Güter auch einen bezeichnungsfähigen gedanklichen Inhalt aufweisen oder aufweisen können, so ist – unbeschadet eines etwaigen Werktitelschutzes nach § 5 Abs. 3 MarkenG, für den andere Anforderungen gelten – die markenrechtliche Unterscheidungskraft auch dann zu verneinen, wenn die betreffende Bezeichnung geeignet ist, diesen gedanklichen Inhalt der Waren und Dienstleistungen nach Art eines Sachtitels zu beschreiben (vgl. BGH GRUR 2000, 882 – Bücher für eine bessere Welt; GRUR 2001, 1042 -REICH UND SCHOEN; GRUR 2001, 1043 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; GRUR 2002, 1070 – Bar jeder Vernunft; GRUR 2003, 342 – Winnetou; BPatG GRUR 2006, 593 – Der kleine Eisbär).
Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke für die beschwerdegegenständlichen Medienprodukte nicht die erforderliche Unterscheidungskraft zugesprochen werden. Zwar bezeichnet „Die Drachenjäger“ Personen, die es als solche in der Realität nicht gibt, da bereits der Begriff „Drache“ – in seiner Hauptbedeutung – ein Fabelwesen verkörpert. Mit diesem verbinden sich aber hinreichend konkrete Vorstellungen, was das Wesen und die Gestalt (großes geflügeltes und feuerspeiendes Reptil) ausmachen, so dass auch rückbezügliche Bezeichnungen (wie etwa Drachenhöhle, Drachenfelsen, Drachentöter) als Gattungsbegriffe – und somit nicht als Hinweis auf die Herkunft von Waren und Dienstleistungen aus einem (einzigen) Geschäftsbetrieb -verstanden werden. Um einen derartigen Gattungsbegriff handelt es sich auch beim „Drachenjäger“, da diese Figur als Typus in der sog. Fantasy-Comic-Szene vertraut ist und auch von unterschiedlichen Unternehmen in diesem Sinne als beschreibende Angabe tatsächlich Verwendung findet (wie die von der Markenstelle und vom Senat ermittelten Internet-Seiten belegen). Das Allgemeininteresse an der Freihaltung beschreibender Angaben von Monopolrechten, welches auch im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft zu berücksichtigen ist (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdnr. 40, 41 m. w. N.), verbietet somit die Registrierung der angemeldeten Bezeichnung als Marke zugunsten einer Herstellerin von Waren bzw. Anbieterin von Dienstleistungen, selbst wenn diese -wie die Anmelderin -zur Bekanntheit des betreffenden Genres wesentlich beigetragen hat.
Eine andere Beurteilung ist vorliegend auch nicht deshalb geboten, weil dem Begriff „Drachenjäger“ der bestimmte Artikel im Plural („Die“) vorangestellt ist. Anders als die Einzahlform (vgl. BPatG GRUR 2006, 593 – Der kleine Eisbär) bewirkt die Pluralbildung keine eindeutige Individualisierung, mithin auch nicht notwendig den Hinweis auf bestimmte einzelne, u. U. bereits bekannte Drachenjägertypen. Die Eignung zur gattungsmäßigen Beschreibung wird durch die Voranstellung des Artikels „Die“ nicht aufgehoben oder eingeschränkt.
Da einer Eintragung der angemeldeten Bezeichnung bereits die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht, kann dahingestellt bleiben, ob zusätzlich auch das Schutzhindernis der ersichtlich bösgläubigen Markenanmeldung (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 i. V. m. § 37 Abs. 3 MarkenG) gegeben ist oder ob insoweit die Lizenzverträge der Anmelderin (deren Vorhandensein behauptet, aber nicht durch Vorlage von Unterlagen belegt worden ist) diese zur Anmeldung im eigenen Namen berechtigen.
2. Für eine Zurückverweisung an das Deutsche Patent-und Markenamt ohne abschließende Sachentscheidung des Senats (gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) zwecks Prüfung der behaupteten Verkehrsdurchsetzung besteht kein Anlass. Die Anmelderin hat nämlich, trotz entsprechender rechtzeitiger, der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügter Hinweise, nicht ausreichend dargelegt – geschweige denn glaubhaft gemacht -, dass sich die angemeldete Bezeichnung infolge ihrer Benutzung für die jetzt noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen in den beteiligten Verkehrskreisen als Marke für sie – die Anmelderin -durchgesetzt hätte (vgl. zu den Anforderungen insoweit Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdnr. 344, 345). Insbesondere sind die tatsächlichen Behauptungen nicht durch entsprechende eidesstattliche Versicherungen gestützt worden. Die in der mündlichen Verhandlung überrreichten schriftlichen Unterlagen (zu Marktanteilen und Einzelprodukten) beziehen sich auf die Bezeichnung „Dragon Hunters“ und sind von daher für die vorliegend beanspruchte Marke „Die Drachenjäger“ unbehelflich.
(Unterschriften)
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