BPatG, Beschluss vom 11.01.2007 – 25 W (pat) 9/05 – CASHFLOW
MarkenG § 8 Abs. 2
Für die Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Markenanmeldung haben weder die Praxis des Deutschen Patent- und Markenamts bezüglich vergleichbarer Fälle noch amtsinterne Richtlinien zur Prüfung von Markenanmeldungen eine entscheidungserhebliche Bedeutung.
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 302 09 420.2
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2007 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung
CASHFLOW
ist am 22. Februar 2003 für die Waren und Dienstleistungen
„Software zur Ausbildung in Finanzangelegenheiten, nämlich Software für Spielprogramme für Computer und andere Geräte, einschließlich Software, die über das Internet oder ein Intranet zugänglich ist; Bereitstellen von Computerspielen zur Ausbildung in finanziellen Angelegenheiten zum Abrufen aus globalen Computernetzwerken oder über das Intranet“
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Nach Beanstandung wegen absoluter Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG durch Bescheid vom 9. Januar 2003 ist die Anmeldung durch Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 vom 3. September 2004 zurückgewiesen worden.
Der Marke fehle für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bereits jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Erhebliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise würden „CASHFLOW“ ohne analysierende Betrachtungsweise in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich als Hinweis auf deren naheliegenden Inhalt bzw. thematische Ausrichtung auffassen, so dass das angemeldete Zeichen ungeeignet sei, auf die betriebliche Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinzuweisen. Der aus der englischen Sprache stammende Begriff „Cashflow“ werde inzwischen auch im Deutschen als Terminus des Finanzwesens verwendet und bezeichne den Überschuss, der einem Unternehmen nach Abzug aller Unkosten verbleibe.
In Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen weise die Bezeichnung daher lediglich darauf hin, dass diese sich inhaltlich/thematisch mit dem „Cashflow“ befassten, z. B. in Form von Beiträgen oder Fallbeispielen zum Erlernen der Berechnung und Bewertung des Umsatzüberschusses. So könne der „Cashflow“ auch typischerweise mittels im Internet erhältlicher Programme berechnet werden und werde überdies von zahlreichen Anbietern von Lernsoftware als Ausbildungsinhalt im Rahmen von Jahresabschluss und Bilanzanalyse bzw. Innenfinanzierung verwendet.
An der angemeldeten Wortmarke bestehe ferner wegen ihrer Eignung als beschreibende Angabe im Hinblick auf den Inhalt und die thematische Ausrichtung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ein Freihaltungsbedürfnis, wie auch die entsprechende Verwendung des Begriffs in diesem Sinne belege.
Die Eintragung anderer „CASHFLOW“-Marken führe nicht zur Eintragung des vorliegend angemeldeten Zeichens. Ausländische Voreintragungen könnten für die Unterscheidungskraft keine entscheidungserheblichen Indizwirkungen entfalten. Zudem seien die Indizwirkungen für die Frage des Freihaltungsbedürfnisses aufgrund der gefundenen Nachweise hinreichend erschüttert. Unabhängig davon sei die von der Anmelderin in Bezug genommene nationale Wortmarke 395 22 342.3 „CASHFLOW“ nur aufgrund des angefügten Disclaimers „alle zuvor genannten Waren nicht zur Berechnung des Cashflows“, die Wort-/Bildmarke 2 063 007 aufgrund der grafischen Ausgestaltung sowie die Marke 2 032 527 aufgrund des zusätzlichen „MARS“-Bestandteils eingetragen worden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag,
den Beschluss der Markenstelle vom 3. September 2004 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen.
Die Marke „Cashflow“ sei eintragungsfähig, weil sie die Merkmale der Waren und Dienstleistungen, für die sie angemeldet sei, nicht in üblicher Art und Weise und unmittelbar beschreibe. Vielmehr bedürfe es in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen weiterer Überlegungen und gedanklicher Zwischenschritte, um dem Zeichen „CASHFLOW“ einen beschreibenden Aussagegehalt in Bezug auf Inhalt bzw. Thematik der jeweiligen Waren und Dienstleis-tungen zu entnehmen. Zudem handele es sich um einen Begriff aus der Finanzwelt, der zwar für spezialisierte Fachleute, die ihn erläutern bzw. berechnen können, auf keinen Fall aber für den durchschnittlich informierten und aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher in Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen eine Bedeutung gewinne. Deshalb sei das Zeichen „CASHFLOW“ auch nicht freihaltebedürftig. Es habe nur eine unscharfe Bedeutung für die Waren und Dienstleistungen der Markenanmeldung.
Unter Vorlage von Unterlagen zu in- und ausländischen Markeneintragungen macht die Anmelderin weiterhin geltend, dass das Deutsche Patent- und Markenamt auch andere Marken, die die Bestandteile „Cash“ oder „Finance“ enthielten und für Waren oder Dienstleistungen bestimmt seien, die denen im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Markenanmeldung zumindest nahe kämen, eingetragen habe. Die Markenstelle habe zudem nicht berücksichtigt, dass die zahlreichen ausländischen Voreintragungen der angemeldeten Marke nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich als Indiz für die Eintragungsfähigkeit der Marke zu werten seien, zumal Eintragungen auch in englischsprachigen Ländern erfolgt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze des Anmelders und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angemeldete Bezeichnung „CASHFLOW“ für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen bereits nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verfügt.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-mittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr. BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice; EuGH GRUR 2003, 58 – COMPANYLINE – zur GMV). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 – Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 – Postkantoor; GRUR 2004, 680 – Biomild). Maßgebend ist allein, ob der Verkehr in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder nicht. Ein Eintragungshindernis kann sich daher auch daraus ergeben, dass die angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf den möglichen Inhalt oder Gegenstand der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen in dem beanspruchten Zeichen eine Sachinformation sehen (BGH MarkenR 2002, 338, 340 – Bar jeder Vernunft; BGH MarkenR 2003, 148, 149 – Winnetou; EuG GRUR Int. 2001, 864, 866 – CINE COMEDY; BPatG MarkenR 2002, 299, 301 – OEKOLAND).
Ausgehend hiervon fehlt der angemeldeten Bezeichnung, deren Bedeutung im Zusammenhang mit den angemeldeten Waren und Dienstleistungen zu beurteilen ist, die erforderliche Eignung, im Verkehr als Unterscheidungsmerkmal hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen angesehen zu werden.
Wie die Markenstelle bereits durch Übersendung entsprechender Nachweise belegt hat, handelt es sich bei der aus den auch weiten Teilen des allgemeinen Verkehrs in ihrer Bedeutung bekannten englischen Begriffen „cash“ und „flow“ gebildete Wortkombination um einen in den deutschen Sprachgebrauch eingegangenen und nicht nur in Fachwörterbüchern, sondern darüber hinaus auch in allgemeinen Lexika und Wörterbüchern nachweisbaren Fachbegriff zur Bezeichnung des „in einer Periode erwirtschafteten Zahlungsmittelüberschusses eines Unternehmens, der Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellt und der Beurteilung der finanziellen Struktur des Unternehmens dient“ (vgl. DUDEN, Deutsches Univer-salwörterbuch, 5. Aufl., S. 331). Die angemeldete Bezeichnung fügt sich zudem in vergleichbar mit dem Begriff „flow“ gebildete und auch im inländischen Sprachgebrauch verwendete Wortkombinationen wie z. B. „dataflow“ oder „workflow“ ein, mit denen schlagwortartig Vorgänge oder Gegenstände, die fließen, ablaufen oder transferiert werden können, bezeichnet werden. Die dem angefochtenen Beschluss der Markenstelle beigefügten Anlagen belegen ferner, dass sich der Begriff „CASHFLOW“ sowohl in getrennter als auch in der hier angemeldeten geschlossenen Schreibweise als Sachbegriff mittlerweile im Inland etabliert hat – was auch durch eine dazu seitens des Senats ergänzend durchgeführte Google-Recherche bestätigt wird (vgl. z. B. www.reports.eads.net/2005/ar_2005/de/book2/4/2/7/2.html: „Der Brutto-Cash Flow aus der betrieblichen Tätigkeit stieg im Jahr 2005 um Mio. … Das Management teilt den Cash Flow aus der Investitionstätigkeit in drei …“; www.bayer.de/geschaeftsbericht_2004_id0109/lagebericht/konzernsteuerung.php – 44k -: „Unsere zentrale Steuerungsgröße ist der Unterschieds-Brutto-Cashflow (UBCF), … Mit einem Brutto-Cashflow von 3.210 Mio EUR haben wir die Hurdle mit einer …“; www.rwe.com/generator.aspx/presse/language=de/id= 78406?pmid=4001132 – 25k: „Im ersten Quartal 2006 lag der Cash Flow aus lau-fender … Der Rückgang der beiden Cash-Flow-Werte ist vor allem auf negative Effekte beim …“) – und daher nicht nur von den hier in erster Linie angesprochenen fachkundigen und fachlich interessierten Verkehrskreisen, sondern auch von erheblichen Teilen des allgemeinen Verkehrs in seiner Bedeutung ohne weiteres verstanden wird. Diese – allerdings jedermann leicht zugänglichen – Gesichtspunkte konnten mit der Anmelderin nicht mehr erörtert werden, da diese die mündliche Verhandlung ohne Vorankündigung nicht wahrgenommen hat.
Vor diesem Hintergrund eines Verständnisses der angemeldeten Bezeichnung als Sachbegriff ist dann aber mit der Markenstelle davon auszugehen, dass die hier zu beachtenden Verkehrskreise bei Verwendung der angemeldeten Bezeichnung in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen sofort an eine sachbezogene Aussage über Inhalt und Gegenstand der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen denken und nicht an eine deren Unterscheidung ermöglichende Kennzeichnung.
Zutreffend hat die Markenstelle dazu festgestellt, dass Bedeutung und Funktion eines „CASHFLOW“ ebenso wie dessen Berechnung und Bewertung ohne weiteres durch die beanspruchte Software zur Ausbildung in Finanzangelegenheiten in Form von Spielprogrammen vermittelt werden kann, so dass sich die angemeldete Bezeichnung insoweit in einer Inhalts- und Themenangabe zu der entsprechenden Software erschöpft. Die zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 42 („Bereit-stellen von Computerspielen zur Ausbildung in finanziellen Angelegenheiten zum Abrufen aus globalen Computernetzwerken oder über das Intranet“) können sich inhaltlich und thematisch ebenfalls mit Fragen des „CASHFLOW“ befassen, so dass der Verkehr auch insoweit in der angemeldeten Bezeichnung lediglich eine Sachinformation, jedoch keinen individualisierenden, betrieblichen Herkunftshinweis sehen wird.
Dem steht auch nicht entgegen, dass sich dem Verkehr wegen des allgemeinen Aussagegehalts der Bezeichnung die im Einzelfall betroffenen tatsächlichen Inhalte nicht umfassend erschließen. Denn „CASHFLOW“ bezeichnet schlagwortartig und treffend ein mögliches inhaltliches bzw. thematisches Fachgebiet der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Die angemeldete Bezeichnung ist insoweit weder unklar noch mehrdeutig (vgl. dazu BGH MarkenR 2000, 330, 332 – Bücher für eine bessere Welt). In rechtlicher Hinsicht ist unabhängig davon noch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des EuGH ein Wortzeichen bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen ist, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen beschreibt (vgl. EuGH, GRUR 2004, 146, 147 f. Rn. 32 – DOUBLEMINT; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 38 – BIOMILD).
Zutreffend hat die Markenstelle auch darauf hingewiesen, dass in der von der Anmelderin in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen Entscheidung 30 W (pat) 172/98 -CASHFLOW die Eintragung des dort angemeldeten Wortzeichens „CASHFLOW“ vermutlich aufgrund des nach Auffassung des entscheidenden Senats bestehende Schutzhindernisse überwindenden Disclaimers „alle zuvor genannten Waren nicht zur Berechnung des Cashflows“ erfolgte. Insoweit gibt der Senat aber zu bedenken, dass nach einer neueren Entscheidung des EuGH (GRUR 2004, 674 Tz. 114 – 117 – Postkantoor) solche Disclaimer ein bestehendes Schutzhindernis grundsätzlich nicht überwinden können.
Soweit die Anmelderin sich unter Hinweis auf die Entscheidung BGH GRUR 1998, 379 – RIGIDITE – auf eine Indizwirkung der von ihr im Einzelnen genannten ausländischen Voreintragungen des angemeldeten Zeichens beruft, hat der EuGH dazu festgestellt, dass selbst die Eintragung einer identischen Marke für identische Waren oder Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat zwar einen Umstand bilden kann, den die zuständige Behörde berücksichtigen kann, der jedoch für die Entscheidung, die Anmeldung einer bestimmten Marke zur Eintragung zuzulassen, nicht maßgebend sein kann (vgl. EuGH, GRUR 2004, 428, 432 Tz 63 – Henkel). Voreintragungen lediglich ähnlicher Marken oder lediglich für ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen bestimmter Marken können dagegen von vornherein keinen Einfluss auf die Beurteilung der Schutzfähigkeit einer in einem anderen Mitgliedstaat angemeldeten Marke haben (vgl. Ströbele, Festschrift 50 Jahre VPP, 439, 449). Bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit von Marken handelt es sich um gebundene Entscheidungen, die allein auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und nicht auf Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen sind (vgl. EuGH, MarkenR 2005, 391, 395 Tz 47 – BioID). Ausländische Entscheidungen bzw. Voreintragungen können daher in rechtlicher Hinsicht für die Beurteilung der Schutzfähigkeit angemeldeter Marken im Inland nicht maßgebend sein (vgl. Ströbele/Hacker, Markenrecht, 8. Aufl. § 8 Rdnr. 30) und daher nicht die Eintragungsfähigkeit einer Bezeichnung begründen, wenn diese wie hier einen eindeutigen und sofort erkennbaren sachbezogenen Aussagegehalt aufweist, was auch der BGH in einer aktuellen Entscheidung im Anschluss an die vorgenannten Rechtsprechung des EuGH betont hat (vgl. GRUR 2005, 578, 580 – LOKMAUS).
Auch soweit sich die Anmelderin auf inländische Voreintragungen mit dem Bestandteil „Cash“ und anderen ihrer Auffassung nach vergleichbaren Bestandteilen wie „Finance“ beruft, vermag dies in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundespatentgerichts sowie auch der ganz überwiegenden Literaturmeinung keine andere Beurteilung zu begründen. Es bedarf im Einzelnen keiner Erörterung, ob die genannten Voreintragungen überhaupt gleich zu beurteilende Sachverhalte betreffen.
Allerdings sind in jüngster Zeit Beschlüsse eines Senats des BPatG ergangen, mit denen dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts nach § 68 Abs. 2 MarkenG der Beitritt zum Beschwerdeverfahren anheim gegeben worden ist im Hinblick auf die Frage, inwieweit der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG das DPMA bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung zu einer gleich bleibenden Eintragungspraxis und einheitlichen Behandlung von gleich gelagerten Fällen bzw. von Serienmarken verpflichtet (u. a. Beschluss vom 13.12.2006 in der Sache 29 W (pat) 5/06 – TV SCHWABEN ). Vor einer Fortführung des Verfahrens und vollumfänglichen Prüfung der angefochtenen Entscheidung sei zu klären, nach welchen für die Markenstellen einheitlich geltenden Vorgaben (Richtlinien), Marken mit bestimmten Bestandteilen für bestimmte Waren/Dienstleistungen eingetragen oder nicht eingetragen werden, um willkürliche Ungleichbehandlung zu vermeiden.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren sieht der Senat keinen Hinderungsgrund, eine Sachentscheidung zu treffen. Die Frage, ob das DPMA über die konkrete Markenanmeldung auf der Grundlage einheitlicher Vorgaben zu Wortkombinationen mit den Bestandteilen „cash“ und/oder „flow“ bzw. im Einklang mit einer insoweit bestehenden Beurteilungspraxis entschieden hat, ist nicht entscheidungserheblich. Mit dem genannten Beschluss ist auf der einheitlichen Grundlage von Rechtsprechung und Literatur davon auszugehen, dass dem DPMA bei der Entscheidung über die Eintragung angemeldeter Marken kein Ermessensspielraum zusteht und dass die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „Unterscheidungskraft“ der vollständigen gerichtlichen Überprüfbarkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterliegt. Für die vom BPatG im Einzelfall zu treffende Entscheidung kann es danach – so erstrebenswert eine einheitlich richtige Eintragungspraxis der Markenstellen des DPMA im Interesse der Anmelder und der Allgemeinheit auch ist – nicht darauf ankommen, ob für Fälle der zu entscheidenden Art eine DPMA-Richtlinie besteht und ob sich der angefochtene Beschluss an dieser Richtlinie und/oder an einer Eintragungs- bzw. Zurückweisungspraxis orientiert. Andernfalls müsste man es – was kaum ernsthaft vertretbar erscheint – für möglich erachten, dass das BPatG eine in der Sache für richtig erkannte Entscheidung des DPMA allein deshalb aufhebt, weil sie nicht in Einklang mit einer internen Amtsrichtlinie bzw. einer bisherigen Praxis steht oder – andersherum – eine an sich gesetzeswidrige Entscheidung nur deshalb bestätigt, weil sie sich in Einklang mit einer Richtlinie oder Praxis befindet.
Die Entscheidung über die Eintragung einer angemeldeten Marke hat hinsichtlich der Fragen der Markenfähigkeit und bestehender Schutzhindernisse anhand der harmonisierten Normen des Markenrechts ohne Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zu erfolgen. Aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG kann daher im markenrechtlichen Verfahren im Hinblick auf vorhergehende Eintragungen oder Zurückweisungen kein Anspruch auf Eintragung oder auf Löschung abgeleitet werden. Dies hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BGH und des Europäischen Gerichtshofes auch das BPatG z. B. in der aktuellen Entscheidung „Porträtfoto Marlene Dietrich“ (GRUR 2006, 333, 337 f.) so festgestellt. Die erforderliche Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ändert nichts daran, dass es sich um gebundene Entscheidungen handelt, für die Voreintragungen unverbindlich sind (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 8 Rdn. 25 bis 31; zu Gemeinschaftsmarken siehe EuGH GRUR 2006, 229, 231 – BioID – und GRUR 2006, 233, 235 – Standbeutel). Selbst soweit in der verwaltungsrechtlichen Lehre zum Teil eine eigenverantwortliche Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung vertreten und dies in der Rechtsprechung in eng begrenztem Umfang für ganz spezielle Gebiete (z. B. die Beurteilung von Prüfungsentscheidungen oder sog. Risikoentscheidungen) gebilligt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht eine Intensivierung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gefordert und den Spielraum der Exekutive weiter begrenzt. Nach wie vor entscheiden letztverbindlich die Gerichte, welches die richtige von mehreren möglichen Auslegungen eines Tatbestandes ist (siehe dazu die Darstellung bei Peter M. Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1997, Seite 128 ff.). Ebenso wird von Maurer nach Erörterung von Lehre und Rechtsprechung zusammenfassend festgestellt, dass die unbestimmten Rechtsbegriffe durch die Gerichte grundsätzlich voll überprüft werden können und Ausnahmen nur dort zulässig sind, wo eine Überprüfung auf sachlich und damit auf rechtlich unüberwindliche Grenzen stößt (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, § 7 Rdn. 62, S. 156) . Von letzterem kann im markenrechtlichen Eintragungsverfahren keine Rede sein. Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltungsbehörde erfolgt auch bei schwierigen Wertungen und Zukunftsprognosen durch eine bestimmte Entscheidung im konkreten Einzelfall (Maurer, a. a. O., § 7 Rdn. 30, S. 141). Eine Verpflichtung des DPMA zu dem Versuch, künftig zu treffende Einzelfallentscheidungen durch einheitliche Vorgaben möglichst vorwegzunehmen, kann der genannten Literatur nicht entnommen werden. Nicht zu beurteilen ist hier die Frage, ob und zu welchen Fragen und mit welcher Detailliertheit Verwaltungsvorschriften zulässig und zweckmäßig erscheinen.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach der zwingenden Vorschrift des § 73 Abs. 1 MarkenG das BPatG den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Mit diesem Untersuchungsgrundsatz lässt es sich nicht vereinbaren, eine Entscheidung zurückzustellen, weil ungeklärt sei, nach welchen für die Markenstellen einheitlich geltenden Vorgaben angemeldete Marken eingetragen werden oder nicht. Eine solche Auffassung würde auch zu dem nicht akzeptablen Ergebnis führen, dass durch fehlende Prüfungsrichtlinien oder auch nur durch deren relativ allgemeine Fassung – was zu den zentralen markenrechtlichen unbestimmten Rechtsbegriffen und der teils rasanten Rechtsprechung dazu anders kaum möglich erscheint – eine gerichtliche Überprüfung der im Einzelfall getroffenen Entscheidungen gehindert oder aber andererseits die Rechtsprechung durch konkrete Richtlinien quasi festgelegt werden könnte. Auch soweit sich bezüglich vom DPMA getroffener Entscheidungen vergleichbare andere Fälle recherchieren lassen (was häufig vorkommt), können diese Entscheidungen nicht schon deshalb für nicht überprüfbar oder fehlerhaft angesehen werden, weil dafür keine konkreten Vorgaben in Richtlinien bestehen. Vielmehr ist es Aufgabe der Rechtsprechung, durch die Beantwortung von Rechtsfragen und durch Tatsachenbeurteilungen über die verbindliche Einzelfallentscheidung hinaus Orientierungspunkte zu setzen für die Entscheidungspraxis des DPMA (und gegebenenfalls auch für dortige interne Richtlinien). In diesem Zusammenhang soll nicht verschwiegen werden, dass auch die Entscheidungspraxis der Gerichte keineswegs immer ein einheitliches Bild bietet.
Es könnte daher an sich offen bleiben, ob und inwieweit für die angesprochenen Fragen überhaupt verwaltungsverfahrensrechtliche und verwaltungsgerichtliche Grundsätze herangezogen werden dürfen. Bei den Entscheidungen des DPMA in Markensachen handelt es sich zwar um Akte einer Verwaltungsbehörde. Wegen der spezifischen Eigenarten der Materie hat aber der Gesetzgeber in Reaktion auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juni 1959 (GRUR 1959, 435) diese Entscheidungen bewusst nicht der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterstellt, sondern das BPatG errichtet und als höchste Rechtsmittelinstanz den Bundesgerichtshof vorgesehen, siehe §§ 36 b ff. 6. Überleitungsgesetz vom 23. März 1961 (BlPMZ 1961, 124, 127; Begründung a. a. O., Seite 140, 151 ff). Hierfür war eine Ergänzung des Grundgesetzes erforderlich. Diese wurde durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 6. März 1961 (BlPMZ 1961, 122) durch Einfügung des heutigen Art. 96 GG (damals Art. 96 a) vorgenommen, nach dessen Absatz 1 der Bund für Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes ein Bundesgericht errichten konnte, für welches nach Absatz 3 als Oberster Gerichtshof nicht das Bundesverwaltungsgericht, sondern der Bundesge-richtshof bestimmt ist. In der Begründung zum Entwurf des Gesetzes sind die maßgeblichen Überlegungen für die Zuordnung der patentamtlichen Verfahren zu diesem Rechtsweg innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgeführt (siehe BlPMZ 1961, 122 f.).
Soweit die gerichtlichen Verfahrensvorschriften des Markengesetzes nicht vollständig sind, enthält § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ausdrücklich nur eine subsidiäre Verweisung auf das GVG und auf die ZPO unter der Voraussetzung, dass die Besonderheiten des Verfahrens vor dem BPatG dies nicht ausschließen. Ein Rückgriff auf die Vorschriften der VwGO ist danach nicht möglich. Die grundlegende gesetzgeberische Entscheidung, die Verfahren und Entscheidungen des DPMA betreffend gewerbliche Schutzrechte nicht den verwaltungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regeln zu unterwerfen, ist später dadurch bestätigt worden, dass die Verfahren vor dem DPMA ausdrücklich vom Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgenommen worden sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VwVerfG). Diese Umstände dürfen nicht unberücksichtigt bleiben.
Nur ergänzend wird noch angemerkt, dass für den Senat auch nicht ersichtlich ist, inwiefern die im DPMA geltende Richtlinie für die Prüfung von Markenanmeldungen vom 13. Juni 2005 (BlPMZ 2005, 245 ff.) nicht den etwa daran zu stellenden Anforderungen entsprechen sollte. Dem Richtliniencharakter ist es immanent, dass darin nicht eine Vielzahl von Einzelfällen vorab entschieden werden, sondern dass Orientierungspunkte gesetzt werden, die es ermöglichen sollen, dem angestrebten Ziel einer möglichst einheitlichen Verfahrens- und Entscheidungspraxis nahe zu kommen. Angesichts der außerordentlich hohen Zahl jährlicher Markenanmeldungen (im Jahr 2006 ca. 83000) und den daraus entstehenden zahlreichen Problemen und neuen Fragen wäre es ein unrealistisches Bemühen, allen möglichen unterschiedlichen Beurteilungen durch detailliert konkrete Richtlinien begegnen zu wollen. Vielmehr ist es Aufgabe der Markenstellen, die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe im zu entscheidenden Einzelfall vorzunehmen. Sie haben sich dabei an den Entwicklungen der Rechtsprechung zu orientieren, um Entscheidungen im Sinne des harmonisierten Markenrechts zu treffen. Insoweit wäre eine zu detaillierte Gestaltung der Prüfungsrichtlinie in vielen Fällen eher hinderlich als förderlich und könnte zu Konfliktsituationen führen. Eine ständig vorzunehmende Aktualisierung der Richtlinien wäre – was die teils rasante Entwicklung der Rechtsprechung der letzten Jahre deutlich zeigt – im Hinblick auf die bei hohen Anforderungen an die Detailliertheit dann fast unübersehbare Vielzahl konkret zu regelnder Fragen kaum vorstellbar. Dementsprechend könnte es vermehrt dazu kommen, dass wegen (vermeintlicher) Bindung an eine Richtlinienvorgabe erkennbar nicht (mehr) zutreffende Entscheidungen ergehen, die im Beschwerdeverfahren, in dem eine eigenständige Überprüfung ohne Bindung an eine Richtlinie und Vorentscheidungen erfolgt, aufgehoben werden müssen, wenn man nicht zu der wohl kaum vertretbaren Auffassung käme, das BPatG müsse rechtsfehlerhafte, aber richtlinienkonforme Beschlüsse wider bessere Erkenntnis bestätigen.
Somit ließe sich auch rein tatsächlich das angestrebte Ziel auf dem angesprochenen Weg nicht erreichen.
Es besteht auch kein Grund, die Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG zuzulassen. Die Auffassung des Senats zur Bedeutung einer inländischen Eintragungspraxis steht im Einklang mit der langjährigen und einheitlichen Rechtsprechung des BGH und des BPatG, die durch Urteile des EuGH zum Gemeinschaftsmarkenrecht gestützt worden ist. Eine einzelne abweichende Auffassung, die zudem noch nicht in einer rechtskräftigen Entscheidung konkretisiert worden ist, vermag nicht das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu begründen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 83, Rdn. 25 a. E.). Es geht auch nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder um eine Fortbildung des Rechts, da Fragen, ob und gegebenenfalls zu welchen Punkten das DPMA interne Richtlinien zu erlassen habe und welche Anforderungen an deren inhaltliche Gestaltung zu stellen wären, nicht Gegenstand der patentgerichtlichen Beschwerdeverfahren betreffend die Erteilung gewerblicher Schutzrechte sind. Für die insoweit von den Senaten des BPatG auf der Grundlage von Rechtsnormen zu treffenden Entscheidungen ist es unerheblich, ob die angefochtenen Beschlüsse des DPMA internen Richtlinien entsprechen.
(Unterschriften)
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