BPatG 30 W (pat) 81/06: open·xchange nicht als Marke für Waren und Dienstleistungen im Bereich Datenaustausch schutzfähig

Der Eintragung der angemeldeten Marke open·xchange steht das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

BPatG, Beschluss vom 05.03.2009 – 30 W (pat) 81/06
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache


betreffend die Markenanmeldung 305 38 244.6/9

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 5. März 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Vogel von Falckenstein, der Richterin Hartlieb und des Richters Paetzold

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wortmarke

open·xchange

für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 37 und 42

9: Computersoftware und Server, insbesondere Computersoftware für internetbasierte Anwendungen; Computersoftware für Betriebssysteme, Systemverwaltung, Computerkommunikationsverwaltung; Computersoftware zur Verwendung für Kalenderfunktionen und Terminplanung, Projektmanagement, Kundenmanagement, Unternehmensplanung, Direktversand und Datenmanagement; Computersoftware zur Verwendung für E-Mail; Datenbanksoftware; computersoftwaregestützte Benutzeroberflächen; Schnittstellen-Software zur Anwendungsprogrammierung; Computersoftware-Toolkits mit Bibliotheken zur Entwicklung von Computersoftware-Anwendungen; zusammen mit vorgenannten Waren vertriebene Betriebshandbücher in elektronischer Form; keines der vorstehend genannten Erzeugnisse speziell zum Zugriff auf Finanzinformationen oder zur Durchführung von Finanztransaktionen;

16: Druckereierzeugnisse, nämlich Dokumentation zur Verwendung von Computerprogrammen, soweit sie nicht speziell Geschäfts-, Finanz- und Investmentfragen betreffen;

42: Dienstleistungen in Bezug auf Computer und Informationstechnologie; Wartung, Support, Installation und Konfiguration in Bezug auf Computer, Computersoftware- und Informationstechnologiesysteme; Entwurf und Lieferung von Computersoftware- und Informationstechnologiesystemen; Integration von Computersystemen, Computerhardware und Computersystemen; Analyse von Computersystemen; Beratung in Bezug auf Computersoftware und Computerhardware; Information und Beratung in Bezug auf die vorgenannten Leistungen; Design von Computersoftware für Dritte; Pflege von Computersoftware; Aktualisieren von Computersoftware; Beratung in Bezug auf Computersoftware; Support für Computersoftware; Bereitstellung von Softwareaktualisierungen über Computernetze und globale Kommunikationsnetze; Installation, Pflege, Aktualisierung, Konfiguration, Programmierung, Systemverwaltung und Unterstützung in Bezug auf Computersoftware, insbesondere solche, die über globale Kommunikationsnetze zur Verfügung gestellt wird; ausgenommen von den vorgenannten Leistungen sind Dienste, die speziell dem Zugriff auf Finanzinformationen oder der Durchführung von Finanztransaktionen dienen.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen mangelnder Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Der Verkehr werde in dem Markentext lediglich einen beschreibenden Hinweis dahin sehen, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen system-, herstellerunabhängigen Datenaustausch ermöglichten oder zum Gegenstand hätten. Ob die Marke darüber hinaus auch freihaltungsbedürftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei, könne dahingestellt bleiben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Wertung der Markenstelle beziehe sich lediglich auf die Ware Software und setze sich nicht mit den übrigen Waren und Dienstleistungen auseinander; zudem hinaus könne der Marke wegen der Gestaltungsmerkmale eines Bindestrichs und der verkürzten Wiedergabe von „Exchange“ die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Aber auch ein beschreibender Sinngehalt der Wortbestandteile sei bezüglich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht auszumachen, da sie lexikalisch nicht nachweisbar und in ihrer deutschen Übersetzung „offener Austausch“ vieldeutig und schwammig sei. Im Übrigen seien die von der Anmelderin angebotenen Computerprogramme zumindest nicht zwingend mit Merkmalen des „offenen Austausches“ verknüpft. Zudem werde die Marke für die beanspruchten Waren von den Wettbewerbern nicht verwendet, so dass auch ein Freihaltungsbedürfnis entfalle. Schließlich seien eine identische Marken für die Anmelderin und nahezu identische für Dritte beim DPMA oder beim HABM in Alicante eingetragen worden.

Die Anmelderin beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle vom 4.1.2006 und vom 21.3.2006 aufzuheben und die angemeldete Marke einzutragen,

hilfsweise die Beschlüsse teilweise aufzuheben und die Marke für folgende Waren und Dienstleistungen einzutragen:

Mit Computersoftware vertriebene Betriebshandbücher in elektronischer Form.

Klasse 16: Druckereierzeugnisse, nämlich Dokumentation zur Verwendung von Computerprogrammen soweit sie nicht speziell Geschäfts-, Finanz-und Investmentfragen betreffen.

Klasse 42: Dienstleistungen in Bezug auf Computer und Informationstechnologie; Wartung, Support, Installation und Konfiguration in Bezug auf Computer, Computersoftware- und Informationstechnologiesys teme; Entwurf und Lieferung von Computersoftware- und Informationstechnologiesystemen; Integration von Computersystemen, Computerhardware und Computersystemen; Analyse von Computersystemen; Beratung in Bezug auf Computersoftware und Computerhardware; Information und Beratung in Bezug auf die vorgenannten Leistungen; Design von Computersoftware für Dritte; Pflege von Computersoftware; Aktualisieren von Computersoftware; Beratung in Bezug auf Computersoftware; Support für Computersoftware; Bereitstellung von Softwareaktualisierungen über Computernetze und globale Kommunikationsnetze; Installation, Pflege, Aktualisierung, Konfiguration, Programmierung, Systemverwaltung und Unterstützung in Bezug auf Computersoftware, insbesondere solche, die über globale Kommunikationsnetze zur Verfügung gestellt wird; ausgenommen von den vorgenannten Leistungen sind Dienste, die speziell dem Zugriff auf Finanzinformationen oder der Durchführung von Finanztransaktionen dienen.

Den ursprünglich gestellten weiteren Hilfsantrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin zurückgenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.
Die zulässige Beschwerde ist weder im Haupt- noch im Hilfsantrag begründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke steht zumindest das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die konkrete Eignung einer Marke, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis für die von ihr erfassten Waren und/oder Dienstleistungen aufgefasst zu werden (st. Rspr., BGH, GRUR 2003, 1050 – Cityservice). Nur wenn eine Marke diese Herkunftsfunktion erfüllen kann, ist es gerechtfertigt, sie durch die Eintragung ins Register der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen und zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, Rdn. 48 -52 – Arsenal FC). Die Feststellungen zur Unterscheidungskraft sind dabei im Hinblick auf die konkret angemeldeten Waren und/oder Dienstleistungen zu treffen, wobei nach dem Verbraucherleitbild des EuGH auf die Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren bzw. Dienstleistungen abzustellen ist, der mit den Gepflogenheiten auf dem einschlägigen Wirtschaftssektor vertraut ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 ff., Rdn. 24 – SAT.2). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist insbesondere solchen Marken abzusprechen, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen eine im Vordergrund stehende Sachaussage zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 ff., Rdn. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2006, 850 ff., Rdn. 19 – FUSSBALL WM 2006). Hierbei ist es grundsätzlich irrelevant, ob es sich bei einer angemeldeten Wortmarke möglicherweise um eine sprachliche Neuschöpfung handelt oder ob ihre Verwendung bereits nachweisbar ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 680 ff., Rdn. 19 – BIOMILD; BGH GRUR 2005, 417, 418 f. – BerlinCard, BPatG 26 W (pat) 175/01 – Travel Point, veröffentlicht auf PAVIS PROMA CD-ROM; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 8 Rdn. 89).

Die angemeldete Marke besteht aus den durch ein leicht erhöhtes Punktzeichen getrennte englischsprachigen Begriffe von „open“ und „xchange“, die der Verkehr aufgrund ihres ohne weiteres erkennbaren Sinngehaltes lediglich als zwei Sachhinweise auffassen wird, auch wenn beim zweiten Wort der Anfangsbuchstabe „e“ fehlt. Wie die Anmelderin dem Hinweis des Senats vom 30. September 2008 entnehmen konnte, handelt es sich bei dieser Schreibweise um eine werbeübliche Variante, die, wie bereits die Markenstelle zu Recht unter Hinweis auf zahlreiche Fundstellen ausgeführt hat, gerade in der Informationstechnik als klar erkennbare phonetische Abwandlung des englischen Substantivs „exchange“ verwendet wird. Dies hat die 4. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes erneut bestätigt (HABM R0403/05-4 vom 23.01.2007 – easyXchange). Genauso wie in deren Entscheidung kommt auch im vorliegenden Fall den Markenwörtern insgesamt keine andere Bedeutung zu als der Summe ihrer Bestandteile, nämlich der Bedeutung von „open exchange“ im Sinne von „offener Austausch“, was die Anmelderin auch selbst einräumt. Wenn sie insofern einwendet, dass dieser Begriff aus sich heraus nicht verständlich oder mehrdeutig sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Marke stets im Kontext der beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu würdigen und ihr die Eintragung zu versagen ist, wenn sie hierbei in einer ihrer möglichen Bedeutungen beschreibend ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 – biomild). Entgegen der Auffassung der Anmelderin hat dies die Markenstelle auch festgestellt, indem sie darauf verwiesen hat, dass sämtliche Waren und Dienstleistungen einen system- oder herstellerunabhängigen Datenaustausch ermöglichen bzw. zum Gegenstand haben können; dies zieht die Anmelderin zumindest hinsichtlich ihrer Computerprogramme wohl selbst nicht in Zweifel, wenn sie ausführt, dass diese nicht zwingend mit den Merkmalen des offenen Austausches verknüpft seien. Darauf kommt es aber auch nicht an: selbst wenn die angebotenen Waren /Dienstleistungen nicht konkret im Zusammenhang mit einem offenen Datenaustausch stehen, wird der Verkehr mit Blick auf das ohne Ausnahmevermerk versehene Waren-/Dienstleistungsverzeichnis trotzdem von einem Hinweis auf einen solchen Austausch ausgehen; angesichts der einfachen, sprachregelgerecht zusammengesetzten Einzelworte mit einer beschreibenden Gesamtaussage wird ihm ein Sachhinweis und kein betrieblicher Herkunftshinweis nahegelegt. Dies gilt insbesondere für die Fachkreise der IT-Branche, die als entscheidungserheblicher Verkehrskreis heranzuziehen sind (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O. Rdn. 83, 88). Der Markentext erschöpft sich somit ausschließlich in Bezeichnungen, die in werbeüblicher Weise Sachangaben auf die Waren und Dienstleistungen enthalten. Der Verkehr wird dies ohne weitere Überlegungen erkennen und ihn nur in diesem Sinne, nicht aber als betriebliches Herkunftszeichen im Sinne des Markenrechts verstehen. Auch die Anordnung der Markenwörter bewegt sich im Rahmen der gängigen Schrifttypen und sonstigen werbeüblichen Hervorhebungsmittel, so dass allein dadurch keine schutzbegründende Verfremdung der Gesamtmarke eingetreten ist. Diese wird entgegen der Auffassung der Anmelderin auch nicht durch den erhöhten Punkt herbeigeführt. Zum einen ist der Verkehr an auffällige Worttrennungen wie Binnengroßschreibung oder Farbwechsel oder dergleichen gewohnt; zum andern ist er so unscheinbar, dass er dem Verkehr kaum auffallen wird, was keinesfalls die Anforderungen an die grafische Verfremdung erfüllt, die umso höher sind, je kennzeichnungsschwächer die Wortbestandteile sind (vgl. Ströbele/ Hacker, a. a. O. Rdn. 99 f. m. w. N.) sind.

Da der angemeldeten Marke – auch hinsichtlich des hilfsweise beanspruchten lediglich verkürzten Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses bereits die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abzusprechen ist, kann die Frage, ob an ihrer freien Verwendung auch ein schutzwürdiges Allgemeininteresse i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, dahinstehen, obwohl angesichts des klaren Aussagegehaltes der Marke zumindest für einige der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dies nahe liegt, nachdem „exchange“ als Fachwort nachgewiesen ist. Soweit die Anmelderin ihre Begründung auf die Voreintragung identischer oder ähnlicher Marken stützt, ist darauf hinzuweisen, dass Voreintragungen möglicherweise vergleichbarer – möglicherweise auch löschungsreifer – Marken zwar ein zu berücksichtigendes Indiz darstellen können für die Schutzfähigkeitsentscheidung, aber keinesfalls verbindlich sind, insbesondere wenn sie wie bei den angeführten EU-Marken – weit zurückliegen. Im vorliegenden Fall verkennt die Beschwerdeführerin zudem, dass es sich bei den von ihr genannten Marken teilweise um einheitliche Worte oder andere Wortkombinationen und damit um mit den vorliegend angemeldeten Markenwörtern nicht vergleichbare Sachverhalte handelt. Aber unabhängig von der Frage, inwieweit die Bedenken der Anmelderin im Hinblick auf die Schutzfähigkeit vermeintlich vergleichbarer Markeneintragungen gerechtfertigt erscheinen mögen oder nicht, können Voreintragungen für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde keinerlei Bindungswirkung entfalten. Vielmehr hat diese Entscheidung ausschließlich auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zu erfolgen, wie dies in ständiger Spruchpraxis des EuGH zum Gemeinschaftsmarkenrecht und des BGH zum Markengesetz immer wieder bestätigt worden ist (vgl. etwa EuGH GRUR 2006, 229, 231, Rdn. 46 -49 – BioID; BGH GRUR 2005, 578, 580 – LOKMAUS; BGH WRP 2008, 1428, 1431 – Marlene-Dietrich-Bildnis). Sowohl die Markenrichtlinie wie das Markengesetz gehen klar davon aus, dass schutzunfähige Marken durchaus Eingang ins Register erlangen können, und sehen deshalb ein eigenständiges Verfahren für die Löschung solcher zu Unrecht eingetragener Marken vor; eine Bindungswirkung einzelner Voreintragungen scheidet daher ebenso aus wie der Aspekt einer möglicherweise „gefestigten“ Entscheidungspraxis.

Die Beschwerde war daher insgesamt zurückzuweisen.

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