BGH, Urteil vom 19.07.2007 – I ZR 137/04 – Euro Telekom (OLG Köln)
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2
Das Halten eines Domain-Namens durch eine juristische Person des Handelsrechts stellt nicht schon deshalb eine Zeichenbenutzung dar, weil die juristische Person stets im geschäftlichen Verkehr handelt.
Der Erfahrungssatz, dass der Verkehr einem Zeichen, das durch seine isolierte Verwendung im Geschäftsverkehr zunehmend eine herkunftshinweisende Funktion erhalten hat, auch dann einen stärkeren Herkunftshinweis entnimmt, wenn er dem Zeichen als Bestandteil eines anderen Zeichens begegnet, ist grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn es sich bei dem Zeichen um eine von Haus aus beschreibende Bezeichnung handelt (Ergänzung zu BGH GRUR 2003, 880, 881 – City Plus).
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 6. August 2004 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Klage mit den im Berufungsverfahren unter I. 1. bis 3. und II. gestellten Klageanträgen abgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand:
Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, bietet in Deutschland Telekommunikationsdienstleistungen an. Sie benutzt seit ihrer Gründung im Jahr 1989 bei ihrer gesamten Außendarstellung die Bezeichnung „Telekom“ in Alleinstellung, wobei diese Bezeichnung Verkehrsgeltung genießt. Die Klägerin ist auch Inhaberin einer entsprechenden Benutzungsmarke.
Die Beklagte ist seit dem 14. Juni 1998 mit der Firma „Euro Telekom Deutschland GmbH“ in das Handelsregister des Amtsgerichts H. eingetragen und bietet ebenfalls Telekommunikationsdienstleistungen auf dem deutschen Markt an. Sie ist Inhaberin der Domain-Namen „euro-telekom. de“, „eurotelekom. net“, „euro-telekom. info“, „euro-telekom. org“ und „eurotelekom. info“ und verwendet diese sowie die Bezeichnungen „Euro Telekom Conference“ und „Euro Telekom Website“ zu Werbezwecken.
Die Klägerin macht geltend, die Bezeichnungen der Beklagten verletzten ihr Unternehmenskennzeichen und ihre Benutzungsmarke. Sie hat nach teilweiser Rücknahme ihrer Klage zuletzt beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
a) die Bezeichnung „Euro Telekom Deutschland GmbH“ zur Kennzeichnung eines Unternehmens zu benutzen, das Telekommunikations- und/ oder Internetdienstleistungen anbietet, insbesondere wenn dies geschieht, wie es auf Seiten 3 bis 6 der landgerichtlichen Entscheidung wiedergegeben ist; und/ oder
b) die Bezeichnung „Euro-Telekom“ und/ oder „EURO-Telekom“ zur Kennzeichnung eines Unternehmens zu benutzen, insbesondere wenn dies in Form der Domain-Namen „eurotelekom. de“, „euro-telekom. net“, „euro-telekom. info“, „eurotelekom. org“ und/ oder „eurotelekom. info“ und/ oder in Form der Bezeichnungen „Euro Telekom Conference“ und/ oder „Euro Telekom Website“ geschieht, soweit sich dieses Unternehmen mit Telekommunikations- und/ oder Internetdienstleistungen beschäftigt;
c) die Bezeichnungen „Euro Telekom Conference“ und/ oder „Euro Telekom Website“ zur Kennzeichnung von Telekommunikations- und/ oder Internetdienstleistungen zu benutzen;
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, wobei die Umsätze sowie der Umfang und die Art der getätigten Werbung mitzuteilen sind;
3. in die Löschung der Firma „Euro Telekom Deutschland GmbH“ aus dem Handelsregister des Amtsgerichts H. (HRB) einzuwilligen; 4. in die Löschung der Domain-Namen „euro-telekom. de“, „eurotelekom. net“, „euro-telekom. info“, „euro-telekom. org“ und „eurotelekom. info“ einzuwilligen;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 30. Dezember 2002 entstanden ist und/ oder noch entstehen wird.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der geringe Schutzumfang der Klagezeichen führe zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr schon bei geringen Abweichungen. Dies sei hier der Fall, da die Beklagte die Bezeichnung „Telekom“ nur beschreibend und auch nur im Zusammenhang mit weiteren Bestandteilen benutze. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass die Klageansprüche verwirkt seien.
Das Landgericht hat die Klage mit dem Löschungsantrag hinsichtlich der Domain-Namen abgewiesen und ihr im Übrigen stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat die gegen die teilweise Klageabweisung gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen (OLG Köln MarkenR 2005, 153).
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihr im zweiten Rechtszug erfolgloses Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:
Die geltend gemachten Ansprüche ergäben sich nicht aus § 15 MarkenG. Das Unternehmenskennzeichen der Klägerin genieße allerdings Kennzeichenschutz nach § 5 Abs. 2 MarkenG. Die Bezeichnung „Telekom“ sei als Abkürzung des Begriffs „Telekommunikation“ für den Bereich der Telekommunikation zwar rein beschreibend und ohne originäre Kennzeichnungskraft.
Sie habe aber aufgrund von Verkehrsgeltung kennzeichenrechtlichen Schutz erlangt und verfüge danach über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die von den Parteien angebotenen Dienstleistungen seien in Teilbereichen identisch und im Übrigen sehr ähnlich. Das Klagekennzeichen „Telekom“ sei den angegriffenen Bezeichnungen der Beklagten aber zu unähnlich, um die erforderliche Verwechslungsgefahr zu begründen.
Das Wort „Telekom“ verfüge nur zugunsten der Klägerin über Verkehrsgeltung. In den angegriffenen Bezeichnungen sei es für Telekommunikationsdienstleistungen rein beschreibend verwendet worden. Einem rein beschreibenden Zeichenelement komme keine Hinweisfunktion zu. Es könne die anderen (gleichfalls beschreibenden) Bestandteile in der Wahrnehmung durch den Verkehr nicht so weit zurückdrängen, dass nur der Bestandteil „Telekom“ die angegriffenen Zeichen präge. Die isolierte Verwendung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr könne allerdings grundsätzlich nicht nur zu einer Steigerung seiner Kennzeichnungskraft, sondern auch zu einer herkunftshinweisenden Funktion des Zeichens führen, wenn dieses dem Verkehr als Bestandteil eines anderen Zeichens begegne. Dieser Grundsatz gelte aber nur für Zeichen, die über eine zumindest geringe originäre Kennzeichnungskraft verfügten, nicht dagegen für rein beschreibende Angaben. Danach stehe dem Klagekennzeichen „Telekom“ die Bezeichnung „Euro Telekom Deutschland GmbH“ gegenüber und liege wegen der zusätzlichen Bestandteile des angegriffenen Zeichens keine für eine Verwechslungsgefahr ausreichende Zeichenähnlichkeit vor. Entsprechendes gelte auch für die des Weiteren angegriffenen Zeichen der Beklagten.
Aus den genannten Gründen sei die Klage auch nicht aus § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG begründet.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe sind unbegründet, soweit sich die Revision dagegen wendet, dass das Berufungsgericht – wie auch schon das Landgericht – dem Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung in die Löschung der von dieser verwendeten Domain-Namen (Klageantrag I. 4.) nicht stattgegeben hat. Im Übrigen führen sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nach den bislang getroffenen Feststellungen können die auf Verwechslungsgefahr gestützten Klageansprüche nach § 5 Abs. 2, § 15 Abs. 2, 4 und 5, § 4 Nr. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 und 6 MarkenG nicht verneint werden.
1. Die angefochtene Entscheidung stellt sich insoweit als im Ergebnis zutreffend dar, als das Berufungsgericht die Abweisung der Klage durch das Landgericht hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Einwilligung in die Löschung der von der Beklagten verwendeten Domain-Namen bestätigt hat. Der von der Klägerin insoweit geltend gemachte Anspruch ist – worauf das Landgericht mit Recht hingewiesen hat – nur dann begründet, wenn schon das Halten der Domain-Namen durch die Beklagte für sich gesehen eine Rechtsverletzung darstellt. Diese Voraussetzung ist nicht schon deshalb erfüllt, weil die Beklagte als juristische Person (des Handelsrechts) stets im geschäftlichen Verkehr handelt (so aber Hacker in Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 15 Rdn. 106). Der zuletzt genannte Umstand ändert nichts daran, dass eine Verwendung der Domain-Namen nur dann unzulässig ist, wenn die Beklagte dabei notwendig auch die weiteren Voraussetzungen des § 15 MarkenG erfüllt (vgl. BGH, Urt. v. 11. 4. 2002 – I ZR 317/ 99, GRUR 2002, 706, 708 = WRP 2002, 691 – vossius. de). Davon kann nur ausgegangen werden, wenn jede Verwendung auch dann, wenn sie im Bereich anderer Branchen als der der Telekommunikation und des Internets erfolgt, zumindest eine nach § 15 Abs. 3 MarkenG unlautere Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung des Kennzeichens „Telekom“ der Klägerin darstellt. Dies aber kann nach der Lebenserfahrung nicht angenommen werden.
2. Die für die Unterlassungsansprüche gemäß den Klageanträgen I. 1. a) und b) erforderliche Verwechslungsgefahr zwischen dem als Firmenschlagwort selbständig geschützten Bestandteil „Telekom“ des Unternehmenskennzeichens der Klägerin einerseits und den Bezeichnungen „Euro Telekom Deutschland GmbH“, „Euro-Telekom“ und „EURO-Telekom“ für das Unternehmen der Beklagten andererseits kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.
a) Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr i. S. von § 15 Abs. 2 MarkenG, die unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände vorzunehmen ist, besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft des älteren Kennzeichens und dem wirtschaftlichen Abstand der beiderseitigen Tätigkeitsgebiete (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 13. 10. 2004 – I ZR 66/ 02, GRUR 2005, 61 = WRP 2005, 97 – CompuNet/ComNet II).
b) Das Berufungsgericht ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des nach § 5 Abs. 2 MarkenG geschützten Firmenbestandteils „Telekom“ der Klägerin ausgegangen. Hiergegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
aa) Für den Bestandteil „Telekom“ ihrer Firmenbezeichnung kann die Klägerin den vom Schutz des vollständigen Firmennamens abgeleiteten kennzeichenrechtlichen Schutz nach § 5 Abs. 2 MarkenG als Firmenschlagwort in Anspruch nehmen (BGH, Urt. v. 27. 11. 2003 – I ZR 79/ 01, GRUR 2004, 514, 515 = WRP 2004, 758 – Telekom).
bb) Die Bezeichnung „Telekom“ stellt eine Abkürzung der Bezeichnung „Telekommunikation“ dar und verfügt daher, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Senatsentscheidung „Telekom“ zutreffend angenommen hat, im Bereich der Telekommunikation über keine originäre Kennzeichnungskraft. Die Revision legt nicht dar, dass das Berufungsgericht Veranlassung zu einer erneuten Überprüfung des Bedeutungsgehalts der Bezeichnung „Telekom“ gehabt hätte. Den von ihr angeführten Abfragen über Internet-Suchmaschinen kommt kein Erkenntniswert für die Bestimmung des Verkehrsverständnisses zu.
Ein Eintrag im Duden, der für die Bezeichnung „Telekom“ auf das Unternehmen der Klägerin verweist, mag ein Ausdruck der Verkehrsgeltung der Klägerin sein.
Er besagt aber nichts über die ursprüngliche Unterscheidungskraft dieser Bezeichnung.
cc) Die Bezeichnung „Telekom“ hat aufgrund von Verkehrsgeltung durchschnittliche Kennzeichnungskraft erlangt. Das Berufungsgericht hat sich insoweit auf ein von der Klägerin vorgelegtes demoskopisches Gutachten von Infratest B. aus dem Jahr 1997 gestützt, wonach seinerzeit jedenfalls 60 % der Befragten die Bezeichnung „Telekom“ zutreffend der Klägerin zugeordnet und als Hinweis auf diese angesehen haben.
c) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die von den Parteien angebotenen Telekommunikationsdienstleistungen in Teilbereichen identisch und im Übrigen sehr ähnlich sind. Diese Beurteilung lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision hingenommen.
d) Die Annahme des Berufungsgerichts, zwischen dem Firmenschlagwort „Telekom“ der Klägerin und den angegriffenen Bezeichnungen „Euro Telekom Deutschland GmbH“, „Euro-Telekom“ und „EURO-Telekom“ bestehe nur eine geringe Zeichenähnlichkeit, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) Bei der Beurteilung der Frage der Zeichenähnlichkeit ist, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, von dem das gesamte Kennzeichenrecht beherrschenden Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen ankommt (vgl. BGH, Urt. v. 26. 10. 2006 – I ZR 37/04, GRUR 2007, 235 Tz 21 = WRP 2007, 186 – Goldhase, m. w. N. – zur Veröffentlichung in BGHZ 169, 295 bestimmt). Das schließt es allerdings nicht aus, einem einzelnen Zeichenbestandteil unter bestimmten Voraussetzungen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen und die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtbezeichnungen daher im Falle der Übereinstimmung der Zeichen in ihren sie jeweils prägenden Bestandteilen zu bejahen. Ausnahmsweise kann ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammengesetzte Marke oder in eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine selbständig kennzeichnende Stellung behalten, ohne das Erscheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder der komplexen Kennzeichnung zu dominieren oder zu prägen (vgl. EuGH, Urt. v. 6. 10. 2005 – C-120/04, Slg. 2005, I-8551 Tz 30 = GRUR 2005, 1042 = WRP 2005, 1505 – THOMSON LIFE; BGHZ 167, 322 Tz 18 – Malteserkreuz).
bb) Das Berufungsgericht hat, wie die Revision mit Recht rügt, die Zeichenähnlichkeit rechtsfehlerhaft als gering beurteilt, weil es „Telekom“ zu Unrecht keine herkunftshinweisende, sondern nur eine beschreibende Funktion beigemessen hat.
(1) Bei der Beurteilung der Frage, ob der mit dem Klagekennzeichen übereinstimmende Bestandteil des angegriffenen Zeichens dieses prägt, ist eine durch Benutzung erworbene Kennzeichnungskraft des Klagezeichens auch dann zu berücksichtigen, wenn dieses Zeichen allein aus dem übereinstimmenden Bestandteil besteht (BGH, Urt. v. 13. 3. 2003 – I ZR 122/00, GRUR 2003, 880, 881 = WRP 2003, 1228 – City Plus). Der Umstand, dass ein Zeichen durch seine (isolierte) Verwendung im Geschäftsverkehr zunehmend eine herkunftshinweisende Funktion erhalten hat, wirkt sich nicht nur auf seine Kennzeichnungskraft aus, sondern hat zugleich zur Folge, dass der Verkehr dem Zeichen auch dann einen stärkeren Herkunftshinweis entnimmt, wenn er diesem nicht isoliert, sondern als Bestandteil eines anderen Zeichens begegnet (BGH GRUR 2003, 880, 881 – City Plus; vgl. auch BGHZ 156, 126, 137 f. – Farbmarkenverletzung I; BGH, Urt. v. 4. 9. 2003 – I ZR 44/01, GRUR 2004, 154, 156 = WRP 2004, 232 – Farbmarkenverletzung II; Beschl. v. 24. 2. 2005 – I ZB 2/04, GRUR 2005, 513, 514 = WRP 2005, 744 – MEY/Ella May).
Die Anwendung dieses Erfahrungssatzes kommt grundsätzlich auch in solchen Fällen in Betracht, in denen der mit dem Klagekennzeichen übereinstimmende Bestandteil von Haus aus ein beschreibender Begriff ist, der seine Kennzeichnungskraft erst aufgrund der Verkehrsgeltung dieses Zeichens erlangt hat. Es spricht nichts dafür, in einem solchen Fall den Wandel in der herkunftshinweisenden Funktion auf das Klagekennzeichen zu beschränken. Wenn der Verkehr bei einer von Haus aus beschreibenden Bezeichnung aufgrund der durch Benutzung erworbenen Verkehrsgeltung daran gewöhnt ist, dass diese als Unternehmenskennzeichen oder als Marke benutzt wird, wird er auch dann von einer gewissen Herkunftsfunktion ausgehen, wenn er dem Zeichen in Kombination mit anderen Bestandteilen begegnet. Die herkunftshinweisende Funktion als Bestandteil eines anderen Zeichens hängt allerdings von der Kennzeichnungskraft des Klagekennzeichens ab: Je geringer die Kennzeichnungskraft des Klagekennzeichens und damit sein Schutzumfang ist, desto geringer ist auch der Herkunftshinweis, den der Verkehr dem Zeichen als Bestandteil eines anderen Zeichens entnimmt.
(2) Die Revision macht mit Recht geltend, dass die angegriffenen Zeichen der Beklagten durch ihren Bestandteil „Telekom“ aufgrund der diesem innewohnenden herkunftshinweisenden Funktion derart geprägt werden, dass ihre weiteren Bestandteile in der Wahrnehmung des Verkehrs zurücktreten.
Verfügt das Klagezeichen jedenfalls über durchschnittliche Kennzeichnungskraft, führt die dadurch vermittelte Herkunftshinweisfunktion des mit ihm übereinstimmenden Bestandteils im angegriffenen Zeichen dazu, dass dieser Bestandteil den Gesamteindruck des angegriffenen Zeichens prägt, wenn die weiteren Bestandteile rein beschreibend sind und deshalb in der Wahrnehmung durch den Verkehr in den Hintergrund treten. Denn der Verkehr versteht solche rein beschreibenden Angaben lediglich als Sachhinweise, wobei diese in der Wahrnehmung regelmäßig gegenüber kennzeichnenden weiteren Bestandteilen zurücktreten (vgl. BGH, Urt. v. 22. 7. 2004 – I ZR 204/01, GRUR 2004, 865, 867 = WRP 2004, 1281 – Mustang). Außerdem neigt der Verkehr erfahrungsgemäß dazu, mehrteilige Bezeichnungen in einer ihre Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen (vgl. BGH, Urt. v. 8. 11. 2001 – I ZR 139/99, GRUR 2002, 626, 628 = WRP 2002, 705 – IMS, m. w. N.). Entsprechend verhält es sich im Streitfall:
Das Berufungsgericht hat für das angegriffene Zeichen „Euro Telekom Deutschland GmbH“ zutreffend festgestellt, dass dessen Bestandteile „Euro“, „Deutschland“ und „GmbH“ rein beschreibender Natur sind. Die Abkürzung „GmbH“ weist lediglich auf die Rechtsform des Unternehmens, die ihr vorangestellte Angabe „Deutschland“ darauf hin, dass es sich bei der Beklagten um ein in Deutschland ansässiges Unternehmen handelt. Die Angabe „Euro“ lässt erkennen, dass das Unternehmen oder die Unternehmensgruppe, der es angehört, auch in anderen Ländern Europas tätig ist. Ebenso weist der in den ferner angegriffenen geschäftlichen Bezeichnungen der Beklagten „Euro-Telekom“ und „EURO-Telekom“ enthaltene Bestandteil „Euro“ einen rein beschreibenden Begriffsinhalt auf. Wie die Vorinstanzen mit Recht angenommen haben, haben in gleicher Weise auch die weiteren Bestandteile in den angegriffenen Bezeichnungen „Euro Telekom Conference“ und „Euro Telekom Website“ zur Kennzeichnung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation und im Bereich des Internets beschreibenden Charakter.
cc) Danach stimmt der einzige herkunftshinweisende Bestandteil der angegriffenen Zeichen mit dem Klagekennzeichen überein. Es ist daher von einer nicht nur geringen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen auszugehen.
e) Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft des Klagekennzeichens und gegebener Branchenidentität kann angesichts einer solchen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen eine Verwechslungsgefahr zwischen dem Firmenschlagwort „Telekom“ der Klägerin und den Zeichen der Beklagten „Euro Telekom Deutschland GmbH“, „Euro-Telekom“ und „EURO-Telekom“ nicht verneint werden.
3. Das zu vorstehend 2. Ausgeführte gilt entsprechend, soweit die Klägerin ihre Unterlassungsansprüche hinsichtlich der von der Beklagten verwendeten Unternehmenskennzeichen „Euro Telekom Deutschland GmbH“, „Euro-Telekom“ und „EURO-Telekom“ auch auf § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG gestützt und die Beklagte gemäß den Klageanträgen zu I. 2. und 3. sowie II. des Weiteren auf Auskunftserteilung, Einwilligung in die Löschung ihrer Firma und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen hat. Auch die Verneinung markenrechtlicher Ansprüche stellt sich im Hinblick auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Zeichenähnlichkeit als rechtsfehlerhaft dar.
4. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung der Sache verwehrt, weil das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – bislang noch keine Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob die Klageansprüche – wie die Beklagte geltend gemacht hat – verwirkt sind. Die insoweit gebotenen Feststellungen werden in der wiedereröffneten Berufungsinstanz nachzuholen sein.
5. Das Berufungsgericht wird des Weiteren auch noch zu prüfen haben, ob zwischen dem Klagezeichen und den unter I. 1. b) des Klageantrags aufgeführten Domain-Namen, deren Inhaberin die Beklagte ist, sowie den unter I. 1. c) des Klageantrags aufgeführten Bezeichnungen, die die Beklagte zur Kennzeichnung der von ihr angebotenen Dienstleistungen benutzt, ebenfalls Verwechslungsgefahr besteht. Soweit die Vorinstanzen angenommen haben, dass auch die in diesen Bezeichnungen enthaltenen weiteren Bestandteile zur Kennzeichnung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation und im Bereich des Internets beschreibenden Charakter haben, lässt dies keinen Rechtsfehler erkennen.
(Unterschriften)
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.09.2003 – 31 O 297/03 –
OLG Köln, Entscheidung vom 06.08.2004 – 6 U 131/03 –
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