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BPatG: Burg Lissingen – Berücksichtigung von Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken

Leitsätze:

1. Nach ständiger und vom EuGH erneut bestätigter Rechtsprechung (Beschl. v. 12.2.2009, C-39/08 und C-43/08; GRUR 2009, 667 – Volks-Handy, Schwabenpost) sind Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken bei der Prüfung auf absolute Eintragungshindernisse zwar zu berücksichtigen, vermögen aber keine rechtlich bindende Wirkung zu entfalten. Die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen über Markeneintragungen ist allein auf der Grundlage des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen.

2. Daraus, dass der vom Anmelder angeführte Gleichbehandlungsgrundsatz mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, folgt, dass er sich keinesfalls auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen.

3. Soweit das DPMA sich nicht im Einzelnen mit den vom Anmelder angeführten Voreintragungen auseinander gesetzt hat, stellt dies keinen, und schon gar keinen wesentlichen Verfahrensmangel i. S. d. § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG dar, der zwingende Voraussetzung für eine Zurückverweisung wäre (entgegen BPatG GRUR 2009, 683 – SCHWABENPOST).

4. Aus der Forderung des EuGH, dass die zuständige Behörde im Rahmen der Prüfung einer Anmeldung die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten muss, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht (a. a. O. Rn. 17), folgt lediglich, dass sich die Behörde mit den ins Verfahren eingeführten oder sonst ersichtlichen Argumenten, die für die Eintragung der verfahrensgegenständlich angemeldeten Marke sprechen, auseinandersetzen muss.

5. Prüfungsgegenstand der Anmeldung ist die konkret angemeldete Marke und sind nicht Voreintragungen, auch wenn sie als Belege für die vermeintliche Schutzfähigkeit der Anmeldung eingeführt werden. Daher verbietet es sich, über die Frage der Schutzfähigkeit oder -unfähigkeit von Voreintragungen Aussagen zu treffen, zumal diese für deren Rechtsbeständigkeit keinerlei Auswirkung hätten.

BPatG, Beschluss vom 22.09.2009 – 33 W (pat) 52/08Burg Lissingen
§§ 37, 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG

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BPatG: TV SCHWABEN – Berücksichtigung von Voreintragungen durch das DPMA und Mitwirkungspflicht des Anmelders

Das Bundespatentgericht hat in einem aktuellen Beschluss (29 W (pat) 5/06 – TV Schwaben) eine Entscheidung des DPMA aufgehoben, weil sie nicht den Vorgaben des Beschlusses des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Februar 2009 betreffend die verbundenen Rechtssachen C-39/08 (Wort-/Bildmarken Volks-Handy, Volks-Camcorder und Volks-Kredit) und C-43/08 (Wortmarke SCHWABENPOST) entsprochen hat.

Diese sehen vor, dass bei der Prüfung einer Markenanmeldung durch das Deutsche Patent- und Markenamt zwar keine Bindungswirkung an Vorentscheidungen besteht, jedoch sind die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen früheren Entscheidungen zu berücksichtigen und dabei besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht. Darüber hinaus sind die wesentlichen Gründe einer Entscheidung auch dem Anmelder mitzuteilen.

Anmerkung: Die Entscheidung eröffnet für Markenanmelder eine zusätzliche Chance, eine vom DPMA zurückgewiesene Markenanmeldung anzugreifen, sofern in der Begründung vergleichbare Vorentscheidungen unberücksichtigt geblieben sind. Für die Praxis wichtig ist der Hinweis des Gerichts, dass schon in einem frühen Stadium des Verfahrens vor der Markenstelle eine Mitwirkungspflicht des Anmelders besteht. Wird die Schutzfähigkeit eines Zeichens vom DPMA beanstandet, sollte daher in der Erwiderung schon entsprechend vorgetragen werden und auf einschlägige Vorentscheidungen hingewiesen werden.

BPatG, Beschluss vom 05.08.2009 – 29 W (pat) 5/06 – TV-Schwaben
8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

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