BPatG, Beschluss vom 24.05.2006 – 32 W (pat) 91/97 – Taschenlampen II
MarkenG § 89 Abs. 2 Satz 2
Die Beachtung des Gemeinschaftsrechts und dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof hat Vorrang vor der Bindung des Patentgerichts an die einem Zurückverweisungsbeschluss des Bundesgerichtshofes zugrundeliegende Rechtsauffassung (vgl. EuGH Slg. 1974, 33 – Rheinmühlen-Düsseldorf). Dies gilt auch dann, wenn dem Zurückverweisungsbeschluss eine Vorlage des Bundesgerichtshofes an den Europäischen Gerichtshof vorausgegangen ist, sofern sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Nachhinein geändert hat oder in einem wesentlichen Punkt präzisiert worden ist.
BESCHLUSS
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 394 02 518.0
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 24. Mai 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die nachfolgende Darstellung
…
ist am 3. Dezember 1994 als dreidimensionale Marke für
„Taschenlampen“
zur Eintragung in das Register angemeldet worden, wobei sich die Anmelderin mit einer Verschiebung des Zeitrangs auf den Tag des Inkrafttretens des MarkenG (1. Januar 1995) einverstanden erklärt hat.
Nach Auffassung der Anmelderin versteht der Verkehr die beanspruchte Form als markenmäßige Herkunftskennzeichnung. Dies ergebe sich aus der Kombination der folgenden Merkmale:
– der Schaft ist zylinderförmig;
– der Kopf ist zylinderförmig mit gegenüber dem Schaft vergrößertem Durchmesser, wobei der Übergang zum Schaft konisch verläuft;
– der Kopf ist dreiteilig ausgestaltet, wobei der mittlere, durch zwei umlaufende Einkerbungen abgegrenzte Abschnitt mit zwei umlaufenden Riffelungen versehen ist;
– die zylindrische hintere Verschlusskappe ist im Durchmesser gegenüber dem Schaft verkleinert.
Die Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 22. November 1995 und vom 9. April 1997 – letzterer ist im Erinnerungsverfahren ergangen – wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Der Erstprüfer hat zur Begründung ausgeführt, die Marke stelle lediglich eine handelsübliche Taschenlampe ohne schutzbegründende Eigentümlichkeit dar. Der Darstellungsgehalt gehe in keinem Element über den Gedanken an eine Taschenlampe hinaus.
Auch der Erinnerungsprüfer hat der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen. Zwar weise die Taschenlampe, so wie sie dargestellt sei, gewisse Konstruktionsmerkmale auf, die sich bei konkurrierenden Lampen derzeit nicht fänden. Das reiche aber nicht aus. Denn die angemeldete Marke habe die Form der Ware selbst zum Gegenstand, wobei es sich um eine Ware mit einer bestimmten technischen Funktion handle. Bei Industrieprodukten dieser Art würden die besonderen Merkmale der äußeren Form vom Verkehr in erster Linie als rein technische oder ästhetische Eigenschaften der Ware angesehen und bei der Kaufentscheidung allein unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt, nicht aber als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts. Äußere Formmerkmale der Ware verfügten deshalb über weit weniger Unterscheidungskraft als herkömmliche Wort- oder Bildzeichen. Aus diesem Grund müsse – trotz nur geringer Anforderungen an die Unterscheidungskraft – die Form einer Ware vergleichsweise auffällige und originelle Besonderheiten aufweisen, um vom Verkehr auch bei nur flüchtiger Betrachtung als Hinweis auf einen bestimmten Hersteller verstanden zu werden. Daran fehle es hier.
Die Zylinderform von Kopf und Schaft sei für Stabtaschenlampen typisch. Die Zylinderform des Schafts entspreche im Übrigen den darin untergebrachten, ebenfalls zylinderförmigen Batterien. Die Einkerbungen würden vom Verkehr als durch Schraubkonstruktion bedingt angesehen (abschraubbare Lampenfassung, Zugang zum Batteriefach o. ä.). Die Riffelungen dienten der Griffigkeit beim Aufschrauben. Der unterschiedliche Durchmesser und die konische Form bestimmter Teile der Lampe schließlich gingen nicht über den Rahmen üblichen Industriedesigns hinaus.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
Zur Begründung beruft sie sich – über ihr Vorbringen vor der Markenstelle hinaus – auf eine Reihe von ihrer Auffassung nach vergleichbaren Taschenlampenformen, die sowohl vom Deutschen Patent- und Markenamt als auch vom Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt sowie vom französischen und vom Benelux-Markenamt als Marken eingetragen worden seien.
Die Beschwerde ist vom erkennenden Senat durch Beschluss vom 14. Januar 1998 zurückgewiesen worden (GRUR 1999, 56 – Taschenlampen). Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Warenformen würden andere und strengere Voraussetzungen gelten als bei herkömmlichen Markenformen wie Wort- oder Bildzeichen. Dies beruhe auf der Wesensverschiedenheit des herkunftskennzeichnenden Markenrechts und des für den Schutz von Gestaltungen in erster Linie geltenden Geschmacksmusterrechts. Diesen erhöhten Anforderungen werde die angemeldete Marke nicht gerecht. Trotz einer gewissen Eleganz der schlanken Linienführung bleibe diese im marktüblichen Rahmen. Die einzelnen Gestaltungselemente seien nicht so ungebräuchlich, dass dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Anmelderin als Herstellerin gelenkt werde. Auch die Gesamtgestaltung der Lampe wirke nicht so eigenartig und einprägsam, dass der Verkehr darin eine markenmäßige Herkunftskennzeichnung erblicken könne. Aus der Eintragung ähnlicher Lampenformen könne die Anmelderin nichts für sich herleiten.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin (zugelassene) Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 23. November 2000 (WRP 2001, 265 – Stabtaschenlampen) hat der Bundesgerichtshof das Rechtsbeschwerdeverfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
„1. Ist bei der Feststellung der Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b Markenrechts-Richtlinie bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, ein strengerer Maßstab an die Unterscheidungskraft anzulegen als bei anderen Markenformen?
2. Besitzt Art. 3 Abs. 1 lit. c neben Art. 3 Abs. 1 lit. e Markenrechts-Richtlinie für dreidimensionale Marken, die die Form der Ware darstellen, eine eigenständige Bedeutung?
Ist bejahendenfalls bei der Prüfung von Art. 3 Abs. 1 lit. c – andernfalls bei lit. e – das Interesse des Verkehrs an der Freihaltung der Produktform dergestalt zu berücksichtigen, dass eine Eintragung jedenfalls grundsätzlich ausgeschlossen ist und in der Regel nur bei Marken in Betracht kommt, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie erfüllen?“
Mit Urteil vom 8. April 2003 (GRUR 2003, 514 – Linde, Winward u. Rado) hat der Europäische Gerichtshof die Vorlagefragen wie folgt beantwortet:
„1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. b Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist bei dreidimensionalen Marken, die aus der Form der Ware bestehen, kein strengerer Maßstab anzulegen als bei anderen Markenformen.
2. Neben Art. 3 Abs. 1 lit. e Erste Richtlinie 89/104/EWG besitzt Art. 3 Abs. 1 lit. c dieser Richtlinie auch für dreidimensionale Marken, die aus der Form der Ware bestehen, eine Bedeutung.
Bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach Art. 3 Abs. 1 lit. c Erste Richtlinie 89/104/EWG ist in jedem Einzelfall das dieser Vorschrift zugrunde liegende Allgemeininteresse daran zu berücksichtigen, dass dreidimensionale, aus der Form der Ware bestehende Marken, die im Sinne dieser Bestimmung zur Bezeichnung der Merkmale einer Ware oder einer Dienstleistung dienen können, von allen frei verwendet und vorbehaltlich des Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie nicht eingetragen werden können.“
Daraufhin hat der Bundesgerichtshof mit weiterem Beschluss vom 20. November 2003 (GRUR 2004, 506 – Stabtaschenlampen II) den Senatsbeschluss vom 14. Januar 1998 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Soweit die erforderliche Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke verneint worden sei, könne dem nicht beigetreten werden. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genüge, um das Schutzhindernis zu überwinden. Dies gelte auch für dreidimensionale Marken, die aus der Form der Ware bestünden. Insoweit sei kein strengerer Maßstab anzulegen als bei herkömmlichen Markenformen. Allein maßgebend sei, ob der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen für die in Rede stehenden Waren (oder Dienstleistungen) einen Herkunftshinweis sehe. Zwar könne – wie der Europäische Gerichtshof ausgeführt habe – die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Warenformmarken schwieriger sein als bei herkömmlichen Markenformen, weil der Verkehr sich in dem Bereich, für den der Schutz beansprucht werde, (noch) nicht an die Herkunftskennzeichnung von Produktgestaltungen gewöhnt habe. Daraus dürfe indessen nicht für Formmarken ein erweitertes Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgeleitet werden. Der erkennende Senat habe insoweit zu hohe Anforderungen an die Unterscheidungskraft gestellt. Darüber hinaus habe er sich nicht mit den Merkmalen auseinandergesetzt, die die Anmelderin als herkunftskennzeichnend für sich in Anspruch nehme. Bei dieser – nachzuholenden – Prüfung sei auch der Umstand einzubeziehen, ob und in welchem Umfang Eintragungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und aufgrund der GemeinschaftsmarkenV bereits erfolgt seien. Da es um die Anwendung harmonisierten Rechts und von Gemeinschaftsrecht gehe, könne die Eintragungs-praxis der anderen Mitgliedstaaten und des Harmonisierungsamts nicht außer Betracht bleiben, ohne dass ihr eine bindende Wirkung zukomme.
Sollte der Senat ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG verneinen, sei eine Prüfung der angemeldeten Marke anhand des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG veranlasst. Dabei sei auch das Interesse der Allgemeinheit an einer Freihaltung der Formenvielfalt zu berücksichtigen. Liege die als Marke beanspruchte Form der Ware innerhalb einer auf dem Warengebiet üblichen Formenvielfalt, und seien die Möglichkeiten, die Produktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren, beschränkt, könne dies dafür sprechen, dass die als Marke beanspruchte Form im Interesse der Allgemeinheit freizuhalten sei. In einem solchen Fall könne das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG begründet sein.
Die Anmelderin hat sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einver-standen erklärt.
II.
Der zulässigen Beschwerde ist der Erfolg weiterhin zu versagen. Die Markenstelle hat die Anmeldung zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Darüber hinaus unterliegt die angemeldete Marke auch einem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
1. Nachdem die Anmelderin schon zusammen mit der Anmeldung ihr Einverständnis mit einer Verschiebung des Zeitrangs auf den 1. Januar 1995 erklärt hat (vgl. § 156 Abs. 3 MarkenG), bestehen gegen die Markenfähigkeit der angemeldeten dreidimensionalen Marke keine Bedenken. Anhaltspunkte für einen Schutzausschluss nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 – 3 MarkenG liegen ebenfalls nicht vor.
2. Die angemeldete Marke weist jedoch nicht die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft auf.
a) Durch die im Vorlageverfahren ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist abschließend geklärt, dass an die Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken, die lediglich die Form der im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen beanspruchten Ware(n) selbst darstellen, keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen als bei anderen, insbesondere auch den herkömmlichen Markenformen wie Wort- oder Bildmarken (EuGH GRUR 2003, 514, 517 [Nr. 49] – Linde, Winward u. Rado). Der rechtliche Ausgangspunkt, den der Senat in seinem ersten Beschluss vom 14. Januar 1998 eingenommen hat, ist daher überholt.
b) Damit ist indessen noch nichts darüber gesagt, wie hoch diese allgemein geltenden Anforderungen anzusetzen sind. Diese – letztlich entscheidende – Frage war auch nicht Gegenstand des Vorlageverfahrens (vgl. hierzu auch Ströbele in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 8 Rdn. 139 a. E.). Der Bundesgerichtshof geht insoweit sowohl in seinem Zurückverweisungsbeschluss (insoweit nicht in GRUR 2004, 506 – Stabtaschenlampen II; vgl. aber BGH GRUR 2004, 502, 504 – Gabelstapler II) wie auch in seiner sonstigen ständigen Rechtsprechung davon aus, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei. Jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reiche aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. z. B. BGH GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; GRUR 2005, 257, 258 – Bürogebäude). Diese Formulierungen sind weitgehend der Amtlichen Begründung zum MarkenG entnommen (vgl. BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 64), die sich ihrerseits darauf beruft, dass das europäische Recht, insbesondere die Markenrechts-Richtlinie, eine solche Auslegung fordere. Das trifft jedoch so nicht zu. Der Satz, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei und jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genüge, findet sich weder im Wortlaut der Markenrechts-Richtlinie noch in der für deren Auslegung maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Diese Auffassung geht vielmehr auf eine entsprechende Meinung im deutschen Schrifttum zurück (s. dazu ausführlich Hacker GRUR 2001, 630, 631 f.). Der Europäische Gerichtshof hat demgegenüber mehrfach eine strenge und vollständige, nicht auf ein Mindestmaß beschränkte Prüfung von absoluten Schutzhindernissen angemahnt, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2003, 604, 608 [Nr. 59] – Libertel; GRUR 2004, 674, 680 [Nr. 123] – Postkantoor). Dies weist eher in Richtung eines weniger großzügigen Prüfungsmaßstabes.
Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil der Beschwerde auch bei Anlegung des vom Bundesgerichtshof geforderten großzügigen Maßstabs der Erfolg versagt bleiben muss.
c) Wie der Europäische Gerichtshof betont hat, ist es bei dreidimensionalen Warenformmarken im allgemeinen schwieriger, die erforderliche Unterscheidungskraft festzustellen als z. B. bei traditionellen Wort- oder Bildmarken (EuGH GRUR 2003, 514, 517 [Nr. 48] – Linde, Winward u. Rado). Gewöhnlich schließen nämlich die Durchschnittsverbraucher nicht aus der Form der Ware auf deren Herkunft (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 631, 633 [Nr. 38] – Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int. 2005, 135, 137 [Nr. 30] – Maglite; GRUR Int. 2006, 226, 227 [Nr. 28] – Standbeutel). Auch der Bundesgerichtshof hat verschiedentlich ausgeführt, dass der Verkehr die Formgestaltung einer Ware regelmäßig nicht in gleicher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis auffasse, weil es dabei zunächst um die funktionelle und ästhetische Ausgestaltung der Ware selbst gehe. Auch eine besondere Gestaltung der Ware selbst werde danach eher diesem Umstand zugeschrieben werden als der Absicht, auf die Herkunft der Ware hinzuweisen (BGH GRUR 2003, 332, 334 – Abschlussstück; vgl. auch BGH GRUR 2005, 414, 416 – Russisches Schaumgebäck – und zur ähnlichen Problematik bei Farben BGH GRUR 2004, 151, 154 – Farbmarkenverletzung I; GRUR 2004, 154, 155 – Farbmarkenverletzung II; GRUR 2005, 427, 428 – Lila-Schokolade; GRUR 2005, 1044, 1046 – Dentale Abformmasse). Die genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind zwar nicht zu den absoluten Schutzhindernissen, sondern zur Frage des markenmäßigen Gebrauchs im Rahmen des § 14 Abs. 2 MarkenG ergangen. Die Sichtweise der angesprochenen Verkehrskreise, auf die es maßgeblich ankommt, kann hier aber keine andere als bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sein.
Dies darf zwar nicht dazu führen, dass für Warenformmarken ein erweitertes Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufgestellt wird (s. Zurückverweisungsbeschluss, Bl. 10, und BGH GRUR 2004, 502, 504 – Gabelstapler II). Andererseits weist der Europäische Gerichtshof aber in nunmehr ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass die Eignung einer Warenform zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung nur bejaht werden kann, wenn die Form eine erhebliche Abweichung von der Norm oder der Branchenüblichkeit aufweist (EuGH GRUR 2004, 428, 431 [Nr. 49] – Henkel; GRUR Int. 2004, 631, 634 [Nr. 39] – Dreidimensionale Tablettenform I; GRUR Int. 2004, 635, 638 [Nr. 37] – Dreidimensionale Tabletten-form II; GRUR Int. 2004, 639, 643 [Nr. 37] – Dreidimensionale Tablettenform III; GRUR Int. 2005, 135, 137 [Nr. 31] – Maglite; GRUR Int. 2006, 226, 227 [Nr. 31] – Standbeutel). Denn nur bei einer solchen erheblichen Abweichung ist es dem Durchschnittsverbraucher möglich, die betreffende Ware (allein) anhand ihrer Form ohne analysierende und vergleichende Betrachtungsweise von Waren anderer Unternehmen zu unterscheiden (EuGH GRUR 2004, 428, 431 [Nr. 53] – Henkel).
d) Nach diesen Grundsätzen kann auch ein geringes Maß an Unterscheidungskraft nur bejaht werden, wenn die beanspruchte Form vergleichsweise auffällige Besonderheiten aufweist, die sie – ohne analysierende und vergleichende Betrachtungsweise seitens der angesprochenen Verkehrskreise – aus ihrem wettbewerblichen Umfeld heraushebt. Dies ist genau der Prüfungsmaßstab, den schon der Erinnerungsprüfer seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Der diese Entscheidung im Ergebnis bestätigende Senatsbeschluss vom 14. Januar 1998 ist jedoch durch den Bundesgerichtshof aufgehoben worden, weil der erkennende Senat zu strenge Anforderungen an die Unterscheidungskraft gestellt habe. Zum Zeitpunkt des Zurückverweisungsbeschlusses des Bundesgerichtshofes vom 20. November 2003 lag indessen die dargestellte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Unterscheidungskraft von Warenformmarken noch nicht vor. Insbesondere das letztlich entscheidende Kriterium der „erheblichen Abweichung“ ist erst danach herausgearbeitet worden, nämlich erstmals in der „Henkel“-Entscheidung vom 12. Februar 2004 (s. zur zeitlichen Entwicklung auch Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 141 und zur inhaltlichen Divergenz a. a. O. Rdn. 144). Insoweit erhebt sich die Frage, ob der Senat im vorliegenden Verfahren aufgrund der in § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG vorgeschriebenen Bindung gehalten ist, von der großzügigeren Sichtweise des Bundesge-richtshofes auszugehen, oder ob er den Beurteilungsgrundsätzen zu folgen hat, die der Europäische Gerichtshof nach Erlass des Zurückverweisungsbeschlusses des Bundesgerichtshofes vom 20. November 2003 aufgestellt hat.
Nach Auffassung des Senats muss der richtlinienkonformen Auslegung Vorrang vor der Bindungswirkung eingeräumt werden. Für diese Sichtweise spricht zunächst das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Januar 1974 in der Vorlagesache 166/73 Rheinmühlen-Düsseldorf/Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide- und Futtermittel (Slg. 1974, 33 – Rheinmühlen-Düsseldorf). Dort war im Ausgangsverfahren ein Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom Bundesfinanzhof aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen worden. Ungeachtet der in § 126 Abs. 5 FGO – wie in § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG – vorgeschriebenen Bindung des Finanzgerichts an die rechtliche Beurteilung der Sache durch den Bundesfinanzhof hatte sich das Finanzgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs mit europäischem Recht nicht in Einklang stehe und hatte die betreffende Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Gegen diesen Vorlagebeschluss war von der Klägerin des Ausgangsverfahrens Beschwerde zum Bundesfinanzhof eingelegt worden, der das Verfahren seinerseits aussetzte und dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorlegte:
„Gibt Artikel 177 Absatz 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft [nunmehr Art. 234 Abs. 2 EGV] den nicht-letztinstanzlichen Gerichten ein in jeder Hinsicht unbeschränktes Recht zu einer Vorlage an den Gerichtshof oder lässt er entgegenstehende innerstaatliche Normen unberührt, die das Gericht an die rechtliche Beurteilung des im Instanzenzuge übergeordneten Gerichts binden?“
Der Europäische Gerichtshof hat diese Frage dahingehend beantwortet, dass das Vorlagerecht umfassend sei und nicht durch eine innerstaatliche Rechtsnorm aufgehoben werde, die den Richter an die rechtliche Beurteilung des übergeordneten Gerichts binde.
Nach Auffassung des Senats folgt daraus zweifelsfrei, dass die Bindung an das Gemeinschaftsrecht und dessen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof der Bindung nach § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG vorgeht. Denn wenn eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach einer Zurückverweisung uneingeschränkt zulässig ist, so impliziert dies, dass das vorlegende Gericht die Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof seiner erneuten Entscheidung auch zugrundelegen muss und daran nicht durch die Bindungswirkung gehindert sein darf.
Aus ähnlichen Erwägungen hat auch das Bundesverwaltungsgericht eine Selbstbindung an ein erstes Revisionsurteil abgelehnt, wenn der Europäische Gerichtshof die betreffende Auslegungsfrage danach in einem anderen Sinne entschieden hat (BVerwG MDR 1991, 685, 686; s. des weiteren BPatG GRUR 2005, 1049, 1051 zweifarbige Kombination Grün/Gelb II [nicht rechtskräftig; Rechtsbeschwerde beim BGH anhängig unter dem Az.: I ZB 86/05]; Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 89 Rdn. 6).
Den vorstehenden Erwägungen steht nicht die Besonderheit des vorliegenden Falles entgegen, dass der Bundesgerichtshof den ersten Beschluss des Senats vom 14. Januar 1998 seinerseits erst nach einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof aufgehoben hat. Allerdings dürfte in einem solchen Fall eine Durchbrechung der Bindungswirkung des § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG grundsätzlich ausgeschlossen sein (vgl. EuGH Slg. 1974, 33, 39 [Nr. 4] – Rheinmühlen-Düsseldorf). Sie kann aber in Betracht kommen, wenn sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs selbst nach Erlass der auf die Vorlage durch den Bundesgerichtshof ergangenen Entscheidung geändert oder in einem Sinne konkretisiert hat, der bei der aufhebenden und zurückverweisenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs so noch nicht erkennbar war. Letzteres ist hier der Fall. Dass die Unterscheidungskraft einer dreidimensionalen Warenformmarke nur bejaht werden kann, wenn die betreffende Form erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht, war dem auf die Vorlage des Bundesgerichtshofes ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 8. April 2003 so nicht zu entnehmen. Nach den konkreten Anforderungen der Unterscheidungskraft einer dreidimensionalen Warenformmarke war – wie dargelegt – auch nicht gefragt worden. Dies wurde erst in späteren Entscheidungen, beginnend mit „Henkel“, herausgearbeitet. Auch der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 8. April 2003 ersichtlich nicht in diesem Sinne verstanden.
e) Eine erhebliche Abweichung der vorliegend als Marke beanspruchten Taschenlampenform vom Branchenüblichen kann nicht festgestellt werden.
Maßgeblich ist insoweit der durch die Form vermittelte Gesamteindruck für den Durchschnittsverbraucher. Diesen Gesamteindruck hat die Anmelderin zutreffend auf die folgenden Formmerkmale zurückgeführt:
– der Schaft ist zylinderförmig;
– der Kopf ist zylinderförmig mit gegenüber dem Schaft vergrößertem Durchmesser, wobei der Übergang zum Schaft konisch verläuft;
– der Kopf ist dreiteilig ausgestaltet, wobei der mittlere, durch zwei umlaufende Einkerbungen abgegrenzte Abschnitt mit zwei umlaufenden Riffelungen versehen ist;
– die zylindrische hintere Verschlusskappe ist im Durchmesser gegen-über dem Schaft verkleinert.
Eine Herkunftskennzeichnung kann der Kombination dieser Merkmale jedoch nicht entnommen werden. Der zylinderförmige Schaft entspricht der gängigen Grundform von Taschenlampenschäften. Im Übrigen ist diese Form weitgehend technisch bedingt. Sie entspricht der zylindrischen Form der Batterien, die bei derartigen Taschenlampen gewöhnlich in dem Schaft Aufnahme finden. Die Zylinderform des Kopfes der Lampe und der gegenüber dem Schaft vergrößerte Durchmesser sind ebenfalls seit jeher üblich. Anderes mag allenfalls für die konkrete Ausgestaltung des koni-schen Übergangs vom Schaft zum Kopf gelten. Dieses Formmerkmal tritt jedoch im maßgeblichen Gesamteindruck der beanspruchten Taschenlampe weit hinter die optisch dominierenden Merkmale zurück, die – wie ausgeführt – nur gängige Grundformen wiedergeben. Im Übrigen findet sich ein ähnlicher Übergang auch schon bei den von der Markenstelle im Erstbeschluss nachgewiesenen Lampenformen. Auch die dreiteilige Ausgestaltung der Oberfläche des Kopfes mit den Einkerbungen und umlaufenden Riffelungen im Mittelteil ist teils für den Gesamteindruck völlig unbedeutend, teils (hinsichtlich der Riffelungen) ersichtlich technisch-funktionaler Natur. So dienen die Riffelungen – ebenso wie die geriffelte Oberfläche des Schaftes – offensichtlich dazu, die Griffigkeit des Kopfes (bzw. des Schaftes) bei dessen Verdrehen zum Anschalten der Lampe – ein dem Verkehr mittlerweile vertrauter Mechanismus – zu verbessern. Die zylindrische Gestaltung der Verschlusskappe macht wiederum nur von einer gängigen Grundform Gebrauch. Dass sie im Durchmesser gegenüber dem Schaft geringfügig verkleinert ist, spielt für den Gesamteindruck nur eine untergeordnete Rolle.
Insgesamt erschöpft sich die beanspruchte Taschenlampenform somit weitgehend in – auch in ihrer Kombination – gängigen Gestaltungsmerkmalen. Die wenigen Abweichungen erscheinen zwar im Design stimmig, heben die Gesamtform aber nicht erheblich über das Branchenübliche hinaus.
f) In dieser Beurteilung sieht sich der Senat auch durch das „Maglite“-Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 7. Oktober 2004 bestätigt (GRUR Int. 2005, 135). Gegenstand dieses Urteils war (u. a.) die als Gemeinschaftsmarke angemeldete, nachfolgend abgebildete dreidimensionale Form einer Taschenlampe:
…
Dass an der Kopfspitze dieser Lampe umlaufend das Wort „MAGLITE“ angebracht ist, hat in diesem Verfahren keine Rolle gespielt. Die Form als solche ist der vorliegend beanspruchten offensichtlich sehr ähnlich. Der Europäische Gerichtshof hat die Unterscheidungskraft dieser Taschenlampenform in Übereinstimmung mit allen Vorinstanzen verneint.
g) Damit erübrigt sich letztlich auch ein Eingehen auf die von der Anmelderin vorgelegten Markeneintragungen, die ihrer Meinung zufolge vergleichbare Taschenlampenformen betreffen. Zwar hat der Bundesgerichtshof dem Senat aufgegeben, diese Voreintragungen zu würdigen. Diesen Eintragungen kann aber, zumal sie nicht mit Gründen versehen sind, kein größeres Gewicht zukommen als den ausführlich begründeten Entscheidungen der europäischen Gerichte und zumal des Europäischen Gerichtshofes.
Im Übrigen hat es der Europäische Gerichtshof – wiederum nach Erlass der zurückverweisenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes – ausdrücklich abgelehnt, Eintragungen vermeintlich ähnlicher Marken irgendeine Bedeutung für die Beurteilung der Unterscheidungskraft beizulegen (EuGH GRUR 2004, 428, 432 [Nr. 64] – Henkel; GRUR 2004, 674, 676 [Nr. 44] – Postkantoor). Auch insoweit ist daher die Bindung des Senats an die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofes durch die zwischenzeitliche Entwicklung des Gemeinschaftsrechts überholt.
3. Darüber hinaus unterliegt die angemeldete Marke auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG einem Eintragungsverbot. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Zurückverweisungsbeschluss ausgeführt hat, kann es für ein Freihaltebedürfnis im Sinne dieser Vorschrift sprechen, wenn die beanspruchte Form innerhalb einer auf dem betreffenden Warengebiet üblichen Formenvielfalt liegt und die Möglichkeiten beschränkt sind, die Produktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren.
Nach diesen Grundsätzen (zur Kritik hieran s. Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 280) kann im vorliegenden Fall ein Freihaltebedürfnis nicht verneint werden. Dass sich die beanspruchte Form im Rahmen des Branchenüblichen hält, wurde bereits bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft festgestellt (s. oben 2e). Darüber hinaus ist die Formenwahl bei Taschenlampen in nicht unerheblichem Maß durch technische Anforderungen beschränkt, der Gestaltungsspielraum also verhältnismäßig eng.
4. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde erneut zugelassen, weil der Fall grundsätzliche Fragen der Reichweite der Bindungswirkung nach § 89 Abs. 4 Satz 2 MarkenG aufwirft, über die der Bundesgerichtshof – soweit ersichtlich – bisher nicht entschieden hat.
(Unterschriften)
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