BPatG: Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren gegen Markeneintragung

Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Festlegung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren nicht der Wert der Widerspruchsmarke, sondern das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke an deren Erhalt maßgeblich.

Der wirtschaftliche Wert einer bis zu endgültigen Eintragung ins Markenregister nicht benutzten Marke im Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung erschöpft sich regelmäßig in den Kosten für die Entwicklung neu auf dem betreffenden Warengebiet einzuführender Marken. Hierfür haben die Marken-Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren im Normalfall einen Gegenstandswert von 20.000 EUR festgesetzt (vgl. BPatG MarkenR 2007, 35; GRUR 2007, 176).

BPatG, Beschluss vom 28.10.2009 – 28 W (pat) 52/09Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren Gegenstandswert 20.000 EUR
§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke … (hier: Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 28. Oktober 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Schell

beschlossen:

1. Die Beschwerden der Widersprechenden werden zurückgewiesen.

2. Die Widersprechenden tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

G r ü n d e

I.
Gegen die in das Markenregister eingetragene Wortmarke 306 30 125

Focus

haben neben einer weiteren Widersprechenden die Inhaber der mit der jüngeren Marke identischen Wortmarken EM 760 116 (Beschwerdeführerin zu 1) und 395 19 533 (Beschwerdeführerin zu 2) Widerspruch eingelegt. Mit Beschluss vom 19 Mai 2008 hat die Markenstelle wegen aller Widersprüche die Löschung der jüngeren Marke angeordnet und dem Markeninhaber die Kosten des Verfahrens auferlegt, da er in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen Situation -Anmeldung des identischen Zeichens trotz Bekanntheit der Marke „FOCUS“ auf dem Auto- und Fahrradsektor – sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Markenschutzes durchzusetzen versucht habe. Rechtsmittel gegen diese Entscheidung sind nicht eingelegt worden.

Die Widersprechenden haben beim DPMA mit Schriftsatz vom 12. August 2008 Kostenfestsetzung beantragt und einen Gegenstandswert von € 500.000,00 für die anwaltliche Tätigkeit angesichts des näher begründeten deutlich erhöhten Interesses des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke zugrunde gelegt. Vor diesem Hintergrund haben sie eine 1,5 Rechtsanwalts-Geschäftsgebühr in Höhe von € 4.494,00 sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von € 20, 00 jeweils nach §§ 2, 13 RVG, – insgesamt also € 4.514,00 -geltend gemacht. Der Markeninhaber hat diesem Antrag widersprochen und ausgeführt, es sei der für das Widerspruchsverfahren übliche Regelwert von € 25.000 anzusetzen. Die für die anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten hat die Markenabteilung 3.2. mit Beschluss vom 2. März 2009 auf insgesamt € 1.229,00 festgesetzt. Unter Bezugnahme auf die bereits vorab gegebenen Hinweise zur Entscheidungspraxis des Bundespatentgerichts und insoweit abweichend vom Antrag der Widersprechenden hat sie lediglich einen Gegenstandswert von € 20.000,00 als angemessen angesehen. Besondere Umstände, die ein Abweichen von diesem Regelgegenstandswert rechtfertigten, seien nicht gegeben. Maßgeblich sei das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers an der Aufrechthaltung seiner Marke. Es komme nicht auf das Interesse der Widersprechenden an der Löschung der jüngeren Marke oder auf die gewerbliche Bedeutung der Widerspruchsmarke an.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Widersprechenden, mit der sie am beantragten Gegenstandswert festhalten. Entgegen der Ansicht der Markenabteilung sei von einem Regelstreitwert von € 50.000 auszugehen, wie dies der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16. März 2006 (Aktenzeichen I ZB 48/05) für das Rechtsbeschwerde-Widerspruchsverfahren als angemessen beurteilt habe. Dieser Wert sei auch im Widerspruchs-Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht in der Regel anzusetzen, tatsächlich aber liege der hier festzusetzende Gegenstandswert wegen des erheblich gesteigerten wirtschaftlichen Interesses des Markeninhabers noch wesentlich höher. Denn der Markeninhaber habe für Waren der Klasse 12 die Marke „FOCUS“ zu einem Zeitpunkt angemeldet, als die Widerspruchsmarken aufgrund langjähriger intensiver Benutzung bereits eine überragende Bekanntheit genossen hätten. Der Ford „FOCUS“ sei lange Zeit das meistverkaufte Auto Europas gewesen, er sei in Deutschland im Straßenbild täglich präsent und werde von den Widersprechenden weiterhin intensiv beworben. Eine eingetragene Marke stelle ein grundsätzlich frei handelbares Wirtschaftsgut dar und könne insbesondere frei übertragen oder lizenziert werden. Insofern sei die Marke „FOCUS“ in den Händen des Markeninhabers auch nicht weniger wert als in den Händen der Widersprechenden, so dass das Interesse des Markeninhabers am Bestand der Marke nicht geringer gewertet werden könne als das der Widersprechenden an ihren identischen und für identische Waren eingetragenen Marken. Jedenfalls hätte der Markeninhaber bei Fortbestand seiner Marke von der Bekanntheit der Marke „FOCUS“ unmittelbar profitiert. Sein hohes wirtschaftliches Interesse an der Marke „FOCUS“ zeige die vom Markeninhaber im Widerspruchsverfahren vorgelegte Vereinbarung der Parteien vom 20.5.1998 („Markenlizenzvertrag“), aufgrund derer an den Markeninhaber eine hohe Lizenzgebühr gezahlt worden sei.

Die Widersprechenden beantragen,

den Beschluss des Deutschen Patent-und Markenamts vom 2. März 2009 zu der Registernummer 306 30 125 aufzuheben und die Kosten unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von € 500.000,00 festzusetzen.

Der Markeninhaber beantragt,

die Beschwerde vom 20. März 2009 zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss. Eine unterschiedliche Höhe des Gegenstandswerts im Widerspruchsverfahren im Gegensatz zum Rechtsbeschwerdeverfahren rechtfertige sich mit dem fortgesetzten Versuch einer Rechtsdurchsetzung im Instanzenzug und zwar schon aufgrund des erhöhten Durchsetzungsinteresses und insbesondere wegen des erhöhten Aufwands. Die von den Widersprechenden zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei daher bereits wegen der unterschiedlichen Verfahrensstufen im Vergleich zum vorliegenden Verfahren nicht anzuwenden. Im Übrigen führe der BGH wörtlich aus, dass es „auf das Interesse des Inhabers der Widerspruchsmarke an der Löschung des prioritätsjüngeren Zeichens oder der gewerblichen Bedeutung der Widerspruchsmarke“ nicht ankomme. Das Vorbringen der Widersprechenden zum Wert ihrer Marken liege daher neben der Sache. Der Wert der angegriffenen Marke sei zum Zeitpunkt des Verfahrens keineswegs erhöht gewesen. Die von den Widersprechenden dargestellten Wertentwicklungen seien spekulativ und durch nichts belegt. Benutzungsabsichten, die auf eine Rufausbeutung der Marken der Widersprechenden seitens des Markeninhabers hingedeutet hätten, existierten nicht.

II.
Die Beschwerden der Widersprechenden sind statthaft und zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt (§ 63 Abs. 3 Satz 3 und 4 MarkenG). In der Sache haben sie jedoch keinen Erfolg. Die Markenabteilung hat die vom Markeninhaber zu erstattenden Kosten zutreffend auf € 1.229,00 festgesetzt.

1. Die Kostenfestsetzung durch die Markenabteilung war zulässig (§ 63 Abs. 3, Satz 1 und 2 MarkenG). Der im Widerspruchsverfahren ergangene Beschluss der Markenstelle vom 19. Mai 2008 und die darin ausgesprochene Kostenauferlegung sind rechtskräftig. Die nach der Kostenentscheidung erstattungsberechtigten Widersprechenden haben einen Antrag auf Kostenfestsetzung gestellt und eine Kostenberechnung eingereicht (§ 103 ZPO).

2. Die Beschwerden der Widersprechenden richten sich ausschließlich gegen den ihrer Ansicht nach zu niedrigen Ansatz des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit in Höhe von € 20.000. Insoweit ist der angegriffene Beschluss jedoch nicht zu beanstanden. Gesetzliche Grundlagen für die Ermittlung der Gebühren von Rechtsanwälten ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das vorsieht, dass im Verwaltungsverfahren der Gegenstandswert, soweit sonstige Anhaltspunkte fehlen, gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist insoweit nicht der Wert der Widerspruchsmarke, sondern das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke an deren Erhalt maßgeblich, was im Beschwerdeverfahren von den Widersprechenden auch nicht mehr in Zweifel gezogen wird. Dieser Grundsatz gilt für das patentgerichtliche Widerspruchs-Beschwerdeverfahren ebenso wie für das Widerspruchsverfahren vor der Markenstelle, wobei für beide vorgenannten Verfahren regelmäßig derselbe Gegenstandswert zugrunde gelegt wird. Die Marken-Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts haben in jüngster Zeit den Gegenstandswert im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren im Normalfall auf 20.000,–Euro festgesetzt (vgl. BPatG MarkenR 2007, 35; GRUR 2007, 176), wobei es sich um den unteren (Auffangs-)Gegenstandswert handelt.

Anhaltspunkte für ein von den Widersprechenden vorgetragenes erheblich über dem Durchschnitt liegendes wirtschaftliches Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner Marke, die sich werterhöhend auswirken könnten, sind nicht ersichtlich. Hierzu genügt es nicht, den unstreitig infolge der Benutzung für einen in Deutschland gut eingeführten PKW der Firma F… erlangten hohen Wert der Widerspruchsmarken gleichzusetzen mit dem wirtschaftlichen Interesse des Markeninhabers an der Aufrechterhaltung der jüngeren Marke. Dies liefe darauf hinaus, dass jedenfalls mittelbar der Wert der Widerspruchsmarken den Gegenstandswert bestimme. Grundlage der Wertbemessung kann darüber hinaus weder ein von der jüngeren Marke ausgehendes vermeintliches Angriffspotential noch die von den Widersprechenden hypothetisch vorgenommene Berechnung fiktiver Lizenzsätze sein, die im Fall einer Benutzung der jüngeren Marke anfallen könnten. Ebenso wenig werterhöhend sind die vertraglichen Vereinbarungen, die tatsächlich zwischen den Parteien in der Vergangenheit geschlossen worden sind, zumal sie im Markenregisterverfahren unbeachtlich sind. Vielmehr ist auf den Wert der angegriffenen Marke im Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung abzustellen, bei der es sich üblicherweise um eine vor ihrer endgültigen Eintragung ins Markenregister noch nicht benutzte Marke handelt. Ihr wirtschaftlicher Wert erschöpft sich regelmäßig – wie auch hier – in den Kosten für die Entwicklung neu auf dem betreffenden Warengebiet einzuführender Marken, die im vorliegenden Fall den Regelwert nicht überschreiten. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden kommt eine Angleichung an den vom Bundesgerichtshof angenommenen Regelstreitwert von € 50.000.- (Aktenzeichen I ZB 48/05; veröffentlicht in GRUR 2006, 704) ebenfalls nicht in Betracht. Dieser Festsetzung, die im Rahmen einer Rechtsbeschwerde in einem Markenwiderspruchsverfahren ergangen ist, mögen gegenüber der Entscheidung des Erstprüfers (gehobener Dienst) der Markenstelle im Laufe der Instanzen werterhöhende Feststellungen zugrunde gelegen haben.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nach § 71 Abs. 1 MarkenG den Widersprechenden aufzuerlegen. In Nebenverfahren wie Kostenfestsetzungsbeschwerden entspricht es in der Regel der Billigkeit, dem Obsiegenden die ihm entstandenen Kosten zu erstatten

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