OLG Schleswig: Urteilsweitergabe durch Mitbewerber an Geschäftskunden

OLG Schleswig, Urteil vom 31.01.2008 – 5 U 96/07

Leitsätze

1. Überlässt ein Mitbewerber Dritten den Text eines Urteils, aus dem sich Hinweise auf das geschäftliche Handeln eines Konkurrenten ergeben, ist dies zulässig, wenn der Wettbewerber dafür einen hinreichenden Anlass besitzt und sich sein Vorgehen nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält.

2. Wer aktiv im Wirtschaftsleben handelt und sich im Rahmen dieses Handelns der Kritik von Mitbewerbern durch wahrheitsgemäße Angaben über sein geschäftliches Verhalten ausgesetzt sieht, kann sich dagegen nicht auf die wesentlich strengeren Grundsätze berufen, die die Rechtsprechung für den Schutz der Intim- und Privatsphäre entwickelt hat.

Tenor

Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird das am 13. Juni 2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe geändert:

Der im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangene Beschluss des Einzelrichters vom 20. März 2007 wird aufgehoben; der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten eine einstweilige Verfügung erwirkt (Beschluss des Landgerichts vom 20.3.2007), wonach er es zu unterlassen hat, das gegen die Klägerin als dortige Beklagte ergangene und sie zur Zahlung von knapp 144.000 EUR verurteilende Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 10.10.2006 zu dem Aktenzeichen 5 O 174/03 (bestätigt vom Senat mit Urteil vom 29.3.2007, 5 U 192/06) an Dritte, insbesondere Geschäftskunden der Klägerin ohne Aufforderung zu versenden. Gegen diesen Beschluss hat der Beklagte Widerspruch eingelegt.

Hinsichtlich des Sachverhaltes im Übrigen und des Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit seinem angefochtenen Urteil den Beschluss bestätigt, soweit die Parteien das Verfahren nicht hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung gem. II des Beschlusses übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Es hat zur Begründung ausgeführt, das Übersenden des gegen die Klägerin ergangenen Urteils an die dritte Firma A stelle einen widerrechtlichen Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Es seien ihre Sozial- und ihre Privatsphäre betroffen. Die Versendung eines solchen Urteils an einen Dritten müsse ein Bürger nur hinnehmen, wenn dafür ein berechtigtes Interesse bestehe. Daran fehle es hier. Für den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin reiche aus, dass sie als Geschäftsführerin und Gesellschafterin einer GmbH – nämlich der B GmbH – in ihrer Beziehung zu Kunden dieser GmbH gestört worden sei, bzw. dass eine derartige Gefahr bestehe.

Der Beklagte habe nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt. Er könne nicht mit seiner Einlassung gehört werden, er habe das Urteil übersandt, um zu verhindern, dass die in Rede stehenden Firmen noch Honorare an die Klägerin zahlen würden, bevor der Zwangsverwalter vorläufige Zahlungsverbote erwirkt habe. Aus dem Übersendungsprotokoll vom 16.3.2007 ergebe sich eine derartige Intention nicht. Die Urteilsübersendung könne den Empfänger auch ersichtlich nicht davon abhalten, ggf. Honorare an die Verfügungsklägerin zu zahlen. Zudem sei die Übersendung unter dem 16.3.2007 erfolgt, während das Urteil bereits am 10.10.2006 verkündet worden sei. Vorläufige Zahlungsverbote hätten mithin längst erwirkt werden können. Darüber hinaus habe der Beklagte nicht dargelegt, dass der Klägerin überhaupt Honoraransprüche gegen die beiden Firmen A zugestanden hätten oder hätten zustehen können.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten mit der er geltend macht:

Die zugrunde liegenden Tatsachen würden eine andere Entscheidung rechtfertigen. Die Behauptungen der Klägerin zu Protokoll des Landgerichts, dass die Firmen A ( A 1 GmbH und A 2 GmbH) Kunden der Firma B GmbH oder auch der von der Klägerin geführten Einzelfirma B gewesen seien und die geschäftlichen Beziehungen nach Übersendung des fraglichen Urteils abgebrochen hätten, seien nachweislich falsch. Die Firma A 1 GmbH sei nicht Kundin der Einzelfirma gewesen. Diese Firma sei aber weiterhin und ausschließlich Kundin der Firma B GmbH. Sie habe etwa im Juni 2007 in der damaligen Stellenbörse dieser Firma eine Anzeige geschaltet. Der von der Klägerin behauptete Verfügungsgrund, dass sie nämlich in der Ausübung ihres Gewerbes durch die Übersendung des Urteils an die Firma A geschädigt worden sei, habe somit von Anfang an nicht bestanden.

Das Landgericht stütze seine angefochtene Entscheidung jetzt nur noch auf einen angeblich widerrechtlichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Dafür reiche aber nicht aus, dass diese als Geschäftsführerin und Gesellschafterin einer GmbH in ihrer Beziehung zu Kunden dieser GmbH gestört worden sei. Mit dieser Erwägung beziehe sich das Landgericht auf den Bereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Da sich die Parteien aber miteinander im Wettbewerb befänden, würden sich die deliktsrechtlichen Folgen einer angeblich geschäftsschädigenden Kritik ausschließlich nach den §§ 4, 5, 1 UWG richten. Der Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei nicht betroffen.

Die Klägerin selbst – mit ihrer Einzelfirma – befinde sich nicht in Geschäftsbeziehungen zu den Firmen A, eine solche bestehe nur zu der Firma B GmbH. Die Klägerin könne sich deshalb nicht auf § 4 Nr. 7 UWG berufen. Eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne dieser Vorschrift liege nur vor, wenn ein Mitbewerber durch die Behauptung unwahrer Tatsachen herabgesetzt werde. Daran fehle es, zumal die Übersendung des Urteils weder eine Verunglimpfung noch eine Herabsetzung der B GmbH darstelle.

Selbst wenn sich aber die Klägerin mit ihrer Einzelfirma auf den Schutz des § 4 Nr. 7 UWG berufen könne, so sei es doch grundsätzlich zulässig, im Wettbewerb wahre Tatsachenbehauptungen über den Mitbewerber mitzuteilen, auch wenn diese wahren Tatsachen zu einer Geschäftsschädigung führen könnten. Solche Geschäftsschädigungen seien hier im Übrigen nicht eingetreten.

Die Urteilsübersendung stellte auch keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar. Wahre Berichte über eine Person würden das Persönlichkeitsrecht nur dann verletzen, wenn sie schwerwiegende Folgen haben könnten und das Schutzbedürfnis der betroffenen Person das Interesse an einer Offenbarung überwiege. An den schwerwiegenden Folgen fehle es hier bereits.

Im Übrigen habe der Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Urteilsversendung gehabt. Zur Durchsetzung des Zahlungsanspruchs aus dem Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 10.10.2006 sei die Übersendung nützlich gewesen, weil dadurch die Chancen gestiegen seien, dass auf die vom Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anerkannten Forderungen des Beklagten gegen die Insolvenzschuldnerin in Höhe von 55.346 EUR eine höhere Quote entfalle. Er habe das Urteil des Landgerichts nach der mündlichen Berufungsverhandlung in jener Sache vor dem Senat versandt, wo der Senat deutlich erklärt habe, dass er das Urteil des Landgerichts Itzehoe bestätigen werde. Die Klägerin habe schon kurz nach Erlass des Urteils erster Instanz für einen Bekannten auf ihrem Grundstück eine Sicherungshypothek in Höhe von 50.000 EUR eintragen lassen. Sie habe offensichtlich die Absicht gehabt, die Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück zu verhindern.

Ihre Einzelfirma habe auch hohe Rechnungen an die Insolvenzschuldnerin gerichtet. Trotz Überschuldung der Insolvenzschuldnerin habe die Klägerin als Geschäftsführerin veranlasst, dass die hohen Rechnungen beglichen worden seien. Auf der anderen Seite seien Kosten, die die Einzelfirma veranlasst habe, von der fraglichen GmbH getragen worden. Angesichts dieser Praktiken habe der Beklagte befürchtet, dass die Klägerin Einkünfte, die ihr als Inhaberin der Einzelfirma zugestanden hätten, nunmehr in umgekehrter Weise auf die neu gegründete GmbH verlagere, um erwartete Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ins Leere laufen zu lassen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern, den Beschluss vom 20. März 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin erwidert:

Das Landgericht habe zu Recht eine unberechtigte Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin durch die unaufgeforderte Übersendung des Urteils bejaht. Daran habe der Beklagte keinerlei schutzwürdiges eigenes Interesse gehabt. Es sei ihm nur darum gegangen, die Klägerin herabzusetzen und sie bei ihren Kunden anzuschwärzen. Denunziantentum sei kein grundgesetzlich geschütztes Recht. Die Urteilsübersendung sei eine vorsätzliche Beeinträchtigung und Herabwürdigung des Ansehens der Klägerin. Der Beklagte habe ein etwaiges Interesse an der Umleitung von Zahlungsströmen dem Urteilsempfänger gegenüber nicht geäußert.

Auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze wird im Übrigen verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht der Verfügungsklägerin gegen den Verfügungsbeklagten ein Unterlassungsanspruch nicht zu.

1. Für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes muss vorrangig bedacht werden, dass es sich bei den Parteien um berufliche Konkurrenten handelt, die miteinander im Wettbewerb stehen. Die fragliche Handlung, deren Unterlassung die Klägerin begehrt – nämlich die Unterlassung der Übersendung des Urteils vom 10.10.2006, 5 O 174/03 LG Itzehoe, an ihre Geschäftskunden – bezieht sich auf den geschäftlichen Bereich.

In dem Beschluss vom 20.3.2007 hat das Landgericht noch ausgeführt, die Übersendung des Urteils durch den Beklagten stelle nicht nur einen Angriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin, sondern auch einen Eingriff in den von ihr ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne des § 823 BGB dar. Der deliktische Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nach § 823 Abs. 1 BGB tritt aber dann als subsidiär zurück, wenn dieser Schutz bereits durch Anwendung der spezielleren wettbewerbsrechtlichen Regelungen des UWG gewährleistet wird. Denn das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht ist von der Rechtsprechung nur zur Füllung von Schutzlücken im Sinne eines Auffangtatbestandes entwickelt worden (vgl. etwa BGH NJW 2006, 830 bei Juris RdNr. 91, 93). Geht es also um eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 4 Nr. 7 UWG, greift allein der Unterlassungsanspruch nach den §§ 3, 8 UWG ein, nicht aber das allgemeine Deliktsrecht (Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. 2004, § 4.7, RdNr. 7/7; Lehmler, UWG, 2007, § 4 RdNr. 12).

§ 3 UWG verbietet unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber zu beeinträchtigen. Wer § 3 UWG zuwider handelt, kann gem. § 8 UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt nach § 4 Nr. 7 UWG insbesondere, wer die persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft. Durch die Urteilsübersendung hat der Beklagte aber nicht unlauter gehandelt.

Voraussetzung für das Eingreifen von § 4 Nr. 7 UWG ist zunächst, dass es sich bei den Parteien um Mitbewerber handelt. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Ziff. 3 UWG ist Mitbewerber jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil sich einerseits die Klägerin mit ihrer Einzelfirma und andererseits der Beklagte jeweils als C. betätigen und sie schon wegen ihrer räumlichen Nähe in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen.

Die ungefragte Übersendung des Urteils durch den Beklagten an eine dritte Firma, nämlich eine Nachfragerin von C., stellt auch eine Wettbewerbshandlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1 UWG dar. Wettbewerbshandlung ist jede Tätigkeit einer Person mit dem Ziel, zugunsten des eigenen Unternehmens den Absatz oder den Bezug von Waren oder die Erbringung oder den Bezug von Dienstleistungen, einschl. unbeweglicher Sachen, Rechte oder Verpflichtungen zu fördern. Es muss also um eine Handlung mit Unternehmensbezug gehen, wobei dieser Unternehmensbezug vorliegt, wenn die Handlung nur irgendwie der Förderung der eigenen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit dient. Das fragliche Merkmal grenzt die Wettbewerbshandlung von dem rein privaten, außerhalb von Erwerb und Berufsausübung liegenden Bereich und von der rein hoheitlichen Betätigung ab. Auf die Absicht der Gewinnerzielung kommt es dabei nicht an (vgl. nur Lehmler, aaO., RdNr. 10 ff, insbes. RdNr. 16, 18). Mit der hier fraglichen Urteilsübersendung wollte der Beklagte in diesem Sinne seine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit fördern. Aus Sicht der Klägerin wollte er erreichen, die Klägerin und ihr Unternehmen zu diskreditieren, um somit eigene Vorteile auf dem Markt der C. zu erreichen. Aus Sicht und nach Darstellung des Beklagten selbst war Ziel seines Vorgehens, die Firma A 1 GmbH als jedenfalls mögliche Kundin der Einzelfirma der Klägerin davon abzuhalten, etwaige Zahlungen an diese zu leisten oder insbesondere der Einzelfirma zustehende Zahlungen an die von der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin geleitete neu gegründete GmbH ähnlichen Namens zu erbringen. Auf diese Weise wollte der Beklagte Zugriffsmöglichkeiten des Insolvenzverwalters im Wege der Vollstreckung des fraglichen Urteils sichern, um damit seiner eigenen Einzelfirma eine bessere Quote im Insolvenzverfahren zu verschaffen, mithin also seine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit fördern.

Geht es also im Grundsatz um eine Wettbewerbshandlung zwischen Mitbewerbern im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 7 UWG, so muss für den Unterlassungsanspruch auf das UWG abgestellt werden und tritt der Schutz des eingerichteten ausgeübten Gewerbebetriebes im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB zurück. Ein Unterlassungsanspruch nach den genannten Normen des UWG aber besteht nicht, weil die Übersendung des fraglichen Urteils die persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse der Klägerin als Mitbewerberin des Beklagten nicht iSd § 4 Nr. 7 UWG herabgesetzt oder verunglimpft hat.

Der Beklagte meint, die beiden Firmen A stünden nur in geschäftlichen Beziehungen zu der Firma B GmbH, nicht aber zur Einzelfirma der Klägerin. Bereits deshalb könne die Klägerin sich nicht auf § 4 Nr. 7 UWG berufen. Das ist nicht richtig. Denn erforderlich ist einerseits nur ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, das aber vorliegt, andererseits eine Wettbewerbshandlung, die sich aber nicht zwingend an einen Dritten richten muss, der bereits Kunde des Mitbewerbers ist. Gerade auch eine unlautere Handlung unter Einbezug eines nur möglichen Kunden des Mitbewerbers ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil des Mitbewerbers zu beeinträchtigen.

Geht es um die Herabsetzung des Mitbewerbers, so muss unterschieden werden zwischen unzutreffenden Behauptungen und wahren Tatsachenbehauptungen. Im vorliegenden Fall existierte das fragliche Urteil, mit dem die Klägerin zur Zahlung von 143.706,86 EUR an den Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin verurteilt worden ist. Dieses Urteil war im Zeitpunkt der Übersendung zwar noch nicht rechtskräftig, jedoch hatte die mündliche Verhandlung vor dem Senat bereits stattgefunden, wo der Senat ein die Berufung zurückweisendes Urteil ohne Zulassung der Revision angekündigt hatte. Tatsächlich ist die Berufung dann auch wenige Tage später zurückgewiesen worden. Dieses Urteil des Senats ist rechtskräftig geworden.

Es geht hier mithin um eine wahre Tatsachenbehauptung. Insoweit gilt der Grundsatz, dass auch bei bestehendem Wettbewerbsverhältnis die Wahrheit grundsätzlich geäußert werden darf. Nicht jede lästige Bekanntgabe wahrer Tatsachen aus der gewerblichen Betätigung kann als Beeinträchtigung begriffen werden. Wer aktiv handelnd im Wirtschaftsleben steht, setzt sich auch der Kritik seiner Betätigung aus, der er nicht unter Berufung auf einen personalen Geheimbereich ausweichen kann (BGHZ 36, 77, 80 bei juris Rn. 20; Erman/Ehmann, BGB, 11. Aufl. 2004, Anh § 12 RdNr. 293 mwN). Dieser zentrale Grundsatz führt hier dazu, dass sich die Klägerin gegen die Urteilsübersendung des Beklagten an ihren Geschäftskunden nicht erfolgreich mit dem Unterlassungsanspruch wehren kann.

Allerdings kann auch in einer wahren Tatsachenbehauptung im Einzelfall eine Herabsetzung im Sinne des § 4 Nr. 7 UWG liegen. Insofern bedarf es einer zweistufigen Prüfung. Die betreffende Handlung muss nämlich zum Einen überhaupt geeignet sein, die Wertschätzung des betroffenen Mitbewerbers in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise zu verringern und sie muss zum Anderen die Interessen des Mitbewerbers in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen (Piper/Ohly, aaO., § 4.7 RdNr. 7/12). Geht es um die Verbreitung wahrer Tatsachen, muss weiter unterschieden werden, ob die Tatsachen aus der stärker geschützten Intim- oder Privatsphäre des Konkurrenten stammen oder ob es sich um Hinweise aus seinem beruflichen Tätigkeitsbereich (insoweit begangene Straftaten, Wettbewerbsverstöße, Vertragsverletzungen, auch fehlende Zahlungsfähigkeit bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens) handelt (Piper/Ohly, aaO., § 4.7 RdNr. 7/19). Eine geschäftsschädigende aber wahrheitsgemäße Behauptung durch Unterrichtung von Dritten über die geschäftlichen Verhältnisse von Mitbewerbern – etwa im Wege der Überlassung von Gerichtsurteilen an diese Mitbewerber – ist zulässig, wenn der Wettbewerber einen hinreichenden Anlass zu der Behauptung besitzt, und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hält (Lehmler, aaO, § 4 RdNr. 18 und OLG Koblenz ZIP 1987, 1413, 1415). Wer aktiv im Wirtschaftsleben handelt und sich im Rahmen dieses Handelns der Kritik von Mitbewerbern durch wahrheitsgemäße Angaben ausgesetzt sieht, kann sich ersichtlich jedenfalls nicht auf die wesentlich strengeren Grundsätze berufen, die die Rechtsprechung für den Schutz der Intim- und Privatsphäre entwickelt hat (BGH aaO).

Die Überlassung des fraglichen Urteils an einen Nachfrager von C. und möglichen Kunden der Klägerin mit ihrer Einzelfirma und/oder der von ihr geleiteten GmbH ist zwar durchaus geeignet, die Wertschätzung der Klägerin in den Augen der angesprochenen Kundenkreise zu verringern. Denn der (potentielle) Kunde, der von diesem Urteil Kenntnis erhält, muss davon ausgehen, dass die Klägerin wirtschaftlich in Schwierigkeiten ist und deshalb möglicherweise im geschäftlichen Kontakt zu ihr Probleme zu erwarten sind. Die Übersendung des Urteils hat hier aber die Chancen der Klägerin als Mitbewerberin des Beklagten nicht in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt. Es handelt sich um eine wahre Tatsachenbehauptung nicht aus dem privaten, sondern aus dem geschäftlichen Bereich der Klägerin, nämlich gerade aus dem Bereich derjenigen beruflichen Betätigung, der sie weiterhin nachgeht. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass gegen die Klägerin als frühere Gesellschafter-Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin ein Anspruch aus § 64 Abs. 2 GmbHG besteht. Die Klägerin handelt aber auch weiterhin wirtschaftlich einerseits mit ihrer Einzelfirma und andererseits als Geschellschafter-Geschäftsführerin einer neuen GmbH – jeweils mit sehr ähnlichem Namen wie die Insolvenzschuldnerin – auf demselben geschäftlichen Gebiet, nämlich der C.

Als einer der Hauptgläubiger der Insolvenzschuldnerin hatte der Beklagte allen Anlass, sich darum zu sorgen, dass Vollstreckungsmöglichkeiten für den Insolvenzverwalter aus dem übersandten Urteil erhalten blieben. Dieser Anlass bestand auch nicht zuletzt deshalb, weil die Klägerin neben ihrer Einzelfirma eine mit der Insolvenzschuldnerin und dieser Einzelfirma fast namensgleiche GmbH als Gesellschafter-Geschäftsführerin neu gegründet hatte. Auf das Vermögen dieser neuen GmbH konnten die Insolvenzgläubiger mit dem fraglichen Urteil nicht zugreifen. Es bestand durchaus Anlass zu der Besorgnis, dass die Klägerin versuchen könnte, die ihr mit ihrer Einzelfirma zustehenden Forderungen auf die neugegründete GmbH umzuleiten. Durch die Übersendung des Urteils konnte der Beklagte deshalb die potentiellen Kunden der Klägerin darauf aufmerksam machen, hier sorgfältig bei etwaigen Zahlungen darauf zu achten, an wen zu leisten war.

Nach Art und Maß hält sich die Urteilsübersendung an einen jedenfalls potentiellen Kunden der Klägerin durchaus im Rahmen des Erforderlichen. Es geht nicht um eine Prangerwirkung oder ein „Denunziantentum“, wie die Klägerin zu Unrecht meint. Von dem Beklagten sind nicht wahllos Firmen angeschrieben worden, sondern mit den Firmen A solche, die jedenfalls möglicherweise in geschäftliche Beziehungen zu der Klägerin treten konnten. Auch ist die Übersendung des Urteils erst erfolgt, als aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dessen Bestätigung im Berufungsverfahren praktisch sicher war. Es stand damit auch zu erwarten, dass der Insolvenzverwalter nun in Kürze seinerseits ohne die Notwendigkeit, eine Sicherheit erbringen zu müssen, vorläufig vollstrecken konnte. Auf der anderen Seite bestand für die Klägerin aufgrund dieser mündlichen Verhandlung vor dem Senat gerade aller Anlass, ihrerseits Vollstreckungsversuchen vorzubeugen. Vor diesem Hintergrund lag die durch die Urteilsübersendung erfolgte Information mithin auch durchaus im Interesse der Kunden der Klägerin, vor etwaigen Zahlungen genau zu prüfen, ob und an wen solche Zahlungen erfolgen sollten.

Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob der Beklagte beiden Firmen A mit der E-Mail, …, auf die Bestätigung des Urteils in der Berufungsverhandlung und auf das bevorstehende Zahlungsverbot auf Veranlassung des Insolenzverwalters hingewiesen hat. Denn der Eingriff zu Lasten der Klägerin wäre nicht stärker gewesen, wenn er dies nicht getan, sondern das Urteil nur kommentarlos übersandt hätte. In jedem Fall hätte für den Empfänger des Urteils Anlass bestanden, in Bezug auf Kontakte mit der Klägerin – sei es mit ihrer Einzelfirma oder mit der von ihr geführten GmbH – äußerst vorsichtig zu sein.

An einem Verstoß gegen § 4 Nr. 7 UWG fehlt es hier auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OLG Koblenz in ZIP 1987, 1413, 1415. Dort hatte ein Mitbewerber darauf hingewiesen, dass ein Konkurrenzunternehmen in Konkurs gefallen war. Es handelte sich um eine wahre Tatsachenbehauptung, deren Verbreitung durch einen Mitbewerber das OLG Koblenz aber nur für statthaft ansehen wollte, wenn der Werbende hierfür Anlass hatte und sich die Bezugnahme auf den Mitbewerber nach Art und Maß im Rahmen des Erforderlichen hielt. Das hat das OLG Koblenz in jenem Fall bejaht, weil die wahren Hinweise in dem Rundschreiben des Mitbewerbers auf die Konkurseröffnung in der Form zurückhaltend und maßvoll, sowie weder aggressiv noch verletzend gewesen seien. Naheliegende Auswirkungen des Rundschreibens auf das vom Konkursverwalter allerdings weitergeführte Unternehmen seien – so das OLG Koblenz – zwar sehr wahrscheinlich (der Konkursverwalter war im Interesse der Konkursgläubiger und der bei der Schuldnerin noch beschäftigten Personen darauf bedacht, die Eröffnung des Konkursverfahrens zu verschweigen), die Offenlegung durch den Mitbewerber liege aber im Interesse der Kunden der Schuldnerin, denen es nicht gleichgültig sein könne, ob sie es mit einem solventen Unternehmen oder einem solchen zu tun hätten, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Deshalb könne – so das OLG Koblenz – insgesamt von einer unzulässigen Bezugnahme auf die Verhältnisse des Mitbewerbers keine Rede sein. Gerade so liegt es auch im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Urteilsübersendung durch den Beklagten.

2. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Überlegungen steht der Klägerin auch kein Unterlassungsanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.

Die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt nicht fest, sondern muss grundsätzlich erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der anderen Seite bestimmt werden. Bei dieser Abwägung kommt es entscheidend darauf an, ob es sich bei der beanstandeten Äußerung um ein Werturteil oder eine Tatsachenbehauptung handelt. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen – soweit sie nicht die Intim-, Privat- und Vertraulichkeitssphäre betreffen – müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (zuletzt BGH NJW 2006, 830, bei Juris RdNr. 107 wmN). Weil ein Äußern zutreffender Tatsachen im Grundsatz rechtens ist, verdienen die Interessen des Betroffenen nur Vorrang, wenn es um erhebliche Beeinträchtigungen seiner Persönlichkeit geht (Soergel/Beater, BGB, 13. Aufl. 2005, § 823 Anhang IV RdNr. 186).

Im vorliegenden Fall geht es bei der Urteilsweitergabe an einen Dritten zwar um die Offenlegung einer Tatsache, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin jedenfalls berührt. Es handelt sich allerdings um eine wahre Tatsache und um eine solche nicht aus dem Intim- und Privatbereich, sondern aus der Sozialsphäre, nämlich gerade aus dem beruflichen/geschäftlichen Bereich, in dem sich die Klägerin unverändert mit ihrer Einzelfirma aber auch als Gesellschafter-Geschäftsführerin einer neu gegründeten GmbH bewegt.

Der möglichen Beeinträchtigung der Klägerin durch die Offenlegung des Urteils stehen aber die bereits oben unter 1. dargelegten, durchgreifenden Interessen des Beklagten gegenüber. Die Klägerin selbst hat eingeräumt, dass beide Firmen A in der letzten Zeit sowohl Kunden der von ihr als Geschäftsführerin geführten neuen GmbH als auch ihre Einzelfirma waren. Die Firmen A gehörten also jedenfalls zu dem potentiellen Kundenkreis, der gerade auch der Klägerin – ihrer Einzelfirma – Geld schulden konnte. Bei diesem Kundenkreis bestand aber das dargelegte Interesse des Beklagten – eines der Hauptgläubiger der Insolvenzschuldnerin -, angesichts der unmittelbar bevorstehenden Bestätigung des landgerichtlichen Urteils im Berufungsverfahren und der dann gegebenen vorläufigen Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung diese Kunden zu informieren und sie mittelbar im Hinblick auf etwaige Zahlungen an die Klägerin zur Vorsicht zu bewegen. Dieses Interesse ist angesichts des erheblichen Betrages, den die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten schuldig geblieben war, derart erheblich, dass das gegenläufige Interesse der Klägerin keinen Vorrang verdient. Auch hier gilt, dass derjenige, der im Wirtschaftsleben aktiv handelt, im Grundsatz Kritik von Mitbewerbern auf der Grundlage wahrheitsgemäßer Umstände hinnehmen muss.

Diesem Ergebnis steht auch das Urteil des OLG Düsseldorf in NJW-RR 1993, 1242 f. nicht entgegen. Das OLG führt dort allerdings aus, die Weitergabe ehrkränkender Urteilsgründe sei nur ausnahmsweise statthaft, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, etwa zur Abwehr von Angriffen auf ein eigenes Rechtsgut oder zur Befriedigung eines beachtenswerten Bedürfnisses nach Aufklärung der Öffentlichkeit geboten erscheine. Ob dem auch im Hinblick auf die genannten Einschränkungen (nicht zuletzt durch das Wort „ausnahmsweise“) zu folgen ist, wenn es – wie hier – um die Weitergabe von Urteilen geht, deren Inhalt die Sozialsphäre (nämlich die beruflich Betätigung) und nicht den Intim- oder Privatbereich betrifft, erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen, weil hier jedenfalls überwiegende berechtigte Interessen des Beklagten wie dargelegt vorliegen.

Soweit die Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 11. Januar 2008 ausführen lässt, der BGH und das Verfassungsgericht würden eine vom Senat abweichende Rechtsauffassung vertreten, fehlt dafür jeglicher Beleg. Der Senat folgt vielmehr der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs, wie im Einzelnen oben zitiert. Ein Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht nicht. Soweit sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf die Lebach-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 202) berufen hat, stützt dieses Urteil ihre Argumentation nicht. Dort führt das Bundesverfassungsgericht nämlich aus, dass ein Straftäter eine aktuelle Berichterstattung, die seine Person und seine Privatsphäre umfasst, im Grundsatz hinnehmen muss und dagegen sein allgemeines Persönlichkeitsrecht erst mit einem deutlichen zeitlichen Abstand zur Tat und unter dem Gesichtspunkt seines Interesses an Resozialisierung durchgreift.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 I 1, 91 a I ZPO. Die Klägerin hat die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens auch insoweit zu tragen, als die Parteien den Rechtsstreit wegen des Auskunftsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Nach den vorstehenden Ausführungen stand ihr kein Anspruch auf Auskunft zu. Die Berufung des Beklagten ergreift auch die Kostenentscheidung des Landgerichts, soweit sie zu seinen Lasten teilweise auf § 91 a ZPO beruht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. A. 2007, § 91 a Rn. 56).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 6, 10, 711, 713, 542 II 1 ZPO.

(Unterschriften)

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