OLG Naumburg: Schal als Apothekenware

OLG Naumburg Urteil vom 09.12.2005 – 10 U 37/05 – Schal als Apothekenware (LG Dessau)
UWG § 3; ApoBetrO § 25

Auch ein Schal kann grundsätzlich geeigneter Gegenstand und Informationsträger sein, der in einer Apotheke vertrieben werden darf.

In dem Rechtsstreit …

wegen Wettbewerbsverstoßes

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2005 unter Mitwirkung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, der Richterin am Oberlandesgericht Mertens und der Richterin am Amtsgericht Westerhoff für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Juli 2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Dessau wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer des Klägers und der Streitwert für den Berufungsrechtszug werden auf 15.189,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte vorrangig einen Unterlassungsanspruch wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens, darüber hinaus einen hieraus resultierenden Schadensersatzanspruch geltend.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der sich satzungsmäßig zur Aufgabe gemacht hat, einen funktionierenden Wettbewerb zu erhalten, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen und den lauteren Geschäftsverkehr zu fördern.
Die Beklagte betreibt die P. -Apotheke in D. . Sie bewarb im Januar 2005 in einem Werbeflyer den Verkauf von Fleece-Schals. Der Werbetext lautete: „Fleece-Schal, verschiedene Farben und Muster (ähnlich der Abbildung), damit die Erkältung keine Chance hat, 35 x 200cm, 4,98 €“.

Der Kläger mahnte diese Werbung mit Schreiben vom 13.01.2005 ab, die Beklagte lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Werbung der Beklagten sei wettbewerbswidrig, da die Bewerbung und der Verkauf der Schals gegen § 25 Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) verstoße. Bei einem Schal handele es sich nicht um apothekenübliche Ware im Sinne des § 25 Ziff. 2 ApoBetrO, da der modische Aspekt im Vordergrund stünde und es neben dem Bekleidungszweck an einer gesundheitsfördernden Wirkung fehle.

Der Kläger hat beantragt:

der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen ihres Apothekenbetriebs Schals zu bewerben und/oder zu verkaufen,

der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 189,00 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, durch die Neufassung der ApoBetrO sei es zu einer Erweiterung der Waren gekommen, die gem. § 25 ApoBetrO als apothekenüblich anzusehen seien. Im Hinblick auf den Einsatz gerade eines Schals zur Linderung und Vorbeugung bei Erkältungen und grippalen Infekten habe dieser eine zumindest mittelbare, wenn nicht sogar unmittelbare gesundheitsfördernde Wirkung und falle damit unter § 25 ApoBetrO.

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Dessau – Einzelrichterin – hat die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die durch die Beklagte angebotenen Schals erfüllten zumindest mittelbar einen gesundheitsfördernden Zweck und seien damit als apothekenübliche Ware im Sinne des § 25 Ziff. 2 ApoBetrO anzusehen. Neben seiner durchaus auch modischen Funktion komme einem Schal nach dem allgemeinen Verständnis auch die Bedeutung zu, durch sein Tragen der Gefahr einer Erkältung vorzubeugen oder ihn zur Linderung von Beschwerden einzusetzen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Zur Begründung beruft er sich darauf, dass eine eigene Überzeugungsbildung des Landgerichts nicht feststellbar sei, da dieses in seiner Urteilsbegründung im Wesentlichen unter oftmals wörtlicher Wiedergabe und teilweise ohne Kennzeichnung als Zitat lediglich verschiedene Fundstellen eines von der Beklagten vorgelegten Kommentars zur ApoBetrO wiedergebe.

Zudem habe das Gericht keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit ein Schal unter das Tatbestandsmerkmal „Mittel, Gegenstand oder Informationsträger“ des § 25 Ziff. 2 ApoBetrO falle. Darüber hinaus habe das Gericht zu Unrecht die gesundheitsfördernde Funktion und damit die Apothekenüblichkeit eines Schals bejaht. Hierfür reiche die Wärmewirkung nicht aus, da diese für jegliche Bekleidung gelte. Die gesundheitsfördernde Wirkung müsse gerade über den eigentlichen Zweck der Bekleidung hinausgehen, wie beispielsweise bei spezieller Sonnenschutzbekleidung. Eine uferlose Ausdehnung der nach § 25 Ziff. 2 ApoBetrO zulässigen Waren sei mit dem Ausnahmecharakter dieser Vorschrift und dem primären Aufgabenbereich der Apotheken, die Bevölkerung mit Medikamenten zu versorgen, nicht vereinbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dessau vom 22.07.2005, AZ: 3 O 55/05, aufzuheben,

der Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen ihres Apothekenbetriebs Schals zu bewerben und/oder zu verkaufen,

der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen darf,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 189,00 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Neben den bereits erstinstanzlich geäußerten Ansichten ist die Beklagte der Auffassung, der Gesetzgeber habe bei der Neufassung der ApoBetrO gerade eine ganz weite Auslegung gewünscht, dem Gesetzeswortlaut lasse sich eine über den unmittelbaren oder mittelbaren gesundheitsfördernden Zweck hinausgehende spezifische gesundheitsfördernde Funktion nicht entnehmen. Zudem sei auch der Verkauf gewöhnlicher Bekleidung aufgrund deren allgemeiner Wärmewirkung von § 25 ApoBetrO gedeckt, solange der Arzneimittelversorgungsauftrag erfüllt werde. Hinzu komme, dass die Schals vorliegend gerade im Zusammenhang mit Erkältungskrankheiten bewor-ben worden seien.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO), sachlich aber nicht gerechtfertigt.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht einen Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 3 UWG in Verbindung mit § 25 Ziff. 2 ApoBetrO verneint.

Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Die Beklagte verstößt mit der Bewerbung und dem Verkauf der Schals in ihrer Apotheke nicht gegen § 25 ApoBetrO, so dass ihr auch nicht der für den geltend gemachten Anspruch erforderliche Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs nach UWG gemacht werden kann. Dementsprechend steht dem Kläger auch kein Schadensersatzanspruch zu.

Bei den beworbenen Schals handelt es sich um apothekenübliche Waren, die die Beklagte in ihrem Geschäft verkaufen darf.
Apothekenübliche Waren sind u.a. gem § 25 Ziff. 2 ApoBetrO Mittel sowie Gegenstände und Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese fördern. Selbstverständlich handelt es sich bei einem Schal um einen Gegenstand, die diesbezüglichen Bedenken des Klägers sind nicht nachvollziehbar.

Der Katalog der Mittel und Gegenstände, die die Gesundheit von Menschen und Tieren zumindest mittelbar fördern könnte, dürfte sehr umfangreich sein und bedarf – unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention bei der Erweiterung des § 25 ApoBetrO – einer durchaus auch einschränkenden Auslegung. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die nunmehr sehr weite Fassung des § 25 ApoBetrO beabsichtigt, den Umfang der Waren, die in Apotheken vertrieben werden dürfen, zu erweitern, um den Bedürfnissen der Weiterentwicklung im Gesundheitswesen und den Marktanforderungen gerecht zu werden. Die Änderung erfolgte im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 16.01.2002 (AZ: 1 BvR 1236/99), wonach einer Apotheke die Möglichkeit gegeben werden muss, im Wettbewerb mit anderen Verkaufsstellen seine Kundenorientierung – in berufsangemessener Weise – herauszustellen (vgl. amtliche Begründung wieder-gegeben bei Cyran/Rotta, Komm. zur ApoBetrO, § 25 , S. 1).

Hierbei ist davon auszugehen, dass die Mittel und Gegenstände einen ohne weiteres erkennbaren Gesundheitsbezug haben müssen, ohne dass die Gesundheitsförderung oder -wahrung deren einziger Zweck sein muss (s.a. OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.03.2004, GRuR-RR 2004, 366 ff). Bereits nach der Rechtsprechung zur alten Fassung des § 25 ApoBetrO waren sogar Kosmetika wie farbige Nagellacke und Lippenstifte als Apothekenrandsortiment zugelassen, wenn ihnen neben der dekorativen Wirkung zumindest auch pflegerische Wirkung zukam (OLG Frankfurt Urteil vom 29.03.1990, GRuR 1991, 57 – 58).

Grundsätzlich handelt es sich bei einem Schal – hier ist dem Kläger rechtzugeben – zunächst einmal um einen Bekleidungsgegenstand, der sowohl wärmende Wirkung als auch dekorative Wirkung im Sinne eines Accessoires haben kann. Hierin unterscheidet sich ein Schal nicht von anderen Bekleidungsgegenständen wie Mänteln und Jacken pp., die selbstverständlich im Hinblick auf ihre wärmende Wirkung auch Erkrankungen verhindern können. Anders als solche Bekleidung hat ein Schal aber nach dem allgemeinen Verständnis in der Bevölkerung auch noch eine andere Funktion gerade im Fall einer bereits bestehenden Erkrankung. In nahezu jedem Beitrag zu Erkältungskrankheiten, sei es in der Fachliteratur oder in Artikeln in der allgemeinen Presse, wird im Fall einer Halsentzündung – neben anderen Maßnahmen – empfohlen, einen wärmenden Schal zu tragen, um die Symptome zu lindern und die Heilung zu fördern. Diese in der Bevölkerung allseits bekannte und immer wieder auch außerhalb der kalten Jahreszeit genutzte Funktion des Schals geht über die allgemeine Funktion von Bekleidung, bei der der Gesundheitsbezug allenfalls ganz am Rande steht und nicht ohne Weiteres erkennbar ist, hinaus. Zwar macht dies den Schal noch nicht vergleichbar mit Kniewärmern oder Bekleidung mit Sonnenschutz, da bei diesen Waren die Gesundheitsförderung gerade im Vordergrund steht.
Jedoch ist zumindest bei einem einfachen wärmenden Schal – wie dem vorliegend zum Verkauf angebotenen – grundsätzlich die Gesundheitsförderung nicht völlig nebensächlich, sondern fast sogar gleichrangig mit der Funktion als Bekleidungsstück anzusehen, so dass der Verkauf solcher Ware als Abrundung des eigentlichen Verkaufssortiments angesehen werden kann. Hinzu kommt vorliegend, dass der – objektiv vorhandene – Gesundheitsbezug durch die Beklagte in ihrer Werbung ausdrücklich durch den Zusatz „damit die Erkältung keine Chance hat“ noch einmal hervorgehoben wurde, so dass sich die konkret hier in Rede stehenden Schals bereits hierdurch von der „normalen“ Bekleidung abheben.

Vorliegend ist auch nicht ersichtlich, dass das Führen dieser Artikel die Apotheken in der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgabe beeinträchtigen könnte. Bereits vor der Änderung der ApoBetrO zum 01.01.2004 galt, dass die Sortimentseinschränkungen in § 25 ApoBetrO verhindern sollen, dass der Apotheker durch ein zu weit gehendes Nebensortiment in der Erfüllung seiner sich aus § 1 Abs. 1 ApoBetrO ergebenden Hauptaufgabe, die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, beeinträchtigt wird.
Die Einschränkung erfasst deshalb nur solche Waren, von denen eine derartige Beeinträchtigung zu befürchten ist (vgl. zu § 25 ApoBetrO a. F. BGH Urteil vom 21.09.2000, NJW 2001, 3411 – 3414). Eine darüber hinausgehende Beschränkung wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht der freien Berufsausübung gem. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG. Hinsichtlich der apothekenüblichen Waren stehen die Apotheken im allgemeinen Wettbewerb des Einzelhandels (vgl. BverfGE 94, 372 (374)). Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind. Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 19, 330 (336 f.); 54, 301 (313)). Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl. BVerfGE 101, 331 (347)).
Schon deshalb kommt eine den eigentlichen Wortlaut noch einschränkende Auslegung des § 25 ApoBetrO nur in Betracht, wenn durch den Verkauf einer Ware der Arzneimittelversorgungszweck nicht mehr gewährleistet wäre (BGH s.o. und GRuR 1988, 767ff).

Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist nicht damit zu rechnen, dass die ordnungsgemäße Arzneimittelabgabe durch das Anbieten solcher Schals beeinträchtigt ist. Weder ist ersichtlich, dass die Lagerkapazität der Beklagten hierdurch überfordert wäre, noch, dass der Verkauf einen solchen Beratungsbedarf nach sich zöge, dass die eigentliche Arzneimittelberatung leiden müsste.
Sonstige Gründe, welche der Berufung des Klägers zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO iVm § 26 Ziff. 8 EGZPO.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §§ 2, 3 ZPO, § 26 Ziff. 8 EGZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Zwar handelt es sich vorliegend um eine Entscheidung, die aufgrund einer vom Gesetzgeber geänderten Vorschrift ergangen ist, allerdings besteht derzeit diesbezüglich noch kein Bedürfnis nach einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung.

(Unterschriften)

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