OLG Köln: WISAG

OLG Köln, Urteil vom 14.07.2006 – 6 U 226/05 – „WISAG“ – Irreführung über Unternehmensform durch Unternehmensbezeichnung? (LG Köln)
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 2; UWG § 5 Abs. 2 Nr. 3; HGB § 18 Abs. 2

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. November 2005 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 84 O 28/05 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
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I.
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Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen die Benutzung des Zeichens „WISAG“ im Zusammenhang mit Sicherheitsdienstleistungen als Unternehmenszeichen, Firmenbestandteil und Marke, letzteres auch unter der Internet-Domain www.wisag.de, durch die Beklagte zu 1. sowie als Firmenbestandteil durch die Beklagte zu 2. und nimmt die Beklagte zu 1. auf Einwilligung in die teilweise Löschung der Marke „WISAG“ in Anspruch.
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Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Markenrechtliche Ansprüche der Klägerin bestünden nicht, weil eine Verwechslungsgefahr mit der klägerischen Marke W.I.S. auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Bezeichnungen W.I.S. und WISAG im Zusammenhang mit dem Angebot identischer Dienstleistungen verwendet würden, wegen der optisch und klanglich deutlichen Unterschiede der Bezeichnungen ausscheide. Von der Klägerin mit der Begründung, der Verkehr werde aufgrund der Bezeichnung „WISAG“ die Rechtsform einer AG annehmen und deshalb über die geschäftlichen Verhältnisse irregeführt, geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Ansprüche bestünden jedenfalls im Rahmen der von der Klägerin gestellten Anträge nicht, weil bei den damit angegriffenen geschäftlichen Bezeichnungen im Zusammenhang mit der Bezeichnung „WISAG“ jeweils auch die Rechtsform der diese Bezeichnung verwendenden Firma mitgeteilt werde und damit von vornherein eine Irreführungsgefahr ausgeschlossen sei.
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Dagegen richtet sich die Berufung, mit der die Klägerin ihre erstinstanzlich gestellten Klageanträge weiter verfolgt,
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hilfsweise beantragt,
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die Beklagte zu 2. zu verurteilen, es zu unterlassen, die Firmenbezeichnung „WISAG Sicherheitsdienste“ zu benutzen, wenn dies wie nachstehend wiedergegeben erfolgt:
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für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Beklagte zu 2. zur Zahlung einer Vertragsstrafe bis zum 250.000,00 Euro bzw. im Falle der Nichtbeitreibung zu Ordnungshaft zu verurteilen,
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und zusätzlich beantragt,
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die Beklagte zu 1. zu verurteilen, es zu unterlassen, die Firmenbezeichnung „WISAG Service Holding“ zu benutzen, wenn dies wie nachstehend wiedergegeben erfolgt:
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für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe bis zum 250.000,00 Euro bzw. im Falle der Nichtbeitreibung zu Ordnungshaft zu verurteilen,
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wobei der Hilfsantrag sowie der in der Berufungsinstanz zusätzlich gestellte Hauptantrag – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat – in der Weise zu verstehen sind, dass die angegebenen Bezeichnungen ohne Hinweis auf die Gesellschaftsform verwendet werden.
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Die Beklagten begehren die Zurückweisung der Berufung, widersprechen der Klageänderung und begehren hilfsweise die Abweisung der Klage auch insoweit.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache weder mit den weiterverfolgten, vom Landgericht abgewiesenen, noch mit den in der Berufungsinstanz erstmals gestellten Klageanträgen Erfolg.
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1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Verwechslungsgefahr zwischen der klägerischen Marke „W.I.S.“ und dem von den Beklagten verwendeten Zeichen „WISAG“, die Voraussetzung der von der Klägerin geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5, § 15 Abs. 2, Abs. 4 MarkenG wäre, verneint.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder –ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2002, 809, 811 – Frühstücks-Drink I; BGH GRUR 2002, 1067, 1068 – DKV/OKV; BGH GRUR 2004, 598 – Kleiner Feigling; BGH GRUR 2004, 779, 781 – Zwilling/Zweibrüder; BGH GRUR 2005, 326 – il Padrone/Il Portone).
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a) Das Landgericht hat zu Recht und ohne, dass dies von Seiten der Beklagten in der Berufungsinstanz in Frage gestellt würde, Dienstleistungsidentität angenommen.
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b) Nicht geäußert hat es sich zur Frage der Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke. Diesbezüglich ist durchschnittliche Kennzeichnungskraft anzunehmen. Eine geringere Kennzeichnungskraft lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht damit begründen, dass die klägerische Marke aus einer aus drei Buchstaben bestehenden Buchstabenfolge besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs leiden Buchstabenzusammenstellungen nicht schon deshalb an einer Kennzeichnungsschwäche, weil sie weit verbreitet verwendet werden und der Verkehr an sie gewöhnt ist (BGH GRUR 2002, 626, 628 – IMS für eine aussprechbare Buchstabenkombination; BGH GRUR 2002, 1067, 1068 – DKV/OKV für nicht als Wort aussprechbare Buchstabenzusammenstellungen). Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Buchstabenfolge der klägerischen Marke auf dem in Frage stehenden Dienstleistungsgebiet durch häufige anderweitige Verwendung farblos oder nichtssagend geworden ist (dazu BGH GRUR 20021067, 1069 – DKV/OKV), ergeben sich aus der Akte nicht. Letztlich kann die Frage, ob die klägerische Marke eine geringere als durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist, dahinstehen, weil in diesem Fall höhere Anforderungen an die die Verwechslungsgefahr begründende Zeichenähnlichkeit zu stellen wären, die – nach den Ausführungen unter c) – erst recht nicht erfüllt wären.
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c) Auch wenn angesichts der Dienstleistungsidentität und normalen Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke nur geringe Anforderungen an die die Verwechslungsgefahr begründende Zeichenähnlichkeit zu stellen sind, hat das Landgericht zu Recht diese Anforderungen als nicht erfüllt angesehen.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin sind sich die Zeichen „W.I.S.“ und „WISAG“ weder bildlich noch klanglich ausreichend ähnlich. Eine begriffliche Ähnlichkeit kommt, ohne dass es dazu weiterer Ausführungen bedürfte, von vornherein nicht in Betracht.
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Eine bildliche Ähnlichkeit lässt sich nicht damit begründen, dass die von den Beklagten verwendete, aus fünf Buchstaben bestehende Zeichenfolge mit den ersten drei Buchstaben die Buchstaben des klägerischen Zeichens in der entsprechenden Reihenfolge übernimmt. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Verkehr bei einem Zeichen besonders auf den Anfang achtet, wird sein Eindruck von den Zeichen hier schon deshalb nicht durch die Übereinstimmung der ersten drei Buchstaben geprägt, weil diese für ihn bei dem klägerischen Zeichen einerseits durch die jeweils nach dem Buchstaben gesetzten Punkte von einander getrennt und dadurch auseinandergezogen werden, während sie bei dem von den Beklagten benutzten Zeichen als Einheit und darüber hinaus noch als Einheit mit den nachfolgenden beiden, ebenfalls lückenlos angeschlossenen Buchstaben erscheinen. Diese andere Darstellung führt zudem dazu, dass der Verkehr das Zeichen der Klägerin als Abkürzung auffasst, während er bei dem in einem Wort aus fünf Buchstaben bestehenden Zeichen der Beklagten geneigt ist, dieses als ausgeschriebenes Wort zu verstehen.
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Aber auch eine klangliche Ähnlichkeit liegt nicht vor. Das gilt jedenfalls dann, wenn man – wie das Landgericht angenommen hat und wozu auch der Senat neigt – davon ausgeht, dass der Verkehr das Zeichen der Klägerin wegen der darin jeweils nach dem Buchstaben gesetzten Punkte in der Weise aussprechen wird, dass die Buchstaben jeweils einzeln genannt werden, d.h. „We-ii-es“. In diesem Fall besteht eine klangliche Parallele zwischen der dann in drei Silben gesprochenen klägerischen Marke mit dem in zwei Silben „Wi-sag“ gesprochenen Zeichen der Beklagten wegen der unterschiedlichen Silbenzahl und der dann ganz unterschiedlichen Vokalstruktur der einzelnen Silben nicht. Letztlich kann die Frage, wie der Verkehr die klägerische Marke ausspricht, aber sogar dahinstehen. Selbst wenn er – was allerdings wegen der vorhandenen Punkte ferner liegt – die klägerische Marke als ein Wort „Wis“ aussprechen würde, würde es an einer klanglichen Ähnlichkeit mit einem in zwei Silben „Wi-sag“ gesprochenen Zeichen der Beklagten fehlen. Hier stünden sich zum einen ein einsilbiges und ein zweisilbiges Wort gegenüber, zum anderen stünde der Annahme einer klanglichen Ähnlichkeit entgegen, dass in dem einsilbigen Wort „Wis“ das „i“ kurz und das „s“ hart gesprochen würden, während in dem zweisilbigen Wort „Wisag“ das „i“ lang und das „s“ weich, zudem als Bestandteil der zweiten Silbe gesprochen, würde. Eine klangliche Ähnlichkeit käme allenfalls dann in Betracht, wenn zugleich anzunehmen wäre, dass der Verkehr das Zeichen „Wisag“ zergliedern und als „Wis-A-Ge“ sprechen würde. Das ist aber aufgrund der Schreibweise in einem Wort so fernliegend, dass sich darauf die Verwechslungsgefahr nicht stützen lässt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass – worauf die Beklagten zu Recht hinweisen – der Verkehr Marken erfahrungsgemäß so aufnimmt, wie sie ihm insgesamt entgegentreten und deshalb auch nicht zu einer zergliedernden Analyse möglicher Bestandteile und Begriffsdeutungen neigt. Das hat der Bundesgerichtshof sogar für das Zeichen „medAS“ angenommen (BGH NJW-RR 2004, 548 – MIDAS/medAS), bei dem eine zergliedernde Lesart „med-AS“ immerhin wegen der Kleinschreibung der ersten drei Buchstaben und Großschreibung der letzten beiden noch naheliegender war als hier.
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Die Zeichenähnlichkeit lässt sich schließlich auch nicht damit begründen, dass bei der Klägerin ernsthafte Überlegungen dahingehend bestehen, sich in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, was dazu führen würde, dass der Zusatz „AG“ verwandt werden müsste und die Klägerin als „W.I.S. AG“ firmieren würde. Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind diejenigen Zeichen, die sich aktuell gegenüber stehen.
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2. Das Landgericht hat auch zu Recht und mit zutreffender Begründung die von der Klägerin mit dem Argument, der Verkehr werde aufgrund der Bezeichnung „WISAG“ die Rechtsform einer AG annehmen und deshalb über die geschäftlichen Verhältnisse irregeführt, geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche aus § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 3, § 8 UWG im Rahmen der von der Klägerin gestellten Anträge verneint. Dagegen wendet sich auch die Klägerin nicht, die die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts vielmehr zum Anlass nimmt, insoweit in der Berufungsinstanz klageerweiternd neue Anträge zu formulieren.
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3. Die Klage hat auch mit den in der Berufungsinstanz klageerweiternd formulierten Anträgen keinen Erfolg.
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a) Die Klageänderung ist allerdings gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Beklagten haben ihr zwar ausdrücklich widersprochen; sie ist aber als sachdienlich anzusehen, weil sie geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und einem weiteren, sonst zu erwartenden und bereits angekündigten Rechtsstreit vorzubeugen (dazu Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 24. Aufl. § 533 Rdn. 6), und weil sie auf Tatsachen gestützt ist, die der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen sind. Eine Verspätung der Antragstellung nach § 531 ZPO, die die Beklagten in der Berufungserwiderung wohl beanstanden wollen, kann nicht angenommen werden, weil § 531 ZPO nur auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, nicht aber auf Angriff und Verteidigung selbst, d.h. Sachanträge oder deren Änderung, Anwendung findet (Zöller/Gummer/Heßler, aaO § 531 Rdn. 22).
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b) Die Klage ist jedoch auch mit diesen Anträgen nicht, wie die Klägerin meint, aus § 5 Abs. 2 Nr. 3, § 3, § 8 UWG begründet.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist nicht anzunehmen, dass der Verkehr aufgrund der Verwendung einer in einem Wort durchgängig in Großbuchstaben geschriebenen, auf die Buchstaben „AG“ endenden Unternehmensbezeichnung auf eine Rechtsform des Unternehmens als „AG“ schließt.
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Richtig ist allerdings, dass der Bundesgerichtshof in seinem von der Klägerin zitierten Beschluss vom 25. Oktober 1956 betreffend eine Firma „INDROHAG Industrie und Rohstoffe Handelsgesellschaft mit beschränkter Haftung“ angenommen hat, eine Zusammenstellung von Buchstaben oder Silben, die auf die für die Aktiengesellschaft übliche Abkürzung (AG) ende und zur Bezeichnung einer Gesellschaft mbH diene, sei zur Täuschung des Rechtsverkehrs geeignet und darum nach § 18 Abs. 2 HGB unzulässig (BGH GRUR 1957, 195). Richtig ist auch, dass diese Entscheidung in Entscheidungen von Instanzgerichten aus den 60er, 70er und 80er Jahren Gefolgschaft gefunden hat (vgl. die Nachweise bei Hopt in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch 32. Aufl. § 18 Rdn. 22) und bis heute im Schrifttum zu § 18 Abs. 2 HGB (Hopt aaO; Ammon in: Röhricht/von Westphalen, Handelsgesetzbuch 2. Aufl. § 18 Rdn. 36; Staub, Handelsgesetzbuch 4. Aufl. § 18 Rdn. 27; Bokelmann in: MünchKomm HGB 1. Aufl. § 18 Rdn. 65; Heidinger in: MünchKomm HGB, 2. Aufl. § 18 Rdn. 171) und zu dem in den Wertungsmaßstäben mit § 18 Abs. 2 HGB identischen (dazu Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht 24. Aufl. § 5 UWG Rdn. 5.6) § 5 UWG (Fezer/Peifer, Lauterkeitsrecht § 5 Rdn. 353; Dreyer in: Harte/Henning, UWG § 5 Rdn. 616) zitiert wird.
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Die Wertung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1956 lässt sich aber auf die im Jahre 2006 zu beantwortende Frage einer Irreführungsgefahr nach § 5 UWG nicht übertragen.
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Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist ebenso wie die ihr folgenden instanzgerichtlichen Entscheidungen vor der Handelsrechtsreform 1998 ergangen. Mit dieser Reform ist in § 18 Abs. 2 HGB mit dem Ziel, das im Grundsatz beibehaltene Irreführungsverbot zu „entschärfen“ und die an eine Firmenbildung zu stellenden Anforderungen herabzusenken (Hopt aaO § 18 Rdn. 13; Ebenroth/Boujong/Joost, Handelsgesetzbuch § 18 Rdn. 35), das Tatbestandsmerkmal „für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich“ eingefügt worden. Dadurch sollten zum einen Angaben, die von nur geringer wettbewerblicher Relevanz oder für die wirtschaftliche Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise nur von nebensächlicher Bedeutung sind, als irreführend im Sinne des § 18 Abs. 2 HGB ausscheiden. Zum anderen sollte es nicht mehr allein auf das Verständnis eines „nicht unerheblichen Teils“ der angesprochenen Verkehrskreise ankommen, sondern objektiviert auf die Sicht des durchschnittlichen Angehörigen des betroffenen Personenkreises bei verständiger Würdigung abgestellt werden (Hopt aaO; Heidinger in: MünchKomm HGB, 2. Aufl. § 18 Rdn. 49, jew. m.w.Nachw.).
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Diese Änderung des Verbraucherleitbildes führt unter Berücksichtigung der seit 1956 ebenfalls gewandelten wirtschaftlichen Verhältnisse und mit Rücksicht darauf, dass die Rechtslage in den Nachbarstaaten überwiegend anders, teilweise großzügiger bis hin zur „freien“ Firma ist und § 18 Abs. 2 HGB deshalb – unter Beibehaltung eines „strikten Minimums“ – im Lichte der Art. 43 und 48 EG „europafreundlich“ interpretiert werden muss (dazu Heidinger aaO Rdn. 47), dazu, dass eine bloßen Endsilbe, die einen Rechtsformzusatz enthält, jedenfalls ohne besondere Herausstellung, nicht mehr als zur Täuschung im Sinne des § 18 Abs. 2 HGB und des § 5 UWG geeignet angesehen werden kann (so auch Heidinger, aaO Rdn. 171).
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Dass wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Verhältnisse und wegen des geänderten Verbraucherleitbilds insbesondere ältere Entscheidungen über irreführende Unternehmensbezeichnungen heute nur noch bedingt zu übernehmen sind, wird auch im neueren Schrifttum hervorgehoben (Hopt, aaO § 18 Rdn. 11 und Vorbemerkung zu Rdn. 21 ff.; Heidinger, aaO Rdn. 42; Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht 24. Aufl. § 5 UWG Rdn. 5.3).
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Im konkreten Fall spricht der Umstand, dass der Verkehr es inzwischen gewöhnt ist, mit einer großen Zahl von unterschiedlichen Rechtsformen und einer dementsprechend vielschichtigen Form von Unternehmensbezeichnungen, auch mit aus verschiedenen Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen bestehenden Konzernen, konfrontiert zu werden, und er dementsprechend Unternehmensbezeichnungen aufmerksamer begegnet, wenn es ihm darum geht, die Rechtsform eines Unternehmens festzustellen, dafür, die Gefahr einer Irreführung über geschäftliche Verhältnisse durch die Verwendung der Bezeichnung „WISAG“, in der die Endsilbe „AG“ ohne jegliche optische Hervorhebung, insbesondere Trennung von der Bezeichnung im Übrigen verwendet wird, zu verneinen. Ob und unter welchen Voraussetzungen etwas anderes gilt, wenn die Endsilbe „AG“ optisch in irgendeiner Weise von der Bezeichnung im Übrigen getrennt erscheint, so etwa bei der dem Urteil des OLG Hamburg vom 16. Juni 2004 – 5 U 162/03 – zugrunde liegenden Bezeichnung „tipp.AG“ bzw. „tipp.ag“ für eine Lotto GmbH, bedarf hier keiner Entscheidung. Dahinstehen kann auch, ob der Verkehr noch weniger geneigt ist, in einer auf „AG“ endenden Unternehmensbezeichnung die Mitteilung der Rechtsform zu sehen, wenn diese – wie in den hier konkret angegriffenen Bezeichnungen – in Form eines Logos verwendet wird.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Anlass, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht.
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