OLG Köln: Altenburger Ziegenkäse

OLG Köln, Urteil vom 09.03.2007 – 6 U 166/06 – Altenburger Ziegenkäse (LG Köln)
VO (EG) Nr. 510/2006 Art. 2, 13; VO (EG) Nr. 2081/92 Art. 17 MarkenG § 135

Eine für Käse geschützte geografische Herkunftsbezeichnung darf nicht verwendet werden, wenn die zur Herstellung des Käses verwendete Milch von Tieren stammt, die ständig in Ställen außerhalb des Ursprungsgebietes gehalten werden. Das gilt auch dann, wenn das Futter der Tiere aus dem Ursprungsgebiet stammt und der Standort der Ställe nur wenige Kilometer von dessen Grenze entfernt ist.

I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.06.2006 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln – 81 O 132/05 – teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird – weiter – verurteilt,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzu-setzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 zu unterlassen, in der Bundesrepublik Deutschland Käse unter der Bezeichnung B. A. in den Verkehr zu bringen, der unter Verwendung von Milch hergestellt wurde, die nicht aus dem für die geschützte Ursprungsbezeichnung B. A. zulässigen Erzeugungsgebiet, nämlich den (früheren) Kreisen Altenburg, Schmölln, Gera, Zeitz, Geithain, Grimma, Wurzen, Borna, Stadt Gera stammt;

2.
der Klägerin Auskunft über Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer der von der Beklagten von Dezember 2004 bis März 2005 unter Verstoß gegen die vorstehend zu Ziffer 1. formulierte Verpflichtung hergestellten Produkte, sowie die Menge der hergestellten und ausgelieferten Produkte zu ge-ben;

3.
der Klägerin Auskunft über die Umsätze zu erteilen, die sie mit den unter Verstoß gegen die vorstehend zu Ziffer 1. formulierte Verpflichtung (von Dezember 2004 bis März 2005) hergestellten Produkten erzielt hat.

4.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der vorstehend zu Ziffer 1. beschriebenen Handlung entstanden ist (bezogen auf die Produktion von Dezember 2004 bis März 2005).

II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Unterlassungsverpflichtung (I.1) 50.000 €, hinsichtlich der Auskunftsverpflichtungen (I.2 und I.3) jeweils 5.000 € und hinsichtlich der Kosten 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages

IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Begründung

1
I.

2
Die Parteien sind die beiden einzigen Hersteller des Produktes B. A., einem Weichkäse mit einem Mindestanteil von 15 % Ziegenmilch. Bei der Warenbezeichnung B. A. handelt es sich um eine auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14.07.1992 – zwischenzeitlich aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20.03.2006 – geschützte Ursprungsbezeichnung, welche nach Maßgabe des vereinfachten Verfahrens nach Art. 17 der Verordnung Nr. 2081/92 durch die Verordnung (EG) Nr. 123/97 der Kommission vom 23.01.1997 zur Ergänzung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1107/96 der Kommission eingetragen worden ist. Grundlage war hierbei die (als Anlage K 3 vorgelegte) nationale Spezifikation i.S. des Art. 4 der Verordnungen Nr. 2081/92 bzw. 510/2006.

3
Mit der Behauptung, dass die Beklagte nicht aus dem Ursprungsgebiet stammende Ziegenmilch verwende, hatte die Klägerin zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung den Erlass eines dem Tenor dieses Urteils zu Ziffer I.1 entsprechenden Unterlassungsgebots verfolgt; mit diesem Begehren war sie erstinstanzlich sowie in dem vor dem Senat geführten Berufungsverfahren (6 U 166/05 = 81 O 75/05 LG Köln) mangels hinreichender Glaubhaftmachung der streitigen Frage des Milchbezugs gescheitert.

4
Im vorliegenden, in der Sache gleich gelagerten Hauptverfahren hat das Landgericht die Klage mit Urteil vom 29.06.2006, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, wiederum überwiegend (eine zugleich unter sonstigen wettbewerbsrechtlichen Aspekten erfolgte antragsgemäße Unterlassungsverurteilung der Beklagten ist rechtskräftig geworden) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin den Beweis dafür, dass die Beklagte in der Produktion des Winters 2004/2005 nicht aus dem zugelassenen geografischen Gebiet stammende Ziegenmilch verwendet hätte, nicht geführt habe. Die Kammer hat sich hierbei maßgeblich auf die von ihr eingeholte amtliche Auskunft der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft vom 17.03.2006 (Bl. 170) gestützt, welche auf der Grundlage einer von ihr veranlassten Betriebsprüfung bei der Beklagten (Abgleich des Produktionsbedarfs mit den Anlieferungsmengen) mitgeteilt hatte, „dass in jedem Monat die Milchmenge buchmäßig für die Produktion dieses Ziegenkäses ausreichte“.

5
Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Aufrechterhaltung und Vertiefung ihres Sachvortrages weiter. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte unstreitig gestellt, dass in die fragliche Produktion ihres B. A. aus dem Winter 2004 75.391 kg Ziegenmilch eines Erzeugers eingeflossen sind, der seinen Betriebssitz – knapp – außerhalb des geografischen Ursprungsgebiets hat und seine Ziegen auch außerhalb der fraglichen Region in Ställen hält.

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Die Klägerin beantragt,

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wie erkannt.

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Die Beklagte beantragt,

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1.

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die Berufung als unbegründet zurückzuweisen;

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2.

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den Rechtsstreit nicht zu entscheiden, bevor sie die Gelegenheit hatte, Einsicht in die von der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft geführte und dem Gericht übersandte Verwaltungsakte zu nehmen sowie binnen angemessener Frist (3 Wochen) Stellung zu nehmen;

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3.

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das Verfahren auszusetzen, bis das VG Dresden über den Feststellungsantrag vom 08.02.2007 entschieden hat;

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4.

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hilfsweise gegenüber dem Antrag zu 1. ihr für den Fall ihrer Verurteilung eine Aufbrauchs- bzw. Umstellungsfrist zu gewähren;

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5.

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hilfsweise gegenüber dem Antrag zu 1. und 3. ihr Vollstreckungsschutz mit der Maßgabe zu gewähren, dass eine etwaige Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines Kreditinstituts der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden kann.

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Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass (Ziegen-)Milch auch dann schon als im Ursprungsgebiet gewonnen anzusehen sei, wenn die – außerhalb hiervon gehaltenen – Tiere ausschließlich mit Futter aus der zugelassenen Region ernährt würden. Sie behauptet insoweit, dass die von dem fraglichen Erzeuger gehaltenen Ziegen auch in dem für die Produktion des Winters 2004/2005 maßgeblichen Zeitraum nur mit aus dem Ursprungsgebiet stammendem Grün- bzw. sonstigem Futter gefüttert worden seien. Im Rahmen ihrer Hilfsanträge macht sie unter anderem geltend, dass sie im Fall eines sofortigen Unterlassungsgebots zur – existenzgefährdenden – Aufgabe ihrer gesamten Produktion gezwungen sei.

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Das einstweilige Verfügungsverfahren 81 O 75/05 LG Köln (6 U 165/06 OLG Köln) war zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Dem Senat lag überdies die Akte der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft betreffend die ab Anfang 2005 bis Ende Oktober 2005 geführten Ermittlungen gegen die Beklagte wegen Verstoßes gegen Bestimmungen zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen vor. Die Landesanstalt hat in ihrem Abschlussbericht vom 27.10.2005 einen Rechtsverstoß der Beklagten verneint, weil sie ihre Ziegenmilch mit Grünfutter aus dem Ursprungsgebiet erzeuge und der Betriebssitz – da ohne Einfluss auf die Milchqualität – keine Rolle spiele. Sie hat diese Auffassung mit Schreiben vom 30.01.2007 aufgegeben, mit der sie der Beklagten mitgeteilt hat, dass Rohmilch, welche für die Herstellung von B. A. (g.V.) zum Einsatz komme, von Tieren stammen müsse, die in dem abgegrenzten geografischen Gebiet gehalten, gefüttert und gemolken würden. Dieses Schreiben war der Anlass für die beim VG Dresden eingereichte Feststellungsklage, auf die sich der oben wiedergegebene Aussetzungsantrag bezieht.

21
II.

22
Die Berufung ist zulässig und in der Sache begründet. Der Klägerin als unmittelbarer Mitbewerberin der Beklagten steht ein Unterlassungsanspruch aus § 135 Abs. 1 MarkenG i.V. mit Art. 13 Abs. 1 a) der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 zu, welchem die auf Auskunftserteilung und Schadensersatzfeststellung gerichteten Annexansprüche folgen. Vor dem Hintergrund des im Berufungsverfahren nunmehr unstreitigen Sachverhalts bringt die Klägerin nämlich zu Recht vor, dass die von der Beklagten im Winter 2004/2005 unter der Bezeichnung B. A. produzierten Erzeugnisse unter Verwendung von teilweise nicht im Ursprungsgebiet gewonnener Ziegenmilch und damit unter Verstoß gegen die der Verordnung (EG) Nr. 123/07 zugrunde liegende Spezifikation hergestellt worden sind.

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1.

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Art. 13 Abs. 1 a) der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 schützt die nach Maßgabe der Verordnung eingetragenen Bezeichnungen gegen jede Verwendung für nicht unter die Eintragung fallende Erzeugnisse. Der Umfang des den Ursprungsbezeichnungen hierdurch gewährten Schutzes ergibt sich zunächst aus Art. 2 dieser Verordnung: Nach Art. 2 Abs. 1 a), 3. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 (entspricht Art. 2 Abs. 2 a), 2. Spiegelstrich der bis zum 20.03.2006 gültigen VO (EWG) 2081/92) ist „Ursprungsbezeichnung“ der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, „das in dem begrenzten geografischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde“. Auch wenn in Einzelfällen und abhängig von der jeweiligen Verkehrsübung einzelne, bestimmte Produktionsvorgänge von diesem Schutz der Ursprungsbezeichnung ausgenommen sein mögen, kann dennoch im Einzelfall aus der Spezifikation die Notwendigkeit folgen, auch diese fraglichen Herstellungsschritte innerhalb des Erzeugungsgebiets vorzunehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 20.05.2003 – Rs. C-469/00 „Grana Padano“ = GRUR 2003, 609, 615, dort Ziff. 98 zur Frage des Einbeziehens des Reibens und Verpackens eines Käses). Die Spezifikation stellt nämlich „das Instrument dar …, das den Umfang des einheitlichen Schutzes festlegt, der mit dieser Verordnung (gemeint ist die VO EWG 2081/92) in der Gemeinschaft eingeführt wird“ (EuGH a.a.O. Seite 614, dort Ziff. 75). Sie enthält „die genaue Definition des geschützten Erzeugnisses“ (a.a.O. Ziff. 79), wobei sie „sowohl den Umfang der Pflichten (bestimmt), von deren Erfüllung die Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung abhängig gemacht wird, als auch den Umfang des daraus folgenden Rechts, das infolge der Eintragung der geschützten Ursprungsbezeichnung, mit der die in der Spezifikation aufgeführten oder in Bezug genommenen Regeln gemeinschaftsweit verbindlich werden, gegenüber Dritten geschützt wird“ (a.a.O. Ziff. 80).

25
2.

26
Nach Maßgabe dieser Kriterien stellt die Verwendung der Milch von Ziegen, welche ausschließlich außerhalb des definierten Erzeugungsgebiets gehalten werden, auch dann einen Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz der Ursprungsbezeichnung B. A. dar, wenn die Ziegen der streitigen Behauptung der Beklagten zufolge nur mit aus dem zugelassenen Gebiet stammendem Futter, insbesondere Grünschnitt, gefüttert worden sein sollten.

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Es steht außer Frage, dass bei der Herstellung von Käse grundsätzlich der verwendeten Milch als seinem Hauptinhaltsstoff entscheidende Bedeutung zukommt. Nach dem eindeutigen und einer Auslegung deshalb nicht zugänglichen Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 a), 3. Spiegelstrich der VO Nr. 510/2006 hat deshalb auch der Rohstoff Milch aus dem regional begrenzten Gebiet zu stammen, da nur in diesem Fall das durch die Verordnung geschützte Käseprodukt als im Ursprungsgebiet „erzeugt“ gelten kann.

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Nichts anderes ergibt sich auch aus der für den B. A. maßgeblichen Spezifikation: Gemäß Ziffer 5 e) der Spezifikation muss die Herstellung „ausschließlich aus Käsereimilch (erfolgen), die im Herstellungsgebiet gewonnen wird. Die Käsereimilch muss mindestens 15 % Ziegenmilch enthalten.“ Da „Herstellungsgebiet“ das in Ziffer 5 c) definierte „Geographische Gebiet“ ist, muss notwendig auch die fragliche Ziegen

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(roh-)milch, welche Grundlage der nach § 1 Abs. 2 KäseVO zu definierenden Käsereimilch ist, aus der Region stammen.

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Aus der Begründung des zwischen der Käsereimilch und dem bestimmten Gebiet bestehenden Zusammenhangs in Ziffer 5 f) der Spezifikation wird deutlich, dass der geographische Bezug anknüpft an die „Fütterungsgrundlage der ausgedehnten hügeligen Agrarlandschaft mit kleereichem Futtergrasanbau“. Der Beklagten ist deshalb im Ansatz darin zu folgen, dass – auch – dem Futter der Tiere Bedeutung für die Abgrenzung des Schutzumfangs zukommt. Angesichts des unmissverständlichen Wortlauts der die Ursprungsbezeichnungen schützenden Verordnung in Verbindung mit der im Streitfall einschlägigen Spezifikation kann eine (Käserei-)Milch indes dann nicht mehr als im Ursprungsgebiet „erzeugt“ bzw. „gewonnen“ angesehen werden, wenn der einzige Bezug zum Herstellungsgebiet darin liegt, dass die Milch gebenden Tiere mit aus der definierten Region stammendem Futter ernährt werden. Den Vorgaben der Verordnung und der diese ausfüllenden Spezifikation kann vielmehr nur dadurch Genüge getan werden, dass alle für die unmittelbare Milchgewinnung notwendigen Schritte im Ursprungsgebiet erfolgen. Hierzu gehört aber notwendig, dass im Fall einer reinen Stallhaltung die Tiere auch in innerhalb der Region gelegenen Ställen gehalten werden. Denn gemäß Art. 2 Abs. 1 a), 2. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 gewinnt das aus der bestimmten Gegend stammende Produkt seine Qualität und seine Eigenschaften überhaupt erst und ausschließlich aus den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse des Gebietes, in dem es erzeugt wurde. Dies setzt aber notwendig voraus, dass das Milchvieh innerhalb des Ursprungsgebiets gehalten, gefüttert, getränkt, gemolken etc. wird; ein regionaler Bezug ausschließlich über die Fütterungsgrundlage bei im Übrigen beliebigem Standort der Tiere würde den Intentionen des Verordnungsgebers unmittelbar zuwiderlaufen.

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Hierfür spricht im Übrigen auch, dass ausweislich des zweiten Erwägungsgrundes der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 durch die Förderung von Erzeugnissen mit bestimmten Merkmalen zugleich die ländliche Wirtschaft in benachteiligten oder abgelegenen Gebieten gefördert werden soll. Dieser Zweck würde praktisch vollständig unterlaufen, wenn es auf den Betriebssitz der Milch-Erzeuger bzw. den Standort der Milchviehhaltung nicht ankäme.

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Diese aus dem eindeutigen Wortlaut von Verordnung und Spezifikation folgende Rechtslage macht eine von der Beklagten angeregte Vorlage an den Europäischen Gerichtshof entbehrlich. Erst recht sieht der Senat keinen Anlass, den Rechtsstreit im Hinblick auf das soeben erst angestrengte verwaltungsgerichtliche Feststellungsverfahren auszusetzen.

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Der Umstand, dass der Erzeugerbetrieb T., von dem die Beklagte im IV. Quartal 2004 über 75.000 kg Ziegenmilch für ihr als B. A. vertriebenes Produkt bezogen hat, im Kreis U./P. ansässig ist und damit in einem Kreis, der unmittelbar an das geografische Ursprungsgebiet angrenzt, rechtfertigt keine Ausnahme von dem dargestellten Grundsatz. Eine Ausdehnung der in den Schutz einbezogenen Region verbietet sich von vorneherein und unabhängig davon, wie weit die Entfernung von dem Herkunftsgebiet bemessen ist.

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Der Senat sieht sich in seiner Beurteilung auch nicht durch die – zwischenzeitlich ohnehin revidierte – Auffassung der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft als der zuständigen Aufsichtsbehörde gehindert. Die Gründe, welche die Landesanstalt ursprünglich zu der Rechtsansicht bewogen haben, allein die Fütterungsgrundlage der Ziegen des Erzeugers T. zum Maßstab einer Einhaltung der Bestimmungen über die geschützte Ursprungsbezeichnung B. A. zu machen, sind aus der von dem Senat beigezogenen Verwaltungsakte über den bloßen Satz hinaus, dass der Betriebssitz für die Milchqualität keine Rolle spiele, nicht ersichtlich. Es war deshalb entbehrlich, der Beklagten entsprechend ihrem schriftsätzlich gestellten Antrag Einsichtnahme in den ihr – in seinem wesentlichen Inhalt ohnehin bekannten – Vorgang zu gewähren. Näheres geht im Übrigen auch nicht aus der von dem Landgericht erstinstanzlich eingeholten amtlichen Auskunft der Landesanstalt vom 17.03.2006 hervor, welche die Kammer ebenso wie im Verfügungsverfahren der Senat zur Überzeugungsbildung herangezogen hatte. Die amtliche Auskunft hat sich nämlich auf die Mitteilung beschränkt, dass die im IV. Quartal 2004 angelieferten Milchmengen (buchmäßig) für die Produktion von B. A. ausgereicht hätten. Hierbei ist schon unerläutert geblieben, dass diese Feststellung auf der Annahme beruhte, die von dem – unstreitig außerhalb des Ursprungsgebiets ansässigen – Erzeuger T. bezogene Ziegenmilch sei wegen der speziellen Fütterung der Tiere als im zugelassenen Gebiet gewonnen anzusehen, und erst recht ist diese Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nicht begründet worden.

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Auf sonstige von der Klägerin angeführte Umstände, welche für eine Beimischung von nicht aus dem Ursprungsgebiet stammender Milch sprechen könnten, kommt es nach alledem nicht an.

36
3.

37
Der Unterlassungsanspruch war nicht durch Gewährung einer Aufbrauchs- bzw. Umstellungsfrist zu beschränken.

38
Zwar kann ausnahmsweise dann ein wettbewerbsrechtlich unzulässiges Verhalten – zu welchem systematisch aus § 135 Abs. 1 MarkenG resultierende Ansprüche zählen – vorübergehend zu dulden sein, wenn unter Abwägung der gegenseitigen Interessen im Rahmen von § 242 BGB dem Verletzer durch ein unbefristetes Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstehen würden und die Belange sowohl der Mitbewerber als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung der Wettbewerbswidrigkeit nicht unzumutbar beeinträchtigt werden (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 8 Rn. 1.58 m.w.N.). An diesen Voraussetzungen fehlt es aber.

39
Es ist schon im Ansatz nicht konkret und detailliert vorgetragen und deshalb für den Senat nicht nachvollziehbar, dass der Beklagten bei unbeschränktem Unterlassungsgebot eine die Existenz ihres Betriebs gefährdende Produktionseinstellung drohen würde. Ihr wird nicht grundsätzlich die Herstellung von Käse mit der geschützten Ursprungsbezeichnung verboten, sondern sie hat sich lediglich der Verwertung eines bestimmten Anteils der bislang bezogenen (nicht authentischen) Ziegenmilch zu enthalten und also die Produktion nur in gewissem Umfang zu reduzieren. Es ist überdies aktenkundig, dass zu dem Produktsortiment der Beklagten auch andere Käseerzeugnisse als nur B. A. zählen, weshalb nicht ersichtlich ist, warum ihr ein Ausweichen auf andere, nicht durch geschützte Ursprungsbezeichnungen beschränkte Erzeugnisse nicht zuzumuten wäre.

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Die Gewährung einer Aufbrauchs- bzw. Umstellungsfrist verbietet sich aber jedenfalls im Hinblick auf die gleichberechtigten Interessen der Klägerin, ohne dass es eines Eingehens auf das daneben auch noch bestehende Interesse der Allgemeinheit, nicht über die Eigenschaften eines Produktes mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung getäuscht zu werden, bedarf. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Parteien die beiden einzigen Hersteller des B. A. sind. Der erhebliche Wettbewerbsvorteil, den die Beklagte sich dergestalt verschafft hat, dass sie durch Verwendung von nicht aus dem Herkunftsgebiet stammender Ziegenmilch ihre Produktionsmengen zumindest seit dem Winter 2004/2005 deutlich gesteigert hat, geht deshalb unmittelbar auf Kosten der Marktanteile der Klägerin als der einzigen Konkurrentin, welcher deshalb ein andauernder Rechtsverstoß nicht zuzumuten ist.

41
Die Klägerin hat der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zugestanden, binnen drei Monaten ab Verkündung eines der Klage stattgebenden Urteils nicht aus diesem zu vollstrecken. Hierdurch wird das Interesse der Beklagten an einer Möglichkeit zur schonenden Produktionsumstellung in Ansehung der bestehenden Gläubigerinteressen hinreichend gewahrt.

42
4.

43
Die Folgeansprüche sind gemäß §§ 135 Abs. 2, 128 Abs. 2 MarkenG, § 242 BGB begründet, wobei der Senat entsprechend der zeitlichen Begrenzung in dem Auskunftsbegehren gemäß Ziffer I.2 dieses Tenors klarstellend auch in die weiteren Verurteilungen zu Ziffern I.3 und 4 des Tenors den fraglichen Zeitpunkt der ersten nachgewiesenen Verletzungshandlung als Klammerzusätze aufgenommen hat.

44
Der Beklagten ist jedenfalls der Vorwurf zu machen, fahrlässig gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zum Schutz von Ursprungsbezeichnungen verstoßen zu haben. Wenn die schon seit dem Jahr 2005 mit den tatsächlichen Gegebenheiten vertraute Sächsische Landesanstalt für Landwirtschaft auch bislang eine die Milchbezugspraxis des beklagten Betriebs deckende Rechtsposition eingenommen hat, wirkt sich zum Nachteil der Beklagten aus, dass es einer sich mit Wortlaut sowie Sinn und Zweck der einschlägigen Verordnung auseinandersetzenden Argumentation stets ermangelte, weshalb kein verschuldensausschließendes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit ihres Tuns angebracht war. Nicht zuletzt das zögerliche Verteidigungsvorbringen der Beklagten im vorausgegangenen Verfügungsverfahren und nunmehr auch im Hauptverfahren lässt überdies darauf schließen, dass sie sich der Sicherheit ihres Rechtsstandpunktes – zu Recht – nicht gewiss sein konnte und ein rechtsverletzendes Verhalten also in Kauf genommen hat. Ansonsten ist nicht erklärlich, weshalb ungeachtet dessen, dass der Beklagten die Problematik des Orts der Ziegenhaltung infolge ihrer Auseinandersetzung mit der Landesanstalt bekannt war, erst im Lauf dieses Berufungsverfahren die zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände eingeräumt worden sind. Dies gilt insbesondere auch in Ansehung des Umstands, dass der in dem Verhandlungstermin des Verfügungsverfahrens am 13.10.2006 anwesende Geschäftsführer der Beklagten keine Veranlassung gesehen hat, die zu Protokoll genommene (irrige) Erklärung seines Verfahrensbevollmächtigten, der Erzeuger T. sei von der Landesanstalt deshalb dem Ursprungsgebiet zugerechnet worden, weil entscheidend der Weideort der Tiere sei, zu korrigieren und den Senat so vor einer absehbaren Fehlbewertung zu bewahren.

45
5.

46
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

47
Der Vollstreckbarkeitsausspruch beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Dem Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten war nicht zu entsprechen, weil die Voraussetzungen des § 712 ZPO nicht vorliegen. Die Beklagte hat ihr bei einer Vollstreckung drohende unersetzbare Nachteile schon nicht glaubhaft gemacht i.S. des § 712 Abs. 1 Satz 1 ZPO, und im Übrigen wird ihr Schutz in Ansehung des erheblichen Vollstreckungsinteresses der Klägerin durch deren Zusage, binnen 3 Monaten ab Verkündung dieses Urteils auf eine Vollstreckung zu verzichten, ausreichend gewahrt; auf die Erwägungen zu vorstehend Ziffer 3 wird verwiesen.

48
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen haben entweder durch die zitierte Rechtsprechung des EuGH bereits eine Klärung gefunden, oder sie betreffen eine reine Anwendung des Wortlauts gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben, ohne dass sich grundsätzliche Auslegungsfragen stellen würden.

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