Zwischen der eingetragenen Wortmarke „DAS GESUNDE PLUS“, eingetragen für Gesundheitsprodukte wie freiverkäufliche Arzneimittel, und dem Zeichen „GESUNDHEIT PLUS+“, unter dem Markenprodukte dritter Hersteller angeboten werden, besteht in der Gesamtabwägung aufgrund der unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraf der Marke „DAS GESUNDE PLUS“ trotz Warenähnlichkeit keine Verwechslungsgefahr.
OLG Köln, Urteil vom 08.04.2011 – 6 U 158/10 – IR-Marke „DAS GESUNDE PLUS“
§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
Tenor:
1.) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26.8.2010 – 31 O 153/110 – wird zurückgewiesen.
2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4.) Die Revision wird nicht zugelassen.
G R Ü N D E :
I.
Die Parteien betreiben Drogeriemärkte. Die Klägerin vertreibt u.a. unter ihrer Eigenmarke „DAS GESUNDE PLUS“ Gesundheitsprodukte wie freiverkäufliche Arzneimittel, Medizinprodukte, diätetische Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, gesundheitsbezogene Lebensmittel und Kosmetikprodukte. Die Bezeichnung „DAS GESUNDE PLUS“ ist für derartige Waren zugunsten der Klägerin als Internationale Wortmarke mit Geltung auch für Deutschland registriert.
Die Beklagte bietet nunmehr im Anwendungsbereich entsprechende, ehemals ausschließlich in Apotheken erhältliche (nicht apothekenpflichtige) Markenprodukte dritter Hersteller in ihren Filialen in einem Regal mit der Aufschrift „GESUNDHEIT PLUS+“ zum Verkauf an.
Die Klägerin sieht hierin eine Verletzung ihrer Rechte an der Marke „DAS GESUNDE PLUS“ und begehrt die Unterlassung, diese Produkte in den im angefochtenen Urteil abgebildeten Regalen anzubieten, Auskunft über die Menge der bereits in den Verkehr gebrachten Produkte und Zahlung von Abmahnkosten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung, mit der die Klägerin ihre Anträge weiterverfolgt, vertieft und ergänzt sie ihren erstinstanzlichen Vortrag, insbesondere zur Bekanntheit ihrer Marke und zur Praxis der Verwendung von Kennzeichen auf Verkaufsregalen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen, weil eine Gefahr im Sinne des § 107 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dass das angegriffene Zeichen mit der für die Klägerin eingetragenen IR-Marke „Das gesunde Plus“ verwechselt wird, nicht besteht. Das Berufungsvorbringen beider Parteien rechtfertigt keine andere Beurteilung.
1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte das Zeichen „Gesundheit Plus+“ markenmäßig verwendet. Die Beklagte verwendet dieses Zeichen in ihren Märkten einheitlich zur Kennzeichnung der Verkaufsregale, in denen sie ihr neues Angebot vorhält, nämlich solche Produkte, die, obwohl sie nicht apothekenpflichtig waren, gleichwohl vormals nur in Apotheken erhältlich waren und nunmehr auch in den Drogeriemärkten der Beklagten erworben werden können. Dieses Angebot ist ein „Novum“ in der Branche der Drogeriemärkte, das – nach dem Vortrag der Beklagten – für einiges Aufsehen gesorgt hat (S. 4 f. der Klageerwiderung, Bl. 80 f.). Der Verkehr wird daher in dem Zeichen nicht nur eine rein beschreibende Beschriftung eines Regals sehen, sondern die besondere Ausgestaltung (insbesondere in graphischer Hinsicht) auch als Hinweis auf die neue Dienstleistung, die in dieser Form nur von der Beklagten angeboten wird, erkennen.
2. Es fehlt aber an der Verwechslungsgefahr. Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2010, 729, Tz. 23 – MIXI mwN.).
a) Die Kennzeichnungskraft des klägerischen Zeichens hat das Landgericht zutreffend als unterdurchschnittlich angesehen. Marken, die für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an einen beschreibenden Begriff angelehnt sind, kommt keine normale, sondern nur eine geringe Kennzeichnungskraft zu (BGH, aaO. Tz. 27). Dies trifft hier in besonderem Maße zu. Das Zeichen „Das gesunde Plus“ ist für einen wesentlichen Teil der hier in Rede stehenden Waren beschreibend, wobei die Beschreibung nicht abschließend ist und zugleich auch anpreisend wirkt. Eine vollständige Beschreibung der unter diesem Zeichen unter anderem angebotenen Nahrungsergänzungsmittel, diätetischen Lebensmittel und einiger pharmazeutischer Produkte würde „Das gesunde Plus zur Nahrung“ lauten. Kosmetika ließen sich als „Das gesunde Plus zur Körperpflege“ beschreiben. Hinsichtlich der weiteren Produkte (wie z.B. Heftpflaster) liegen immerhin stark beschreibende Anklänge vor. Zudem ist der Bestandteil „Plus“ im Gesundheitsbereich, insbesondere bei Arzneimitteln, als nachfolgender Zusatz innerhalb von Produktbezeichnungen gängig und dem Verkehr vertraut. Eine herkunftshinweisende Funktion kann das Zeichen daher nicht aufgrund der Wortbedeutung erfüllen; vielmehr erlangt das Zeichen seine Kennzeichnungskraft durch die schlagwortartige Verkürzung, die nicht sehr gebräuchliche substantivische Verwendung des „Plus“ und den Umstand, dass das Adjektiv „gesunde“ seinem Sinn nach nicht das „Plus“ beschreibt, sondern den Zustand, den das Produkt beim Konsumenten hervorrufen oder aufrecht erhalten soll.
Die Kennzeichnungskraft mag aufgrund der (von der Klägerin behaupteten) Bekanntheit der Marke zwar gesteigert sein; dies führt wegen der originären Schwäche des Zeichens allerdings noch nicht in den Bereich des Durchschnittlichen. Denn auch soweit das klägerische Zeichen als Marke einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrskreises bekannt sein sollte, werden diese Verkehrskreise gleichwohl die stark beschreibenden Anklänge der Markenbestandteile nicht verkennen und daher bei der Wiedererkennung auf die konkrete Zusammensetzung des klägerischen Zeichens besonderes Gewicht legen, so dass der Schutzbereich weiterhin eng bleibt. Der Grundsatz, dass der Verkehr in einem anderen Zeichen, das ähnliche Bestandteile enthält, eine ihm bekannte Marke erkennen zu meinen glaubt (vgl. hierzu BGH GRUR 2006, 859 Tz. 31 – Malteserkreuz mwN.), kann daher hier nur eingeschränkt gelten. Der Annahme einer Steigerung der Kennzeichnungskraft in den Bereich des Durchschnittlichen steht auch entgegen, dass selbst bei kraft Verkehrsdurchsetzung eingetragenen Marken grundsätzlich von nur durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen ist (vgl. BGH GRUR 2003, 1040, 1043 – Kinder; GRUR 2009, 672 Tz. 26 – OSTSEE-POST bei einem Durchsetzungsgrad von 80 %). Eine derartige Bekanntheit erreicht das – wie dargelegt ebenfalls weit überwiegend beschreibende – klägerische Zeichen aber auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin bei weitem nicht.
b) Die Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit hat das Landgericht zu Recht als durchschnittlich bewertet. Insoweit stehen sich die Dienstleistung der Beklagten und das Warenangebot der Klägerin gegenüber. Dass die Beklagte das angegriffene Zeichen als Warenmarke benutzt – wie die Klägerin meint – kann dagegen nicht angenommen werden. Zwar besteht – wie von der Klägerin dargelegt – insbesondere im Kosmetikbereich auch in Drogeriemärkten eine Übung, Warenregale mit Warenmarken zu kennzeichnen. Der Verkehr erwartet jedoch in diesem Fall, in dem derart gekennzeichneten Regal die Produkte der entsprechenden Marke vorzufinden. Dass eine Gewöhnung daran bestünde, eine Warenmarke auch als Hinweis auf Waren anderer Herkunft zu verwenden, kann dagegen nicht angenommen werden, auch wenn es vorkommen mag, dass solche Produkte in einem mit einer Marke gekennzeichneten Regal angeboten werden. Jedenfalls wird der angesprochene Verkehr, zu dem die Mitglieder des Senats gehören, die herausgestellte Marke ausschließlich als Hinweis auf die mit dieser Marke versehenen Produkte verstehen. Mit dem angegriffenen Zeichen gekennzeichnete Waren gibt es dagegen nicht. Zudem ruft das von der Beklagten verwendete Zeichen in der konkret angegriffenen Form Assoziationen zu einem Apothekenzeichen hervor; dies gilt insbesondere wegen der Verwendung eines an das bekannte internationale Apothekenzeichen angelehnten grünen Kreuzes. Auch hierdurch wird der Verkehr darauf hingewiesen, dass das angegriffene Zeichen ein Warenverkaufsangebot, aber nicht die Waren selbst kennzeichnet. Der Verkehr wird daher erkennen, dass in dem fraglichen Regal Waren anderer Herkunft aufgestellt sind, die von der Beklagten lediglich vertrieben werden.
Zwischen der Dienstleistung des Angebots von Waren und den Waren selbst vermag der Verkehr auch unter Berücksichtigung der zunehmenden Verbreitung von Handelsmarken zu unterscheiden. Dies zeigt sich bereits darin, dass keine Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, der Verkehr werde erwarten, die klägerischen mit „Das gesunde Plus“ gekennzeichneten Produkte würden in der Supermarktkette „Plus“ vertrieben oder stünden mit dieser in irgendeinem Zusammenhang. Dass die von der Beklagten in dem fraglichen Regal angebotenen Produkte dem gleichen Warenbereich zugehören wie die mit dem klägerischen Zeichen versehenen Produkte, vermag daher lediglich eine durchschnittliche Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistung zu begründen.
c) Die Zeichenähnlichkeit ist durchschnittlich. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen (BGH GRUR 2010, 729, Tz. 31 – MIXI). Dabei sind insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (BGH GRUR 2009, 772 Tz. 51 – Augsburger Puppenkiste). Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Marken ist nach deren Ähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen (BGH GRUR 2006 859 Tz. 17 – Malteserkreuz). Um die Markenähnlichkeit zu bejahen, reicht in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus (BGH GRUR 2006, 60 Tz. 17 – coccodrillo).
Die Ähnlichkeiten im Sinngehalt der Zeichen vermögen eine Verwechslungsgefahr nicht zu begründen. Zwar ist der Klägerin nicht darin zu folgen, dass ihre Marke über keinen konkreten Sinngehalt verfügt (vgl. S. 7 der Berufungsbegründung, Bl. 234). Jedoch ist, was der Verkehr dem klägerischen Zeichen als Sinn entnimmt, rein beschreibend. Die insofern bestehende Ähnlichkeit wird der Verkehr daher nicht als Hinweis auf eine gemeinsame betriebliche Herkunft verstehen. In den unterscheidungskräftigen Elementen, die den Gesamteindruck der Zeichen hinsichtlich ihrer Markenfunktion prägen, weichen die Zeichen dagegen voneinander ab. So findet sich in dem angegriffenen Zeichen weder eine substantivische Verwendung des „Plus“ – dieses ist vielmehr als Attribut verwendet und erinnert an die Differenzierung innerhalb einer Schulnote – noch die Verwendung des „gesund“ als Adjektiv oder eine schlagwortartige Verkürzung der Produktbeschreibung. Diese Unterschiede sind auch in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht auffallend, so dass von einer überdurchschnittlichen Ähnlichkeit nicht ausgegangen werden kann.
d) Nach alledem fällt die Gesamtabwägung zu Lasten der Klägerin aus, die es sich gefallen lassen muss, dass die beschreibenden und gängigen Elemente ihres Zeichens in anderer Zusammensetzung auch von Konkurrenten benutzt werden.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
2. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung der hinreichend geklärten Grundsätze zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr.
3. Streitwert für das Berufungsverfahren: 180.000 €.
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 O 153/10
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