OLG Karlsruhe: Vertragsstrafe nach Unterlassungserklärung ist Rechtsmissbrauch, wenn Marke gelöscht ist Urteil vom 07.05.2012 – 6 U 187/10

Leitsätze

Hat der wegen Verletzung einer Marke in Anspruch Genommene eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, steht der Geltendmachung des Anspruchs auf Vertragsstrafe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn die betreffende Marke gelöscht worden ist.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.05.2012 – 6 U 187/10physiomobil
§ 52 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG

Tenor

I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 12.11.2010 (Az. 7 O 96/10) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit hinsichtlich des auf Unterlassung gerichteten Klageantrags Ziffer 1. erledigt ist.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 2.759,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.04.2010 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 85 %, die Klägerin 15 %.

IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einem Unterlassungsvertrag in Anspruch.

2
Die Klägerin war Inhaberin der deutschen Wortmarke 30359740 „physiomobil“, die für Geräte für die Physiotherapie und für physiotherapeutische Behandlungen Schutz beanspruchte. Die Marke ist mittlerweile bestandskräftig wegen Bestehens absoluter Schutzhindernisse im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gelöscht (vgl. Beschluss des Bundespatentgerichts, Az: 30 W (pat) 18/11; Mitteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10.04.2012, Az. 303 59 740 – S 206/09 Lösch).

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Nach vorangegangener Inanspruchnahme wegen Verletzung der Wortmarke „physiomobil“ (Anlage K5) haben die Parteien im August 2009 auf der Grundlage einer vom Beklagten abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung (Anlage K1) einen Unterlassungsvertrag geschlossen. Der Beklagte hat sich darin bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe von 5.100,00 Euro verpflichtet, es zu unterlassen,

die Bezeichnung „physiomobil, physio mobil oder physio mobil 1“

für physiotherapeutische Behandlung zu benutzen oder Dritte zur Benutzung zu veranlassen, insbesondere durch Lizenzvergabe.

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Das soll nur so lange gelten, „wie es sich bei diesen Begriffen für Frau W.-S. um markenrechtliche Begriffe handelt“.

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Im Februar 2010 war der Begriff „Physiomobil“, verwendet für das Unternehmen des beklagten Physiotherapeuten, noch an 7 verschiedenen Stellen im Internet auffindbar. Die entsprechenden Ausdrucke liegen als Anlagen K7-13 vor. Die fraglichen Internetseiten können in zwei Gruppen unterteilt werden, nämlich

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– Einträge in Online-Branchenverzeichnisse und
– Online-Stellenanzeigen (hier: Stellenangebote für Physiotherapeuten)

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Die Klägerin ist der Auffassung, es handele sich um Verstöße gegen die vertragliche Unterlassungspflicht, die zum Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr geführt hätten, so dass der Beklagte zur Unterlassung zu verurteilen sei. Zudem habe der Beklagte wegen dieser nach Abschluss des Unterlassungsvertrags abrufbaren Verwendungen des Begriffs „physiomobil“ in sieben Fällen die Vertragsstrafe verwirkt. Sie macht im Wege der Teilklage 1.000,00 Euro für jeden Verstoß geltend, insgesamt also 7.000,00 Euro. Außerdem verlangt sie Ersatz der Abmahnkosten.

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Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

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1. Der Beklagte wird unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verurteilt, es zu unterlassen, die Bezeichnungen

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physio mobil
oder
physiomobil
oder
physio mobil 1
oder
physiomobil1

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für physiotherapeutische Behandlungsleistungen zu benutzen.

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2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.759,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ab dem 25.02.2010 zu bezahlen.

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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat seine Verantwortlichkeit für die genannten Zeichenverwendungen ebenso in Abrede gestellt wie eine Rechtspflicht zur Verhinderung solcher Zeichenbenutzungen.

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Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage weitestgehend (mit Ausnahme nur eines Teils der geltend gemachten Zinsen) stattgegeben. Es hat in den genannten Zeichenverwendungen Verstöße gegen die vertragliche Unterlassungspflicht gesehen. Der Beklagte habe seiner Pflicht, zumutbare Anstrengungen zur Vermeidung weiterer Verstöße zu unternehmen, nicht genügt. Ein Anspruch auf Herabsetzung der Vertragsstrafe bestehe nicht. Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten ergebe sich in der zuerkannten Höhe aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG analog sowie aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB.

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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er sein auf Abweisung der Klage gerichtetes Prozessziel weiterverfolgt. Er verweist auf die Löschung der Marke „physiomobil“ wegen absoluter Schutzhindernisse. Vor diesem Hintergrund hält er die Durchsetzung der vertraglichen Ansprüche für unangemessen. Er trägt vor, es handele sich entweder um längst überholte Angebote oder um solche Erwähnungen seines Unternehmens, die nicht auf ein aktives Handeln seinerseits zurückgingen. Sie seien ihm bei einer Recherche, die er aus Anlass des Unterlassungsvertrags durchgeführt habe, nicht aufgefallen. Jedenfalls handele es sich um einen einzigen Verstoß. Die Höhe der Vertragsstrafe sei bei Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen unangemessen hoch. Mit Blick auf die wirtschaftliche Kraft des Unternehmens des Beklagten habe sie existenzbedrohenden Charakter.

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Die Klägerin beantragt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils die Zurückweisung der Berufung, wobei sie den Unterlassungsantrag nach bestandskräftiger Löschung der Marke „physiomobil“ für erledigt erklärt hat. Sie verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs über die Auswirkungen nachträglicher Änderungen auf einmal abgeschlossene strafbewehrte Unterlassungsverträge. Für eine Herabsetzung der Vertragsstrafe sieht sie keine Grundlage.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
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Die zulässige Berufung führt nur zu einem Teilerfolg.

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1. Hinsichtlich des ursprünglich geltend gemachten vertraglichen Unterlassungsanspruchs hat die Klägerin den Rechtsstreit nach der bestandskräftigen Löschung der Marke „physiomobil“ für erledigt erklärt; der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Damit ist zu prüfen, ob die Klage insoweit zulässig und begründet war und durch ein erledigendes Ereignis unbegründet geworden ist.

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Das Landgericht hat den Unterlassungsanspruch im damaligen Sachstand zu Recht zugesprochen. Jedenfalls die Einträge in Online-Branchenverzeichnisse verletzten die vertragliche Unterlassungspflicht, weil dabei das Zeichen „physiomobil“ (Anlage K11) bzw. „physio mobil1“ (Anlage K8) für das Angebot von physiotherapeutischen Behandlungen verwendet wird.

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a) Das Zustandekommen des Unterlassungsvertrags steht zwischen den Parteien zu Recht außer Frage. Der Vertrag bestand in dem für den Unterlassungsanspruch maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung ungekündigt fort. Zwar bildet der Wegfall des dem vertraglich vereinbarten Verbot zugrunde liegenden gesetzlichen Unterlassungsanspruchs nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, einen wichtigen Grund, der die Kündigung des Unterlassungsvertrages wegen Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung rechtfertigt (BGHZ 133, 316 sub II.2.c – Altunterwerfung I; vgl. auch BGH GRUR 2001, 85 – Altunterwerfung IV). Bis zur rechtskräftigen Löschung der Marke der Klägerin war der auf die Marke gestützte Unterlassungsanspruch und damit die Geschäftsgrundlage des Unterlassungsvertrages jedoch nicht entfallen, so dass ein Kündigungsgrund nicht bestand.

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Mit der Bestimmung

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„Dies gilt nur solange, wie es sich bei diesen Begriffen [physiomobil etc.] für Frau W.-S. um markenrechtliche Begriffe handelt.“

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haben die Parteien, wie sie nachträglich klargestellt haben, den Unterlassungsvertrag unter die auflösende Bedingung gestellt, dass die Klägerin „ein Markenrecht ‚physiomobil‘ hat“ (vgl. Anlagen K2, K3), d.h. dass der Klägerin die mit der Abmahnung geltend gemachte Marke „physiomobil“ zusteht. Auch insoweit gilt, dass im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz die auflösende Bedingung noch nicht eingetreten war, denn die Löschung der Marke ist erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt.

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b) Die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung nach Anlage K1 ist in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte so auszulegen, dass sie geeignet ist, die Wiederholungsgefahr für den gerügten Verstoß zu beseitigen. Dies ist das für den Erklärungsempfänger erkennbare Ziel, das der Erklärende bei der Abgabe der Erklärung verfolgt (BGHZ 121, 13, 19 – Fortsetzungszusammenhang; BGHZ 146, 318 Tz. 19 – Trainingsvertrag). Umgekehrt besteht in der Regel – und auch hier – keine Veranlassung, die Unterlassungspflicht im Wege der Auslegung weiter zu fassen, als es für den genannten Zweck erforderlich ist (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 12 Rn. 13).

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Im Streitfall wurde die Unterlassungserklärung als Reaktion auf den Vorwurf der Markenverletzung abgegeben. Das Versprechen, die Benutzung der Bezeichnung „physiomobil“ etc. für physiotherapeutische Behandlungen zu unterlassen, richtet sich deshalb auf eine Benutzungsform, die eine (zumindest auch) markenrechtliche Verwendung darstellt. Andererseits besteht kein Anhalt dafür, die Erklärung auf rein unternehmenskennzeichenrechtliche oder auf solche Verwendungsweisen zu erstrecken, die überhaupt nicht zeichenmäßig sind, also nicht als Herkunftshinweis dienen.

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c) Gegen die so verstandene vertragliche Unterlassungspflicht hat der Beklagte verstoßen. Die Benutzung von „physiomobil“ in Online-Branchenverzeichnissen mag in erster Linie unternehmenskennzeichenmäßig sein; sie hat aber zugleich – untrennbar damit verbunden (vgl. BGH GRUR 2008, 616 – AKZENTA) – auch dienstleistungsmarkenmäßige Funktion. Wer in einem Branchenverzeichnis nach physiotherapeutischen Praxen sucht, ist in der Regel an den physiotherapeutischen Dienstleistungen interessiert, die solche Praxen anbieten. Das Zeichen „phsiomobil“ wird daher in einem Branchenverzeichnis (auch) als Herkunftshinweis für die angebotenen Dienstleistungen wahrgenommen.

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Damit fallen die genannten Zeichenbenutzungen unter die Unterlassungspflicht. Sie sind – auch insoweit hat das Landgericht zutreffend entschieden – dem Beklagten zuzurechnen. Es ist anerkannt, dass die Unterlassungsverpflichtung den Schuldner unter Umständen zum Tätigwerden verpflichtet; die Verpflichtung muss nämlich ihrem Sinn und Zweck entsprechend regelmäßig dahin ausgelegt werden, dass der Unterlassungsschuldner dafür zu sorgen hat, dass Störungen, die ursächlich auf sein (auch vor Abgabe der Erklärung liegendes) Handeln zurückgehen, beendet werden (vgl. Teplitzky a.a.O. Kap. 20 Rn. 15). Im hier gegebenen Fall der Zeichenverwendung auch und gerade im Internet erfordert dies, dass der Beklagte bei Übernahme der Unterlassungspflicht eine Internet-Recherche durchführt, um auch etwaige „stehengebliebene“ Zeichenverwendungen zu erkennen und abzustellen. Ihn trifft hier sozusagen eine „vertraglich übernommene Garantenstellung“ (Teplitzky a.a.O.), denn die Klägerin kann nicht wissen und deshalb nicht darlegen, ob der Beklagte mit einem bestimmten Internet-Anbieter Kontakt hatte oder nicht. Im Übrigen reicht der Vortrag des Beklagten, er habe mit dem jeweiligen Internetanbieter nie etwas zu tun gehabt, nicht aus, um einen Verstoß auszuschließen. Im Rahmen der sekundären Darlegungslast ist es Sache des Beklagten, substantiiert zu erklären, wie es zu den jeweiligen Einträgen kommen konnte; die bloße Vermutung, die Internet-Anbieter hätten aus eigenem Antrieb andere Einträge (welche?) kopiert und übernommen, genügt zum Ausschluss des Anspruchs nicht.

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d) Mit der rechtskräftigen Löschung der Marke ist die auflösende Bedingung des Unterlassungsvertrages eingetreten. Damit ist der Unterlassungsanspruch während des Laufs des Berufungsverfahrens entfallen, so dass insoweit Erledigung eingetreten ist. Dies ist aufgrund der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung, die eine stets zulässige Klageänderung darstellt, auf Antrag der Klägerin festzustellen.

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2. Der Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe für insgesamt 7 Verstöße ist unbegründet.

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a) Ob die Nennung des Zeichens „physiomobil“ in reinen Stellenangeboten bzw. Angeboten zum Eintritt in das vom Beklagten betriebene Franchising-Kooperationssystem (auch) markenmäßige Benutzungen und damit Verstöße gegen die Unterlassungspflicht darstellen, erscheint nicht zweifelsfrei; insoweit könnte es sich um reine Benennungen des vom Beklagten betriebenen Unternehmens handeln. Die Frage kann aber aus den nachfolgend dargestellten Gründen offen bleiben.

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b) Ansprüche auf Zahlung der Vertragsstrafe scheiden im erreichten Sach- und Streitstand jedenfalls deshalb aus, weil der Geltendmachung des Vertragsstrafeanspruchs der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegensteht. Das ergibt sich daraus, dass die Marke inzwischen mit rückwirkender Kraft (§ 52 Abs. 2 MarkenG) gelöscht worden ist.

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In der Entscheidung „Altunterwerfung I“ hat der Bundesgerichtshof ausgeführt:

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„Kann sich der Schuldner eines Unterwerfungsvertrages im allgemeinen nur durch fristlose Kündigung von der übernommenen vertraglichen Verpflichtung lösen, kann es doch im Einzelfall rechtsmißbräuchlich sein, wenn sich der Gläubiger auf ein nicht rechtzeitig gekündigtes Vertragsstrafeversprechen beruft. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn der vertraglich gesicherte gesetzliche Unterlassungsanspruch dem Gläubiger aufgrund der erfolgten Gesetzesänderung unzweifelhaft, d.h. ohne weiteres erkennbar, nicht mehr zusteht. Hierunter fallen zum einen die Fälle, in denen die vertragliche Verpflichtung allein der Sicherung eines vom Gesetzgeber aufgehobenen Verbots – etwa dem Verbot der Werbung mit mengenmäßigen Beschränkungen oder der Eigenpreisgegenüberstellung (§§ 6 d, 6 e UWG a.F.) – dient; unter Umständen sind hierunter auch die Fälle einer beachtlichen Rechtsprechungsänderung zu zählen. Zum anderen ist einem Gläubiger die Geltendmachung des vertraglichen Anspruchs dann aus Treu und Glauben verwehrt, wenn seine Sachbefugnis aufgrund der Änderung des § 13 Abs. 2 UWG eindeutig entfallen ist, weil er selbst (Nr. 1) oder seine Mitglieder (Nr. 2) auf dem einschlägigen Markt überhaupt nicht tätig sind oder weil er – als Verband – die im Gesetz angesprochenen gewerblichen Interessen tatsächlich nicht mehr verfolgt.“ (BGHZ 133, 316 sub II.4.a)

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Dem kann der allgemeine Grundsatz entnommen werden, dass die Berufung auf ein Vertragsstrafeversprechen trotz einer nicht rechtzeitig erfolgten Kündigung immer dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn dem Gläubiger der mit dem Vertragsstrafeversprechen gesicherte Unterlassungsanspruch wegen einer mittlerweile eingetretenen Änderung eindeutig, d.h. ohne dass es weiterer Feststellungen oder einer Wertungsentscheidung bedürfte, nicht mehr zusteht (vgl. auch OLGR Jena 2007, 555). Nicht ausreichend ist allerdings, wenn der Unterlassungsanspruch vom Gläubiger nur deshalb nicht geltend gemacht werden könnte, weil sich die Parteien auf dem vom Gläubiger bedienten regionalen Markt nicht begegnen (BGH GRUR 2001, 85 – Altunterwerfung IV); ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Im Streitfall führt die Löschung dazu, dass die Wirkungen der Eintragung der Marke als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 52 Abs. 2 MarkenG). Die Klägerin muss sich also nunmehr – ohne dass es weiterer Feststellungen oder Wertungen bedürfte – so behandeln lassen, als hätte sie die Rechte aus der Marke nie erlangt. Damit hätte auch von Anfang an kein durchsetzbarer markenrechtlicher Unterlassungsanspruch bestanden, der durch einen strafbewehrten Unterlassungsvertrag hätte gesichert werden können. Nach der Wertung, die der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegt, muss sich die Klägerin, wenn sie nunmehr den Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe durchsetzen will, den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten lassen.

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Nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG berührt die Rückwirkung der Markenlöschung – vorbehaltlich der Regelungen über Schadensersatz und Bereicherungsausgleich – nicht Verträge, die bereits vor der Löschungsentscheidung erfüllt worden sind; gleichwohl ist eine Rückforderung des Geleisteten aus Billigkeitsgründen möglich. Diese durch mehrere Gegenausnahmen relativierte Ausnahme von der Rückwirkung der Markenlöschung steht dem genannten Ergebnis nicht entgegen, sondern bestätigt es: Zunächst ist die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Fälle der Gesetzesänderung ergangen, in denen die Sachbefugnis des Gläubigers „nur“ mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) entfallen ist. Selbst wenn also § 52 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG eingriffe, würde dies die Anwendung der vom Bundesgerichtshof entwickelten Regel nicht ausschließen. Die getroffene Wertung hat aber erst recht zu gelten, wenn die Sachbefugnis für den gesicherten gesetzlichen Anspruch rückwirkend entfällt. Das ist hier der Fall: Der strafbewehrte Unterlassungsvertrag ist nicht beiderseits erfüllt (zu diesem Erfordernis vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 52 Rn. 12), so dass es beim Regelfall der Rückwirkung nach § 52 Abs. 2 MarkenG bleibt. Auch dies spricht dafür, der Klägerin in der nunmehr eingetretenen Situation die Durchsetzung des Vertragsstrafeanspruchs zu versagen.

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3. Ohne Erfolg bleibt die Berufung schließlich hinsichtlich des zuerkannten Anspruchs auf Erstattung von Abmahnkosten. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass dieser Anspruch jedenfalls aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB folgt. Die Verstöße gegen die vertragliche Unterlassungspflicht haben zum Wiederaufleben der Wiederholungsgefahr entsprechender Zeichenverwendungen geführt. Der Beklagte war aufgrund des ungekündigt bestehenden Unterlassungsvertrags zur Unterlassung dieser Zeichenverwendung verpflichtet; die rückwirkende Löschung der Marke ändert daran nichts. Mit der Abmahnung hat die Klägerin dem Beklagten die Gelegenheit gegeben, einen Rechtsstreit durch Abgabe einer erneuten, mit höherer Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungserklärung einen Rechtsstreit zu vermeiden; sie hat damit ein (auch) fremdes Geschäft geführt, das dem Interesse und zumindest dem mutmaßlichen Willen des Beklagten entsprach (§ 683 S. 1 BGB). Gegen die Höhe des zuerkannten Aufwendungsersatzanspruchs wurde in der Berufungsinstanz nichts erinnert. Der auf den Unterlassungsantrag entfallende Teilstreitwert wurde vom Landgericht mit EUR 50.000,00 angesetzt, was sich im Rahmen dessen hält, was in Streitigkeiten dieser Art gebräuchlich ist.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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