OLG Hamburg: Werbung „Ohne Fett“

OLG Hamburg, Urteil vom 12.01.2006 – 3 U 154/05 – Irreführende Werbung durch Angabe „Ohne Fett“

Nimmt der Verbraucher das Produkt aufgrund der falschen Auslobung, ohne Fett zu sein, in die Hand, um dann nach Lektüre der Pflichtangaben festzustellen, dass doch ein geringer Fettanteil enthalten ist, so ist der Irrtum bereits vollendet gewesen, die Aufklärung zu spät erfolgt.

In dem Rechtsstreit

gegen

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat, durch … nach der am 15. Dezember 2005 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24.06.2005 – 406 O 65/05 – wird zurückgewiesen. Das Urteil wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Produkt „M……. V…… b….-f…“ – insbesondere in den Geschmacksrichtungen „Ananas-Limone“ und „Orange-Drachenfrucht“ blickfangmäßig mit der Angabe „ohne Fett“ zu bewerben, wenn dies geschieht wie in den Produktabbildungen gemäß Anlagen ASt 9 und Ast 10 und/oder mit der Auslobung „ohne Fett“ in sonstigen Werbetexten zu werben, ohne im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Angabe und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass das Produkt noch einen Fettanteil von 0,04 g auf 100 g enthält, insbesondere wenn dies geschieht wie in der Internetwerbung gemäß Anlage ASt. 12.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

Gründe

I.
Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte aus Wettbewerbsrecht auf Unterlassung in Anspruch.

Die Verfügungsklägerin ist eine Tochtergesellschaft der international agierenden Unternehmensgruppe T….. M…… GmbH & Co. KG. Das Sortiment der Verfügungsklägerin umfasst Milch- und Sauermilchprodukte ebenso wie Milchmischgetränke und Fruchtdrinks.

Diese Produkte werden unter der Marke „M…..-M…..“ vertrieben.

Unter der Bezeichnung „F…….“ vertreibt die Verfügungsklägerin in verschiedenen Geschmacksrichtungen eine sog. „Fitness-Molke“ mit einem Fettgehalt von maximal 0,1 g pro 100 g (Anlagenkonvolut ASt 1). Der Fettgehalt wird im Rahmen der Nährwerttabelle mit 0,1 g je 100 g, und im Fließtext mit „maximal 0,1 % Fett“ angegeben (Anlagen ASt 18 und ASt 19).

Die Verfügungsbeklagte ist eine große deutsche Molkereigenossenschaft. Sie stellt unter der Marke „M……..“ diverse Milch- und Molkeprodukte her (vgl. Anlagenkonvolut ASt 2). Sie bringt unter der Bezeichnung „M……. V…… b….-f…“ einen Molkedrink mit einem Fettgehalt von 0,04 g auf 100 g auf den Markt.

Neben den Parteien bringen auch verschiedene andere Anbieter Molkedrinks mit geringem Restfettgehalt auf den Markt und weisen mit der drucktechnisch hervorgehobenen Angabe „0,1 % Fett“ oder „max. 0,1 % Fett“ auf den geringen Restfettgehalt ihrer Produkte hin (Anlagen ASt 15 bis ASt 17 und Anlagen ASt 27 bis ASt 46). Im angrenzenden Marktbereich der Joghurtdrinks wird ein Restfettgehalt von 0,1 g auf 100 g ebenfalls mit der hervorgehobenen Angabe „0,1 % Fett“ beworben (Anlagen ASt 50 bis ASt 53).

Im Februar 2004 hatte die Verfügungsbeklagte erstmals den Molkedrink „M……. V……b….-f…“ auf den Markt gebracht, und zwar in den Geschmacksrichtungen „Ananas-Limone“ und „Orange-Drachenfrucht“ mit einem Fettgehalt von 0,04 g pro 100 g. Im Hinblick auf die Bewerbung des Produktes mit der Angabe, kein Fett oder 0 % Fett zu enthalten, war es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien gekommen, die mit der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung von Seiten der Verfügungsbeklagten endete (Anlagenkonvolut ASt 8).

Im Jahr 2005 bewarb die Antragsgegnerin ihre „M……. V…… b….-f…“-Produkte erneut mit dem Hinweis darauf, dass diese Produkte kein Fett enthalten. Tatsächlich enthalten die Produkte nach wie vor 0,04 g Fett pro 100 g (Anlagen ASt 9 und ASt 10). Auf den Verpackungen heißt es u. a. „Ohne Fett“, wobei das „O“ des Wortes „Ohne“ drucktechnisch besonders hervorgehoben ist, und deutlich an die Ziffer Null „0″ erinnert (Anlagen ASt 9 und ASt 10). Im Internet bewarb die Antragsgegnerin das Produkt nicht nur mit der Angabe „Ohne Fett“, sondern u.a. auch mit der Angabe „Ohne Fett ist M……. V…… b….-f… speziell während der bevorstehenden Frühlings- und Sommermonate der ideale Durstlöscher und sorgt mit seiner optimierten Rezeptur für noch mehr Genuss“ (Anlage ASt 12). Die zur gleichen Zeit im Internet abrufbare Nährwerttabelle für verschiedene M……..-Produkte enthielt keine Angaben zu dem streitgegenständlichen „M……. V…… b….-f…“-Fruchtmolkedrink (Anlage ASt 14).

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die Angaben der Verfügungsbeklagten seien wettbewerbsrechtlich unzulässig. Die angesprochenen Verkehrskreise würden mit den streitgegenständlichen Angaben über den tatsächlichen Fettgehalt des Produkts „M……. V…… b….-f…“ getäuscht. Die Angabe „Ohne Fett“ erwecke den falschen Eindruck, dass in dem Produkt überhaupt kein Fett mehr enthalten sei. Tatsächlich seien jedoch – unstreitig – in dem Fruchtmolkedrink 0,04 g Fett je 100 g enthalten. Da es sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen um ernährungs- und gesundheitsbewusste Verbraucher handele, komme es auf den tatsächlichen Fettgehalt, selbst wenn dieser nur gering sei, auch entscheidend an.

Abgesehen von der Bewerbung des Produktes mit Vitalität („Vitality“) und Körper-Fitness („body-fit“) komme hinzu, dass die Mitbewerber, welche ebenfalls Molkedrinks mit geringem bzw. sehr geringem Fettgehalt anböten, unstreitig den jeweiligen Fettgehalt konkret angeben würden, so dass mit der Angabe „ohne Fett“ der Eindruck erweckt werde, es liege tatsächlich ein fettfreier Molkedrink vor. Diese Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise werde durch die weiteren auf der Verpackung befindlichen Angaben auch nicht hinreichend korrigiert.

Die Verfügungsklägerin erwirkte mit ihrem Vortrag eine einstweilige Verfügung vom 22. April 2005, Az. 416 O 94/105, mit welcher der Verfügungsbeklagten bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Produkt „M…….. V…… b……-f…“ – insbesondere in den Geschmacksrichtungen „Ananas-Limone“ und „Orange-Drachenfrucht“ – wörtlich oder sinngemäß, insbesondere auf Fertigpackungen, im Internet, in Printmedien und/oder im Rahmen von TV-Werbespots mit Auslobungen zu bewerben, es enthalte kein Fett, wie dies insbesondere durch folgende Formulierungen erfolgt: -„Ohne Fett“ und/oder „Ohne Fett ist M……. V…… b….-f… speziell während der bevorstehenden Frühlings- und Sommermonate der ideale Durstlöscher und sorgt mit seiner optimierten Rezeptur für noch mehr Genuss“ und/oder – „Der Molkedrink Vitality body-fit enthält null Prozent Fett und hilft zudem bei der Umwandlung von gespeichertem Körperfett in Energie“.

Den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hinsichtlich der ersten beiden Verbotsaussprüche und den Kostenwiderspruch hinsichtlich des letzten Ausspruches hat das Landgericht mit Urteil vom 24.6.2005 zurückgewiesen und die einstweilige Verfügung aufrechterhalten.

Wegen der Einzelheiten bzgl. der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Verfügungsbeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt soweit die einstweilige Verfügung in der Hauptsache aufrechterhalten worden ist, und das Rechtsmittel auch form- und fristgerecht begründet. Die auf den Kostenwiderspruch ergangene landgerichtliche Kostenentscheidung ist nicht angegriffen worden.

In der Berufungsbegründung führt die Verfügungsbeklagte u.a. aus, dass die streitgegenständlichen Angaben „Ohne Fett“ sowie „Ohne Fett ist M……. V…… b….-f… speziell während der bevorstehenden Frühlings- und Sommermonate der ideale Durstlöscher und sorgt mit seiner optimierten Rezeptur für noch mehr Genuss“ wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden seien.

Das Produkt sei praktisch fettfrei, ein Restfettgehalt von 0,04 g auf 100 g habe ernährungsphysiologisch keine Bedeutung. Eine Irreführung der angesprochenen Verbraucherkreise finde deshalb auch nicht statt. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Angabe „ohne Fett“ auch nicht in dem Sinn verstehen, dass sich tatsächlich keinerlei Fett in ihren – der Verfügungsbeklagten – Produkten befände. Dem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher seien wesentliche Fakten und Zusammenhänge des täglichen Lebens bekannt, zu denen auch Grundkenntnisse über die Zusammensetzung von Lebensmitteln gehörten, die er regelmäßig verzehre. Gerade aufgrund der Angabe „ohne Fett“ habe der interessierte Durchschnittsverbraucher Anlass, die Pflichtkennzeichnungselemente auf der Verpackung zu lesen und zu überprüfen. Werde eine solche Überprüfung unterlassen, so sei der Verbraucher dennoch nicht irregeführt, da er mit dem Produkt keine relevante Fettmenge zu sich genommen habe.

Die Verfügungsbeklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 24.6.2005 (Geschäftsnummer 406 O 65/05) sowie die zugrunde liegende einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 22.4.2005 (416 O 94/05), aufzuheben, soweit sie die Angaben „ohne Fett“ und „Ohne Fett ist M……. V…… b….-f… speziell während der bevorstehenden Frühlings- und Sommermonate der ideale Durstlöscher und sorgt mit seiner optimierten Rezeptur für noch mehr Genuss“ betreffen, und den zugrunde liegenden Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass das ergangene Verbot dahin verteidigt werden soll, als verboten werden soll, das streitgegenständliche Produkt blickfangmäßig mit der Angabe „ohne Fett“ zu bewerben, wenn dies geschieht wie in den Produktabbildungen gemäß Anlagen ASt 9 und Ast 10 und/oder mit der Auslobung „ohne Fett“ in sonstigen Werbetexten zu werben, ohne im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Angabe und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass das Produkt noch einen Fettanteil von 0,04 % enthält, insbesondere wenn dies geschieht wie in der Internetwerbung gemäß Anlage ASt. 12.

Die Verfügungsklägerin verteidigt die landgerichtliche Entscheidung und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist nicht begründet. Der Verfügungsklägerin steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V. m. § 11 Abs. 1 Ziff.1 LFGB bzw. §§ 3, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 UWG zu.

Soweit die Verfügungsklägerin das landgerichtliche Verbot u.a. mit der Maßgabe verteidigt hat, die Verfügungsbeklagte müsse darauf hinweisen, dass das Produkt einen Fettgehalt von 0,04 % habe, hat der Senat den Antrag dahingehend ausgelegt, dass auf einen Fettgehalt von 0,04 g pro 100 g hinzuweisen ist und das Verbot auch entsprechend tenoriert.

Gegenstand des Verfügungsantrages ist zum einen das Verbot, für den Molkedrink der Verfügungsbeklagten blickfangmäßig mit der Angabe „ohne Fett“ zu werben wie auf den Produktabbildungen gemäß Anlagen Ast 9 und Ast 10 (1) sowie zum anderen das Verbot, mit der Auslobung „ohne Fett“ in sonstigen Werbetexten zu werben, ohne im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Angabe und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass das Produkt noch einen Fettanteil von 0,04 g auf 100 g enthält, insbesondere wenn dies geschieht wie in der Internetwerbung gemäß Anlage ASt. 12 (2).

Zu (1): Auf den Verpackungen der Molkedrinks befindet sich an den Seiten und auf dem Deckel als Blickfang herausgestellt die Angabe: „Ohne Fett“, wobei das „O“ drucktechnisch besonders hervorgehoben ist und deutlich an die Ziffer „0“ erinnert. Lediglich an der Seite findet sich unter der Angabe der Pflichtkennzeichnungselemente der Hinweis, dass in dem Produkt auf 100 g 0,04 g Fett enthalten sind, auf der anderen Seite ist im Fließtext der Hinweis zu lesen, dass „so gut wie kein Fett“ in dem Drink enthalten sei.

Diese Gestaltung der Verpackung verstößt unter dem Gesichtspunkt einer irreführenden Blickfangwerbung gegen §§ 3, 5 Abs. 1, UWG, so dass der Verfügungsklägerin nach § 8 Abs. 1 UWG ein Unterlassungsanspruch zusteht.

Maßgebend für die Beurteilung einer Werbeaussage nach § 5 UWG ist das Verständnis des angesprochenen Verkehrs. Die von der Verfügungsklägerin beanstandete Produktaufmachung betrifft einen Molkedrink mit einem sehr geringen Fettgehalt und damit ein Produkt, das sich an ernährungsbewusste Verbraucher wendet, mithin auch an die Mitglieder des Senats. Da auch die Mitglieder des Senats als Adressaten der Werbung angesprochen sind, kann der Senat selbst beurteilen, wie eine solche Werbung aufgefasst wird (BGH GRUR 2002, 182 (184) – Das Beste jeden Morgen). Für das Verkehrsverständnis ist die durch die Werbung vermittelte Vorstellung eines situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers maßgebend (BGH GRUR 2002, 550 (552) Elternbriefe; BGH WRP 2003, 275 – Thermal Bad), der die Werbung mit dem Wissen und den Erfahrungen eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers zur Kenntnis nimmt (BGH GRUR 2004, 244 (245) – Marktführerschaft; BGH WRP 2005, 480 – Epson Tinte).

Von einer Blickfangwerbung spricht man, wenn im Rahmen einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt werden, womit wiederum die Aufmerksamkeit des Publikums erweckt werden soll (Bornkamm in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004, § 5 Rn. 2.91).

Eine solche blickfangmäßig herausgestellte Angabe darf zwar unvollständig, für sich genommen aber nicht objektiv unrichtig sein. Ein durch den Blickfang vermittelter unrichtiger oder missverständlicher Eindruck kann durch nicht am Blickfang teilhabende, aufklärende Angaben in derselben Werbung, denen sich der gemeinte Sinngehalt der blickfangmäßig hervorgehobenen Angabe bei näherer Befassung entnehmen lässt, nicht mehr korrigiert werden (BGH GRUR 2000, 911 (913 f.) – Computerwerbung; Dreyer in Harte-Bavendamm, § 5, Rn. 174), denn der Tatbestand der Irreführung ist schon dann vollendet, wenn das Publikum durch den – den falschen Anschein erweckenden – Blickfang veranlasst wird, sich mit dem Angebot näher zu beschäftigen (siehe etwa: BGH GRUR 1990, 282, 286 – Wettbewerbsverein IV und BGH GRUR 2002, 715, 716 – Scanner-Werbung).

Nach diesen Grundsätzen ist die von der Verfügungsklägerin angegriffene Produktaufmachung irreführend. Bei dem verständigen Durchschnittsverbraucher, der aufgrund der Werbung für vergleichbare auf dem Markt befindliche Produkte und aufgrund deren Präsentation gewohnt ist, dass die in den Produkten befindlichen Restmengen an Fett exakt angegeben werden, wird, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, der falsche Eindruck erweckt, der von der Verfügungsbeklagten auf den Markt gebrachte Molkedrink sei ein Produkt gänzlich ohne Fett. Der Verbraucher, der sich für derart den Fettgehalt in den Mittelpunkt stellende Produkte interessiert, ist ernährungsbewusst in dem Sinne, dass er zwar nicht eine ernährungsphysiologische Messlatte an die jeweiligen Produkte anlegt, es ihm aber darauf ankommt, (Milch-)Produkte mit möglichst wenig Fettgehalt zu konsumieren. Er versteht die Angabe „ohne Fett“ nach deren Wortsinn, nämlich dahingehend, dass tatsächlich kein Fett in dem Produkt enthalten ist.

Dass 0,04 g Fett auf 100 g nahezu kein Fett darstellen und dieser Fettgehalt ernährungsphysiologisch unbedeutend ist, fällt für die angesprochenen Verkehrskreise nicht ins Gewicht, da es ihnen gerade auf den exakten Kalorien- und Fettgehalt ankommt.

Nimmt der Verbraucher das Produkt aufgrund der falschen Auslobung, ohne Fett zu sein, in die Hand, um dann nach Lektüre der Pflichtangaben festzustellen, dass doch ein geringer Fettanteil enthalten ist, so ist der Irrtum bereits vollendet gewesen, die Aufklärung zu spät erfolgt.

Dass die Verbraucher trotz des werblichen Umfeldes und der Aufmachung der vergleichbaren Produkte ein anderes Sprachverständnis zugrunde legten und unter der Angabe „ohne Fett“ auch einen geringen Fettgehalt verstehen würden, vergleichbar der Bezeichnung „alkoholfrei“ für alkoholfreies Bier, hätte von der Verfügungsbeklagten als ihr günstig und mit dem normalen Sprachgebrauch nicht übereinstimmend, glaubhaft gemacht werden müssen.

Der erweckte Irrtum ist auch erheblich und kaufentscheidend, da ein Vorteil gegenüber den Mitbewerbern, die gänzliche Fettfreiheit, ausgelobt wird, der tatsächlich nicht vorhanden ist.

Soweit die Verfügungsbeklagte sich auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf beruft, das für Süßigkeiten, und damit für schon nicht vergleichbare Produkte, die Bezeichnung ohne Fett trotz eines geringen Fettgehaltes für zulässig erachtet hatte, ist auf folgendes hinzuweisen: Für den Markt der Süßigkeiten stellt sich, jedenfalls derzeit noch, die Frage nach dem Fettgehalt nicht, sondern allenfalls die Frage nach den Kalorien, nach der Verwendung von Kristallzucker oder Zuckerersatzstoffen.

Soweit das OLG Düsseldorf auf Seite 11 des Urteilsumdruckes mit Bezug auf die Entscheidung BGH GRUR 2003, 628 – Klosterbrauer, dort unter II.3, – ohne nähere Begründung auf die fehlende Relevanz einer Irreführung für den Verbraucher hinweist, trägt die Entscheidung des BGH die Argumentation des Oberlandesgerichtes gerade nicht. In der angeführten Entscheidung hat der BGH vielmehr darauf verwiesen, dass „auch die Kaufentscheidung verständiger Verbraucher maßgeblich durch Erwägungen beeinflusst werden kann, die sich einer rationalen Überprüfung entziehen“. Für den in Düsseldorf entschiedenen wie für den hier zu entscheidenden Fall bedeutet das, dass die Frage, ob ein Produkt – seie es Süßigkeiten, seien es Molke- und Joghurt-Drinks – 0,04 % Fett aufweist oder gar kein Fett, bei rationaler Kaufentscheidung nicht maßgebend sein dürfte. Dass sie aber dennoch als maßgebend angesehen wird, wird jedenfalls für den Markt der Molke- und Joghurt-Drinks durch das Auftreten der Mitbewerber und das Verhalten der Konsumenten belegt. Auch die weitere, vom OLG Düsseldorf zitierte Entscheidung „darbo naturrein“ (EuZW 2000, 508), betrifft eine andere Situation, denn es ist allgemein bekannt, dass die Natur nicht unbelastet von Schadstoffen ist.

Einen, eine vergleichbare Ausgangslage begründenden allgemeinen Sprachgebrauch, wonach die Bezeichnung „ohne Fett“ gerade nicht im wörtlichen Sinne zu verstehen ist, hat die Verfügungsbeklagte nicht glaubhaft gemacht.

(2) Mit Bezug auf die in Werbetexten erfolgende Auslobung „ohne Fett“, ohne in direktem Zusammenhang mit dieser Angabe darauf hinzuweisen, dass die Bezeichnung „ohne Fett“ für einen Restfettgehalt von 0,04 g auf 100 g steht, gilt das unter Ziffer 1 Gesagte. Der Unterlassungsanspruch folgt hier aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Ziff. 1 LFGB. Erfolgt in Werbetexten keine Aufklärung über den tatsächlichen Restfettgehalt in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslobung „ohne Fett“, so liegt darin eine Irreführung des Verbrauchers über die Zusammensetzung dieses Lebensmittels, d.h. des Frucht-Molke-Drinks. Der Unterlassungsantrag der Verfügungsbeklagten ist auch hinreichend bestimmt, da bei der konkreten, in dem Antrag in Bezug genommenen Verletzungshandlung, der Werbung im Internet, eine Aufklärung über den tatsächlichen Fettgehalt zu keiner Zeit erfolgte (dazu BGH GRUR 2005, 692 – statt Preis).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Änderung der Verfügungsanträge in zweiter Instanz stellt keine teilweise Rücknahme der Anträge dar, sondern ist allein Ausdruck einer sprachlichen Klarstellung.

(Unterschriften)

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