LG Köln: Facebook gegen StudiVZ – Zulässige Kopie des „Look & Feel“ einer Webseite

1. Ausgehend vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit ist eine Nachahmung erst dann wettbewerbswidrig, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Nachahmen als unlauter erscheinen lassen.

2. Im vorliegenden Fall fehlt es schon an der für die Herkunftstäuschung erforderlichen gewissen Bekanntheit auf dem deutschen Markt im November 2005. Bis September 2006 richtete sich das ausschließlich in englischer Sprache gehaltene Netzwerk der Klägerin ausschließlich an nordamerikanische Schüler und Studenten. Deutsche Studenten und Schüler waren nicht bestimmungsgemäß angesprochen und stellten nicht die angesprochenen Verkehrskreise dar.

3. Bei Webseiten und Inhalten, die jedem registrierten Nutzer frei zugänglich und sichtbar sind, handelt es sich weder um Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, noch um im geschäftlichen Verkehr anvertraute Vorlagen oder Vorschriften technischer Art.

4. Die hinter bestimmten Funktionen eines Sozialen Netzwerks stehenden Ideen sind nicht vor Nachahmung geschützt. Ideenschutz wird von § 4 Nr. 9 UWG nicht gewährt. Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz bezieht sich immer nur auf die konkrete Gestaltung eines Erzeugnisses, nicht auf die dahinter stehende abstrakte Idee.

5. Die graphische – schlichte – Gestaltung einer Webseite stellt in der Regel keinen Herkunftshinweis dar. Das Aussehen und die Gestaltung einer Webseite haben aus Sicht des Verkehrs neben funktionalen Gründen stilistische oder ästhetische Gründe. Es fehlt daher schon an dem für einen markenrechtlichen Schutz erforderlichen markenmäßigen Gebrauch.

6. Allein die äußeren Ähnlichkeiten, Identität der Funktionen, Übereinstimmungen im HTML-Text und in der Benennung von Dateien legen nicht mit der für § 101a Abs. 1 S. 1 UrhG erfoderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit nahe, dass der PHP-Quellcode einer Webseite übernommen wurde, wenn diese Übereinstimmungen und Identitäten auch auf einer Nachprogrammierung der sichtbaren Informationen der nachgeahmten Seite beruhen können.

Landgericht Köln, Urteil vom 16.06.2009 – 33 O 374/08 – Facebook ./. StudiVZ
§§ 3, 4 Nr. 9, 8 UWG

Tenor:

I.Die Klage wird abgewiesen.

II.Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Beide Parteien sind Betreiber von Sozialen Internet Netzwerken. Die Klägerin ist mit ihrem Sozialen Netzwerk „FACEBOOK“ seit dem 4.2.2004 in den USA auf dem Markt. Das Netzwerk der Klägerin richtete sich zunächst nur an Studierende der Universität Harvard. Es wurde nach und nach auf alle Studenten und Schüler in den USA und anschließend auf Kanada erweitert. Jedenfalls seit September 2006 ist offiziell ein Zugriff von E-Mail Adressen auf Facebook möglich, die nicht aus Nordamerika stammen. Inwieweit bereits im Jahre 2005 ein Zugriff für deutsche Nutzer möglich war, ist zwischen den Parteien streitig. Seit Anfang 2008 gibt es Facebook auch in einer deutschsprachigen Version auf dem deutschen Markt.

2
Die Klägerin ist Inhaberin einer deutschen Bildmarke, Register-Nr. 30663271.3 (Bl.174 d.A.). Wegen der Gestaltung der Bildmarke wird auf die Abbildung auf S. 73 der Klageschrift vom 19.11.2008 (Bl. 73 d.A.) Bezug genommen.

3
Die Beklagte ist seit dem 11.11.2005 mit ihrem Netzwerk „STUDIVZ“, seit dem 21.2.2007 mit „B“ und seit dem 28.2.2008 mit „C“ auf dem deutschen Markt.

4
Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte die Gestaltung und den sog. „Look & Feel“ ihrer Webseite nachgeahmt habe. Ein Vergleich der Seiten aus der Anfangszeit des Netzwerks der Beklagten belege, dass sich die Webseiten optisch nur marginal von den Webseiten der Klägerin aus 2005/2006 unterschieden. Die Beklagte habe lediglich eine andere Grundfarbe gewählt und ein eigenes Logo eingesetzt. Ansonsten sei das Aussehen der Seiten in Aufbau, Schriftbild und Funktionalitäten derart ähnlich, dass eine Verwechslungsgefahr bestehe und der gute Ruf der Klägerin beeinträchtigt würde. Diese Gefahren hätten sich zum Teil schon realisiert, wie diverse Blog-Beiträge und auch Artikel mit Plagiatsvorwürfen im Internet belegten. Die Stylesheets der Webseiten seien quasi identisch, so dass sie untereinander austauschbar seien. Wegen der Einzelheiten zum „Look & Feel“ der klägerischen Webseite wird auf die S. 13-16 der Klageschrift (Bl. 13-16 d.A.) verwiesen. Wegen der Plagiatsvorwürfe wird auf das Anlagenkonvolut K 13 (Bl. 267-397 d.A.) Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten bzgl. der Übereinstimmungen insbesondere der Stylesheets der Parteien bezieht sich die Klägerin auf die Ausführungen des Privatgutachters Schrader (Anlage K 12, Bl. 226-266 d.A.). Hinsichtlich der Rufschädigung wird auf die Ausführungen auf den S. 59-62 der Klageschrift (Bl. 59-62 d.A.) verwiesen.

5
Die Klägerin behauptet, dass sie bereits im Oktober 2005 Mitbewerber, jedenfalls potentieller Mitbewerber und auf dem deutschen Markt bekannt gewesen sei. Seit diesem Zeitpunkt habe sie begonnen, ihr Netzwerk auf internationale Schulen und Universitäten im europäischen Raum auszuweiten. Auch deutschen Nutzern sei ein Zugriff möglich gewesen entweder durch eine Einladung oder als Austauschschüler/-student. Ende 2005 hätten bereits etwa 14.000 Nutzer aus Deutschland das Netzwerk der Klägerin genutzt. Wegen des weiteren diesbezüglichen Vorbringens wird auf die S. 9-12 des Schriftsatzes vom 6.4.2009 (Bl. 991-994 d.A.) verwiesen.

6
Des Weiteren handelt es sich nach Ansicht der Klägerin um eine unlautere Nachahmung, weil die Beklagte über Jahre hinweg zeitlich versetzt systematisch die wesentlichen technischen Funktionen, die die Klägerin auf ihrer Webseite anbietet, übernommen habe und auch weiter übernehme. So seien die Kernfunktionen der Webseite der Klägerin, die poke-Funktion, die wall-Funktion sowie die groups-Funktion übernommen worden. Zu den weiteren diesbezüglichen Ausführungen wird auf die S.12-15 (Bl. 752-755 d.A.) des Schriftsatzes vom 13.3.2009 verwiesen. Aus jüngerer Zeit seien die ahead-type- Funktion und die Freundeslistenfunktion zu nennen. Wegen der Einzelheiten zu den Funktionsübernahmen bezieht sich die Klägerin auf die S. 15-17 des Privatgutachtens der Sachverständigenbüros T (Bl. 801-803 d.A.). Weiter wird auf die S. 11-16 des Schriftsatzes vom 13.3.2009 (Bl. 751-756 d.A.) verwiesen.

7
Die Kenntnisse zur Nachahmung ihrer Seite hätte die Beklagte – so die Klägerin – auf unlautere Weise erhalten.

8
Die Klägerin behauptet weiter, dass die Beklagte durch die Einführung ihrer Nachahmung den Markteintritt der Klägerin mit ihrem „Originalnetzwerk“ behindert habe. Die Besonderheiten des Marktes für Soziale Netzwerke führten dazu, dass das erste Soziale Netzwerk am Markt auf lange Sicht auch das größte bliebe. Wegen des diesbezüglichen weiteren Vorbringens der Klägerin wird auf die S. 71 der Klageschrift (Bl. 71 d.A.) Bezug genommen.

9
Weiter sieht die Klägerin in der Verwendung des Aussehens der Seiten eine Verletzung ihrer Rechte an ihrer Marke. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die S. 72—79 der Klageschrift (Bl. 72-79 d.A.) Bezug genommen.

10
Schließlich behauptet die Klägerin, dass die Beklagte nicht nur das Aussehen und den „Look & Feel“ ihrer Webseiten nachgeahmt habe, sondern dass die Beklagte unberechtigt ihren PHP-Quellcode verwendet habe. Als Indizien für eine Übernahme gibt sie an:

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* die optische Identität der Webseiten,
* der identische Funktionsumfang,
* das Auftreten identischer, lediglich ins Deutsche übersetzter Texte,
* der identische Ablauf der Dialogfolgen,
* die Übereinstimmung der Stylesheets,
* die Identitäten bei PHP- und HTML-Dateinamen,
* die Übereinstimmung in Aufbau und Struktur (Dokumentinhaltsbaum) der Webseiten,
* die Auskommentierungen im HTML-Code,
* die für eine Nachahmung vollkommen unnötigen buchstabengetreuen und bytegrößengenauen Übereinstimmungen im HTML-Text.

12
Eine Übernahme des auf dem Server der Klägerin befindlichen PHP-Quellcodes sei auch nicht ausgeschlossen, da es immer wieder zu Sicherheitslücken kommen könne, wie etwa geschehen im Jahre 2007. Des Weiteren stützt die Klägerin ihre Behauptung darauf, dass einer der Mitbegründer von StudiVZ während seines Amerikaaufenthaltes die Seite der Klägerin eingehend studiert habe und es diesem gelungen sei, innerhalb von wenigen Monaten nach Rückkehr die StudiVZ-Seite auf den Markt zu bringen. Neben den weitergehenden Aufgaben wie die Finanzierung, die Bewerbung des Netzwerks könne – so die Klägerin – nicht genügend Zeit für eine eigenständige Programmierung verblieben sein. Die Klägerin hält eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Urheberrechtsverletzung für dargetan. Wegen des diesbezüglichen Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 6.4.2009 (Bl. 983 ff. d.A) verwiesen.

13
Da die Beklagte schuldhaft gehandelt habe, stehe ihr sowohl der Auskunftsanspruch als auch ein Schadensersatzanspruch zu. Der Schadensersatzanspruch ergebe sich zudem aus der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten. Ein Gründer der Beklagten hätte entgegen der AGB der Klägerin die Informationen über das Aussehen, die Funktionalitäten u.a. im Rahmen seiner Mitgliedschaft bei Facebook erlangt. Die AGB der Klägerin würden jedoch eine Klausel enthalten (Bl. 81 d.A.), nach der Seiteninhalte nicht verwertet werden dürften.

14
Die Klägerin beantragt,

15
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,

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1. a) im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Angebot eines Sozialen Netzwerks eine Bildschirmoberfläche, wie aus den Anlagen A1 bis A4 ersichtlich, zu verwenden oder verwenden zu lassen,
2. im geschäftlichen Verkehr die Bildmarke der Klägerin Registernummer 30663271.3 wie aus Anlage A5 ersichtlich zu benutzen, insbesondere unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen, wie in Anlagenkonvolut K 5 geschehen,
3. den Quellcode wie auf der DVD in Anlage K22 ersichtlich oder Bearbeitungen hiervon zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen,

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2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin wegen der Handlungen gem. Klageantrag 1 für die Zeit seit dem 1.1.2005 Schadensersatz für die dadurch eingetretenen und künftig noch eintretenden Schäden zu leisten,

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3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin, bezogen auf den in Klageantrag zu 2) genannten Zeitraum, schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Zeitpunkte und Umfang von Handlungen nach Klageantrag zu 1) sowie in welcher Höhe die Beklagte Erlöse infolge der Handlungen gemäß Klageantrag zu 1) erzielt hat, insbesondere – aber nicht darauf beschränkt – aus Werbung und Kooperationen mit anderen Unternehmen, und wie hoch die diesen Erlösen gegenüberstehenden Gemeinkosten sind,

19
4. durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen die Besichtigung anzuordnen

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a) des Source Codes der von der Beklagten für ihre Internetseite www.Anonym1/net, www.anonym2.net sowie www.Anonym3.net entwickelten Software in allen Versionsnummern, insbesondere, aber nicht ausschließlich, der Programmfunktionalitäten „about.php“, „announce.php“, „contact.php“, „login.php“, „help.php“, „jobs.php“, „policy.php“, „register.php“, „reset.php“, „terms.php“, „poke.php“, „groups.php“, „wall.php“, „myfb.css“ sowie „A.js“,

21
b) sowie des Source Codes der Beklagten in den Versionen wie sie nach den Zeitpunkten gemäß der auf Bl. 742 f. d.A. aufgeführten Tabelle von der Beklagten eingesetzt wurden, insbesondere aber nicht ausschließlich, in Bezug auf die genannten Funktionen,

22
c) unmittelbar mit dem Source Code in Zusammenhang stehender technischer Dokumentationen, wie Ausdrucke des Source Codes, Ablaufpläne, Strukturübersichten, Grob- und Feinkonzepten, Mechanismen zur Verbindung von Programmmodulen, bestehende Datenstrukturen, Handbücher und technischer Beschreibungen,

23
5. den Sachverständigen zu beauftragen, die bei der Beklagten programmierte und/oder eingesetzte Software, wie sie sich aus Ziff. 4a ergibt, insbesondere, aber nicht ausschließlich die Skripte „about.php“, „announce.php“, „contact.php“, „login.php“, „help.php“, „jobs.php“, „policy.php“, „register.php“, reset.php“, „terms.php“, „poke.php“, „groups.php“, „wall.php“, „myfb.css“ sowie „A.js“ – insbesondere aus dem Zeitraum Ende August 2005/Anfang 2006, aber auch spätere Versionen und Bearbeitungen für die Seiten A, B und C – und hiermit in Zusammenhang stehende Unterlagen daraufhin zu untersuchen, ob diese unter Einsatz des in Anlage A6/K22 übergebenen Source Codes der Klägerin oder Teilen hiervon oder Mitteln der Klägerin wie in Ziff. 4 c beschrieben, erstellt worden sind.

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Die Beklagte beantragt,

25
die Klage abzuweisen.

26
Die Beklagte bestreitet die Mitbewerbereigenschaft der Klägerin zum Zeitpunkt der

27
Markteinführung der Seite A Ende 2005. Jedenfalls sei die Seite der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland unbekannt gewesen, so dass weder eine Herkunftstäuschung noch eine Rufausbeutung in Betracht komme. Zu den Einzelheiten wird auf die S. 62-66 der Klageerwiderung (Bl. 501-505 d.A.) sowie die S. 3-5 des Schriftsatzes vom 24.4.2009 (Bl. 1105-1107 d.A.) verwiesen.

28
Eine Behinderung des Markteintritts der Klägerin durch die Beklagte habe ebenfalls nicht vorgelegen. Die Anfangsschwierigkeiten hätten allein an dem fehlenden Einführungskonzept der Klägerin gelegen. Die Klägerin habe mittlerweile eine deutschsprachige Version eingeführt und ihr Konzept geändert, was auch Wirkung zeige. Wegen der weiteren Einzelheiten zum diesbezüglichen Vortrag der Beklagten wird auf die S. 8-10 und 57-58 der Klageerwiderung vom 20.2.2009 (Bl. 447-449, 496-498 d.A.) Bezug genommen.

29
Die Beklagte räumt zwar ein, dass ihr das Netzwerk der Klägerin – neben anderen Sozialen Netzwerken – als Vorbild gedient habe. Die übernommenen Gestaltungen und Funktionen seien jedoch nicht wettbewerblich eigenartig gewesen. Vielmehr hätten sie dem Stand der Technik zum damaligen Zeitpunkt entsprochen. Wegen der näheren Einzelheiten zur fehlenden wettbewerblichen Eigenart des Look & Feel von Facebook wird auf die S. 10-34 der Klageerwiderung (Bl. 449-473 d.A.) verwiesen.

30
Die Beklagte bestreitet ferner, dass ein systematisches Nachahmen der Funktionalitäten vorliege.

31
Einen Anspruch aus der Marke könne die Klägerin nicht herleiten, da der Bildmarke keine Kennzeichnungskraft zukomme, die Beklagte die Gestaltung der Seite nicht markenmäßig verwende und auch nicht die Mindestvoraussetzung der Zeichenähnlichkeit gegeben sei. Wegen des weiteren Vortrags wird auf die S. 73-76 der Klageerwiderung (Bl. 513-515 d.A.) Bezug genommen. Hilfsweise beruft sie sich darauf, dass ihr die ältere Benutzungsmarke zustehe (Bl. 515-517 d.A.).

32
Schließlich bestreitet die Beklagte, den PHP-Code der Klägerin übernommen zu haben. Dies sei zum einen kaum möglich, da es sich bei dem PHP-Quellcode um das auf den Web- und Datenbankservern des Betreibers der Webseite ablaufende Computerprogramm handele. Der Code befinde sich daher lediglich auf dem Server der Klägerin an deren Sitz in den USA, auf den die Beklagte keinen Zugriff habe noch gehabt habe. Ein Besichtigungsanspruch sei zum anderen schon deshalb abzulehnen, weil die Klägerin weder zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit ihres Programms vorgetragen habe noch die Indizien, die sie aufführe, den Schluss auf eine PHP-Quellcodeübernahme zuließen. Zum weiteren Vortrag der Beklagten, weshalb die seitens der Klägerin vorgebrachten Indizien nicht den Schluss auf eine PHP-Quellcodeübernahme zulassen, wird auf die S. 2-8 des Schriftsatzes vom 22.4.2009 (Bl. 1078-1084 d.A.) sowie auf das Privatgutachten Carle vom 19.4.2009 (Bl. 1093-1097 d.A.) Bezug genommen.

33
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

34
Entscheidungsgründe

35
Die Klage ist insgesamt unbegründet.

36
I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Bildschirmoberflächen wie aus den Anlagen A1- A4 ersichtlich zu. Ein solcher Unterlassungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus den §§ 3, 4 Nr. 9, 8 UWG.

37
1. Auch wenn Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten bzgl. der graphischen und funktionalen Gestaltung der Bildschirmoberflächen der Netzwerke der Parteien nicht zu übersehen sind, so liegt eine Unlauterkeit der Nachahmung im Sinne des § 4 Nr. 9 a) UWG nicht vor. Ausgehend vom Grundsatz der Nachahmungsfreiheit ist eine Nachahmung erst dann wettbewerbswidrig, wenn besondere Umstände vorliegen, die das Nachahmen als unlauter erscheinen lassen.

38
Unlauter handelt gem. § 4 Nr. 9 a), wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, und er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Die Gefahr einer Täuschung über die betriebliche Herkunft eines nachgeahmten Erzeugnisses setzt, sofern nicht Original und Nachahmung nebeneinander vertrieben werden und der Verkehr damit beide Produkte unmittelbar miteinander vergleichen kann, voraus, dass das nachgeahmte Erzeugnis eine gewisse Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise erlangt hat. Das Erzeugnis muss bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise eine solche Bekanntheit erreicht haben, dass sich in relevantem Umfang die Gefahr einer Herkunftstäuschung ergeben kann, wenn Nachahmungen vertrieben werden (vgl. nur BGH GRUR 2007, 984 Tz 34 – Gartenliege). Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung (vgl. BGH Urteil vom 9.10.2008, I ZR 126/06 – Gebäckpresse Tz 35 m.w.N.).

39
Im vorliegenden Fall fehlt es an der für die Herkunftstäuschung erforderlichen gewissen Bekanntheit auf dem deutschen Markt. Unstreitig ist Facebook zu Beginn im Jahr 2004 nur für Studierende der Harvard Universität zugänglich gewesen. Die Öffnung erfolgte schrittweise zunächst bezogen auf Studenten und Schüler in Nordamerika und schließlich offiziell im September 2006 weltweit. Da A bereits im November 2005 auf dem deutschen Markt angeboten wurde, kommt es darauf an, ob zum damaligen Zeitpunkt – im November 2005 – Facebook bereits eine gewisse Bekanntheit auf dem deutschen Markt erlangt hatte. Eine solche ist nicht ersichtlich. Bis September 2006 richtete sich das ausschließlich in englischer Sprache gehaltene Netzwerk der Klägerin ausschließlich an nordamerikanische Schüler und Studenten. Deutsche Studenten und Schüler waren nicht bestimmungsgemäß angesprochen und stellten nicht die angesprochenen Verkehrskreise dar.

40
Wenn die Klägerin vorträgt, dass bereits vor der offiziellen weltweiten Öffnung im Jahre 2005 ca. 14.000 deutsche Nutzer Mitglieder von Facebook und auch internationale Schulen in einigen Ländern Europas vernetzt gewesen seien, so führt dies noch nicht zur erforderlichen Bekanntheit auf dem deutschen Markt. Die Austauschschüler sind gerade nicht als Abnehmer auf dem deutschen Markt auf Facebook gestoßen, sondern haben sich als Austauschschüler während ihres Auslandsaufenthalts auf dem amerikanischen oder sonstigen internationalen Markt bei Facebook registrieren können. Sie sind also als amerikanische Internetnutzer angesprochen worden und nicht als deutsche. Dass Facebook bei Austauschschülern bereits vor der weltweiten Öffnung im September 2006 bekannt gewesen sein mag, kann daher keine Bekanntheit bei nicht unerheblichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise auf dem deutschen Markt begründen.

41
Der Klägerin kann auch nicht eine eventuelle Bekanntheit in anderen europäischen Ländern zugute kommen. Es kann dahinstehen, ob einige internationale Schulen in Europa bereits 2005 mit Facebook vernetzt waren. Der ausländische Wettbewerber mag zwar Gleichbehandlung genießen. Das ändert jedoch nichts daran, dass er auch die nach inländischem Recht erforderlichen Tatbestandsmerkmale erfüllen muss (vgl. BGH a.a.O. – Gebäckpresse Tz. 35). Mangels Bekanntheit auf dem deutschen Markt zum Zeitpunkt der Markteinführung von A kommt der Unlauterkeitstatbestand der vermeidbaren Herkunftstäuschung nicht in Betracht.

42
Der Vortrag, dass bereits vor der offiziellen Öffnung über Einladungen auch deutsche Schüler und Studenten bei Facebook registriert werden konnten, ist – was die Bekanntheit auf dem deutschen Markt anbetrifft – nicht hinreichend substantiiert. Es ist nichts dazu vorgetragen, wie viele deutsche Nutzer, die nicht Austauschschüler/-studenten oder an bereits vernetzten internationalen Schulen bzw. Universitäten aufgenommen waren, im Herbst 2005 aufgrund von Einladungen bei Facebook registriert worden sind. Im Übrigen wäre auch diese Möglichkeit der Registrierung kein an den deutschen Markt gerichtetes Angebot, sondern ein um vereinzelte deutsche Mitglieder erweitertes Angebot auf dem amerikanischen Markt.

43
2. Ein Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 9 b) UWG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Als unlauter gilt nach § 4 Nr. 9 b) UWG eine Nachahmung auch dann, wenn der Nachahmer die „Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt“. Die setzt voraus, dass das Originalprodukt eine „Wertschätzung“ genießt. Dies wiederum setzt eine gewisse Bekanntheit voraus, die jedoch – wie bereits ausgeführt – nicht festgestellt werden kann.

44
3. Eine Unlauterkeit wegen unredlicher Erlangung von Kenntnissen oder Unterlagen im Sinne des § 4 Nr. 9 c) UWG ist nicht substantiiert vorgetragen.

45
a) Wenn die Klägerin behauptet, dass die Beklagte ihren PHP-Quellcode auf illegale Weise erlangt habe, so stellen sich diese Behauptungen als bloße Vermutungen dar. Dazu, wie die Beklagte an den geheimen, sich allein auf dem Web- und Datenbankserver der Klägerin befindlichen PHP-Quellcode gelangt sein soll, hat die Klägerin nicht substantiiert vortragen können. Der allgemeine Hinweis auf die Schwierigkeiten, sich vor Hackern und sonstigen rechtswidrigen Zugriffen zu schützen, oder der Hinweis auf Sicherheitslücken wie die aus dem Jahr 2007, genügen nicht, der Beklagten unredliche Kenntniserlangung vorzuwerfen.

46
b) Auch bezogen auf die Webseiten und die sichtbaren Inhalte steht der Klägerin kein Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 9c), 8 UWG zu. Die Klägerin stützt ihren Anspruch darauf, dass einer der Gründer der Beklagten während seines Amerikaaufenthalts als Praktikant Mitglied von Facebook geworden war und sich so die Kenntnisse über Facebook verschafft habe.

47
Nach § 4 Nr. 9 c) UWG handelt unlauter, wer die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat. Der Begriff der Unredlichkeit erfasst zunächst alle Formen der strafbaren Erlangung von Kenntnissen und Unterlagen (BGH GRUR 2003, 356, 357 – Präzisionsmessgeräte). Dazu gehören die Tatbestände der §§ 17, 18 UWG, mit denen andere Straftatbestände konkurrieren können (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. § 9 Rn. 9.61). Da es sich bei den jedem registrierten Nutzer von Facebook zugänglichen Webseiten weder um Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse handelt noch um im geschäftlichen Verkehr anvertraute Vorlagen oder Vorschriften technischer Art, sind die Tatbestände der §§ 17, 18 UWG nicht erfüllt.

48
Unredlich erlangt sind Kenntnisse oder Unterlagen zwar auch dann, wenn ihre Mitteilung oder Wiedergabe durch Täuschung bewirkt wurde oder unter Vertrauensbruch missbräuchlich zur Nachahmung ausgenutzt wurden (Hefermehl(Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 9 Rn. 9.62). Aber auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

49
Zunächst durfte sich auch der Gründer der Beklagten grundsätzlich als Mitglied bei Facebook registrieren. Dass er dies als Praktikant eines Geschäftspartners während seines Aufenthalts in den USA getan hat, ändert nichts daran, dass er einfaches Mitglied bei Facebook war. Die Informationen über das Aussehen, die Funktionalitäten etc. hat er im Rahmen seiner legitimen Mitgliedschaft in Erfahrung gebracht, so dass ein unlauteres in Besitz bringen nicht vorliegt. Für die Frage des Vertrauensbruchs ist nämlich stets zu fragen, ob die sonst nicht ohne weiteres zugänglichen Kenntnisse oder Unterlagen für die Herstellung und Vermarktung der Erzeugnisses gerade aufgrund des Vertrauensverhältnisses zugänglich gemacht wurden (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 4 Rn. 9.62). Die Webseiten der Klägerin waren jedoch allen Studenten in den USA zugänglich, da allein die Registrierung ausreichte. Es handelt sich damit nicht um „nicht ohne weiteres zugängliche Kenntnisse oder Unterlagen“. Dass dem Gründer von D aufgrund seiner Eigenschaft als Praktikant eines Geschäftspartners von Facebook gerade wegen der Geschäftsbeziehungen besondere Informationen über Facebook zugänglich gemacht worden wären, ist nicht vorgetragen.

50
4. Auch der Anspruch auf Unterlassung wegen unlauterer Behinderung gem. § 4 Nr. 9 UWG ist unbegründet.

51
a) Die Klägerin behauptet zwar, dass sie durch die Markteinführung der Nachahmung behindert worden sei. Eine unlautere Behinderung ist dann anzunehmen, wenn dem Schöpfer des Originals durch das Anbieten der Nachahmung die Möglichkeit genommen wird, sein Produkt in angemessener Zeit zu vermarkten (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 4 Rn. 9.64).

52
Auch wenn die Entwicklung bei Facebook in Deutschland besonders schleppend vorangegangen sein sollte, ist eine Behinderung durch die Beklagte nicht ersichtlich. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zunächst im September 2006 nur mit einer englischsprachigen Version auf den deutschen Markt eingeführt wurde. Die deutschsprachige Version von Facebook existiert erst seit März 2008. Die jüngere positive Entwicklung zeigt, dass Facebook sich nunmehr auch auf dem deutschen Markt etabliert hat. Dass die Startschwierigkeiten gerade auf die Existenz der Beklagten in ihrer nachgeahmten Gestaltung und nicht etwa auf sprachliche bzw. kulturelle Barrieren zurückzuführen sind, ist nicht hinreichend dargetan.

53
Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass der durchschnittliche deutsche Student oder Schüler der englischen Sprache mächtig ist, handelt es sich bei einem Sozialen Netzwerk doch um eine Einrichtung, bei der es um Vermittlung von privaten Informationen und Gedanken und um das Finden von neuen bzw. Auffinden von alten Freunden geht. Dass deutsche Nutzer die englische Sprache derart beherrschen, dass sie gewillt sind, die auf einem Sozialen Netzwerk üblicherweise stattfindende Kommunikation in englischer Sprache zu führen, erscheint wenig naheliegend. Auch wenn es sich nicht um sprachlich anspruchsvolle Mitteilungen handelt, erscheint es erforderlich, dass man sich in einer Sprache wohl fühlen und sich zwanglos mitteilen können muss. Dass dies bei dem durchschnittlichen deutschen Studenten oder Schüler gegeben ist, davon kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Nachvollziehbare Belege für ihre anderweitige Behauptung hat die Klägerin nicht vorlegen können.

54
Schließlich ist ein Netzwerk, das zunächst nur an nordamerikanische Studenten und Schüler adressiert war, auch in Bezug auf das Finden neuer und insbesondere Auffinden alter Freunde für deutsche Nutzer von wenig Interesse. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Klägerin zur Behinderung durch StudiVZ nicht hinreichend substantiiert.

55
b) Eine Behinderung wegen systematischer Nachahmung einer Vielzahl von Erzeugnissen ist ebenfalls nicht gegeben. Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte seit Jahren systematisch fast alle Funktionalitäten bei Facebook nach und nach übernommen habe. Grundsätzlich kann der systematische Nachbau behindernd sein (siehe BGH GRUR 1996, 210 ff. – Vakuumpumpen). In dem vom BGH entschiedenen Fall handelte es sich jedoch um technische Produkte, deren technisch-funktionale Gestaltungselemente frei wählbar waren. Vorliegend geht es indessen nicht um die Nachahmung einer Vielzahl von Erzeugnissen, sondern um die Nachahmung einer Vielzahl von bestimmten Funktionalitäten eines Sozialen Netzwerks. Diese Funktionen sind zwar frei wählbar; letztlich geht es jedoch um die Idee einer bestimmten Funktion. Ideenschutz wird von § 4 Nr. 9 UWG nicht gewährt. Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz bezieht sich immer nur auf die konkrete Gestaltung eines Erzeugnisses, nicht auf die dahinter stehende abstrakte Idee. Entsprechendes gilt für sonstige allgemeine Gedanken oder Lehren, wie z.B. einen bestimmten Stil, eine bestimmte Technik oder Methode (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. § 4 Rn. 9.23 m.w.N.).

56
II. Ein Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 5, Abs. 1 MarkenG ist ebenfalls unbegründet. Die Bildmarke der Klägerin, die aus der Abbildung von graphischen Elementen ihrer Webseite besteht, ist zwar grds. kennzeichnungskräftig. Die Marke der Klägerin wird von der Beklagten jedoch nicht markenmäßig verwendet.

57
Der Begriff des kennzeichenmäßigen Gebrauchs wird von der Rechtsprechung als im Interesse eines umfassenden Kennzeichenschutzes grundsätzlich weit zu fassen bezeichnet. Es genügt die objektive, nicht völlig fernliegende Möglichkeit, dass der Verkehr einen Herkunftshinweis annimmt (vgl.Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl. § 14 Rn. 102 m.w.N.). Dass der angesprochene Verkehr in dem Layout der Webseite der Beklagten trotz bzw. neben dem sichtbaren Logo „A“ einen Herkunftshinweis sieht, erscheint jedoch fernliegend. Der Verkehr erwartet in der Regel nicht, dass die graphische Darstellung einer Webseite einen Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistung darstellen soll. Das Aussehen und die Gestaltung einer Webseite haben aus Sicht des Verkehrs neben funktionalen Gründen stilistische oder ästhetische Gründe. Dass der Aufbau und das Aussehen einer Internetseite einen Hinweis auf die Herkunft darstellen, käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Ausgestaltung in besonderer Weise auffällig wäre.

58
Die graphische Gestaltung der Marke bzw. der Bildschirmoberfläche von Facebook weisen indes keine auffälligen Besonderheiten auf, sondern sind gerade möglichst schlicht gehalten und an den Funktionalitäten orientiert. Zwar kann gerade auch eine schlichte Darstellung auffällig und damit dem Grundsatz nach herkunftshinweisend sein. Im vorliegenden Fall – in welchem der Verkehr keine herkunftshinweisende Funktion erwartet und ein Logo sichtbar platziert ist – reicht die Schlichtheit der Gestaltung nicht aus, um eine markenmäßige Nutzung zu bejahen.

59
III. Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus §§ 97 Abs. 1, 69a UrhG zu. Ihr Vortrag zu der von ihr behaupteten PHP-Quellcodeübernahme stellt sich als nicht hinreichend substantiiert dar. Deshalb hat die Klägerin zusätzlich einen Antrag auf Besichtigung gem. § 101a Abs. 1 S. 1 UrhG gestellt.

60
Ein Anspruch auf Besichtigung ist jedoch ebenfalls unbegründet. Die Klägerin hat die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Quellcodeübernahme – wie sie nach § 101a Abs. 1 S. 1 UrhG erforderlich ist – nicht dargetan. Nach § 101a Abs. 1 S. 1 UrhG kann, wer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Urheberrecht eines anderen widerrechtlich verletzt, von dem Verletzten auf Besichtigung einer Sache in Anspruch genommen werden. Die von der Klägerin vorgetragenen Indizien stellen sich als Vermutungen dar, sie weisen jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine widerrechtliche Quellcodeübernahme hin. Die meisten Indizien wie die äußeren Ähnlichkeiten, Identität der Funktionen, Übereinstimmungen im HTML-Text und in der Benennung von Dateien führen nicht zu dem Schluss, dass der PHP-Quellcode übernommen wurde, sondern diese Übereinstimmungen und Identitäten können auch darauf beruhen, dass die Gründer der Beklagten – was unstreitig ist – die Webseiten der Klägerin kannten und diese mit Hilfe der sichtbaren Informationen in Anlehnung an die Seite der Klägerin nachprogrammiert haben bzw. haben lassen.

61
Davon ist auch die Klägerin, die seit Jahren Kenntnis von den Ähnlichkeiten in Aufbau, Aussehen und Funktionen hat, bislang selbst ausgegangen. Dass sie nunmehr annimmt, dass nicht nur eine Nachprogrammierung, sondern eine PHP-Quellcodeübernahme stattgefunden haben muss, beruht nicht auf weiteren, neuen Indizien, sondern sie stützt diese Annahme hauptsächlich auf die Ergebnisse der von ihr im Jahre 2008 beauftragten Privatgutachten. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass eine Quellcodeübernahme wahrscheinlich ist, weil – wie in den Gutachten im einzelnen dargelegt – neben den Übereinstimmungen im Aussehen, Aufbau und Funktionalitäten u.a. identische Dateinamen, identische Dateiabfolgen und nahezu identische Stylesheets verwendet wurden und insbesondere Auskommentierungen im HTML-Code vorhanden sind. Äußere Anhaltspunkte wie etwa ein Mitarbeiterwechsel liegen nach wie vor nicht vor.

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Die Privatgutachten der Klägerseite setzen sich jedoch nicht mit der Situation eines Programmierers auseinander, der die Aufgabe gestellt bekommt, anhand der bereits in den USA zugänglichen Webseite der Klägerin eine entsprechende Webseite in deutscher Sprache zu programmieren. Diese Situation unterstellt, sind die Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen in Aufbau, Aussehen und Funktionen nicht verwunderlich, sondern naheliegend. Wenn einem Programmierer die Aufgabe gestellt wird, anhand der Seite der Klägerin und deren öffentlich zugänglichen HTML-Texten und Stylesheets eine identische Seite lediglich in deutscher Sprache zu erstellen, wäre es fernliegend, dass der Programmierer sich nicht die sichtbaren Teile zunutze macht, sondern dazu übergeht, alle Dateinamen und Abläufe neu zu erfinden. Die Schwäche der Privatgutachten der Klägerin liegt darin, dass sie nur zwei Möglichkeiten berücksichtigen. Sie unterstellen einmal die Situation eines Programmierers, der ohne jegliche Vorgabe und ohne Kenntnis von Facebook ein Soziales Netzwerk neu erschafft und einmal die Situation eines Programmierers, dem der PHP-Quellcode zur Verfügung steht. Die Gutachten berücksichtigen nicht und nehmen daher keine Stellung dazu, wie es sich verhält, wenn einem Programmierer seitens der Beklagten die konkrete Aufgabe der Nachprogrammierung etwa unter Nutzung der Webseiten, der HTML-Texte und Stylesheets der Klägerseite gestellt wurde. Eine solche Aufgabenstellung würde die Übereinstimmungen in Namen, Aussehen und Funktionen erklären. Sie würde auch die Verwendung der Bezeichnung „poke“ sowie eines Dateinamens „fakebook“ erklären.

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Selbst die Auskommentierungen im HTML-Text lassen nicht den Schluss auf einen PHP-Quellcodediebstahl zu. Unterstellt man eine Nachprogrammierung unter Zuhilfenahme aller öffentlich zugänglichen Informationen bzgl. Facebook, liegt es nahe, dass bestimmte Funktionen, die die Klägerin integriert hatte, von der Beklagten zunächst nicht angeboten werden sollten. Die Auskommentierungen können vorgenommen worden sein, wenn die Beklagte die nachprogrammierten Funktionen, die auf der Seite der Klägerin vorhanden waren, zunächst nicht anbieten, sich aber die Option einer späteren Anwendung vorbehalten wollte. Dass dies eine Erklärung für das Vorhandensein von Auskommentierungen im HTML-Code sein kann, ist vom Sachverständigen Carle bestätigt und von den Sachverständigen T als Möglichkeit nicht ausgeschlossen worden.

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Anders als in dem vom BGH (GRUR 2002, 1046-1049 – Faxkarte) entschiedenen Fall gibt es neben den Ähnlichkeiten, die das Programm selbst betreffen, keinen weiteren außerhalb des Programms liegenden Anhaltspunkt, der für eine Quellcodeübernahme sprechen würde. Dem BGH reichten im o.g. Fall für eine gewisse Wahrscheinlichkeit nach § 809 BGB die zahlreichen Übereinstimmungen der Programme verbunden mit der Möglichkeit, dass das Programm über den früheren Mitarbeiter des Verletzten zum Verletzer gelangt ist. Übereinstimmungen der Programme können daher allein nicht genügen. Mehr hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen. Die Klägerin beschränkt sich hinsichtlich der Möglichkeit der Kenntniserlangung durch die Beklagte auf bloße Vermutungen wie allgemeine Sicherheitslücken, ohne im Detail vorzutragen, ob ihr konkret Sicherheitslücken, und zwar solche, die über Jahre hinweg immer wieder aufgetreten sind, bekannt sind. Da nach ihrem eigenen Vortrag immer wieder über Jahre neue Funktionalitäten übernommen worden sind, müsste daher jahrelang immer wieder auf ihren PHP-Code zugegriffen worden sein. Sie hat jedoch nichts dazu vorgetragen, wie eine Übernahme des allein auf ihrem Server liegenden Quelltextes möglich gewesen sein soll, welche Sicherheitsmaßnahmen sie eingerichtet hat, die dennoch ständig überwunden werden konnten.

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Die Ähnlichkeiten der sichtbaren Teile der Programme sowie die Auskommentierungen allein, die auch auf nachschaffende Nachprogrammierung beruhen können, lassen für sich betrachtet nicht auf eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Quellcodeübernahme schließen.

66
IV.
Der Antrag auf Feststellung eines gesonderten Schadensersatzanspruchs gem. § 280 BGB wegen Verstoßes gegen die AGB von Facebook durch einen der Gründer der Beklagten ist ebenfalls unbegründet, da die Beklagte selbst nie Vertragspartner der Klägerin war.

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V.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.

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Streitwert: 1.000.000,– €

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