LG Hamburg: Job-Scout gegen City-Scout – Kein Unterlassungsanspruch aus einer jüngeren Markenserie gegen ältere Marke

Bei unberechtigter markenrechtlicher Abmahnung sind die Rechtsanwaltskosten des Abgemahnten zu ersetzen.

Es besteht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 14 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG, wenn die eingetragene Marke „City Scout“ mit Priorität vom 27. 06. 1997 – mit Ausnahme gegenüber der Marke „JOB SCOUT“ – durchweg die bessere Priorität gegenüber einer später eingetragenen Markenserie hat.

Die Marke „JOB SCOUT“ ist nur schwach kennzeichnend, weil jeder einzelne Wortbestandteil beschreibend ist und Kennzeichnungskraft nur aus beiden Wortbestandteilen (Gesamteindruck) zu erreichen ist.

Die Tatsache, dass die Beklagte den Kläger offenkundig in Unkenntnis der Markenlage, offensichtlich ohne Markenrecherche, angegriffen hat, begründet Fahrlässigkeit.

LG Hamburg, Urteil vom 01.08.2002 – 315 O 621/01City Scout ./. Job-Scout
§§ 4, 14 MarkenG, § 823 Abs. 1 BGB

Aus dem Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung von durch eine markenrechtliche Abmahnung der Beklagten entstandenen Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

1) Die Beklagte und andere zur Scout-Gruppe gehörende Unternehmen betreiben unter dem Zeichen(-bestandteil) „-Scout“ bzw . „-Scout24“ eine Reihe von Internet-Datenbanken (Anlage B l ); ihnen stehen insgesamt 891 „Scout.de“-Domains zu (Anlage B 2). Der Beklagten stehen darüber hinaus eine Vielzahl eingetragener Marken „…scout“ bzw. „…scout 24“ zu; auf Blatt 21/22 d.A. wird verwiesen. Unter diesen befindet sich die – insoweit für diesen Streit erheblich – älteste Marke „JOB SCOUT“ mit Priorität vom 05.09.1996 mit dem Dienstleistungsbereich

„Personalvermittlung, Stellenvermittlung, Personalleasing, Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit; Personalberatung; Unternehmensberatung“.

Auf Anlage K 6 wird verwiesen.

2) Der Kläger ist Inhaber der Wortmarke „City Scout“ mit Priorität vom 27.06.1997, geschützt fiir den Dienstleistungsbereich

„Stadtführer mit den Schwerpunkten Gastronomie, Veranstaltungskalender und Firmenportraits als CD-Rom, als elektronisches Medium zum Abrufen im Internet und als Druckereierzeugnis“.

Der Kläger betreibt unter der Internet-Adresse ,,www.cityscout.de“ ein gewerbliches Angebot mit bundesweiten Tipps für Restaurants und Veranstaltungen in Großstädten (Anlage K 8).

3) Die Beklagte hat mit anwaltlichem Schreiben vom 06.06.2001 (Anlage K I) den Kläger wegen der Verwendung der Internet-Adresse „www.cityscout.de“ unter Bezugnahme auf ihre zahlreichen „Scout“- bzw. „Scout 24“-Marken abgemahnt und – unter Verweis auf §§ 14 Abs. 5, 15 Abs. 4 MarkenG, §§ 12, 1004 BGB sowie §§ 1,3 UWG – zur Unterlassung der Weiterverwendung aufgefordert. Gleichzeitig hat sie eine anwaltliche Kostenrechnung über Rechtsanwaltsgebühren und Patentanwaltsgebühren, jeweils auf einem Gegenstandswert von DM 500.000,- berechnet, in Höhe von insgesamt DM 9.709,43 beigelegt.

Der Kläger ist dieser Abmahnung unter Hinweis auf die für ihn eingetragenen Marke „City-Scout“ und deren gegenüber den von der Beklagten zitierten Marken besseren Priorität (29.06.1997) entgegengetreten. Die Beklagte hat ihrerseits nunmehr auf die für sie mit Priorität vom 05.09.1996 eingetragene Wortmarke „JOB SCOUT“ mit Priorität vom 05.09.1996 verwiesen und daraus bessere Rechte geltend gemacht. Nachfolgende Verhandlungen blieben ohne Ergebnis; insbesondere hat die Beklagte ihren vermeintlichen Unterlassungsanspruch nicht gerichtlich geltend gemacht.

4) Im vorliegenden Verfahren verlangt der Kläger von der Beklagten Erstattung derjenigen Anwaltskosten, die aus Anlaß seiner Verteidigung gegen die Abmahnung der Beklagten vom 06.06.2001 entstanden sind. Diese belaufen sich – auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von DM 500.000,- unter Zugrundelegung einer 8/10 Geschäftsgebühr gern. § 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO – auf DM 3.967,20 (brutto) – entsprechend 2.028,40 Euro.

Der Kläger macht geltend, daß die Beklagte – aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des rechtswidrigen Eingriffs in den Gewerbebetrieb – diejenigen Anwaltskosten zu erstatten habe, die ihm aus Anlaß der Abmahnung vom 06.06.2001 (Anlage K 1) entstanden seien. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, daß die Kosten einer Verteidigung gegen eine Schutzrechtsverwarnung, auch aus Kennzeichenrecht, von dem Abmahnenden zu erstatten seien. Die Abmahnung vom 06.06.2001 sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil ihm, dem Kläger, gegenüber den Marken der Beklagten wegen seiner Marke „City Scout“ mit Priorität vom 27.06.1997 die besseren Rechte zuständen. Ihre Marke „JOB SCOUT“ mit Priorität vom 05.09.1996 sei der Beklagten nicht behilflich; denn aus jener Marke könne die Beklagte keine Unterlassungsansprüche geltend machen, weil die Vergleichsmarken insoweit nicht verwechslungsfähig seien.

(Die Beklagte) ist der Auffassung, dass Anwaltskosten, die aus einer Verteidigung gegenüber einer – berechtigten oder unberechtigten – Abmahnung entstanden seien, nicht erstattungsfähig seien. Im übrigen sei die Abmahnung zu Recht erfolgt. Jedenfalls aus ihrer prioritätsälteren Marke „JOB SCOUT“ stehe ihr, der Beklagten, ein Unterlassungsanspruch gegen den Kläger zu. Im übrigen sei die streitgegenständliche Bezeichnung „City Scout“ verwechslungsähnlich im Hinblick auf die verschiedenen „Scout“-Marken der Beklagten und den mit ihr verbundenen Unternehmen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage ist begründet.

Der Zahlungsanspruch rechtfertigt sich aus § 823 Abs. I BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb).

Grundsätzlich ist allerdings der Kostenaufwand für die Verteidigung gegen eine unberechtigte Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes nicht erstattungsfähig, und zwar weder aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geschäftsflihrung ohne Auftrag noch des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. Baumbauch/Hefermehl, 22. Auf1., Einl. UWG Rn. 559 – allgemeine Auffassung). Etwas anderes gilt jedoch im Hinblick auf eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung: Wer ohne rechtlichen Grund einen Hersteller oder Abnehmer vor Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts oder eines Kennzeichenrechts (vgl. BGHZ 14, 286 ff. Farina Belgien; Baumbach/Hefermehl, a.a.o.; Allg Rn. 136 mwN) verwarnt, handelt rechtswidrig und kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Entsprechend kann derjenige, der sich gegen eine solche Verwarnung verteidigt und sich dazu anwaltlicher Hilfe bedient, die dadurch entstandenen Kosten von demjenigen erstattet verlangen, der die Abmahnung ausgesprochen hat. Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. z.B. BGH GRLTR 1997, 741/742 – Chinaherde; BGH GRUR 1979, 833 – Brombeerleuchte; BGH GRUR 1974 290 – maschenfester Strumpf; Köhler/Piper, UWG 2. Auf1. 2001, § I, Rn. 380).

Voraussetzung ist, dass die Beklagte den Kläger zu Unrecht abgemahnt hat. Diese Voraussetzung ist erfüllt.

Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger – als Rechtsgrundlage der Abmahnung – keinen Unterlassungsanspruch aus § 14 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG. Die von ihr in der Abmahnung vom 06.06.2001 zitierten zahlreichen Marken sind durchweg nicht behilflich. Denn die eingetragene Marke des Klägers „City Scout“ mit Priorität vom 27. 06. 1997 hat – mit Ausnahme gegenüber der Marke „JOB SCOUT“ – durchweg die bessere Priorität. Insoweit bedarf es an dieser Stelle keiner Erörterung, ob eine der genannten Marken mit der Marke „City Scout“ des Klägers verwechslungsfähig sei oder ob zumindest mittelbare Verwechslungsgefahr (Serienzeichen) in Betracht käme.

Die Beklagte kann aber auch aus ihrer Wortmarke „JOB SCOUT“ mit Priorität vom 05.09. 1996 keine Unterlassungsansprüche herleiten. Denn – obgleich prioritätsälter- fehlt es an der Verwechslungsgefahr. Die Marke „JOB SCOUT“ ist nur schwach kennzeichnend, weil jeder einzelne Wortbestandteil beschreibend ist und Kennzeichnungskraft nur aus beiden Wortbestandteilen (Gesamteindruck) zu erreichen ist. Der identische Bestandteil „Scout“ ist dabei nicht den Gesamteindruck prägend. Es fehlt deshalb an der hinreichenden Zeichenähnlichkeit, zumal wegen schwacher Kennzeichnungskraft ohnehin starke Zeichenähnlichkeit erforderlich wäre (Wechselwirkungslehre). Im übrigen läßt die Annahme einer Ähnlichkeit im Dienstleistungsbereich nur die Tatsache zu, daß beide Marken als Portale im Internet genutzt werden; jedoch haben sie völlig verschiedene Inhalte.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Serienmarke berufen. Denn zum einen wird „Scout“ vielfach benutzt und deshalb vom Verkehr nicht ohne weiteres als Zeichenbestandteil der Beklagten zugeordnet (vgl. dpma-Entscheidung- Anlage K 7). Im übrigen kommt es insoweit auf den Prioritätszeitpunkt der Marke des Klägers an. Zu diesem Zeitpunkt kann von einem Serienzeichen keine Rede sein, weil all die Marken, die zur Begründung des rechtlichen Gesichtspunktes der mittelbaren Verwechslungsgefahr / Serienzeichen herangezogen werden könnten, prioritätsjünger sind.

Die Abmahnung vom 6. Juni 2001 lässt nicht erkennen, daß der Beklagten damals die Existenz der Marke des Klägers mit Priorität vom 27.06.1997 bekannt gewesen ist. Dies ist um so überraschender, weil die Beklagte damals Patentanwaltsgebühren in Höhe von immerhin DM 4.825,02 (brutto) geltend gemacht hatte. Allein die Tatsache, daß die Beklagte den Kläger offenkundig in Unkenntnis der Markenlage, offensichtlich ohne Markenrecherche, angegriffen hat, begründet Fahrlässigkeit.

Andere rechtliche Gesichtspunkte, auf die die Beklagte ihren mit der Abmahnung geltenden gemachten Unterlassungsanspruch hätte stützen können, sind vor dem Hintergrund der Marke „City Scout“ des Klägers (Priorität vom 27.06.1997) nicht zu erkennen.

Der Kläger verweist zu Recht darauf, dass der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch unternehmensbedrohend war.

Nach alledem ist der Zahlungsanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt.

Der Anspruch ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Jedenfalls stehen die Parteien darum nicht im Streit.

Fundstelle: Kanzlei Flick

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