EuGH: Baby-dry

EuGH, Urteil vom 20.09.2001 – C-383/99 P
„Rechtsmittel – Zulässigkeit – Gemeinschaftsmarke – Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Absolutes Eintragungshindernis – Unterscheidungskraft – Marken, die ausschließlich aus beschreibenden Zeichen oder Angaben bestehen – Wortverbindung Baby-dry“

Wortbildungen wie Baby-dry können nicht als in ihrer Gesamtheit beschreibend angesehen werden; sie sind vielmehr Ergebnis einer lexikalischen Erfindung, die der so gebildeten Marke die Erfüllung einer Unterscheidungsfunktion ermöglicht, und können nicht gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 von der Eintragung ausgeschlossen werden. (Rn. 44)

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache T-163/98 (Procter & Gamble/HABM [BABY-DRY]) wird aufgehoben, soweit darin festgestellt wird, dass die Erste Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) in ihrer Entscheidung vom 31. Juli 1998 in der Beschwerdesache R 35/1998-1 nicht gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke verstoßen hat.

2. Die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 31. Juli 1998 in der Beschwerdesache R 35/1998-1 wird aufgehoben, soweit darin die Anmeldung der Marke Baby-dry gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 zurückgewiesen wird.

3. Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

URTEIL DES GERICHTSHOFES

20. September 2001 (1)

In der Rechtssache C-383/99 P

Procter & Gamble Company mit Sitz in Cincinnatti (Vereinigte Staaten von Amerika), Prozeßbevollmächtigter: T. van Innis, avocat, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführerin,

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Zweite Kammer) vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache T-163/98 (Procter & Gamble/HABM [BABY-DRY], Slg. 1999, II-2383) wegen Aufhebung dieses Urteils, soweit darin festgestellt wird, dass die Erste Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) in ihrer Entscheidung vom 31. Juli 1998 in der Beschwerdesache R 35/1998-1 nicht gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) verstoßen hat,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), vertreten durch O. Montalto und E. Joly als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, M. Wathelet und V. Skouris sowie der Richter J.-P. Puissochet (Berichterstatter), P. Jann, L. Sevón und R. Schintgen, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric und des Richters S. von Bahr,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 30. Januar 2001, in der die Procter & Gamble Company durch T. van Innis und F. Herbert, avocat, und das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) durch O. Montalto und E. Joly vertreten waren,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. April 2001,

folgendes

Urteil

1.
Die Procter & Gamble Company (im Folgenden: Procter & Gamble) hat mit Rechtsmittelschrift, die am 8. Oktober 1999 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittelgegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache T-163/98 (Procter & Gamble/HABM [BABY-DRY], Slg. 1999, II-2383, im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: Amt) vom 31. Juli 1998 in der Beschwerdesache R 35/1998-1 (im Folgenden: streitige Entscheidung) wegen Verstoßes gegen Artikel 62 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) – als einziger Aufhebungsgrund – aufgehoben hat, mit der die Beschwerde von Procter & Gamble gegen die Zurückweisung der Anmeldung der Wortverbindung Baby-dry als Gemeinschaftsmarke für Wegwerfwindeln aus Papier oder Zellulose und für Stoffwindeln abgewiesen worden war.

Die Verordnung Nr. 40/94

2.
Artikel 7 der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt:

„(1) Von der Eintragung ausgeschlossen sind

a) Zeichen, die nicht unter Artikel 4 fallen,

b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben,

c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliegen.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 Buchstaben b), c) und d) finden keine Anwendung, wenn die Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.“

3.
Artikel 62 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 lautet:

„Nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, entscheidet die Beschwerdekammer über die Beschwerde. Die Beschwerdekammer wird entweder im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an diese Dienststelle zurück.“

Sachverhalt

4.
Procter & Gamble meldete mit Schreiben vom 3. April 1996 die Wortverbindung Baby-dry als Gemeinschaftsmarke für Wegwerfwindeln aus Papier oder Zellulose und Stoffwindeln an.

5.
Der Prüfer des Amtes wies die Anmeldung am 29. Januar 1998 zurück. Mit der streitigen Entscheidung wies die Erste Beschwerdekammer des Amtes sodann die von Procter & Gamble gegen diesen Bescheid des Prüfers erhobene Beschwerde zurück. Die Kammer stellte fest, die Wortverbindung Baby-dry bestehe ausschließlich aus Wörtern, die im Verkehr zur Bezeichnung der Bestimmung der angemeldeten Waren dienen könnten, und habe auch keine Unterscheidungskraft. Sie sei deshalb gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 von der Eintragung ausgeschlossen. Die Kammer entschied weiter, das Argument von Procter & Gamble, die Marke habe im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt, sei unzulässig, da es nicht bereits beim Prüfer des Amtes geltend gemacht worden sei.

Das angefochtene Urteil

6.
Das angefochtene Urteil enthält zunächst die Feststellung, die Wortverbindung Baby-dry könne keine Gemeinschaftsmarke bilden, und bestätigt damit die in der streitigen Entscheidung vorgenommene Beurteilung.

7.
Das Gericht hat dazu ausgeführt, dass Zeichen, die ausschließlich aus Wörtern bestünden, die im Verkehr zur Bezeichnung der Bestimmung einer Ware dienen könnten, bereits ihrer Natur nach als ungeeignet anzusehen seien, die Waren eines Unternehmens von denen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden; dies gelte auch dann, wenn das Eintragungshindernis nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliege. Da Windeln eine Absorptionsfunktion hätten, um Säuglinge und Kleinkinder trockenzuhalten, informiere die Wortverbindung Baby-dry die Verbraucher nur über die Bestimmung der Waren, ohne einen zusätzlichen Bestandteil aufzuweisen, der der Wortverbindung Unterscheidungskraft verleihen könnte.

8.
Das Gericht hat sodann das Hilfsvorbringen der Rechtsmittelführerin geprüft, wonach ihr Beweisangebot zu der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft der Wortverbindung Baby-dry gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 in der streitigen Entscheidung mit der Begründung, es sei nicht bereits beim Prüfer geltend gemacht worden, zu Unrecht für unzulässig erklärt worden sei. Insoweit hat das Gericht entschieden, dass die Beschwerdekammer mit der Zurückweisung dieses Beweisangebots als unzulässig gegen Artikel 62 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen habe, der es bei seiner Auslegung im Kontext der Verordnung, die zwischen der Tätigkeit des Prüfers und der der Beschwerdekammern innerhalb des Amtes eine Kontinuität begründe, der Kammer nicht erlaube, ein Vorbringen nur deshalb zurückzuweisen, weil es nicht bereits beim Prüfer geltend gemacht worden sei.

9.
Das Gericht ist demgemäß zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitige Entscheidung aufzuheben sei, da die Beschwerdekammer des Amtes es zu Unrecht abgelehnt habe, das Vorbringen von Procter & Gamble zu Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 zu prüfen.

10.
Es hat die streitige Entscheidung aufgehoben und die Klage von Procter & Gamble im Übrigen abgewiesen.

Das Rechtsmittel

11.
Procter & Gamble beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin festgestellt wird, dass die Erste Beschwerdekammer des Amtes mit der streitigen Entscheidung nicht gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen hat. Die Rechtsmittelführerin beantragt ferner, dem Amt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

12.
Das Amt beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Procter & Gamble die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

Vorbringen der Parteien

13.
Die Rechtsmittelführerin trägt vor, sie sei mit ihrem Vorbringen beim Gericht teilweise unterlegen, da sie einen Verstoß der streitigen Entscheidung gegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 gerügt und das Gericht diese Rüge zurückgewiesen habe.

14.
Für ihr Rechtsmittel bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis, weil das Amt, um die sich aus dem angefochtenen Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, die fragliche Anmeldung nur gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94, nicht aber auch gemäß Absatz 1 Buchstaben b und c dieses Artikels erneut prüfen werde. Das Gericht habe nämlich die in der streitigen Entscheidung vorgenommene Auslegung von Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 gebilligt, und der Umfang der Verpflichtung, die sich aus dem angefochtenen Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, richte sich nach der Begründung des Urteils als notwendiger Grundlage seines Tenors.

15.
Das Amt räumt ein, dass die Rechtsmittelführerin ein Rechtsschutzbedürfnis habe, und wirft hinsichtlich der Zulässigkeit lediglich die Frage auf, ob der als Rechtsmittelgrund geltend gemachte gemeinschaftsrechtliche Verstoß ein Rechtsmittel begründen könne. Da der Gerichtshof dies als eine Frage zwingenden Rechts ohnehin zu prüfen habe, sehe es insoweit von einer näheren Stellungnahme ab.

Würdigung durch den Gerichtshof

16.
Artikel 49 Absätze 1 und 2 der EG-Satzung des Gerichtshofes bestimmt:

„Gegen die Endentscheidungen des Gerichts und gegen die Entscheidungen, die über einen Teil des Streitgegenstands ergangen sind oder die einen Zwischenstreit beenden, der eine Einrede der Unzuständigkeit oder Unzulässigkeit zum Gegenstand hat, kann ein Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden; die Rechtsmittelfrist beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.

Dieses Rechtsmittel kann von einer Partei eingelegt werden, die mit ihren Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist.“

17.
Artikel 92 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes lautet:

„Der Gerichtshof kann jederzeit von Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen fehlen, oder nach Anhörung der Parteien feststellen, dass die Klage gegenstandslos geworden und die Hauptsache erledigt ist; die Entscheidung ergeht gemäß Artikel 91 §§ 3 und 4.“

18.
Da Procter & Gamble beim Gericht die Aufhebung der streitigen Entscheidung beantragt hat und im Tenor des angefochtenen Urteils nur diese Aufhebung ausgesprochen wird, ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsmittelführerin mit ihren Anträgen zumindest teilweise unterlegen ist und ob demgemäß ihr gegen das angefochtene Urteil beim Gerichtshof eingelegte Rechtsmittel zulässig ist.

19.
Laut Randnummer 9 des angefochtenen Urteils hat die Rechtsmittelführerin beim Gericht u. a. den Hauptantrag gestellt, die streitige Entscheidung aufzuheben, soweit diese zu dem Ergebnis gelangt, dass die Marke nicht die Voraussetzungen des Artikels 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 erfüllt; daneben hat sie hilfsweise beantragt, die streitige Entscheidung aufzuheben, soweit darin ihr auf Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 gestütztes Vorbringen für unzulässig erklärt wird.

20.
Das Gericht hat mit der in Randnummer 28 des angefochtenen Urteils enthaltenen Feststellung, die Erste Beschwerdekammer des Amtes sei zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Wortverbindung Baby-dry nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 keine Gemeinschaftsmarke sein könne, zunächst den Hauptantrag ausdrücklich zurückgewiesen. Erst in einem zweiten Schritt hat es weiter entschieden, die Kammer habe, indem sie das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu Artikel 7 Absatz 3 für unzulässig erklärt habe, gegen Artikel 62 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen, und demgemäß dem Hilfsantrag stattgegeben.

21.
Aus seiner Prüfung der beiden Klageanträge hat das Gericht sodann in Randnummer 54 des angefochtenen Urteils den allgemeinen Schluss gezogen, dass die streitige Entscheidung aufzuheben sei, da es die Erste Beschwerdekammer des Amtes zu Unrecht abgelehnt habe, das auf Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94gestützte Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu prüfen; es hat hinzugefügt, dass das Amt die sich aus dem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen habe.

22.
Obgleich der Tenor des angefochtenen Urteils die in dessen Randnummer 54 formulierte Beschränkung nicht ausdrücklich wiederholt, ist unter diesen Umständen festzustellen, dass das Urteil der Rechtsmittelführerin in Wirklichkeit nur teilweise Recht gibt.

23.
Die Erste Beschwerdekammer des Amtes erließ nämlich in Form eines einzigen Rechtsakts, der streitigen Entscheidung, zwei Maßnahmen, und zwar zum einen den Ausschluss der Wortverbindung Baby-dry von der Eintragung gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 und zum anderen die Zurückweisung des Vorbringens der Rechtsmittelführerin zu Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 als unzulässig.

24.
Mit der Aufhebung der streitigen Entscheidung, soweit darin die Prüfung des Vorbringens zu Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 abgelehnt wurde – und nur insoweit – , ließ das angefochtene Urteil den Teil der streitigen Entscheidung fortbestehen, der die Eintragungsfähigkeit der Wortverbindung Baby-dry gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 betrifft.

25.
Das Gericht hat damit den von ihm überprüften Rechtsakt nur teilweise aufgehoben. Um die sich aus dem angefochtenen Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen, auf die dessen Randnummer 54 Bezug nimmt, durfte sich das Amt auf die Prüfung der Anwendung des Artikels 7 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 auf den vorliegenden Fall beschränken, ohne seine vom Gericht bestätigte Auslegung des Artikels 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 zu ändern.

26.
Damit hat Procter & Gamble für ihr Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis dargetan, als darin ihr Antrag abgelehnt worden ist, die Zurückweisung der Anmeldung der Marke Baby-dry gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 aufzuheben.

27.
Das Rechtsmittel, mit dem die Aufhebung des angefochtenen Urteils in dieser Hinsicht begehrt wird, ist deshalb für zulässig zu erklären.

Zur Begründetheit des Rechtsmittels

Vorbringen der Parteien

28.
Die Rechtsmittelführerin macht als einzigen Rechtsmittelgrund geltend, das Gericht habe das absolute Eintragungshindernis des ausschließlich beschreibenden Charakters der eine Marke bildenden Zeichen und Angaben zu weit ausgelegt. Gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 dürften von der Eintragung als Gemeinschaftsmarke lediglich Zeichen und Angaben ausgeschlossen werden, die dasPublikum nur als Bezeichnung der Merkmale der betroffenen Ware auffassen könne und die deshalb als ungeeignet gälten, die Unterscheidungsfunktion einer Marke zu erfüllen; eine Marke müsse es ermöglichen, eine Ware dem sie vertreibenden Unternehmen zuzuordnen und damit von gleichartigen Waren konkurrierender Unternehmen zu unterscheiden.

29.
Mit seiner Feststellung, die Wortverbindung Baby-dry informiere die Verbraucher unmittelbar über die Bestimmung der Waren und sei mit keinem zusätzlichen Bestandteil versehen, der dem Zeichen insgesamt die Fähigkeit verleihen könnte, die Waren der Rechtsmittelführerin von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden, habe das Gericht die fragliche Bestimmung fehlerhaft ausgelegt und angewandt.

30.
Das Gericht habe sich in seinem Urteil von einer überholten Konzeption der Marke leiten lassen, nach der die Eintragung einer Marke ihrem Inhaber ein Monopol auf die Verwendung der die Marke bildenden Zeichen oder Angaben einräume, das zur Folge habe, dass alle beschreibenden Zeichen oder Angaben, die zur Verwendung im Verkehr freigehalten werden müssten, per definitionem ungeeignet seien, Marken zu bilden.

31.
Nach der modernen Konzeption, die der Verordnung Nr.40/94 zugrunde liege, sei hingegen jedes monopolartige Recht an den eine Marke bildenden Zeichen oder Angaben ausgeschlossen; Dritte dürften diese weiterhin normal verwenden. Dementsprechend könne keine Kategorie von Zeichen oder Angaben abstrakt als ungeeignet gelten, eine Marke zu bilden. Wie Gattungsbegriffe seien beschreibende Zeichen oder Angaben nur eine Untergruppe des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft als Marke angemeldeter Zeichen oder Angaben, da für die Prüfung, ob diese die betroffenen Waren nach ihrer Herkunft von einem bestimmten Unternehmen zu identifizieren geeignet seien, beide Gesichtspunkte – Unterscheidungskraft und nicht ausschließlich beschreibender Charakter – gemeinsam zu würdigen seien.

32.
Das Amt, das diesen theoretischen Ausführungen nicht entgegentritt, hebt hervor, dass der maßgebende Gesichtspunkt für die Beurteilung der Frage, ob ein Zeichen eine Marke bilden könne, die Unterscheidungskraft sei, während der ausschließlich beschreibende Charakter insoweit einen Fall darstelle, in dem das Fehlen von Unterscheidungskraft vermutet werde.

33.
Um ein angemeldetes Zeichen als beschreibend zurückzuweisen, müssten drei Voraussetzungen erfüllt sein:

– das Fehlen gestalterischer Merkmale oder zusätzlicher Bestandteile, bei deren Vorhandensein das Zeichen nicht ausschließlich beschreibend wäre;

– eine Bezugnahme des Zeichens auf eine wesentliche Eigenschaft der Ware und nicht nur eine sekundäre oder der Ware nicht eigentümliche Eigenschaft;

– die Erkennbarkeit dieser Bezugnahme für die als Verbraucher der Ware angesprochenen Verkehrskreise.

34.
Die Wortverbindung Baby-dry erfülle, wie das Gericht festgestellt habe, diese drei Voraussetzungen, die für ihre Einstufung als ausschließlich beschreibend erforderlich seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

35.
Von der Eintragung ausgeschlossen sind gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 solche Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, und nach Buchstabe c die Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können.

36.
Nach Artikel 12 der Verordnung Nr. 40/94 gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, Angaben über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die geographische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere Merkmale der Ware oder Dienstleistung im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht.

37.
Wie eine Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt, wird mit dem Verbot, ausschließlich beschreibende Zeichen oder Angaben als Marken einzutragen, der – sowohl von Procter & Gamble als auch vom Amt anerkannte – Zweck verfolgt, zu verhindern, dass als Marken Zeichen oder Angaben eingetragen werden, die wegen ihrer Übereinstimmung mit der üblichen Art und Weise, die betroffenen Waren oder Dienstleistungen oder ihre Merkmale zu bezeichnen, die Funktion, das sie vertreibende Unternehmen zu identifizieren, nicht erfüllen könnten und die daher nicht die Unterscheidungskraft besitzen, die diese Funktion voraussetzt.

38.
Nur diese Auslegung ist auch mit Artikel 4 der Verordnung Nr. 40/94 vereinbar, wonach Gemeinschaftsmarken alle Zeichen sein können, die sich graphisch darstellen lassen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware, soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

39.
Unter Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 fallen damit nur solche Zeichen und Angaben, die im normalen Sprachgebrauch nach dem Verständnis des Verbrauchers die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können. Eine Marke, die dieser Definition entsprechende Zeichen oder Angaben enthält, kannaußerdem nur dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn sie nicht noch weitere Zeichen oder Angaben enthält und wenn ferner die in ihr enthaltenen ausschließlich beschreibenden Zeichen oder Angaben nicht in einer Weise wiedergegeben oder angeordnet sind, die das Gesamtzeichen von der üblichen Art und Weise, die fraglichen Waren oder Dienstleistungen oder ihre wesentlichen Merkmale zu bezeichnen, unterscheidet.

40.
Soweit, wie im vorliegenden Fall, aus Wörtern bestehende Marken in Frage stehen, muss ein etwaiger beschreibender Charakter nicht nur gesondert für jedes Wort, sondern auch für das durch die Wörter gebildete Ganze festgestellt werden. Jede erkennbare Abweichung in der Formulierung einer angemeldeten Wortverbindung von der Ausdrucksweise, die im üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise für die Bezeichnung der Ware oder der Dienstleistung oder ihrer wesentlichen Merkmale verwendet wird, ist geeignet, einer Wortverbindung die für ihre Eintragung als Marke erforderliche Unterscheidungskraft zu verleihen.

41.
Dabei findet gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 Absatz 1 dieses Artikels auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Gemeinschaft vorliegen. Nach dieser Bestimmung, die in Randnummer 24 des angefochtenen Urteils zu Recht herangezogen wird, scheidet die Eintragung einer Wortverbindung als Gemeinschaftsmarke bereits dann aus, wenn sie nur in einer der innerhalb der Gemeinschaft im Verkehr verwendeten Sprachen ausschließlich beschreibend ist.

42.
Um zu beurteilen, ob eine Wortverbindung wie Baby-dry Unterscheidungskraft haben kann, ist demgemäß vom Verständnis eines englischsprachigen Verbrauchers auszugehen. Nach diesem Verständnis hängt die Beurteilung in Bezug auf Windeln für Babies und Kleinkinder davon ab, ob die fragliche Wortverbindung als normale Ausdrucksweise aufgefasst werden kann, um im üblichen Sprachgebrauch diese Ware zu bezeichnen oder ihre wesentlichen Merkmale wiederzugeben.

43.
Obgleich die fragliche Wortverbindung unstreitig auf die Funktion hinweist, die diese Ware erfüllen soll, genügt sie nicht den oben in den Randnummern 39 bis 42 dargelegten Voraussetzungen. Auch wenn nämlich jedes der beiden Wörter, aus denen das Gesamtzeichen besteht, Teil im üblichen Sprachgebrauch verwendeter Ausdrücke zur Bezeichnung der Funktion von Babywindeln sein kann, ist ihre der Struktur nach ungewöhnliche Verbindung kein bekannter Ausdruck der englischen Sprache, um diese Waren zu bezeichnen oder ihre wesentlichen Merkmale wiederzugeben.

44.
Wortbildungen wie Baby-dry können folglich nicht als in ihrer Gesamtheit beschreibend angesehen werden; sie sind vielmehr Ergebnis einer lexikalischen Erfindung, die der so gebildeten Marke die Erfüllung einer Unterscheidungsfunktion ermöglicht, und können nicht gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 von der Eintragung ausgeschlossen werden.

45.
Die vom Gericht getroffene Feststellung, die Erste Beschwerdekammer des Amtes habe auf der Grundlage dieser Bestimmung zu Recht entschieden, dass die Wortverbindung Baby-dry keine Gemeinschaftsmarke sein könne, beruht daher auf einem Rechtsfehler.

46.
Nach alledem sind das angefochtene Urteil in dem von Procter & Gamble begehrten Umfang und gemäß ihren beim Gericht gestellten Anträgen die streitige Entscheidung aufzuheben, soweit darin die Anmeldung der Marke Baby-dry gemäß Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 40/94 zurückgewiesen wird.

Kosten

47.
Gemäß Artikel 122 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet.

48.
Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der nach ihrem Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Procter & Gamble beantragt hat, dem Amt die Kosten aufzuerlegen und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, hat das Amt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.

1: Verfahrenssprache: Französisch.

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