BPatG: Verwechslungsgefahr zwischen der Wortmarke „Absolut“ und der Gemeinschaftsmarke „ABSOLUT“ Beschluss vom 01.03.2010 – 26 W (pat) 28/09

Zur Verwechslungsgefahr zwischen der Wortmarke „Absolut“ und der Gemeinschaftsmarke „ABSOLUT“. Zwischen den Waren „Biere“ und „alkoholische Waren (ausgenommen Biere)“ und „Wodka“ besteht unter dem Gesichtspunkt, dass die angesprochenen Waren gemeinsam in Getränkemärkten (wenngleich in der Regel in getrennten Regalen, häufig allerdings in räumlicher Nähe) angeboten werden, jedenfalls eine geringe Warenähnlichkeit (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 1997, 26 W (pat) 185/96).

BPatG, Beschluss vom 01.03.2010 – 26 W (pat) 28/09Wortmarke „Absolut“ und Gemeinschaftsmarke „ABSOLUT“
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

BESCHLUSS

An Verkündungs Statt zugestellt am 1. März 2010

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 303 23 898

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Fuchs-Wissemann sowie der Richter Reker und Richter am OLG Lehner

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Mai 2008 unter teilweiser Zurückweisung der Erinnerung der Markeninhaberin hinsichtlich der Waren

„Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Verpflegung von Gästen“

aufgehoben und insoweit die Erinnerung der Markeninhaberin gegen den Beschluss vom 21. März 2006 zurückgewiesen.

Gründe

I
Gegen die für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, unter anderem für „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Verpflegung von Gästen“ eingetragene Wortmarke 303 23 898

Absolut

ist Widerspruch eingelegt worden aus der unter anderem für „Wodka“ eingetragenen prioritätsälteren Gemeinschaftsmarke 1521681

ABSOLUT.

Den dem Widerspruch insoweit stattgebenden Beschluss des Erstprüfers hat die Markenstelle im Erinnerungsverfahren auf die Erinnerung der Markeninhaberin aufgehoben und den Widerspruch insgesamt zurückgewiesen. Im Erinnerungsbeschluss vom 28. Mai 2008 wurde zur Begründung ausgeführt, auf die von der Markeninhaberin erhobene Nichtbenutzungseinrede hin habe die Widersprechende die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht. Die von ihr eingereichten Unterlagen seien mangels Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ungeeignet und auch nicht genügend aussagekräftig, um den Umfang der von der Widersprechenden behaupteten Benutzung der Widerspruchsmarke für die eingetragenen Waren „Wodka“ zu belegen. Auf eine allgemeine Bekanntheit der Widerspruchsmarke könne sich die Widersprechende nicht berufen, da hieraus keine gesicherten Erkenntnisse für eine rechtserhaltende Benutzung zu ziehen seien.

Gegen den Erinnerungsbeschluss hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Ihrer Auffassung nach habe der Erinnerungsprüfer den von ihr vorgelegten Geschäftsbericht des Jahres 2006 nicht ausreichend gewürdigt. Diesem sei nämlich zu entnehmen, dass mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Spirituosen in großem Umfang in Deutschland in den vergangenen Jahren vertrieben worden seien. Bei „ABSOLUT“ Wodka handle es sich weltweit um die viertgrößte Wodkamarke. Deutschland zähle zu den größten Absatzmärkten für „ABSOLUT“ Wodka.

Die im Inland erzielten Umsätze für 2008 beliefen sich auf über … Euro, im Jahr 2009 bis einschließlich Oktober auf bereits über … Euro.

Die Widersprechende – die nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre Beschwerde in Richtung auf die Waren „Beherbergung von Gästen“ teilweise zurückgenommen hat – beantragt,

den Erinnerungsbeschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 28. Mai 2008 hinsichtlich der Waren „Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Verpflegung von Gästen“ aufzuheben und die Erinnerung insoweit zurückzuweisen.

Die Markeninhaberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach besteht schon mangels ausreichender Waren- und Dienstleistungsnähe keine Verwechslungsgefahr. Außerdem fehle es aufgrund der auffälligen grafischen Gestaltung der angegriffenen Marke, die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finde, an einer hinreichenden Zeichennähe.

Zum weiteren Vorbringen wird auf die zwischen den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Die Widersprechende hat die rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke für die Waren „Wodka“ ausreichend glaubhaft gemacht. Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht im Umfang der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Der angegriffene Erinnerungsbeschluss der Markenstelle war daher unter teilweiser Zurückweisung der Erinnerung aufzuheben.

Die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin ist aus den insoweit zutreffenden Gründen der Erinnerungsentscheidung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässig. Der Auffassung der Markenstelle, die von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen reichten mangels Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung und angesichts fehlender Umsatzangaben zum Vertrieb von mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Waren nicht aus, um eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die eingetragenen Waren „Wodka“ im Sinne von § 26 Abs. 2 MarkenG innerhalb der letzten fünf Jahre glaubhaft zu machen, vermag der Senat allerdings nicht zu folgen. Zwar ist die eidesstattliche Versicherung das wichtigste Glaubhaftmachungsmittel zur Vorlage von Benutzungsnachweisen (vgl. Ströbele/Hacker, 9. Aufl. 2009, § 43 Rn. 55). Dies führt allerdings nicht dazu, dass bei Fehlen einer eidesstattlichen Versicherung einer Glaubhaftmachung mit Hilfe anderweitiger Benutzungsnachweise die Grundlage entzogen ist. Auch sonstige Unterlagen können als Glaubhaftmachungsmittel geeignet und im Einzelfall auch ausreichend sein, wenn diesen eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke innerhalb des relevanten Zeitraums mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen ist (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 43 Rn. 53; Kramer in HK-MarkenR, 2. Aufl. 2009, § 43 Rn. 38). So liegt der Fall hier.

Mit dem Vertrieb von „ABSOLUT VODKA“ hat die Widersprechende im deutschen Lebensmitteleinzelhandel in den Jahren 2004 bis 2009 zweistellige Millionenumsätze erzielt. Allein im Jahr 2008 belief sich das Umsatzvolumen auf … € (vgl. Anl. W 10). Dem als Anlage W 2 vorgelegten Bericht der Financial Times Deutschland vom 11. Mai 2007 ist zu entnehmen, dass es sich bei „ABSOLUT“ zum damaligen Zeitpunkt weltweit um die viertgrößte Wodka-Marke handelte.

Deutschland zählt zu den Hauptabsatzmärkten. Allein im Jahre 2006 sind im Inland 273.000 9-Liter-Kartons, dies entspricht 2.457.000 1-Liter-Flaschen „ABSOLUT“ Wodka vertrieben worden (vgl. Anl. W 7). Einer rechtserhaltenden Benutzung steht auch nicht entgegen, dass das Produkt der Widersprechenden unter der Kennzeichnung „ABSOLUT VODKA“ vertrieben wird. Durch den beschreibenden Zusatz „VODKA“ wird der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke nicht verändert (§ 26 Abs. 3 S. 1 MarkenG, vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 26 Rn. 101).

Zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht auch Verwechslungsgefahr im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2007, 1066, 1067/1068 – Kinderzeit; GRUR 2006, 859, 860 – Malteserkreuz; GRUR 2006, 60, 61 – cocodrillo; GRUR 2005, 513, 514 – MEY/Ella May).

In Ansehung des aufgrund eingehender Benutzung im Inland hohen Bekannt-heitsgrades ist von einer überdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke „ABSOLUT“ für die eingetragene Ware „Wodka“ auszugehen (vgl. Jansen in HK-MarkenR, 2. Aufl. 2009, § 9 Rn. 244 m. w. N.; Ströbele/Hacker a. a. O., § 9 Rn. 114). Die sich gegenüberstehenden Zeichen sind in klanglicher und in schriftbildlicher (zur Unbeachtlichkeit der Unterschiede von Groß- und Kleinschreibung beim Zeichenvergleich vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rn. 155) Hinsicht identisch. Angesichts zumindest geringer Warenähnlichkeit ist bei dieser Sachlage die Gefahr einer unmittelbaren Verwechslung der sich gegenüberstehenden Zeichen nicht auszuschließen.

Von einer Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen ist auszugehen, wenn diese in Berücksichtigung aller Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen (z. B. Beschaffenheit, betriebliche Herkunft, Vertriebsart, Verwendungszweck, Nutzung, wirtschaftliche Bedeutung), so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind, wobei vom größten Schutzumfang der älteren Marke auszugehen ist (st. Rspr., vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 582, 584 – VITAFRUIT; BGH GRUR 2007, 321, 322 – COHIBA; GRUR 2006, 941, 942 – TOSCA BLU; GRUR 2004, 600, 601 – d-c-fix/CD-FIX).

Zwischen den Waren „Biere“ und „alkoholische Waren (ausgenommen Biere)“ und „Wodka“ besteht unter dem Gesichtspunkt, dass die angesprochenen Waren gemeinsam in Getränkemärkten (wenngleich in der Regel in getrennten Regalen, häufig allerdings in räumlicher Nähe) angeboten werden, jedenfalls eine geringe Warenähnlichkeit (vgl. Senat, Beschluss vom 10. September 1997, 26 W (pat) 185/96). Gleiches gilt für „Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke“ sowie für „Fruchtgetränke“ (so auch Senat, Beschluss vom 7. Mai 1997, 26 W 112/96, wonach im Vergleich zu „Spirituosen“ von einer Warenähnlichkeit mit gewissem Abstand auszugehen sei). Vor allem „Fruchtsäfte“, aber auch „Sirupe und andere Präparate zur Zubereitung von Getränken“ werden in Verbindung mit „Wodka“ für die Zubereitung von Longdrinks und Cocktails verwendet, so dass auch insoweit von einer im Gesamtkontext die Verwechslungsgefahr begründenden Warenähnlichkeit auszugehen ist.

Zwischen der Ware „Wodka“ und den Dienstleistungen „Verpflegung von Gästen“ besteht eine entfernte Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit (vgl. BGH GRUR 1999, 586). Der wirtschaftliche Bezug der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen ist darin zu sehen, dass sich die verfahrensgegenständlichen Zeichen auf den Speisekarten von Gaststätten sowie Restaurants unmittelbar begegnen können (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 1995, 26 W (pat) 180/94).

Nach alledem besteht eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich der aus dem Tenor ergebenden Waren und Dienstleistung, so dass insoweit die Löschungsanordnung im Erstbeschluss gerechtfertigt ist.

Der Fall bietet keinen Anlass, vom Grundsatz, wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), abzuweichen.

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