BPatG: Kostenauferlegung aus Billigkeit im Beschwerdeverfahren

BPatG, Beschluss vom 10.11.2008 – 30 W (pat) 156/06 – Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen
§ 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG

Im Beschwerdeverfahren sind dem Widersprechenden die Kosten aus Billigkeitsgründen aufzuerlegen, wenn er auf die zulässige Einrede der Nichtbenutzung den Widerspruch ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt. Ein solches Verhalten liegt vor, wenn keine Unterlagen zur Glaubhaftmachung eingereicht werden, der Widersprechende nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint und der Widerspruch auch nicht zurückgenommen wird.

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 753 535

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Vogel von Falckenstein sowie die Richterin Hartlieb und den Richter Paetzold

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

G r ü n d e

I .
Gegen die für diverse Waren der Klasse 9 am 10. Mai 2001 (mit Priorität vom 23.11.2000) veröffentlichten international registrierte Marke 753 535

i1

ist Widerspruch erhoben worden aus der am 3. Oktober 2000 angemeldeten und seit dem 3. April 2001 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 37 und 42 eingetragenen Wortmarke 300 74 380

JI„.

Die Markenstelle für Klasse 9 IR des Deutschen Patent-und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen vom 2. Mai 2005 und 22. August 2006 den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Dagegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die IR-Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 14. Juli 2007 die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Widersprechende hat weder Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung eingereicht noch ist sie zum auch von ihr hilfsweise beantragten Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.

II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache bereits deshalb keinen Erfolg, weil die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke nicht glaubhaft gemacht hat.

Die Inhaberin der jüngeren Marke hat mit Schriftsatz vom 14. Juli 2007 die Benutzung der seit dem 3. April 2001 eingetragenen Widerspruchsmarke bestritten. Diese Einrede war auch zulässig. Zwar war die fünfjährige Benutzungsschonfrist gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG noch nicht im Zeitpunkt der für IR-Marken maßgeblichen Veröffentlichung der Eintragung im Veröffentlichungsblatt der WIPO (vgl. § 114 Abs. 1 MarkenG) am 10. Mai 2001 abgelaufen, da die Widerspruchsmarke erst am 3. April 2001 eingetragen worden war. Allerdings umfasst die undifferenzierte Geltendmachung der Nichtbenutzung auch die weitere Einrede nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 43 Rdn. 15 m. w. N.), wonach die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch glaubhaft zu machen hat, so dass die Benutzungsschonfrist fünf Jahre nach Eintragung der Widerspruchsmarke am 19. April 2006 abgelaufen war und seitdem die Widersprechende mit der Erhebung der Einrede rechnen musste. Das konnte, da die Einrede keiner Ausschlussfrist unterliegt, auch noch im Beschwerdeverfahren geschehen. Nachdem der Schriftsatz an die Widersprechende ausweislich des Zustellungsnachweises (ZU) am 19. Juli 2007 zugestellt worden ist, wäre es Aufgabe der Widersprechenden gewesen, vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass sie ihre Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch benutzt hat (§ 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Das ist nicht geschehen. Für einen solchen Sachvortrag und der Einreichung von Glaubhaftmachungsunterlagen bedurfte es keiner besonderen Aufforderung durch das Gericht. Die Widersprechende hat nach Übermittlung der Einrede von sich aus unverzüglich alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Der im Rahmen des Benutzungszwanges herrschende Beibringungsgrundsatz lässt es grundsätzlich auch nach der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung des § 139 ZPO nicht zu, die Widersprechende auf diese Verpflichtung zum Vortrag hinzuweisen (vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 – ESTAVITAL m. w. N. zur früheren Rechtslage). Zwar besteht die Hinweispflicht des Gerichtes entsprechend § 139 ZPO auch im Widerspruchsverfahren. Sie hat aber ihre Grenze in Fällen, in denen ein solcher Hinweis eine Selbstverständlichkeit wäre, in denen nicht ersichtlich ist, dass dieser Gesichtspunkt übersehen worden ist oder wenn der Hinweis die Stellung der einen Partei stärken und gleichzeitig die der anderen schwächen würde, also zu einer Parteinahme des Gerichts führen würde.

Die Widersprechende hat auch ausreichend Gelegenheit gehabt, zur Nichtbenutzungseinrede vorzutragen. Seit Übersendung des entsprechenden Schriftsatzes ist mittlerweile über ein ganzes Jahr vergangen, ohne dass sie sich auch nur formal auf dieses Bestreiten eingelassen hat oder etwa den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrgenommen hätte. Das Schweigen der Widersprechenden ist vom Senat daher als Zugeständnis des gegnerischen Sachvortrags nach § 138 Abs. 3 ZPO zu werten, womit von der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke auszugehen ist.

Der Widersprechenden waren aus Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG aufzuerlegen. Eine Kostenauferlegung unter Billigkeitsgesichtspunkten kommt vor allem bei einem Verhalten eines Beteiligten in Betracht, das mit der prozessualen Sorgfaltspflicht nicht zu vereinbaren ist. Im Falle einer zulässigerweise erhobenen Einrede der Nichtbenutzung ist dies dann anzunehmen, wenn der Widerspruch ohne ernsthaften Versuch der erforderlichen Glaubhaftmachung weiterverfolgt wird (ständige Rechtsprechung, BPatG GRUR 1996, 981 f.; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. 2006, § 71 Rdn. 15 m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat die Widersprechende weder Glaubhaftmachungsunterlagen eingereicht noch ist sie zur mündliche Verhandlung erschienen, die der Senat auf den entsprechenden schriftlichen Hilfsantrag der Widersprechenden durchgeführt hat. Ebenso wenig hat sie ihren Widerspruch zurückgenommen. Ein solches Verhalten zieht zwangsläufig die Kostentragungspflicht nach sich (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O.).

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